Lingenfelter / Frei / Reichel Der Engel an meiner Seite
Auflage der EPUB Ausgabe
ISBN: 978-3-941435-82-7
Verlag: Reichel Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Die wahre Geschichte eines Hundes, der einen Menschen rettete... und eines Menschen, der einen Hund rettete
E-Book, Deutsch, 200 Seiten
ISBN: 978-3-941435-82-7
Verlag: Reichel Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Michael Lingenfelter ist Ingenieur und hat in seinen 40 Jahren Berufszeit an zahlreichen öffentlichen Bauprojekten gearbeitet. Er war für den Entwurf und die Bauleitung von Kommunikationssystemen für Flughäfen, Massentransitsystemen und anderen öffentlichen Transportsystemen in Dallas, Pittsburgh, Los Angeles, Buffalo und anderen Städten auf der ganzen Welt verantwortlich. Er besitzt 17 Patente auf seinem Gebiet weltweit. Mike Lingenfelter und seine Frau Nancy haben vier Kinder und sieben Enkel. Sie leben in Huntsville, Alabama, wo Lingenfelter eine beratende Funktion für die Parsons Transportation Group, eine Tochtergesellschaft der Parsons Engineering, ausübt.
Zielgruppe
Tierärzte/ganzheitliche Ärzte/Tiertherapeuten/Hundeliebhaber
Weitere Infos & Material
Kapitel Eins
Wütend auf die Welt
»Auf keinen Fall!«, protestierte ich. «Ich habe doch schon einen Hund.«
Meine Psychiaterin Dr. Attar war längst daran gewöhnt, dass ich jeden ihrer Vorschläge niederschmetterte. Auch diesmal war es nicht anders. Was sollte ich mit einem Hund? Schließlich wusste ich genau, dass mein Ende nahte, und das wollte ich sogar. Ich hatte mein Leben satt, und meine Wut und Gleichgültigkeit halfen mir, mit dem Unausweichlichen fertig zu werden.
Ich musste den Tatsachen ins Auge sehen: Ich war meinem geschwächten Herz hilflos ausgeliefert. Ohne Medikamente oder Zustimmung meines Herzspezialisten konnte ich nichts mehr tun. Ich konnte nichts Schweres mehr tragen und ich durfte nicht allein Auto fahren. Wie die Ärzte mir außerdem gesagt hatten, würde mein Gesundheitszustand nie mehr besser werden - nur noch schlechter.
Und in diesem Zustand sollte ich mir einen Hund anschaffen? Na toll.
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Was war aus mir geworden? Noch zwei Jahre vorher hatte mir die Welt zu Füßen gelegen. Ich hatte eine glückliche Ehe und eine wunderbare, liebevolle Familie. Ich genoss das süße Leben in der sonnigen Idylle von Südkalifornien. Ich hatte einen Job, von dem jeder Ingenieur träumt; er war fordernd und befriedigend und brachte mir so viel Geld ein, wie ich jemals brauchen könnte.
Ich hatte mich auf den Entwurf und die Bauleitung von Kommunikations- und Kontrollsystemen für Flughäfen und öffentliche Transportmittel spezialisiert. Ich hatte an der Metro Rail Red Line, einem ultramodernen Massentransportprojekt in Los Angeles, gearbeitet. Das Projekt stand unter starkem Zeitdruck (wie die meisten solcher Projekte) und hatte ein Milliarden-Dollar-Budget. Obwohl ich in meinem Job gut war, war ich sehr ehrgeizig und schuftete. Ich war eben ein echter Alpha-Typ, der die Herausforderungen liebte, die mein Beruf mit sich bringt.
Ich konnte gar nicht hart genug arbeiten. Ich machte viele Überstunden und arbeitete dazu noch unzählige Stunden an den Abenden und Wochenenden zu Hause. Manchmal konnte ich mich von meinem Job losreißen, aber meistens war meine Arbeit mein Leben. So kam mein schwerer Herzinfarkt nicht unbedingt überraschend. Überraschend daran war die Tatsache, dass es nicht während der Arbeit passierte, sondern während ich an einem dieser paradiesischen kalifornischen Sonnentage mit dem Fahrrad unterwegs war.
Ich konnte von Glück sprechen, den Herzinfarkt zu überleben. Und ich hatte sogar das große Glück, einen zweiten Herzinfarkt zu überleben. Der ereignete sich eine knappe Woche später, während ich mich noch im Krankenhaus von meinem ersten erholte. Auch wenn ich eine Notoperation am Herzen gehabt hatte, blieben starke Herzschäden und eine chronische Angina pectoris zurück.
Laut dem amerikanischen Gesundheitsministerium ist Angina pectoris »ein wiederkehrender Schmerz und Unbehagen in der Brust als Resultat schlechter Durchblutung eines Teil des Herzens«. Bei manchen Menschen taucht Angina pectoris in einem vorhersehbaren Muster auf, das es ihnen ermöglicht, ihre Aktivitäten anzupassen und sich auf den richtigen Umgang mit den Attacken vorzubereiten. Das nennt man eine »stabile Angina pectoris«. Aber was ich hatte, war eine »instabile Angina pectoris«, die kaum vorauszusehen war. Es gibt keine Warnzeichen - instabile Angina-pectoris-Attacken brauchen weder Stress noch körperliche Belastung als Auslöser, und an ihrer Häufigkeit und Schwere lässt sich kein Muster erkennen. In beiden Fällen können sich die Attacken allmählich verschlimmern und irgendwann zu einem Herzinfarkt führen.
Mein Herz war zu schwach, um eine weitere Operation zu überstehen. Daher musste ich lernen, mit dem Schmerz zu leben, während meine instabilen Herzattacken mich weiterhin quälten. Für mich fühlte sich jeder Anfall so an, als wäre mein Brustkorb in einen Schraubstock eingeklemmt. Auch wenn der Schmerz variierte, strahlte er oft von der Brust bis in die Schultern, Arme und den Hals hinauf. Es tat sogar so weh, dass ich nicht immer genau sagen konnte, wo es am meisten schmerzte.
Ich musste meine Arbeit liegen lassen und zur Rehabilitierung zu Hause bleiben. Zwei Monate nach der Operation begann ich mit dem Rehabilitationsprogramm. Zu Anfang der Reha befand ich mich in einem schlimmen Zustand: Ich musste mir die Namen meiner Enkel neu einprägen und sogar das Schreiben wieder lernen. Ich glaubte, mein Herz durch Sport stärken zu können, und war sicher, je härter ich trainieren würde, desto schneller würde ich mich erholen und wieder arbeiten können. Ich war sicher, mich selbst heilen zu können, und wusste, dass ein gelegentlicher Schmerz Fortschritte bedeutete, und so betrieb ich die Reha genauso intensiv, wie ich gearbeitet hatte. Doch nachdem die Angina pectoris mich ein paar Mal flachgelegt hatte, verbot mein Kardiologe mir sämtliche Reha-Aktivitäten.
Ich ging zu meinem Arzt und wollte von ihm wissen, warum er meinen Zustand nicht verbessern konnte. Schließlich musste ich ja wieder zur Arbeit zurück! Doch wie er mir mitteilte, war das nicht mehr das Hauptproblem. Mein Hauptproblem war jetzt die Frage, wie lange ich noch leben würde. Wie mein Kardiologe mir eröffnete, würde ich nicht mehr gesünder werden. Am besten wäre es für mich, weiterhin die Medikamente einzunehmen, die gegen die Angina pectoris halfen. Eine Operation kam für mich immer noch nicht in Frage, da mein Herz nicht stark genug war, eine solche Strapaze zu überleben. Ich ging zu anderen Ärzten und bekam überall dieselbe düstere Diagnose zu hören.
Die Realität war unerträglich. Ich würde nie mehr in meinen Job zurückkehren und auch nie mehr gesünder werden. Ich war nicht mehr der Brötchenverdiener und ich war auch kein toller Ehemann oder Vater. Ich fühlte mich absolut wertlos und für alle Probleme meiner Familie verantwortlich. Mir war elend zumute und ich stellte sicher, dass sich auch mein ganzes Umfeld schlecht fühlte. Vor allem der Mensch, den ich am meisten liebte - meine Frau Nancy -, bekam das zu spüren. Ich versuchte ständig, irgendeinen Streit mit ihr anzufangen, damit sie das Leben ja nicht mehr genießen könnte.
Warum sollte sie glücklich sein, wenn ich es nicht war?
Das war im August 1992. Damals war ich 54 Jahre alt und glaubte, mein Leben sei vorbei. Ich hing zu Hause herum und wartete auf meinen Tod. So vegetierte ich die nächsten Monate vor mich hin. Die Tage zogen sich in die Länge. Ich nahm Pillen zum Aufstehen, Pillen zum Wachbleiben und Pillen zum Schlafengehen. Ich hatte keine Hoffnung und kein Leben mehr. Jeden Tag fuhr ich Nancy die wenigen Straßenblocks ins Büro und holte sie zur Mittagszeit und nach der Arbeit ab. Auch wenn ich eigentlich nicht Auto fahren sollte, wollte ich doch wenigstens meine Verzweiflung mit ihr teilen.
Nach einem Jahr dröger Routine - warum sie es so lange aushielt, ist mir schleierhaft - beschlossen wir, dass wir etwas ändern mussten. Nancy kündigte ihre Stelle und wir zogen im April 1993 nach Katy, Texas. Wir redeten uns ein, dann unseren Kindern und Enkeln näher zu sein. Doch tief in meinem Inneren spürte ich, dass Nancy einfach von Zeit zu Zeit meiner düsteren Stimmung entfliehen wollte. Ein Vorteil war unser neuer Wohnsitz in einem Vorort von Houston, das uns die beste medizinische Versorgung des Landes bot. Wenn ich nicht gerade zu Hause hockte und unausstehlich war, verbrachte ich die meiste Zeit im Methodist Hospital in Houston. Und als wären meine Herzprobleme nicht schon schlimm genug, komplizierten Kreislaufprobleme und stressbedingte Angstzustände meine Situation noch mehr. Alles zusammen ließ Selbstmordgedanken in mir hochsteigen. Und deswegen ging ich zu einem Psychiater.
Als ich Dr. Attar sagte, dass ich keinen Hund mehr wollte, ignorierte sie mich einfach. Das tat sie meistens. Sie machte mich ständig wütend. Ein Teil der Wut war die Nebenwirkung meiner Medikamente, doch der größte Teil kam daher, weil ich ein wütender, frustrierter Alpha-Typ-Macho-Idiot war. Da Wut der einzige Schutzmechanismus war, den ich hatte, ließ ich sie bei der Psychiaterin oft heraus. Ich wusste, ich würde sowieso sterben - dagegen konnte Dr. Attar genauso wenig tun wie ich selber. Und es war mir egal. Im Gegenteil: Ich hatte vor, den Prozess ein bisschen zu beschleunigen. Wenn ich die Sicherheit gehabt hätte, dass Nancy nach meinem Tod genügend Geld für ihren Lebensunterhalt haben würde und die Lebensversicherungsgesellschaften keine dummen Fragen stellen würden, dann hätte ich mein Leben sofort beendet und sie von ihrer Last befreit.
Das wusste auch Dr. Attar. Ich war seit meiner Ankunft in Houston wegen Depressionen und Angstzuständen bei ihr in Therapie und sie hörte sich jede Woche meine Wut, Drohungen, Depressionen und Lügen an. Während der jetzigen Sitzung wollte ich aufstehen, doch sie ließ mich nicht.
»Bleiben Sie sitzen und hören Sie mir gut zu«, sagte Dr. Attar. »Dr. Young und ich sind beide der Meinung, dass Sie keine Fortschritte machen. Sie haben eine Wut auf die ganze Welt, und Sie lassen Ihre Wut an allen Leuten um Sie herum aus - vor allem an ihrer Frau«, schimpfte sie mit mir. »Sie müssen etwas tun, das Sie aus dem Haus lockt - etwas, wodurch Sie sich körperlich betätigen.«
Ich hatte immer gedacht, meine Psychiaterin sei dazu da, mich abzuregen statt aufzuregen.
Bei einem meiner ersten Termine bei meinem Kardiologen Dr. Young hatte ich eine schwere Angina-pectoris-Attacke...