Lie | Auf Irrwegen | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 194 Seiten

Lie Auf Irrwegen


1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-8496-3066-9
Verlag: Jazzybee Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 194 Seiten

ISBN: 978-3-8496-3066-9
Verlag: Jazzybee Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Jonas Lie gehört zu den bedeutendsten norwegischen Schriftstellern. Wie so viele seiner Werke zeichnet sich auch dieser Roman durch seine lebhaften Naturschilderugen und seine impressionistische Erzählweise aus.

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"Du hier beim Konditor, Vera!" Faste kam von der Straße hereingestürzt. "Ich sah dich durch das Fenster."

"Wir ziehen heute wieder in die Stadt hinab," erklärte sie, – "und da war es so kalt und ungemütlich daheim, daß ich hier hineingehen und mich mit einer Tasse Schokolade auftauen mußte."

"Mit deiner Erlaubnis laß ich mich bei dir nieder."

"Fräulein, geben Sie mir auch eine Tasse. – Ich komme direkt vom Staatskondukteur, weißt du. Ich schlage die Harfe und winde mich tagaus, tagein wie ein Wurm, um es ihnen in ihre Köpfe hineinzubringen, welch eine unberechenbare Zukunft die Stadt gerade vor ihren Fenstern liegen hat, – alle Bedingungen für einen größeren Badeort – – Aber – sie haben einen Glassplitter im Auge, du! – Diese angeborene Kurzsichtigkeit, die nicht imstande ist, über den altgewohnten Weg hinauszusehen, – nämlich Schiffe durch die Sundöffnungen hinauszusenden und Frachtwechsel einzukassieren. Es gilt, an ihren städtischen Patriotismus zu appellieren, siehst du, Funken aus Kieselsteinen zu schlagen, – ein großes Gefühl in eine kleine Stadt hineinbringen! – Aber natürlich bezweifeln sie alle miteinander von vornherein die Durchführbarkeit und Zuverlässigkeit meiner Vorschläge. Es ist ja nur der alte, bekannte unruhige Geist Faste, der wieder zur Stadt gekommen ist!"

"Hattest du denn erwartet, daß sie so verständnisvoll sein würden," scherzte Bera, "oder so bereit, ihr teures Geld auf dein Wort hin auszugeben?"

"Nein, du; aber auf das hin, was ich ihnen unumstößlich vor ihren eigenen Augen zeige! – Es ist nur ein klein wenig Molenbau erforderlich, und wir haben einen Badeort! Das Wasser durchsichtig, glasklar und still und eben ohne alle Kräuselung, weil der Wind von den nördlichen Höhen sich erst weiterhin auf die See herabsenkt – Und dazu dieser herrliche, weitgestreckte Sandgrund vor der Landzunge, den wir Knaben aus der Stadt alle kennen, und wo wir an heißen Sommertagen gebadet haben, während die blanke Dünung über den Sand rollte, und wo man auf dem sammetweichen, weißen Schreibsand weit hinaus waten konnte. Und an der anderen Seite der Bucht kann man direkt vom Felsen hinab in tiefes Wasser springen! – Dies ist eigentlich die einzige glänzendhelle Erinnerung aus meiner Knabenzeit. Und deswegen haftet sie auch – gleich einem Glücksideal, möchte ich sagen, das in die Wirklichkeit hinüber zu retten, mir ein Bedürfnis ist. Lebensmüde, kranke, bekümmerte Seelen einen solchen zauberhaften Sommertag draußen im Wogengerolle erleben zu lassen, – ich wüßte nichts, was ich meinen Mitmenschen lieber verschaffen möchte. – Was – was?" brauste er auf, "findest du etwa, daß das so kindisch ist, – so naiv?"

"Im Gegenteil, Faste, – im Gegenteil – –"

"Ja, du kannst dir wohl denken, daß ich noch andere Argumente ins Treffen zu führen habe?"

"Nichts, was sich mit diesem messen könnte. Faste! – Wenn das, was du in deinem Innersten denkst, so aus dir heraussprudelt, dann bin ich mit Leib und Seele dabei. Mag der Badeort sein, was er will."

"Was für Ausflüchte sind nun dies wieder? Ein Mann und sein Werk lassen sich nicht von einander trennen! – Aber ich verstehe, – du willst um den Brei herumgehen, – ebenso wie die andern. – – Ich vergaß, daß, wo kleinstädtische Herren sind, es notwendigerweise auch kleinstädtische Damen geben muß."

"Verzeih, daß ich über dich lache. Faste! Aber setze dich jetzt nur ruhig wieder hin und unterhalte die Kleinstädterin."

Er lief erregt auf und nieder:

"Hier hat nun die See anderthalb Jahrhunderte gegen den Strand und die Brücke geplätschert und gewogt und nur auf den Mann gewartet, der das Wort Badeort mit dem Stock in den Sand schreiben würde. Der Meeresstrom führt uns die beiden großen Kurmittel: den Moor und den Schlamm zu. Und die Hochgebirgsluft saust über die Stadthügel mit dem Aroma aus den großen Nadelwäldern. Wir haben Wald und Gebirge und Luft und Meer so wunderbar vereint. Aber, – laßt es sausen, laßt es sausen, – und vor allen Dingen, verschont uns mit Projektenmachern! Es müßte doch im Grunde eine angenehme Überraschung für sie alle sein, Bera, daß sie an einer Quelle mächtigen Reichtums wohnen, ungefähr so, als wenn unter ihren Kellern Steinkohlenlager entdeckt wären – – Und wir haben eine Seeluft, so kräftig und mild und warm, daß sie die ganze Stadt einmal übers andere gähnen macht, – so daß sie sich am liebsten hinlegen und einschlafen möchte, – frisch und mild und weich streicht sie vom Meere her landeinwärts und läßt uns ihr stärkendes Salz in die Lungen einatmen."

"Ich fürchte, du machst mich noch ganz schwindelig, Faste. – Es ist beinahe, als erblicke ich die Stadt plötzlich in einer ganz anderen Beleuchtung."

"Ich denke oft, Bera, daß wir beide, – ja, gerade wir beide – Seelen sind, die hier unten im Finstern umhergehen, und dann geschieht es wohl, daß wir uns hin und wieder einmal erkennen, – so in dem aufblitzenden Lichtschein eines kurzen Augenblicks, wie bei einem Magnesiumlicht. Und dann spielen wir Blindekuh weiter, – spielen Freunde!"

Bera richtete sich unwillkürlich auf ihrem Stuhle auf, und etwas wie eine hastige Angst huschte über ihr Gesicht.

– – "Aber? mein Gott, wie genau ich mich von jedem Mal erinnere, daß ich dich so sah, – mit den mutigen Augen, der klaren, festen Stirn über den Brauen und dem Munde, der immer so klar und deutlich spricht, daß du eigentlich keiner andern Sprache bedürftest. Es sind gleichsam Porträte von dir, die ich in meiner Erinnerung als Transparente hängen habe – – "

Es zuckte leicht um Beras Lippen:

"Ja, in dem verzaubernden Licht siehst du wohl alle, die dich in dem Augenblick gerade verstehen. Das ist nun einmal so deine Natur, das weiß ich so gut, Faste. – Aber, wenn sie dann zweifeln?"

"Ich sage ja, Bera, irgend etwas an dir scharrt prosaisch gegen den Grund, – es stößt mir jedesmal auf, – ein Fehler! – Es hängt damit zusammen, daß du Sommersprossen in deinem schönen Gesicht bekommen kannst."

"Ich will mich nicht von dir beleidigen lassen. Faste. Aber –" lächelte sie, – "findest du etwa, daß das ein Kompliment war? – Aber was meinst du dazu," – sie hielt ihm ihre Hand hin, – "wenn wir uns auch in Zukunft an unsere alte Freundschaft halten?"

"Freunde? – Nun ja, verzeih, Bera! Es geht mir wie dem Ochsen, der immer gegen das Drahtgitter rennt, weil ich es niemals sehe!"

Er griff hastig nach dem Hut. – –

"Und da," – er nickte nach der Tür hin – "hast du Kristine Torp, die ihre Schritte hierher lenkt, einen ganzen Sack voll Stadtklatsch und Neuigkeiten, – und natürlich in der Hoffnung, es hier in der Konditorei bei einer kleinen Vormittags-Schwatzversammlung unter Freundinnen los zu werden."

"Guten Tag, Fräulein Torp," – grüßte Faste flüchtig, während er an ihr vorüber die Treppe hinabstürzte.

– "Nein, Bera, das denkt wahrhaftig niemand von dir, daß du die Absicht hast, das Verhältnis zu deinem Freund und Protegé Faste zu etwas mehr zu gestalten," flüsterte Stine vertraulich, indem sie sich setzte.

"Nein, nein, du, und da denken die Leute wirklich ganz recht, Kristine."

"Weißt du aber, was sie von dir sagen, du? daß du mit ihm spielst wie die Katze mit der Maus."

"Dann –"

"Ach tu nur nicht so unschuldig. Niemand weiß besser, als du, daß dein Freund, das Genie, ein Sonderling ist, wie er so herumgeht und sich mit allen seinen Hunderten von Ideen von Sinn und Verstand redet und das Haar einmal über das andere aus der Stirn streicht und mit den Augen himmelt. Ich würde sagen, sie seien so unschuldig wie die eines Kindes, das seinen Milchbrei haben soll, wenn ich nicht noch gestern gesehen hätte, wie feindlich und giftig sie werden können, wenn sich jemand untersteht, Sr. Hoheit zu widersprechen. Das war, als mein Bruder Johan seine Meinung äußerte, daß sein Plan mit dem Badehotel mit den sechshundert Zimmern für unsere kleine Stadt ein wenig zu schwindelnd sei."

"Aber waren es denn wirklich sechshundert?" wandte Bera sanft ein.

"Nun ja, nach Hunderten zählten sie doch jedenfalls."

"Wenn ich mich recht erinnere, erzählte...



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