Levin | Kippwende | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 536 Seiten

Levin Kippwende


1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-944576-66-4
Verlag: Verlag Krug & Schadenberg
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 536 Seiten

ISBN: 978-3-944576-66-4
Verlag: Verlag Krug & Schadenberg
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



»Angelita« haben die Meteorologen den furiosen Sturm getauft, der über dem Atlantik wütet. Babe Delgado, Olympia-Hoffnung im Schwimmteam der Southern University, überlebt ihn nur knapp. Mit ihrer Karriere ist es vorbei. Babe wechselt in das Schwimmteam von Brenna Allen, Coach an einem zweitklassigen College. Dort begegnet sie Ellie Marks, Tochter zweier Holocaust-Überlebenden, die weniger talentiert ist, aber mit ihren Clownerien und ihrem unermüdlichen Kampfgeist das ganze Team motiviert. Die Begegnung eröffnet beiden Frauen einen neuen Blick auf ihr Leben, auf die Geschichte ihrer Familien - und auf die Liebe. Brenna Allen, selbst ehemalige Leistungsschwimmerin, hat ihren eigenen Verlust zu verwinden. Sie hat ihre Geliebte, die Literaturprofessorin Kay Goldstein, verloren und ist mit ihrer Trauer allein. Einzig die langjährige Freundin Chick bietet Trost aus der Ferne. Und Boz, Kays treuer Hund, der Brenna geblieben ist. Das Tal der Trauer zu durchqueren braucht seine Zeit, doch schließlich zeigt sich ein Hoffnungsschimmer am Horizont ... »Kippwende« ist ein Roman um Frauen und Sport, um Ehrgeiz, Niederlage und Sieg. Doch »Kippwende« ist noch weit mehr: Es ist ein Roman, der die Liebe zwischen Frauen feiert - und das Leben. »Kippwende« ist ein seltener literarischer Genuss. »Jenifer Levin lässt mich jede einzelne ihrer Protagonistinnen kennenlernen in ihrer Individualität, mit ihrer Vergangenheit, mit ihren Sehnsüchten - eingebettet in dieser extremen Situation, das eigene Leben und den Hochleistungssport unter einen Hut zu bringen. Ich als alte Schwimmerin mochte besonders die Beschreibung der wundervollen und stressigen Gefühle für Körper, Seele und Geist im Wasser, beim Training, im Wettkampf ... Ich kenne diese Gefühle - toll!« Ulrike Folkerts

Mit anderthalb Jahren wagte sie sich das erste Mal in den Atlantik: Jenifer Levin, frühere Leistungsschwimmerin und Trainerin von Frauensportteams, lebt mit ihrer Gefährtin und ihren beiden Adoptivsöhnen in New York. Sie ist Autorin mehrerer Romane und zahlreicher Erzählungen. »Kippwende« ist ihr vierter Roman und der bislang einzige, der ins Deutsche übertragen wurde. In den erotischen Anthologien »Verführungen« und »Augenblicke« (beide exklusiv als E-Book erhältlich) sind zwei Erzählungen von Jenifer Levin enthalten.

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Weitere Infos & Material


GRUNDKURS ANGST UND SCHRECKEN
    Bren   Angst und Schrecken: Einführung ins Erwachsenenleben. Diesen College-Grundkurs erfanden Kay und ich mal bei zu viel Geburtstagssekt. Nicht dass wir große Trinkerinnen gewesen wären. Nicht dass Angst und Schrecken sich damals schon breitgemacht hätten. Und doch: Da saßen wir, mitten in dem, was sie gern das Bilderbuchland nannte – State-University-Gelände. Unter Menschen, die sie das Weiße Heterovolk nannte, Menschen, mit denen wir beide, jeweils auf eigene Art, arbeiteten.   Du brauchst nur die Route 3 entlangzufahren, an dichtgedrängten Wohnheimen vorbei, Verbindungshäusern, Seminar- und Verwaltungsgebäuden, Labors, Gewächshäusern, an Schwimmhalle und -anlagen, dem Fußballfeld, der Aschenbahn – und du triffst sie überall. Fahr weiter ins Gegenlicht, und bald erscheint ihr kollektiver Augapfel vor dir: Ein neues Stadion ragt vor dir auf und verfinstert die Sonne. Stolz des Ostens! heißt die Devise. Football gewinnt hier von Jahr zu Jahr an Bedeutung und macht genug Geld locker, um das beachtliche Sammelsurium an Sportanlagen, Bahnen, Becken zu finanzieren. Basketball wird hier ebenfalls großgeschrieben. Eishockey und Cross-Country, Laufen und Feldspiele. Schwimmen, gewinnen. Und da komme ich ins Spiel. Super-Coach. Kays Beiname für mich. So war sie, Englisch-Professorin, zungenfertig. Schatz, sagte sie oft, als es schlimm wurde, Liebste. Warum weinst du nicht? Weil ich Coach bin, antwortete ich ihr dann. Und versuchte zu lächeln. Super-Coach. Versuchte zu lachen. Aber es war nicht zum Lachen.   Super-Coach hat Menschen, die Hochleistungssport treiben, schon Erstaunliches vollbringen sehen, um zu gewinnen, Dinge, die ihr ganzes Leben positiv verändern. Manches andere allerdings, was sie tun, um zu gewinnen, wird verschämt totgeschwiegen. Lieber gar nicht dran denken. Hier – inmitten von Staunen und Scham – konnte ich eigentlich immer auf mein Glück bauen, und das, was Kay meine Unerbittliche Protestantische Arbeitsethik nannte, war mir eigentlich immer zu Hilfe gekommen. Vor sechs Jahren war das Frauenschwimmteam Schlusslicht der Liga, und den Großmäulern drüben in der Verwaltung gingen gegenüber den erbosten Ehemaligen, die ihnen gnadenlos den Geldhahn zuzudrehen begannen, die Ausreden aus. Seit sie mich eingestellt haben, gewinnen sie öfter, als sie verlieren. Das ist wahr. Eine Wahrheit von der unbestreitbaren Sorte. Es ist eben mein Job – das Gewinnen, meine ich. Nicht die Wahrheit. Obwohl auch die in gewisser Weise zu mir gehört.   Ich werde Kay immer hoch anrechnen, dass sie sich Kommentare im ganzen verkniff – zum Job, zum College-Sport, zur Wahrheit, zum Gewinnen, zu mir. Außer der einen oder anderen kleinen Spitze: Denk dir, mein Herz, es gibt tatsächlich ein Leben nach der Kurzbahnsaison! Schön, Kay, und was erwartest du von mir? Soll ich die Klassiker lesen? Ich habe es gedacht. Gesagt nie. Das war unsere Art, meistens, mit wunden Punkten umzugehen, im Guten wie im Schlechten, indem wir sie irgendwie übergingen. Eine ganze Menge Gemeinheit blieb unausgesprochen. Schlaglöcher im Weg wurden gemieden. Hat viel Geschirr davor bewahrt, an unschuldigen Wänden zu zerschellen. Außerdem liebte ich sie.   Wir haben alle unsere Rituale. Die Disziplinierten mehr als andere. Erst in die linke Schwimmbrillenmuschel spucken, mit dem Lieblingsschläger zweimal gegen die Schuhspitze klopfen, dir ein Paar glücksbringende Laufschuhe umbinden, die Gottheit des Speerwurfs um Rückenwind anflehen – treib dich unter Menschen herum, die darauf brennen zu gewinnen, und es werden dir Tausende kleiner Rituale auffallen. Auch Trainerinnen und Trainer haben ihre Rituale. Und noch vor gar nicht allzu langer Zeit hätte ich mich selbst ganz sicher als diszipliniert bezeichnet. Aber jetzt ist das, was mich aus dem Bett treibt, nicht Disziplin, sondern Angst. Und da fällt mir der Traum der letzten Nacht wieder ein. Muss dabei an Kay denken, warum, weiß ich nicht. Sehr eigenartig: Ein Reigen nackter junger Frauen in einem großen, grauen, hohl wirkenden Schlund von Raum rasiert sich alles Haar von Körper, Schenkeln, Armen, alle gemeinsam, in langsamen, aufeinander abgestimmten Bewegungen wie bei einem Tanz in Zeitlupe. Sie scheren sich die Köpfe mit Bedacht kahl, fast liebevoll. Rasierklingen liebkosen breite Spuren um beide Ohren. Um die Schläfen. Über den Scheitel, unten über den Nacken. Dann winden sie sich alle geschmeidig, langsam, in identische Badeanzüge, unsere Teamuniform. Und verschwinden. Bis auf eine – eine junge Frau. Sie steht dort in der unheimlichen grauen Leere und sieht mich schweigend an, rasiert und glatt und roh. Jeden Augenblick wird etwas Schreckliches passieren. Ich erinnere mich nicht mehr, was. Aber im Traum wissen wir es beide. Beide haben wir Angst.   »Angst«, brüllte DeKuts oft, »ist immer Körperempfinden. Angst drückt sich im Körper aus, und der Körper lügt nicht.« Und dann inszenierte er seine Spielchen, warf mit einem Schwimmbrett nach dir, wenn er glaubte, du hörtest ihm nicht zu. Manchmal warf er daneben, und das Brett ditschte vom Beckenrand und zischte über hellblaues Wasser wie die Flosse eines Teufelsrochens. »Ihr sollt Angst haben, wenn ihr für mich schwimmt. Eine gesunde Angst vor den Schmerzen, die das Gewinnen euch abverlangt, und eine noch tiefere Angst vorm Verlieren, und eine noch viel, viel tiefere Angst vor mir.« Er schritt sämtliche Bahnen ab, seine nackten Zehen knapp neben deine Finger setzend, während du am Beckenrand hingst, seine Augen glitzernd wie fiese, braune kleine Käfer. »Ihr sollt alles Leichte und Bequeme fürchten, ihr sollt das Gefühl haben, wenn ihr aufhört oder auch nur einen Augenblick nachlasst, ist es aus mit euch. Ihr sollt trainieren und schwimmen, als hinge euer Leben davon ab. Wenn ihr das alles für mich tut, gewinnt ihr meinen Respekt.« Einmal hielten die Zehen auf dem Abflussgitter dicht am Beckenrand zwischen meinem Daumen und Zeigefinger. Sie waren groß, krumm und mit glänzenden schwarzen Haaren gespickt. Sie hoben sich samt Fuß, und eine rissige Ferse senkte sich auf mein Handgelenk, hielt es und mich gefangen, schickte mir einen stechenden kalten Schmerz bis zum Ellbogen hinauf. Chlor und ein säuerlicher, fleischiger Geruch mischten sich in meinen Nasenlöchern. Ich spürte, wie mir Tränen in die Augen schossen, schwor mir, sie nicht überlaufen zu lassen. »Du da!«, brüllte er. »Ja, dich meine ich! Null Begabung. Aber Herzblut will ich sehen. Nutze deine Angst. Dann kannst du es eines Tages vielleicht mit den Großen aufnehmen. Dann können du und ich Freunde werden.« Er brummte mir an diesem Tag eine zusätzliche 200er-Serie auf – zehn Wiederholungen, ohne Pause –, und nach dem Training kotzte ich im Umkleideraum ins Waschbecken. Als mein Handgelenk anschwoll, umwickelte ich es mit einer Ace-Bandage. Die Angst bildete den Bodensatz eines dunklen, pulsierenden, hintersten inneren Winkels, an den ich nicht herankam. Ich brauchte sie. Ich gewöhnte mich an sie. So, wie ich ihn brauchte, mich an ihn gewöhnte. Davon träumte, ihn zu Tode zu prügeln. Aber mir wünschte, mehr als alles auf der Welt, seine Freundschaft zu gewinnen. Und lernte, dass es letztlich doch von Vorteil ist, den Schrecken im Leib zu haben. Härtet dich ab fürs Leben. Dich daran zu gewöhnen, kann allerdings trügerisch sein – du vergisst allzu leicht, dass die Angst noch und immer da ist. Nur Krisen stoßen dich unweigerlich wieder darauf. Am Tag, als Kay ihren Befund bekam, spürte ich sie erneut hochwirbeln, eisig und mit einer Schärfe, dass mir übel wurde und mir plötzlich der Schweiß über die Stirn kroch, über den Bauch lief, ganz wie in alten Zeiten. Wir gingen spazieren. Es war unmittelbar vor Silvester, und alles lag unter verharschtem Schnee. Wir trugen Stiefel und Pullover und lange Mäntel und Mützen; ich hatte sie gezwungen, sich zusätzlich mehrere Schals umzuwickeln, wegen des Fiebers. Wir gingen umschlungen, ich mit einem Arm um ihre Schultern, dem anderen vor ihrer Brust, so dass ich irgendwie seitlich mitstolperte, während ich sie vor dem Wind schützte. Keine von uns beiden sagte ein Wort. Bis sie, sehr gedämpft, meinte: Schatz, warum weinst du nicht? Es war später Nachmittag. Der Himmel war grau mit einem Stich Rot, die Luft feucht, es roch nach mehr Schnee. Weil ich Coach bin, Kay, antwortete ich – zum ersten, wenn nicht zum letzten Mal. Super-Coach, hast du vergessen? Ich hätte heulen mögen, tat es aber nicht.   In diesem Winter passierte viel. Zweite Meinungen einholen. Schlechte Prognosen. Das Wetter war weltweit besonders extrem: Orangenernten vom strengen Frost vernichtet, alte Menschen vor Paraffinöfen erfroren, Eisstürme und Evakuierungen in Alaska und, weiter südlich, der Sturm, den sie Angelita nannten – der schlimmste Hurrikan des Jahrzehnts im Golf –, und die 747-Katastrophe. Jahr der Aufmacher und Schlagzeilen. Ich verprasste den Großteil unserer Ersparnisse für einen neuen Wagen mit Luxus-Heizung. Kay musste zweimal die Woche zur Chemotherapie, sie fror fast ständig. Und da habe ich immer gedacht, eine Festanstellung zu ergattern wäre hart, sagte sie. Phantastische Art, ein Sabbatjahr zu verbringen, wie? Und ausgerechnet da fing mein Team an zu gewinnen. Ernstlich zu gewinnen. Ich kriegte das mehr aus dem Augenwinkel mit. Fürchtete, die Teamfrauen müssten jeden Moment dahinterkommen, was für eine Mogelpackung ich war...


Mit anderthalb Jahren wagte sie sich das erste Mal in den Atlantik: Jenifer Levin, frühere Leistungsschwimmerin und Trainerin von Frauensportteams, lebt mit ihrer Gefährtin und ihren beiden Adoptivsöhnen in New York. Sie ist Autorin mehrerer Romane und zahlreicher Erzählungen. »Kippwende« ist ihr vierter Roman und der bislang einzige, der ins Deutsche übertragen wurde. In den erotischen Anthologien »Verführungen« und »Augenblicke« (beide exklusiv als E-Book erhältlich) sind zwei Erzählungen von Jenifer Levin enthalten.



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