E-Book, Deutsch, 536 Seiten
Linnemann Der Descastein
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-7578-4959-7
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 536 Seiten
ISBN: 978-3-7578-4959-7
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Auf einem Flohmarkt entdeckt Finn eine alte Keksdose. Keine gewöhnliche Keksdose, der hätte er auch keine Beachtung geschenkt. Aber diese war mit einem Bügelschloss verschlossen worden und es war deutlich zu spüren, dass sich darin etwas befand. Aus reiner Neugier kauft Finn die Dose und findet beim Öffnen einen Stein. Durch Zufall bemerkt er, dass der Stein magische Kräfte besitzt. Er beginnt die sich ihm bietenden Möglichkeiten zu nutzen. Doch dann geschieht etwas Unvorhergesehenes und nicht nur sein Leben gerät völlig aus den Fugen.
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FINN
Es war kurz nach zwanzig Uhr, als Finn das Flughafengebäude verließ. Fast dreizehn Stunden Flug lagen hinter ihm.
Während des Fluges hatte er nur wenig Schlaf gefunden und jetzt fühlte er sich wie durch die Mangel gedreht.
Vor dem Ausgang herrschte reger Betrieb. Viele der Reisenden wurden abgeholt, wodurch sich auf der mehrspurigen Straße ein Pulk von Fahrzeugen bildete, die sich dabei gegenseitig zuparkten. Hupen und wildes Schimpfen der Fahrer erfüllte die Luft zusätzlich zu den sowieso schon vorhandenen Abgasen.
Finn kämpfte sich ein Stück aus der Menschenmasse heraus und sah sich um. Direkt gegenüber vom Flughafen lag das Hotel Camino Royal, in dem Katrin für die erste Nacht ein Zimmer für ihn gebucht hatte. Sie hatte das von sich aus gemacht, nachdem sie anhand der Flugdaten gesehen hatte, dass Finn erst gegen Abend in Mexiko ankommen würde.
Jetzt war er ihr dankbar dafür, obwohl er nicht glaubte, dass das Hotel ausgebucht wäre.
Doch zunächst musste er es erst mal erreichen und das stellte ihn im Augenblick noch vor eine größere Herausforderung, denn so wie es aussah, gab es keinen Fußweg zur anderen Seite. Soweit er das überblickte, war da nur diese fünfspurige Straße mit zahllosen Zu- und Abfahrten, die immer wieder von Grünstreifen unterbrochen waren.
Es dauerte einen Moment, bis Finn die Überführungen bemerkte, die vom Flughafengebäude direkt zur anderen Seite führten. Eine davon war anscheinend auch direkt mit dem Hotel verbunden. Um sie zu erreichen, musste Finn allerdings wieder zurück ins Gebäude.
Das Gedränge vor dem Ausgang war inzwischen weniger geworden. Finn fand eine Treppe, die ihn ins nächste Stockwerk führte und dort auch Wegweiser. Auf einem war der Name des Hotels aufgeführt, was Finn die Sicherheit gab, jetzt auf dem richtigen Weg zu sein. Die verglaste Überführung, in der sich noch die Hitze des Tages staute, brachte ihn in ein Treppenhaus, wo erneut Wegweiser in unterschiedliche Richtungen deuteten. Finn folgte dem in Richtung Hotel, stieg eine Treppe herunter und kam direkt in der Empfangshalle heraus.
Vor ihm tat sich ein großzügig gestaltetes und acht Etagen hohes Atrium auf. Auf der unteren Etage befanden sich die Rezeption, eine Bar und zahlreiche unterschiedlich gestaltetet Sitzecken. Hinter einer Regalwand mit teilweise offenen Fächern schien das Restaurant zu liegen. Nach oben war der Blick frei auf ein großes Glasdach und die umlaufenden Gänge, die zu den Zimmern führten. Alles war hell erleuchtet und in den Farben Weiß und Orange gehalten.
Finns Vorstellungen von Mexiko waren bisher nur von dem geprägt, was er aus dem Fernseher oder Kinofilmen kannte.
Darin war dieses Land eher heruntergekommen, schmutzig und bestand nur aus Armenvierteln. Doch diesen Eindruck musste er jetzt korrigieren. Zwar schien das Design des Hotels mehr dem 70er- oder 80er-Jahre Style zu unterliegen, aber es war alles andere als heruntergekommen.
Er ging auf die Rezeption zu, wo ihn ein älterer Mann im schwarzen Anzug auf Spanisch begrüßte. Nachdem Finn auf Englisch antwortete, wechselte der Mann sofort zu englisch.
Finn bekam ein Zimmer in der vierten Etage. Es war ein typisches Doppelzimmer mit kleinem Bad. Die Möbel waren aus dunklem Holz und der orange-rot-braun gestreifte Teppich unterstrich den schlechten Geschmack des Innenausstatters.
Finn legte seinen Rucksack auf dem Bett ab und ging zum Fenster, das ihm einen Ausblick auf das Flughafengebäude und darüber hinaus auf die Startbahn ermöglichte. Er öffnete einen Flügel, obwohl nicht davon auszugehen war, dass frische Luft reinkam, aber sie war wenigstens kühl. Danach ließ er sich in den Sessel neben dem Bett fallen, legte den Kopf zurück und schloss die Augen.
In was für einen Albtraum war er hier geraten. Zehntausend Kilometer entfernt von der Heimat, suchte er in einem fremden Land einen Mann, der Julia aus ihrer Bewusstlosigkeit befreien sollte, die durch einen magischen Stein verursacht worden war. Verrückter konnte es eigentlich gar nicht sein und je länger er darüber nachdachte, umso mehr Zweifel stiegen in ihm auf. Im Grunde war diese Reise nicht mehr als der berühmte Strohhalm, an den er sich klammerte und auch wenn sie zu nichts führen würde, für sein eigenes Gewissen konnte er nichts unversucht lassen. Solange auch nur die geringste Chance bestand, Hilfe für Julia zu finden, musste er sie nutzen. Das war er Julia schuldig.
Nachdem er geduscht hatte, suchte er das Restaurant auf. Er bestellte eine Bowl mit Rindfleisch und Kartoffeln in Tomatensoße. Mit Julia war er häufiger mexikanisch Essen gewesen, daher interessierte ihn der Vergleich zur original mexikanischen Küche. Serviert wurde das Essen auf einem Teller mit einem breiten roten Rand. Mexiko schien farbig zu sein, was auch die bunten Trinkgläser auf den Tischen erklärte.
Das Gericht wies zwar Ähnlichkeiten auf, war aber wesentlich kräftiger mit fremden Gewürzen und zudem viel schärfer abgeschmeckt. Nach dem Essen trank Finn noch seine Cola und zog sich schließlich auf sein Zimmer zurück. Völlig übermüdet schlief er schnell ein, wurde aber nach wenigen Stunden bereits wieder wach, weil der Fluglärm selbst bei geschlossenem Fenster nicht zu überhören war. Bis es draußen hell wurde, rollte er sich im Bett umher, ohne dabei wirklich noch einmal tief einzuschlafen und fühlte sich am nächsten Morgen auch entsprechend schlecht ausgeruht. Doch er ignorierte dieses Gefühl, denn wenn alles gut lief, würde er heute Abend, spätestens jedoch morgen wieder im Flieger nach Deutschland sitzen. Dort könnte er den Schlaf nachholen.
Nach dem Frühstück ließ er an der Rezeption ein Taxi bestellen, das ihn nach Texcoco de Mora bringen sollte. Schon nach kurzer Zeit hielt ein grüner VW-Käfer mit der Aufschrift Taxi vor dem Hotel. Finn warf seinen Rucksack auf den Rücksitz und setzte sich auf den Beifahrersitz. Nachdem er dem Taxifahrer den Briefumschlag gezeigt hatte, antwortet der mit einem erfreuten Sí, Sí, und fuhr sofort los. Bis Texcoco waren es rund dreißig Kilometer. Eine Strecke, die vermutlich eher selten war und ein lukratives Geschäft versprach. Ein Taxameter suchte Finn jedenfalls vergeblich.
Die Fahrt in dem alten Käfer schien spannend zu werden.
Noch weniger Komfort und Ausstattung war bei einem Auto wohl kaum möglich und einen Gurt suchte er auch vergeblich. Für einen Augenblick spielte er mit dem Gedanken, seinen Rucksack wieder nach vorne zu holen, um ihn vor sich auf den Schoß zu nehmen, beließ ihn dann aber auf dem Rücksitz.
Mexiko-Stadt hatten sie schnell hinter sich gelassen und erreichten schon bald eine kostenpflichtige Autobahn. Finn erschloss sich aber nicht, wofür die Mautgelder verwendet wurden. In den Zustand der Straße wurden sie jedenfalls ganz sicher nicht investiert und gleichzeitig war er froh, dass der schwach motorisierte Käfer kaum mehr als 90 km/h schaffte.
Die Strecke war offensichtlich mit dem Lineal in die Landschaft gezogen worden und verband Mexiko-City mit Texcoco de Mora. Dazwischen lag nichts außer Felder und Wildnis. Im Innenraum wurde es unterdessen immer wärmer und nachdem Finn vergeblich versucht hatte die Lüftung auf seiner Seite zu öffnen, machte ihm der Fahrer auf Spanisch und untermalt von Gesten klar, dass sie offensichtlich kaputt war. Ersatzweise öffnete Finn das Seitenfenster etwas, indem er an der Kurbel in der Tür drehte. So etwas kannte er eigentlich nur aus Erzählungen.
Schon bald tauchten wieder erste Gebäude am Straßenrand auf. Zuerst nur vereinzelt, doch dann immer mehr, bis schließlich eine Stadt daraus wurde. Die Autobahn endete und verteilte sich über ein Gewirr von Abfahrten und Brücken in die Stadt hinein. Der Taxifahrer folgte einer Straße, die anscheinend stadteinwärts führte. Die Häuser waren schlicht und machten einen baufälligen Eindruck. Einige schienen bewohnt zu sein, obwohl sie aus dem Rohbau nie herausgekommen waren. Sie alle verfügten über einen nahezu einheitlichen Baustil. Im Erdgeschoss befanden sich Geschäfte, Werkstätten oder Ähnliches, was abends mit einem Rolltor verschlossen werden konnte. Darüber befanden sich die jeweiligen Wohnräume. Immer wieder lagen verwilderte Grundstücke zwischen den Häusern. Auf der Straße selbst war nur wenig Betrieb.
Das änderte sich erst, nachdem der Taxifahrer an einem Kreisverkehr in Richtung Zentrum abgebogen war. Nach wenigen Metern hielt er an einer Bushaltestelle und deutete Finn an, das Seitenfenster vollständig zu öffnen. Sofort schrie er etwas auf Spanisch zu den wartenden Personen hinaus. Eine Frau machte ein paar Schritte auf das Taxi zu und antwortete. Sie wechselte ein paar Sätze mit dem Fahrer, wobei Finn sich in den Sitz drückte, um dabei nicht im Weg zu sein. Schließlich bedankte sich der Mann und fuhr weiter.
Obwohl Finn nichts verstanden hatte, war ihm schon klar, dass der Fahrer nach dem Weg gefragt hatte. Er tat es sogar noch ein zweites Mal, bevor das Taxi das gewünschte Ziel erreichte. Es stoppte neben einem...