Lie | In Knut Arnebergs Haus | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 185 Seiten

Lie In Knut Arnebergs Haus


1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-8496-3067-6
Verlag: Jazzybee Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 185 Seiten

ISBN: 978-3-8496-3067-6
Verlag: Jazzybee Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ein Künstlerrroman aus Lies norwegischer Heimat. Bernt Lie gehört auch heute noch zu den bekanntesten Novellisten seiner skandinavischen Heimat.

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Bergliot saß in ihrem Zimmer am Schreibtisch, über eine offene Mappe gebeugt, deren aus losen Briefen und Papieren bestehender Inhalt über den Tisch zerstreut lag.

Die Thür zu dem Atelier daneben stand offen. Auch dort waren alle Thüren geöffnet. Das Haus lag leer und still da. Und sie saß vornübergebeugt und las. Alte Briefe, Gedichte, Billets. Sie wollte die Mappe ordnen, hatte sich aber in die Lektüre jedes einzelnen Blattes vertieft.

Es war gegen Mittag. Sie hatte mehrere Stunden so gesessen.

"Bu–uh" klang es plötzlich durch die Thür. Sie fuhr heftig zusammen, zerknitterte das Papier, das sie in der Hand hielt, und wandte sich um.

Es war Karen Ragnhild, die mit feierlichem Schritt und strahlendem Antlitz eintrat.

Sie hatte ihr neues Kleid an, eine elegante Promenadentoilette und vor allem einen riesengroßen Hut, alles heute aus der Stadt geholt. "Du bist es!" sagte Bergliot, sofort beruhigt.

"Ja, niemand als ich. Das ist ja das traurige."

"Wieso?"

"Er wollte nicht mit hereinkommen. Aber was sagst du denn?"

Sie drehte sich langsam in ihrem Staat um. Karen Ragnhild hatte ihr Haar hoch aufgesteckt, und eine Menge widerspenstiger Löckchen hingen ihr lose in den Nacken.

"Wunderhübsch, du!" sagte Bergliot, die aufgestanden war und sie von Kopf zu Fuß betrachtete. "Jetzt ist das Kleid, wie es sein soll. Ganz wunderhübsch. Nur der Hut, – der hätte noch etwas größer sein können! Er hat es doch noch nicht ganz verstanden."

"Noch größer, Bergliot?"

"Ja, – oder die Krempe hätte einen flotteren Schwung haben müssen! Er müßte noch mehr wie – wie eine Fanfare wirken! Das paßt für dich! – –"

Nach einigem Beraten einigten sie sich dahin, daß sie noch einmal mit dem Hut zu Höst gehen wollten. Vielleicht ließe sich das Ganze machen, wenn man die Straußfeder nur ein klein wenig mehr bog. – –

Der Gegenstand ihrer tiefsinnigen Betrachtungen, – der Hut – strandete endlich auf dem Sofa, und Karen Ragnhild streckte sich daneben aus.

"Weshalb wollte er nicht mit hereinkommen?" fragte Bergliot, die nun wieder an ihrem Tische saß und langsam die Papiere in der Mappe zusammen legte.

"Er wollte weiter gehen – und arbeiten," entgegnete Karen Ragnhild mit einer höhnischen Betonung des letzten Wortes.

"Arbeiten! Er unterrichtet hier oben doch nicht!"

"Unterrichten! Nein, er wollte in den Wald und dichten!"

"Bornemann?"

"Pah! Du glaubst, daß es Bornemann ist! Nein, das ist seit mindestens acht Tagen vorbei!"

"So?"

Karen Ragnhild legte die Hände hinter den Kopf und lehnte sich übermütig zurück, während sie die Beine von sich streckte und ihre eleganten Schuhe sehen ließ.

"Bornemann! Ach nein! Das ist ein überwundener Standpunkt. ›Fertig damit,‹ wie Knut sagt. Fertig damit!"

Plötzlich sprang sie auf und ging im Zimmer auf und nieder und fächelte mit dem weiten Kleiderrock, der sie eng umschloß, während sie sich herumdrehte, und das seidene Futter raschelte und knitterte.

"Ach, Bergliot! Wie ich mich amüsiere! Wie ich mich amüsiere!"

Bergliot lächelte.

"Ja, das thust du wohl!"

"Ich amüsiere mich so in meinem stillen Innern! Außer all dem andern wirklichen Amüsement mit Lotte und Langberg und euch hier zu Hause – in der Stadt und auf unseren Ausflügen. Nein, so im innersten Innern meines eigenen Selbst! Überlegen, weißt du! Daß ich so mit ihnen allen fertig werde, mit einem nach dem andern! Es ist mir, als sei jede Woche ein Jahr, – was für eine Entwickelung ich durchmache! Von Kadet Norgreen, den ich so himmlisch fand, bis jetzt, bis zu Nils Börge!"

"Nils Börge – der also war es?"

"Natürlich! Er war es nicht nur, er ist es. Also. Nein, das ist wahr, – ich soll ich nicht fortwährend also sagen. Das ist Langbergs Weisheit. "Das Windei der Rede", nennt er es!"

Bergliot lachte. Sie sah sie mit strahlenden Augen an.

"Aber, wie gesagt, er ist es also. Und, weißt du was, Bergliot, diesmal bin ich ganz schrecklich sicher."

"So?"

"Ja! Ach ja! – Mit ihm ist es was! Ich bin gar nicht sicher, daß es nur eine Woche währt. Ja, übrigens hat es schon eine Woche gedauert. Jedenfalls sechs Tage, sieben, wenn ich den ersten Abend mitrechne, – die große Gesellschaft hier, weißt du. Da fing es eigentlich an. Es war so eigentümlich, weißt du! Also – nein, nicht also, also, – aber du verstehst wohl, ich meine nicht, d.h. ich sehe sehr wohl, daß er interessant sein will. Er ist ja auch Dichter, der Ärmste. Aber dahinter steckt etwas, was wirklich interessant ist. Und ich passe auf, ob er es auch selber weiß. Ob dies Innerste, weißt du, so fein, so zufällig natürlich – aus Berechnung – herauskommt, – oder ob er es selber nicht weiß. Ich laure darauf. Jetzt z.B. geht er selbstverständlich nicht in den Wald, sondern direkt nach Hause zu den andern und verzehrt Karen Kamstrups Mittagessen; denn es ist ihre Woche. Aber ob der – trotzdem – du verstehst mich ja, Bergliot, – ob er nicht wirklich die Absicht hatte, in den Wald zu gehen, als er es sagte!"

Karen Ragnhild hielt inne und dachte nach.

"Nun?" fragte Bergliot.

"Ach, ich dachte nur, daß wenn es Berechnung ist, – so, ja, so ist es feiner, trotzdem – weißt du – als bei den anderen."

"Und Bornemann!"

"Pah! Bornemann! So einer! Das einzige, was an ihm ist, ist, daß er hübsch ist. Denn das ist er ja mit den kleinen Locken und den blauen Veilchenaugen. All das andere, was er ist, – klug, fein, ritterlich – soigniert – das ist er nur, weil er weiß, daß es ihn kleidet! Er giebt immer acht, daß er das ist, wovon er weiß, daß man es gern sieht! Ach nein, du! Fertig damit! Sie kann ihn gern haben, – dies Fräulein Magelssen! Wie Langberg sagt."

Sie ging wieder auf und nieder, blieb jetzt aber mitten im Zimmer stehen:

"Du, Bergliot, du! Man sollte doch nicht glauben, daß ich so direkt vom Lande käme! Von der Drostei und so direkt kopfüber in die große Stadt!"

"Das ist Vaters Verdienst!" lächelte Bergliot.

"Ja, Vater, ja! Der ist so gut wie die Großstädte der ganzen Welt! – – Mit Vater fingen wir auch an!"

"Wer?"

"Er und ich, Nils Börge also!"

Plötzlich kehrte sie sich um.

"Aber worin warst du, eigentlich so vertieft, als ich vorhin kam?"

"Ach, in nichts Besonderes. Bergliot wandte sich dem Schreibtisch wieder zu.

"Nichts? Du sahst und hörtest ja nichts, Ach, – alte Briefe! Ach, – Bergliot, laß mich ein bißchen hineingucken! Nur ein ganz klein bißchen! Alte Briefe sind das Amüsanteste auf der Welt!"

"Hm, ja, du kannst gern einige davon lesen. Sie sind nicht so gefährlich."

"Sind sie von Knut?" "Ach nein, mein Herz, die ließe ich dich denn doch nicht lesen!"

"Aber – aber Bergliot, – das sind ja Verse, – und Verse, – und immer wieder Verse!"

"Ja. Die sind aus den Zeiten, als sie noch Verse auf mich machten, weißt du. Im Lenze meiner Jugend!"

"Und so eine Menge!"

"Ja, es war so eine Art Mode damals unter ihnen."

"Unter wem?"

"Ach, unter meinen Freunden von damals. Während der zwei Jahre, als ich bei Tante Julie wohnte und das Seminar besuchte."

"Ja –?"

"Es waren Thomas Hageman, Norgreen, Fritz Brun, Peter Hedels und ein paar andere."

"Knut nicht?"

"Nein!"

Karen Ragnhild verschlang die Verse. Blatt für Blatt, so wie sie sie bekam.

"Aber sie sind ja entzückend, Bergliot! Wer hat z.B. dies geschrieben?"

"Das, – ja, das ist von Fritz Brun. Der Ärmste, du weißt, er ging dann nach Amerika. Er ist gestorben."

"Das ist wunderschön!"

"Ja. Er war wirklich eine Art Dichter!"

"Und alle diese?"

"Die sind von Norgreen."

"Und diese? Dies hier?"

"Das ist von Peter Hedels. Die sind auch hübsch. Viele davon."

"Ach ja, – dies zum Beispiel. Karen Ragnhild deklamierte. Dann las sie weiter.

"Hast du keine von Hageman?"

"Ja. Aber die kann ich dir wirklich nicht zeigen."

Karen Ragnhild sah sie fragend an.

"Ach nein," sagte Bergliot. "Er würde es nicht gern sehen."

...



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