Lechtenberg | Die Sonntagsevangelien im Lesejahr C | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 192 Seiten

Lechtenberg Die Sonntagsevangelien im Lesejahr C

Auslegungen für Predigt und Meditation
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7917-6262-3
Verlag: Pustet, F
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Auslegungen für Predigt und Meditation

E-Book, Deutsch, 192 Seiten

ISBN: 978-3-7917-6262-3
Verlag: Pustet, F
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



'Neuevangelisierung' der Gesellschaft als Allheilmittel ohne gravierende Kirchenreform? Das ist nicht die Vision des Lukasevangeliums. Mit beinahe jedem Wort stellt es Bilder einer neuen Welt vor Augen, die sich in der Schar der Jüngerinnen und Jünger Jesu verwirklichen soll und verwirklichen kann - vorausgesetzt, die Botschaft Jesu bliebe kein Bekenntnis, sondern würde zum Lebensstil. Ob der Evangelist Lukas schon zu seiner Zeit vor allem herausfordern und aufregen wollte, um anregend zu wirken? - Möglich. Im 21. Jahrhundert ist seine Frohe Botschaft eine geradezu erschütternde Erinnerung daran, was und wie Kirche sein könnte, und ein heilsames Kontrastprogramm auf der Suche nach einem christlichen Lebensstil.

Anke Lechtenberg, Diplomtheologin, geb. 1971, war bis 2008 Pastoralreferentin im Bistum Trier und Mitarbeiterin in der Homiletikausbildung. Seither ist sie als Studienrätin in einem Berufskolleg in Ibbenbüren tätig
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Dann richtet euch auf und erhebt eure Häupter.

(Lk 21,28)

Teil des Problems oder Teil der Lösung?
Erster Adventssonntag: Lk 21, 25–28.34–46


Der Advent jedes Lesejahres beginnt damit, uns apokalyptische Szenarien vor Augen zu führen. Gibt es nichts Wohltuenderes zu sagen in die vor uns liegenden Wochen? Krisen haben wir doch selbst bereits genug – so sehr, dass die Gesellschaft für deutsche Sprache den Begriff „Krisenmodus“ 2023 zum Wort des Jahres wählte. Sie begründete diese Entscheidung mit der Feststellung, der krisenhafte Ausnahmezustand sei inzwischen zum Dauerzustand geworden.

Genau darin allerdings unterscheiden sich unsere Krisen von der, die die jüdische Apokalyptik beschreibt. Sie lässt nämlich keinen endlos furchtbaren Dauerzustand anklingen. Sie erzählt den Untergang des Alten als Sehnsucht nach dem Rettungshandeln Gottes, das in Wandlung und Neuwerden mündet. Deshalb besteht die Sinnspitze der Apokalyptik nicht darin, Angst zu verbreiten vor dem Ende der Welt, sondern die Hoffnung auf Gott groß zu halten und sich ihr hier und jetzt zur Verfügung zu stellen. Aus diesen Zusammenhängen gewinnt der Advent seinen Ernst und seine Tiefe, und das gilt auch für die Krisen unserer Zeit:

Wir plündern die Erde aus als hätten wir eine zweite im Gepäck. Unser Wohlstand verursacht Hunger und Armut in vielen anderen Ländern. Die ungebremste Klimaerwärmung ruiniert die Zukunft unserer Kinder und Enkel. Populisten befinden sich auf dem Vormarsch, und als Kirche verweigern wir uns den wirklichen Herausforderungen unserer Zeit, indem wir die besten Energien in internen Diskussionen verpuffen lassen, die seit 50 Jahren bereits dieselben sind.

Wenn wir die Trauer zulassen, dass so viel guter Wille ins Leere läuft und so viele Chancen vertan werden, ahnen wir, aus welcher Tiefe die Bitten des Advents aufsteigen, Gott möge den Himmel aufreißen und herabkommen. Dann aber fühlen wir auch die Leidenschaft dieser Sehnsucht und die Größe der adventlichen Hoffnung. Sie reicht tiefer als die Bitte der Kinder, es möge nun endlich Weihnachten werden, tiefer auch als das Verlangen nach gemütlichen Stunden. Es geht im Advent um die Sehnsucht erwachsener Menschen, die sich nicht damit abfinden können und wollen, dass die Welt ist, wie sie ist.

Jesus fordert dazu auf, sich aufzurichten, das Haupt zu erheben und wach zu sein; sich innerlich weder wegzubeamen noch stumpf mit dem Alltagsgeschäft zufriedenzugeben. Er will uns als aufmerksame Zeitgenossinnen und Zeitgenossen, die darum wissen, dass Gott nicht (nur) in den frommen Ecken des Lebens auf uns zukommt, sondern in der ganzen Wirklichkeit, die uns umgibt. In diesem Bewusstsein gilt es, die Krisen und die Traurigkeit, die Verwirrung und die Sehnsucht, die sie in unseren Herzen auslösen, als ein Hintreten vor den Menschensohn lesen zu lernen und zu begreifen: Krise ist nicht Untergang, sondern – apokalyptisch im besten Sinne – der Aufruf zu einer Entscheidung. Gottes Kommen kommt auch als Frage auf uns zu, und sie lautet: Wie will ich am Ende gelebt haben, um nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung gewesen zu sein?

Da erging in der Wüste das Wort Gottes an Johannes.

(Lk 3,2)

Wenn Gott geschehen darf
Zweiter Adventssonntag: Lk 3,1–6


Der Evangelist Lukas lässt die Vorgeschichte des öffentlichen Wirkens Jesu mit einem Paukenschlag beginnen: Er präsentiert die politischen und religiösen Größen seiner Zeit in der Absicht, sie mit einem einzigen Verb direkt wieder von der Bühne zu fegen. „Egeneto“ heißt es und versteckt sich hinter der deutschen Übersetzung „Da erging in der Wüste das Wort Gottes“. Wörtlicher müsste es heißen: „Da geschah in der Wüste das Wort Gottes“.

Für die bibelkundigen Leserinnen und Leser des Lukas korrespondiert „egeneto“ mit dem hebräischen Verb „wajehi“ zu Beginn des Schöpfungsberichts und assoziiert: Jetzt geht Gott selbst ans Werk. Jetzt tritt etwas ins Leben, das man nicht selber machen kann; etwas, das man geschehen lassen muss, dem man sich höchstens öffnen kann, um ihm möglichst wenig im Wege zu stehen. Deshalb sind die vermeintlich großen Größen aus Politik und Religion überhaupt nicht von Belang, meint Lukas. Was wirklich wichtig ist, geschieht, wenn Gott geschehen darf. Für diesen Perspektivwechsel steht Johannes der Täufer und seine „Taufe der Umkehr zur Vergebung der Sünden“.

Wir sind es gewohnt, den Begriff „Sünde“ mit moralischen Verfehlungen zu assoziieren. Die Bibel definiert die Sünde sehr viel tiefer als den menschlichen Hang, nicht Gott geschehen zu lassen, sondern das Leben lieber in die eigene Hand zu nehmen. Als treibendes Grundgefühl identifiziert sie in der symbolischen Erzählung vom Sündenfall Misstrauen und Angst. Angst hat viele Gesichter, doch ihr letztes ist hinter jeder Angst die Fratze des Todes, die Angst, zugrunde zu gehen. Angst giert deshalb nach Macht und Kontrolle. Sie verleitet uns, eng und knauserig zu denken, Mauern zu errichten und die Menschen um uns herum als feindlich zu empfinden. Angst kann verführen, Sicherheit durch Eindruck zu generieren und sich über das eigene „Normalmaß“ hinaus aufzublähen. Oder sie verlockt zum Gegenteil: sich klein zu machen und auf falsche Weise anzupassen.

Der Täufer Johannes muss verstanden haben, dass angesichts der Angst als Wurzelgrund der Sünde moralische Ermahnungen nicht genügen. Wenn die Umkehr, zu der er aufruft, wesentlich werden soll, muss sie tiefer reichen. So beginnt er zu taufen und schafft damit eine Erfahrung, die über die bekannten rituellen Selbstwaschungen des Judentums weit hinausreicht: Wer zu Johannes in den Jordan steigt, wird eingeladen, tatsächlich zugrunde zu gehen. Doch anders als in allen anderen Religionen taucht man sich nicht selber unter, man wird getaucht. Darin liegt die Erfahrung, im Zugrundegehen nicht ins Nichts zu fallen, sondern dem wahren Grund des Lebens zu begegnen, der uns hält und trägt.

Umkehr besteht deshalb nicht bloß darin, ein moralisch besserer Mensch zu sein; auch nicht darin, alle religiösen Regeln und Gebote pflichtgetreu erfüllen zu wollen. Bemerkenswert ist ja, dass Johannes am Tempel und seinem Kultbetrieb „vorbei tauft“ und das heißt: Es geht um Existenzielleres als das Erfüllen moralischer oder religiöser Vorgaben. „Metanoia“ als Umlernen und Neuwerden entsteht daraus, den Himmel unmittelbar nah zu wissen und sich der Güte Gottes (wieder) anzuvertrauen. Solche Umkehr braucht die Bereitschaft, das Loslassen zu üben, um Gott geschehen zu lassen und ihm nicht mit unserer Angst um uns selbst im Weg zu stehen.

Es kommt aber einer, der stärker ist als ich.

(Lk 3,16)

Was uns wandelt
Dritter Adventssonntag: Lk 3,10–18


Johannes der Täufer stellte den Menschen seiner Zeit einen Messias vor Augen, der erst einmal ordentlich aufräumen wird, der die Schaufel schon in der Hand halte, um seine Tenne zu reinigen, und der die Spreu in nie erlöschendem Feuer verbrennen werde. Doch der, der dann kam, war ganz anders, denn er wird nicht müde werden, von einem Gott zu erzählen, der das Verlorene sucht und dem Verirrten nachläuft. Zärtlichkeit statt Strafe, gütige Geduld statt Zorn – so hat Jesus Gott bezeugt. Nicht mit Druck und niemals mit erhobenem Zeigefinger kommt er auf uns zu, sondern immer in Liebe. Und warum? Weil wir Menschen uns nicht durch Drohungen oder unter Druck verändern. Wir passen uns den widrigen Umständen vielleicht besser an oder wir lernen es, uns geschickter zu schützen. Doch von innen her verwandeln können uns nur Wohlwollen und Liebe. Angenommen zu sein, bejaht zu werden, vertrauen zu dürfen – das ist der Sommerwind, der aus erstarrten Eiswüsten blühende Seelen-Landschaften macht. Nur geliebte Menschen reifen zu liebenden Menschen heran. Die Liebe aber ist das Wirken des Heiligen Geistes in unseren Herzen und das Feuer, mit dem Jesus taufen wird. Es wärmt und heilt, reinigt und läutert, aber es vernichtet nicht.

So besehen ist der Täufer, der sich als Vorläufer versteht, dem Kommen des Messias nicht nur zeitlich voraus. Auch seine Messias-Vorstellungen sind vorläufig. Und doch wird Jesus ihn später als den Größten bezeichnen, der jemals von einer Frau geboren wurde (vgl. Lk 7,28). Warum? Johannes scheint mehr als irgendein Prophet vor ihm die Tiefe und die Tragik menschlicher Schuldverstrickung erkannt zu haben. Deshalb belässt er es nicht bei bloßen Umkehrpredigten, sondern schafft mit der Taufe ein Ritual, das es so noch nie gab. Sein Kern besteht in der verwandelnden Erfahrung, in allen Fluten, in die uns das Leben zu tauchen vermag, gehalten und getragen zu sein und aus solchem Vertrauen neu anfangen zu dürfen mit Gott, mit den anderen und mit sich selbst.

Aus neuem Vertrauen entsteht aber ein neues Verhalten und deshalb zunächst ein neues Fragen: „Was sollen wir also tun?“ Wie lebt man denn anders und neu? Erstaunlich ist, dass die Empfehlungen des Johannes unterm Strich nun ausgesprochen moderat klingen: Teilen, nicht betrügen, niemanden misshandeln oder erpressen. Genaugenommen handelt es sich dabei nur um die „Basics“ der Fairness, um Einfachheit und Aufrichtigkeit. Doch indirekt wird deutlich, wie unfair, verwirrend und belastend ein Leben aus Angst sich gestaltet.

Das Heilmittel: Bleib im Vertrauen! Folge der tiefen Sehnsucht deines Herzens, frei, liebevoll und aufrecht...


Anke Lechtenberg,
Diplomtheologin, geb. 1971, war bis 2008 Pastoralreferentin im Bistum Trier und Mitarbeiterin in der Homiletikausbildung. Seither ist sie als Studienrätin in einem Berufskolleg in Ibbenbüren tätig



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