Liebig / Übel | 19. Januar 1919: Frauenwahlrecht | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 170 Seiten

Liebig / Übel 19. Januar 1919: Frauenwahlrecht

Ein Meilenstein zur Gleichberechtigung
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-17-034345-0
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Ein Meilenstein zur Gleichberechtigung

E-Book, Deutsch, 170 Seiten

ISBN: 978-3-17-034345-0
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die Einführung des Frauenwahlrechts 1919 durch die Weimarer Reichsverfassung war ein Meilenstein für die deutsche Gesellschaft. Auch wenn damit noch keine vollkommene Gleichberechtigung der Geschlechter erreicht war, so hatten die Frauen nun doch die Möglichkeit, neue Wege zu gehen und sich bisher verschlossene Bereiche zu erobern. Damit war immerhin die Grundlage für eine weitere Verbesserung der Frauenrechte gelegt.
Die Autorinnen zeigen auf der Basis von zum Teil wenig genutzter Originalquellen eindrücklich auf, mit welcher Kreativität die Frauen die Hindernisse bis zur Erlangung des Wahlrechts überwanden, welche Ereignisse schließlich zum Wahlrecht führten, wie die Arbeit der Parlamentarierinnen aussah und welche neue Chancen sich für die Frauen schließlich ergaben.

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2     Pionierinnen in der Politik
        Die Parlamentarierinnen waren eine historische Besonderheit für die Kollegen in den Gremien ebenso wie für das Volk, das bisher gewohnt war, ausschließlich von Männern regiert zu werden und so wurden sie von allen Seiten sehr kritisch betrachtet. Für die Sozialdemokratinnen war es eine großartige Leistung, dass sie den Weg ins Parlament gefunden hatten, denn sie stammten vorwiegend aus den unterprivilegierten Schichten des Deutschen Kaiserreiches. Zudem waren sie in einer Zeit aufgewachsen, in der sich der Staat kaum um die Bildung und Ausbildung von Arbeiterkindern und insbesondere Arbeitermädchen kümmerte. Diese Frauen hatten sich unter großen Anstrengungen neben ihren Berufen, in der SPD engagiert und so politische Erfahrung gesammelt. Allerdings fehlte ihnen im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen eine gewisse politische Praxis, sodass sie hart für ihre Ämter arbeiteten,1 um sich das notwendige Wissen und die entsprechenden Verhaltensweisen anzueignen. In kürzester Zeit bewiesen sie, dass sie ihre Aufgaben hervorragend bewältigten. Geprägt durch ein hartes und arbeitsreiches Leben kannten sie die Nöte und Sorgen der Arbeiterschaft, wollten deren Lebensumstände verbessern und für mehr Gerechtigkeit sorgen. Dabei hatten sie besonders die Situation der Arbeiterinnen im Blick, die unter der Doppelbelastung von Familie und Beruf zerrieben wurden. Ihre Männer plädierten zwar größtenteils für die Gleichberechtigung aller Menschen, wenn es um ihre eigenen Frauen ging, wollten sie – ganz wie die bürgerlichen Männer – von Gleichberechtigung nichts wissen. Marie Juchacz Lebensweg ist charakteristisch für den Werdegang einer Sozialdemokratin. Die »Schule«, die sie für ihre Ämter vorbereitete, war ihr Leben, ihre sozialen und politischen Erfahrungen sowie die Bildungseinrichtungen der SPD und der Gewerkschaften. »Wir erblicken in dem Wort ›grundsätzlich‹ eine starke Einschränkung.«2
Marie Juchacz, geborene Gohlke, kam am 15. März 1879 in Landsberg an der Warthe (heute Polen) auf die Welt. Ihre Vorfahren waren Zimmerer und Kleinbauern. Nach acht Jahren Volksschule verdiente sie ihr Geld als Dienstmädchen, Fabrikarbeiterin und als Krankenwärterin3 in der »Provinz-Landes-Irrenanstalt.«4 Im Anschluss erlernte sie den Beruf der Schneiderin. Nach einer kurzen und unglücklichen Ehe zog sie mit ihren beiden Kindern zusammen mit ihrer Schwester Elisabeth, die ebenfalls ein Kind hatte, nach Berlin, wo beide als Schneiderinnen arbeiteten und sich in den Frauenvereinen der SPD engagierten. Sie unterstützten sich gegenseitig, um Kind, Beruf und Politik verbinden zu können. Schon seit 1905 war Marie Juchacz parteipolitisch tätig, trat 1908 offiziell in die SPD ein, wurde 1913 als Frauensekretärin nach Köln berufen und war von da an hauptamtlich politisch tätig. Als 1917 Clara Zetkin und Louise Zietz von der SPD zur USPD wechselten, übernahm Marie Juchacz ihre Posten im zentralen Parteivorstand und als Herausgeberin der Zeitschrift Die Gleichheit, sodass sie wieder nach Berlin zog.5 Am 13. Dezember1919 initiierte sie die Gründung der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in einem Parteiausschuss, den sie als Vorsitzende leitete. Hauptanliegen der AWO war die Selbsthilfe der Arbeiterschaft im Bereich der Wohlfahrt, um im demokratischen Sinn zum Wohle des gesamten Volkes zu wirken.6 Marie Juchacz gehörte zu den wenigen Frauen, die während der gesamten Zeit von 1919 bis 1933 ein Reichstagsmandat ausübten. Sie war die einzige Frau in der SPD, die eine Vielzahl von Ämtern in ihrer Zeit als Politikerin bekleidete. Wie so viele aufrechte Menschen musste sie vor den Nationalsozialisten aus Deutschland fliehen und emigrierte in die USA. Dort gründete sie die »Arbeiterwohlfahrt USA, Hilfe für die Opfer des Nationalsozialismus«.7 Sie kehrte 1949 auf Bitten ihrer deutschen FreundInnen zurück und nahm das Amt der Ehrenvorsitzenden der AWO an. Marie Juchacz verstarb am 28. Januar 1956 in Düsseldorf. Anna Blos (18667–1933),8 Toni Pfülf (1877–1933)9 und Clara Zetkin (1857–1933)10 waren als Lehrerinnen innerhalb der SPD eine Ausnahme ebenso wie Toni Sender,11 die nach dem Besuch einer Höheren Töchterschule eine Ausbildung an einer Handelsschule absolvierte und sogar in Paris arbeitete. Mit Dr. Anna Siemsen (1885–1951) gehörte eine der wenigen promovierten Frauen der SPD an. Sie hatte im Anschluss an die Ausbildung zur Lehrerin in München Philosophie und Latein studiert und 1909 promoviert. Ihr Arbeitsfeld lag nach 1919 in zahlreichen Bereichen der Bildungspolitik.12 So wie sie wurden nicht viele Frauen in der SPD hinsichtlich Schulbildung und Beruf von ihren Eltern unterstützt. Nur Clara Bohm-Schuch13 und Louise Schroeder (1887–1957)14 hatten das Glück, denn ihre Eltern sahen in einer guten Schulbildung eine Chance für eine bessere Zukunft ihrer Töchter. Die meisten Mädchen aus der Arbeiterschaft mussten deutlich mehr Energie für eine höhere Schulbildung, sowie Aus- und Weiterbildung aufbringen und härter um ihren Lebensunterhalt kämpfen als die Frauen des Bürgertums. Hatten die Arbeitertöchter die Volksschule beendet, blieb ihnen selten eine andere Möglichkeit, als Arbeit zu suchen. Meistens verdienten sie als Dienstmädchen, Fabrikarbeiterinnen, Schneiderinnen oder Näherinnen ihren Lebensunterhalt, die wenigsten waren von Beruf »Ehefrau, Hausfrau oder Mutter« und nur eine kleine Minderheit arbeitete als Büroangestellte, Verkäuferin, Krankenpflegerin oder Lehrerin. In den seltensten Fällen konnten sie eine Mittel- oder Berufsschule besuchen und eine Berufsausbildung absolvieren. So ist es durchaus bewundernswert, dass sie neben der aufreibenden Alltagsarbeit, in Beruf und Familie, Zeit für Fortbildungen, politische Arbeit und Engagement in der Partei fanden. Die meisten der bürgerlichen Frauen im Reichstag kamen aus dem Lehrerinnenberuf, wie Hedwig Dransfeld (1871–1925)15 vom Zentrum oder die Oberstudiendirektorin Dr. Elsa Matz (1881–1959)16 von der Deutschen Volkspartei. Sie hatten sich gegen gesellschaftliche Widerstände durchgesetzt und durch ein Studium sowie Prüfungen gekämpft, meist war es ihnen durch ihre Herkunft und die Unterstützung ihrer Familien etwas leichter gemacht worden als den Arbeiterinnen. Viele wie beispielsweise Dr. Marie Baum (1874–1964),17 Dr. Gertrud Bäumer (1873–1954),18 Dr. Emilie Kiep-Altenloh (1888–1985)19 und Dr. Elisabeth Lüders20 promovierten sogar. Gemeinsam war den Parlamentarierinnen, dass sie aufgrund ihres Sachverstandes, ihrer beruflichen und politischen Qualifikation und ihrer Einsatzbereitschaft zu verantwortungsvollen Positionen gekommen waren. Sie brachten großes Fachwissen aus den sogenannten »typisch weiblichen Bereichen« des Lebens mit, das den Männern fehlte. Sie waren, wie die Frauen in der SPD, mit den Problemen der Arbeiterfrauen vertraut, oder hatten – wie einige bürgerliche Frauen – in der Sozialfürsorge, in Gemeinden, in Schulen, Kindergärten und der Krankenpflege gearbeitet. Darüber hinaus blickten sie auf einen jahrzehntelang geführten Kampf in der organisierten Frauenbewegung um die Erlangung ihrer politischen Rechte zurück. Mit dem Eintritt in die Nationalversammlung endete dieser Kampf scheinbar erfolgreich und ließ die frisch gewählten Parlamentarierinnen optimistisch in die politische Zukunft blicken, trotz der vielen und kräftezehrenden Arbeit, die vor ihnen lag. Die Parlamentarierinnen mussten sich zunächst an die Arbeit im Parlament und in den Gremien gewöhnen und lernen, ihren Standpunkt zu vertreten, was einigen nicht leicht fiel, wie die Abgeordnete und Juristin Elisabeth Lüders berichtete. So hingen Engagement und Erfolg der Frauen von ihrem persönlichen Hintergrund und von ihrer politischen Einstellung ab, denn es gab durchaus weibliche Abgeordnete, die im Parlament saßen, obwohl sie das Frauenwahlrecht abgelehnt hatten. Agnes Neuhaus (1854–1944) vom Zentrum bekannte rückblickend: »Meine Wahl in die Nationalversammlung traf mich politisch unvorbereitet und ich will ehrlich gestehen, daß mir das Verständnis für das Wirken der Frau an dieser Stelle nur langsam gekommen ist. Aber umso gründlicher.«21 Wie hart die Parlamentarierinnen arbeiteten, ist an Hedwig Dransfelds Brief an Albertine Badenberg über einen Tag im Parlament vom 19. Februar 1919 zu sehen. Abb. 7: Hedwig Dransfeld, 1924 oder früher. »Wir müssen überhaupt Pionierarbeit leisten.«
19. Februar...


Prof. Dr. Sabine Liebig und Dr. Brigitte Übel lehren und forschen an der Pädagogischen Hochschule in Karlsruhe.



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