Leuthner | Maslauke Zwo | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 180 Seiten

Leuthner Maslauke Zwo

Weitere kurze Geschichten
2. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7534-3704-0
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

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E-Book, Deutsch, 180 Seiten

ISBN: 978-3-7534-3704-0
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Auch hier geht es um das Suchen. Halten Sie also die Augen offen. Der Philosoph Leibniz glaubte, dass wir in der besten aller Welten leben. Der bloße Augenschein widerlegt(e) diese Behauptung: damals wie heute. Aber es bleibt der starke Wunsch nach einer besseren Welt. Deshalb die Suche. Finden lassen sich kleine Stücke davon. Dies begründet die Hoffnung auf mehr...

Werner Leuthner ist 1942 in München geboren und dort aufgewachsen. Er durchlief drei Ausbildungen: zum Maschinenschlosser, zum Wirtschaftsingenieur und zum Diplompädagogen (Schwerpunkt: außerschulische Jugend- und Erwachsenenbildung). Sein Berufsleben verbrachte er bei Krauss-Maffei in München-Allach, Siemens in München und dann in der Stadtverwaltung Villingen-Schwenningen. (VHS, Ausbildungswesen, Personalrat). Die letzten zehn Jahre war er als Studienberater in einer Außenstelle der FernUniversität Hagen tätig. Diese Tätigkeiten ermöglichten ihm einen breiten Einblick in die Lebensumstände der verschiedensten Menschen. »Richtig« zu schreiben begonnen hat er mit seinem Renteneintritt 2002. An der Schreibwerkstatt in Villingen-Schwenningen und in der Schreibwerkstatt an der PH-Freiburg hat er Austausch und Anregung gefunden. Im vorliegenden zweiten Band sind weitere 25 seiner Kurzgeschichten versammelt, gegliedert in die Sparten »Beziehungen«, »Erinnerungen«, »Gesellschaft«, »Komisch« und »Mysteriös«! Im »Schluss« geht es um das »Wesen der Kurzgeschichte« und über »Creative Writing«.

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Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


1. Kevin und Kim
Ohne sein Zutun hatte Kevin eine Unterstützerin bekommen. Sie nannte sich ›Enagh‹ und war eine junge Elfe. Sie würde Schadzauber von ihm abwenden. Gerne hätte er noch mehr über sie erfahren, aber inzwischen war es 18.30 Uhr geworden. Kevin meldete sich bei seinem Fantasy-Rollenspiel ab, legte seinen Kopfhörer zur Seite und schob die Tastatur weg. Er blickte auf: an den Fensterscheiben Regentropfen. Draußen dämmerte es. Nachdem der Bildschirm ausgegangen war, war es ziemlich dunkel im Raum. Jetzt musste er das Abendessen vorbereiten, denn seine Mutter hatte auf dem Handy angerufen, dass sie gegen 19 Uhr nach hause kommen würde. Elfriede war Zustellerin bei ›FLUX-Paketdienst‹ und die einzige Fahrerin in dieser Firma. Sie erzählte wenig von ihrem Job, aber dass sie darauf stolz war, daraus machte Sie keinen Hehl. Seit vielen Jahren schon nannte er seine Mutter Elli. Kevin knipste im Wohnzimmer, in der Kochnische und im kleinen Flur das Licht an und deckte den Tisch. Wenn sie kam, dann war sie meist total am Ende, ausgelaugt. Dann würde sie sich in den Fernsehsessel plumpsen lassen, die Beine hochlegen und Kevin ansehen. Das bedeutete, dass sie jetzt ihr Feierabendbier bräuchte, um wieder ›herunter zu kommen‹. Kevin würde ihr die Bierflasche geöffnet reichen und stumm ihr gegenüber Platz nehmen. Vielleicht würde Elli ja doch etwas berichten… Kevin machte den Haushalt, dies war die unausgesprochene Übereinkunft, dass er – mit seinen 22 Jahren – hier in dieser kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung bleiben konnte. Elli hatte das Schlafzimmer für sich und Kevin schlief im Wohnzimmer auf einer Couch hinter dem schwach bestückten Bücherregal. Dort hatte er auch seinen Computerplatz. Doch die prächtige Aussicht vom 7. Stock dieses Hochhauses nahm er kaum wahr. Einkaufen musste er nicht, denn Elli brachte immer das mit, was er ihr aufgeschrieben hatte. Das Haus verließ er nur, um den Müll zum Container zu bringen. Und um möglichst niemand zu begegnen, der ihn ansprechen könnte, erledigte er dies ganz früh am Morgen – noch bevor seine Mutter zur Arbeit aufbrach. Wenn dann tagsüber doch einmal ein Paketbote klingelte, öffnete er stumm, quittierte stumm den Empfang und verabschiedete den Zusteller mit einem Nicken. Den Briefkasten leerte seine Mutter, wenn sie abends zurückkam. Zum Frühstück stellte Kevin ihr eine Tasse Kaffee auf den Tisch, zusammen mit zwei Scheiben Toast und Butter und Marmelade. Die Thermosflasche mit Kaffee zum Mitnehmen, stand dann auch schon bereit. Nachdem Elli gegen sechs Uhr gegangen war, legte sich Kevin nochmals ins Bett. Wenn er manchmal hinunterblickte und die Menschen auf den Verbindungswegen zwischen den Häusern gehen sah, war dies eine fremde Spezies für ihn geworden. Sie sahen ihm zwar ähnlich, aber sonst verband ihn kaum etwas mit ihnen. Das Leben da draußen war ›virtual realitiy‹ für ihn. Den Gedanken, dort vielleicht wieder einmal leben zu müssen, ließ er nicht zu, er ängstigte ihn. Er verdrängte ihn. Elli war seine Verbindung zur Außenwelt und das reichte ihm. Mehr interessierte ihn jetzt, wer hinter ›Enagh‹ steckte. Vielleicht würde er ja etwas über den Spiele-Moderator in Erfahrung bringen können. Er hörte Schlüssel an der Wohnungstür – Elli war gekommen. Ein Blick – und er hatte ihre Stimmung erfasst. Sie schien halbwegs gut gelaunt. Sie begrüßten einander verhalten. Elli wollte wissen, was es zum Abendessen geben würde. Salzkartoffel, Kräuterquark und Hering aus der Dose hatte er vorbereitet. Sie nickte zufrieden, zog Schuhe und Jacke aus, holte sich selbst ihr Bier und nahm in ihrem Fernsehsessel Platz. »Nun, was gibt’s bei dir zu berichten?«, wollte sie wissen. »Nichts«, entgegnete er mit einem dünnen Lachen: »Was soll es bei mir schon geben? Kein Anruf! Kein Postbote! Niemand hat an der Tür geklingelt! Doch halt, bevor ich es vergesse: deine rosa Orchidee treibt wieder! Ansonsten – wie üblich am PC, wie es sich für einen echten ›gamer‹ gehört!« »Wirst du nicht verrückt dabei?« »Nee, gar nicht – für mich ist das ein gutes Leben!« Elli schüttelte ihren Kopf: »22 Jahre alt bist du jetzt!« Kevin zuckte mit den Schultern. Während sie ihr Bier trank, hatte sie das Fernsehprogramm studiert. »Oh, Rosamunde Pilcher kommt. Das schaue ich mir an. Guckst du mit?« Sie aßen zusammen. Elli langte kräftig zu, doch Kevin nahm nur wenig. »Wahrscheinlich wiegst du keine 50 Kilo!«, meinte sie beiläufig. Er korrigierte sie: »52 – bei einer Größe von eins-siebzig. Für das, was ich tue, reicht das völlig!« Während Kevin das Geschirr versorgte, plante Elli ihre Route für den nächsten Tag am PC in ihrem Zimmer. Pünktlich zur Pilcher-Sendung war sie zurück und danach ging sie zu Bett. So richtig herausrücken mit den Angaben über seine Spiele-Partnerin ›Enagh‹ wollte der Systemadministrator dieses Multiplayer-Online-Games nicht. Immerhin brachte Kevin heraus, dass die junge Frau, die hinter ›Enagh‹ steckte, in seinem Stadtviertel wohnte, genauer gesagt, ganz in der Nähe, am Rennsteigplatz. Irgendwann wollte Kevin nicht länger hinnehmen, wie viele der anderen Mitspieler mit ›Fafnir‹ umsprangen. Der Zwerg war das Opfer, das sie ohne Hemmung schikanierten. Bis jetzt hatte er sich nicht getraut, sich gegen die anderen zu stellen. Aber er konnte dem einfach nicht länger zusehen. Wie war er als Kind drangsaliert worden – diese Erinnerungen kamen hoch. Seine Eltern stritten immer und er konnte sich nirgends zurückziehen. Er hatte keine Freunde, zu denen er hätte fliehen können. Er hatte Partei ergriffen – für seine Mutter. Sein Vater hatte ihn dafür verprügelt und meist aus der Wohnung ausgesperrt. Stundenlang saß er damals alleine auf dem Spielplatz, bis ihn seine Mutter wieder herauf holte. Damals hatte er angefangen, Unflätiges herauszuschreien. Immer, wenn jemand etwas von ihm wollte oder gar mit ihm schimpfte. Er konnte nichts dagegen tun. Es begann damit, dass eine geheime Kraft seinen Kopf nach rechts riss, immer wieder. Dann kamen unwillkürliche Zuckungen seiner Arme hinzu. Als dann diese Worte »Scheiße, Scheiße, Arschloch, Ficken, Ficken« von ihm heraus geschrieen wurden, fühlte er sich erleichtert. Er hatte das Tourette-Syndrom entwickelt – jedenfalls nannten so die Ärzte seine Angewohnheit, Leute mit Fäkalausdrücken zu überziehen und dabei zu zucken. Manche Ohrfeige hatte er sich da eingehandelt. Aber irgendwann mieden sie ihn und er hatte seine Ruhe. Für ihn interessierte sich keine Schulsozialarbeiterin und kein Schulpsychologe. Von der Hauptschule musste er in eine Schule für verhaltensauffällige Kinder überwechseln. Kevin war zwölf, als sein Vater auszog. Er hatte eine neue Freundin gefunden. Und nachdem Elli einwilligte, seine Schulden zu begleichen, war sein Vater auch bereit, sich scheiden zu lassen. Kevin war sehr erleichtert; er hat ihn nie wieder gesehen. Mit 14 schenkte ihm seine Mutter den ersten PC – damit er sich zuhause beschäftigen konnte. Und dann kam Kevin in den Schulzweig, in dem all diejenigen gesteckt wurden, die ohne Ausbildungsplatz geblieben waren. In der Zeit zwischen seinem 15. und 18. Lebensjahr war Kevin nur wenige Tage an der Schule. Niemand schien ihn zu vermissen. Die Schlacht zwischen den ›Midlanders‹ und den ›Okthans‹ wogte hin und her. Es war ein Stellungskrieg geworden und ›Fafnir‹ war zwischen die Fronten geraten. Weil die Kriegsparteien nicht vorankamen, ließen sie Ihren Frust am neutralen ›Fafnir‹ aus. ›Fafnir‹ handelte sonst mit Heilkräutern. Jetzt blieb nichts anderes übrig, als sich zu verstecken und in Pausen des Kampfgeschehens nach Essbarem zu suchen. Kevins Spielfigur hieß ›Knoor‹ und war ein erfahrener Krieger und Söldner. Üblicherweise sind diese ja nur auf ihren Vorteil bedacht. So waren die Mitspieler baff erstaunt, als ›Knoor‹ auf einmal ›Fafnirs‹ Höhleneingang bewachte und fair play einforderte. Gegen einen aus ihren Reihen grundlos zu kämpfen – da waren die Hemmungen doch deutlich höher. Noch dazu als ›Knoor‹ Verstärkung bekam: zu ihm gesellte sich ›Enagh‹, die Elfin. So hatte Kevin durch seinen Schritt und mit ›Enaghs‹ Unterstützung ›Fafnir‹ ermöglicht, wieder sein normales Leben zu führen… Kevin war so in sein Spielgeschehen vertieft, dass er das Klingeln an der Wohnungstür zu erst nicht wahrnahm. Irgendwann drang der andauernde Ton doch in sein Bewusstsein. Verärgert betätigte er die Öffnertaste für die Haustür. Er öffnete die Wohnungstür und horchte hinaus: der Aufzug hatte sich in Bewegung gesetzt. Er wartete. Die Lifttür öffnete sich; heraus trat eine vielleicht Zwanzigjährige mit grün-blauen Haaren und Piercings...



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