E-Book, Deutsch, 363 Seiten, Format (B × H): 137 mm x 220 mm
Lietaerr / Arnsperger / Goerner Geld und Nachhaltigkeit
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-944305-07-3
Verlag: Europa Verlage
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Von einem überholten Finanzsystem zu einem monetären Ökosystem. Ein Bericht des Club of Rome, EU-Chapter
E-Book, Deutsch, 363 Seiten, Format (B × H): 137 mm x 220 mm
ISBN: 978-3-944305-07-3
Verlag: Europa Verlage
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der Club of Rome ist eine Vereinigung von Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Kultur, Wirtschaft und Politik aus allen Regionen unserer Erde. Er wurde 1968 in Rom ins Leben gerufen, mit dem Ziel, sich für eine lebenswerte und nachhaltige Zukunft der Menschheit einzusetzen. Dem viel diskutierten Bericht Die Grenzen des Wachstums folgten bisher weitere 30 'Berichte an den Club of Rome' zu unterschiedlichen Zukunftsfragen der Menschheit. Der Club of Rome EU Chapter widmet sich als unabhängiges Mitglied insbesondere der weltweiten Nachhaltigkeitsentwicklung. Autoren: Bernard Lietaer, Christian Arnsperger, Sally Goerner, Stefan Brunnhuber
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Einleitung
Unsere Welt steht vor den immensen Herausforderungen einer zweifachen Nachhaltigkeitskrise. Einerseits signalisieren der Klimawandel, zunehmende Treibhausgasemissionen und Preissteigerungen bei Nahrungsmitteln und Energie, dass die Art und Weise, wie wir Güter und Dienstleistungen produzieren und konsumieren, nicht mehr nachhaltig ist. Andererseits verweisen wiederholte Finanz- und Währungskrisen darauf, dass unser Geldsystem seine eigenen Probleme hat. Die Bemühungen, dieses Geldsystem während des Bankencrashs von 2007/2008 zu stützen und zu »retten«, und die anschließenden erfolglosen Versuche, den toxischen ökonomischen Fallout mit einem »Keynesianischen Stimulus« in den Griff zu bekommen, haben zu einer starken Zunahme der Staatsverschuldung geführt. Infolge dieser Staatsverschuldung und der Eurokrise geraten die EU-Regierungen derzeit in finanzielle Extremsituationen. Pensionen, Arbeitslosenunterstützung und andere soziale Sicherheitsnetze ebenso wie Investitionen in eine alternative Energiewirtschaft sind ausgerechnet in einer Zeit gefährdet, in der sie am meisten benötigt werden. Parallel dazu werden viele öffentliche Einrichtungen privatisiert.
Ökologen gehen die ökologische Krise oft damit an, dass sie sich neue monetäre Anreize ausdenken, »grüne« Steuern einführen oder Banken ermutigen, nachhaltige Investitionen zu finanzieren. Ökonomen wiederum glauben, die Finanzkrise lasse sich dauerhaft durch bessere Regulierungen und eine strikte, anhaltende Kürzung öffentlicher Etats beheben. Grünere Steuern, schlankere Staatsetats, grünere Euros, Dollars oder Pfunde – könnte es sein, dass beide Lager auf dem Holzweg sind?
Könnte es sein, dass das »missing link« zwischen Finanzwelt und Umwelt, zwischen Geld und Nachhaltigkeit irgendwo anders liegt? Und wenn es nun eine strukturelle monetäre Schwäche gäbe, eine Schwäche gerade in der Art und Weise, wie wir Geld erschaffen, die unsere beunruhigenden Probleme auslöst? Wenn wir also eigentlich unser Geldsystem überdenken müssten, damit wir uns den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts stellen können?
Kapitel 1: Warum dieser Bericht und warum jetzt?
Dieser Bericht hat drei Ziele:
?Beweise dafür vorzulegen, dass die finanziellen und monetären Instabilitäten, die Europa und die Welt gerade heimsuchen, eine strukturelle Ursache haben, die bislang übersehen wurde. Diese strukturelle Ursache anzusprechen ist eine notwendige (aber nicht ausreichende) Bedingung dafür, dass wir die heutigen Herausforderungen bewältigen.
?Das monetäre Problem und seine Lösungen im Kontext von zwei globalen Phänomenen zu verstehen: der Klimawandel und die Alterung der Bevölkerung. Wenn wir verhindern wollen, dass die schlimmsten Szenarien des Klimawandels Wirklichkeit werden, müssen wir einsehen, dass gewaltige Investitionen jetzt erforderlich sind, Investitionen, für die eine staatliche Führung und Finanzierung unerlässlich sein werden. Während der Eintritt der geburtenstarken Jahrgänge ins Rentenalter die Staatseinkünfte verringert, geraten ohnehin bereits erheblich angespannte soziale Programme noch mehr unter Druck. Beide Probleme werden in diesem Jahrzehnt auf die Spitze getrieben, und keines ist mit Sparmaßnahmen zu vereinbaren. Halten wir weiterhin an unserem gegenwärtigen monetären Paradigma fest, werden die Staaten nicht mehr in der Lage sein, diese sozialen und ökologischen Herausforderungen anzugehen.
?Pragmatische Lösungen vorzuschlagen, die sich kostengünstig von Bürgern, gemeinnützigen Organisationen, Unternehmen oder Regierungen umsetzen lassen und die auf einer strukturellen Ebene mehrere entscheidende Nachhaltigkeitsprobleme bewältigen würden, die derzeit viele Länder belasten.
Rückblickend wird man die Jahre von 2007 bis 2020 wahrscheinlich als eine Zeit des finanziellen Aufruhrs und des allmählichen monetären Zusammenbruchs betrachten. Die Geschichte hat aber auch gezeigt, dass systemische Veränderungen auf monetärem Gebiet nur nach einem Crash erfolgen. Daher ist es jetzt an der Zeit, sich der monetären Probleme bewusst zu werden.
Kapitel 2: Ökonomische Paradigmen
Debatten über ökonomische Probleme offenbaren nur selten das Paradigma, auf das sich ein Wirtschaftswissenschaftler bezieht. Wir wollen daher zunächst den begrifflichen Rahmen darlegen, der unserer Methode zugrunde liegt, und ihn mit anderen derzeit üblichen Paradigmen vergleichen. Statt ökologische und soziale Probleme als »Externalitäten« zu definieren, versteht unsere Methode ökonomische Aktivitäten als Teil des Bereichs des Sozialen, der wiederum Teil der Biosphäre ist. Diese Anschauung bildet die Basis für die Entwicklung neuer pragmatischer Instrumente, die flexibel genug sind, um viele unserer ökonomischen, sozialen und ökologischen Herausforderungen anzugehen.
Wir leiden unter einem dreifachen kollektiven »blinden Fleck« im Hinblick auf unser Geldsystem. Der erste betrifft die patriarchalischen Gesellschaften, die historisch betrachtet ein Monopol durchgesetzt haben: eine einzige zentral ausgegebene Währung, auf die Zinsen erhoben werden. Im Gegensatz dazu haben matrifokal orientierte Gesellschaften wie die in einigen altägyptischen Dynastien und im europäischen Hochmittelalter mehrere parallele Währungen gefördert. Dies hat zu größerer ökonomischer Stabilität, gerecht verteiltem Wohlstand und einer Wirtschaft geführt, in der die Menschen ganz natürlich längerfristig denken, als wir es tun.
Der zweite kollektive »blinde Fleck« ist eine Folge des ideologischen Kriegs zwischen Kapitalismus und Kommunismus im 20. Jahrhundert. Während selbst die geringfügigsten Unterschiede zwischen diesen beiden Systemen bis zum Überdruss untersucht worden sind, wird das, was sie miteinander gemein haben, nach wie vor weniger eingehend analysiert, insbesondere die Tatsache, dass beide ein einziges nationales Währungsmonopol durchsetzen, das durch Bankschulden geschaffen wird. Der einzige signifikante Unterschied zwischen beiden Systemen bestand darin, dass im sowjetischen System die Banken dem Staat gehörten, während dies im kapitalistischen System nur von Zeit zu Zeit der Fall ist, etwa nachdem Banken, »die zu groß sind, um Bankrott zu machen«, in ernsthafte Schwierigkeiten geraten sind.
Seit dem 18. Jahrhundert wurde der systemische Status quo durch die Schaffung von Zentralbanken institutionalisiert, die das Währungsmonopol durchsetzten. Dieser institutionelle Rahmen bewirkt den dritten und letzten »blinden Fleck«.
Dieser dreifache »blinde Fleck« erklärt, warum das Überdenken des Paradigmas einer einzigen, monopolistisch produzierten Währung auf einen ebenso starken wie hartnäckigen Widerstand stößt.
Kapitel 3: Die Instabilität der Währungen und der Banken
Gegenüber den heutigen Devisen- und Derivatmärkten spielen alle anderen wirtschaftlichen Aktivitäten auf unserem Planeten nur eine unbedeutende Rolle. 2010 erreichten alle Devisentransaktionen ein Volumen von vier Billionen Dollar pro Tag. Dagegen beliefen sich die Exporte oder Importe aller Güter und Dienstleistungen auf der Welt an einem Tag nur auf etwa zwei Prozent dieses Volumens. Somit sind 98 Prozent der Transaktionen auf diesen Märkten rein spekulativ. Diese Zahl schließt noch nicht einmal die Derivate ein, deren nominelles Volumen 600 Billionen Dollar betrug – das Achtfache des jährlichen Bruttoinlandsprodukts (BIP) der gesamten Welt im Jahr 2010.
Und genau auf diesem gigantischen Markt kam es 2007 zur Bankenkrise. Wie bei jedem vorherigen Bankencrash meinten die Regierungen, ihnen bliebe nichts anderes übrig, als das Bankensystem zu retten, was auch immer das die Steuerzahler kosten würde. Dies ist zwar eindeutig die größte Krise, die wir seit den 1930er-Jahren erlebt haben, doch es ist nicht die erste. Dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge erlebten zwischen 1970 und 2010 145 Länder Bankenkrisen, 208 Währungszusammenbrüche und 72 Staatsschuldenkrisen – insgesamt also 425 Systemkrisen, wobei im Durchschnitt alljährlich über zehn Länder in eine Krise gerieten!
Die Folgen in Form von Arbeitslosigkeit, verlorenem ökonomischem Output, sozialer Unruhe und verbreitetem menschlichem Leid sind dramatisch. Die Gesamtkosten der Krise von 2007/2008 erreichten eine noch nie da gewesene Höhe. In den USA beispielsweise wird immer wieder auf die 700 Milliarden Dollar des Trouble Assets Relief Program (TARP) verwiesen, obwohl dies nur die Kosten der ersten Tranche der Rettungsaktion sind. Wird dieses Programm erwähnt, folgt unweigerlich die Anmerkung: »Dieses Geld ist inzwischen überwiegend wieder rückerstattet worden.« Das Beispiel der USA ist deshalb so interessant, weil es...