E-Book, Deutsch, Band 2, 196 Seiten
Reihe: Schattenfall
Linnemann Zuflucht in Schattenfall
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-8192-2325-9
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Band 2 der Cozy-Fantasy-Reihe für kuschelige Winterabende
E-Book, Deutsch, Band 2, 196 Seiten
Reihe: Schattenfall
ISBN: 978-3-8192-2325-9
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Diandra Linnemann ist in einem Haus voller Gespenster aufgewachsen. Kein Wunder, dass sie phantastische Geschichten liebt! Als Übersetzerin und Autorin widmet sie ihr Leben dem geschriebenen Wort. Zuhause entspannt sie am liebsten auf dem Balkon, mit einer Tasse Kaffee und einer Katze auf dem Schoß. Ihre Geschichten über Magie und Monster sind spannend, manchmal lustig und immer zutiefst menschlich.
Autoren/Hrsg.
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Ins feindliche Lager
Am nächsten Morgen schob wattige Helligkeit sich durch einen Spalt an dem bunten Vorhang vorbei und weckte Rosalinda. Sie hatte bestimmt viel zu lange geschlafen.
Die Luft im Raum war kühl und roch nach dem Fluss, der sich unter der Mühle hindurchschlängelte. Eine Etage tiefer klapperte Besteck.
Thomas, erinnerte Rosalinda sich. Du hast bei Thomas übernachtet, nachdem du von zu Hause weggelaufen bist.
Die anderen Hexen haben inzwischen wahrscheinlich entdeckt, dass du verschwunden bist. Erika wird toben.
Dieser Gedankengang war nicht dazu angetan, sie aufzumuntern. Sie schlug die Decke zurück und fluchte. Wieso war es hier drin so kalt? Sie griff nach einer dünnen Decke, die von der Kleiderstange hing, und wickelte sich darin ein. Dabei fiel ihr Blick auf die Bücher auf dem Schreibtisch. Sie schob den Hocker beiseite und kletterte durch die Luke nach unten. Hier war es wesentlich wärmer. »Glaubst du wirklich, dass du so Magie lernen kannst?«
»Das ist für den Aufnahmetest an der Uni«, antwortete Thomas und schlug ein zweites Ei in die Pfanne. »Hast du gut geschlafen?«
Rosalinda nickte und kam sich beim Gedanken, dass sie sich letzte Nacht verbarrikadiert hatte, ein wenig albern vor. »Du willst an die Uni?«
Er zuckte die Schultern. »Ich will lernen, mit meiner Magie umzugehen. Helga meint, das sei ein guter Anfang.«
Als ob man Magie von der Theorie aus lernen könnte!
»Haben deine Eltern dir nichts beigebracht?«
»Meine Eltern?«
»Irgendwoher musst du dein Talent ja haben.«
Er hob ein perfektes Spiegelei aus der Pfanne und ließ es auf eine Scheibe Toast gleiten. »Isst du Ei?«
»Ich esse alles außer Fleisch.«
»Gewagte Behauptung.« Er schlug ein zweites Ei auf, ohne sie anzusehen. »Meine Eltern hatten andere Sorgen, als mir Dinge beizubringen.«
Oh, ein Fettnäpfchen. Rosalinda ärgerte sich. Am liebsten hätte sie ihm zur Wiedergutmachung angeboten, dass sie ihm etwas beibringen könnte. Aber ihre Hexerei war Familiensache, nur für Frauen. »Ich hab das Jeansprojekt auf dem Boden gesehen – nähst du?«
»Ich übe. Für den Fall, dass das mit der Magie nicht klappt, versuch ich es vielleicht als Modedesigner. Die Vorhänge habe ich auch selbst genäht, sind ein bisschen schief geworden.«
»Fällt gar nicht auf.«
Er schnaubte. »Irgendwie muss man seine Zeit halt füllen, wenn man keinen Fernseher hat. Such dir einen Tee aus.
Oder willst du lieber Kaffee?«
»Ich hätte dich nie für so häuslich gehalten«, sagte Rosalinda und ging zur Küchenecke hinüber. Sie zog aufs Geratewohl eine Teeschachtel aus dem Regal. Die enthielt Papierkuverts in verschiedenen Farben – die Restesammlung. Gab es wohl in jedem Haushalt. »Happy Sunshine.«
»Ist mir auch neu.« Thomas setzte sich auf ein Kissen und stellte die Teller mit Toast und Ei in die Mitte auf den Boden. »Ich improvisiere noch.«
Der Wasserkessel dampfte, also goss Rosalinda seinen und ihren Tee auf und gesellte sich zu ihm. »Wo steckt Geronimo?«
»Nimmt ein Bad. Guten Appetit!«
»Draußen?«
»Wo sonst? Keine Sorge, er ist gut isoliert.« Thomas hatte sein Frühstück bereits zur Hälfte verschlungen, während Rosalinda noch auf dem ersten Bissen herumkaute. Er begann, Dinge in seinen Rucksack zu stopfen.
»Hast du einen Termin?«, fragte Rosalinda. Erst jetzt ging ihr auf, dass sie vielleicht ungelegen kam.
»Nur einkaufen. Und ich will in der Bibliothek vorbeischauen.«
Das war ihre Gelegenheit. Besser, es schnell hinter sich zu bringen. Sie hatte ja letzte Nacht schon gekniffen.
»Kann ich mitkommen?«
Thomas versuchte vergeblich, seine Überraschung zu verbergen. »Klar.«
Ehe sie es sich anders überlegen konnte, versprach Rosalinda: »In zehn Minuten bin ich sprungbereit.« Sie trank von ihrem Tee, aß noch ein Stück Toast und stand auf.
Unter Druck funktionierte sie immer noch am besten – auch wenn der Druck selbstgemacht war.
Als sie kurze Zeit später die Mühle verließen, rieselten winzige Schneekristalle flüsternd auf die kahlen Äste über ihren Köpfen. Über Nacht hatte die Welt einmal mehr ihren weißen Mantel angelegt.
Geronimo kam angepaddelt und trötete zur Begrüßung.
Das Wasser musste eisig sein. Dem Ganter merkte man davon allerdings nichts an.
Thomas lachte. »Ja, ich frag auf der Post nach den Mehlwürmern.«
Rosalinda schmunzelte. »Ihr versteht euch wirklich gut.
Ist er dein Familiar?«
»Nein – nein, so ist das nicht«, widersprach Thomas.
»Ich weiß nicht einmal, ob ich eins habe. Komm, wir müssen uns sputen. Die Post macht um elf dicht!«
Das waren ja Hinterwäldler-Öffnungszeiten. Rosalinda bemerkte, dass sie immer langsamer wurde, als sie sich der Brücke näherten. Schließlich blieb sie stehen.
Thomas war vorgegangen und drehte sich um. »Was ist?«
Geht schon weiter, Füße!, befahl Rosalinda ihren Gliedmaßen. Sie schluckte. Das war doch lächerlich!
»Kommst du?«
»Moment!«
Thomas runzelte die Stirn. »Was stimmt mit dir nicht?
Ich dachte immer, es sei nur ein Gerücht, dass Hexen kein fließendes Wasser überqueren können.«
»Du bist blöd!« Sie musste lachen.
»Hast du vielleicht eine spirituelle Brückenallergie? Was ist? Ich biete nur Lösungen an!«
»Das sind keine Lösungen, sondern Ausreden.« Rosalinda holte tief Luft und setzte sich in Bewegung. Sie ging an Thomas vorbei und fühlte die hölzernen Bohlen unter ihren Füßen vibrieren. Ihre Schritte klangen hohl. Das Wasser gurgelte zwei Meter tiefer.
Erst, als sie wieder festen Boden unter den Füßen spürte, entspannte sie ihre Fäuste. Da war sie also angekommen.
In Schattenfall.
»Mutig!«, rief Thomas und folgte ihr mit großen Schritten. »Seht her, die Bezwingerin der Brücke!«
»Hör auf damit!«
»Schon gut.« Er blies sich eine blondierte Haarsträhne aus der Stirn. »Sorry. Wie kommst du sonst in die Stadt?«
»Gar nicht.«
»Gar nicht?«
»Gar nicht.«
»Was, wenn du Heidemarie besuchen willst? Sie ist doch deine Tante.«
»Hast du mich schon einmal Tante Heidemarie besuchen sehen?«
»Und ich dachte immer, meine Familie sei verkorkst.«
Er hakte sich bei ihr unter. »Darf ich? Wir müssen da lang.« Wenn er die Einkerbungen bemerkte, die ihre Fingernägel in ihren Handflächen hinterlassen hatten, war er auf jeden Fall klug genug, sie nicht zu erwähnen.
Rosalinda wartete vor der Post. Sie studierte die Aushänge am Schwarzen Brett, um sich die Zeit zu vertreiben.
Ein Aufruf für den Frühjahrsputz am gemeinschaftlich genutzten Ritualkreis. Fragestunde zum Bau der neuen Bundesstraße. Der Männerchor kündigte sein »Osterkoncert« an. Rosalinda bedauerte, dass sie keinen Rotstift dabeihatte. Hoffentlich sangen die besser, als sie schrieben. Ein Foto von einem entlaufenen Huhn. Zum Glück dauerte es nur wenige Minuten, bis Thomas mit einem kleinen Karton in der Hand wieder auf die Straße trat.
»Ein Festmahl für Geronimo!« Als er den Karton schüttelte, raschelte es.
Vor dem Supermarkt an der Ecke spielten ein paar rothaarige Kinder auf der Straße, ohne sich um das Wetter oder den spärlichen Verkehr zu kümmern. Als sie jedoch Rosalinda sahen, unterbrachen sie ihr Treiben. Wie auf Kommando skandierten sie: »Hexe! Hexe! Eine Hexe! Hexe! Hexe! Eine Hexe!« Und sie zeigten mit schmutzigen Fingern auf sie.
Rosalinda blieb stocksteif stehen.
Thomas trat vor sie. »Hey, eure Mutter ist ein Leprechaun! Zeig ich deswegen etwa auf euch?«
Die Kinder kicherten und rasten davon.
»Sorry.« Thomas drehte sich zu Rosalinda um. »Whoa, alles in Ordnung?«
Rosalinda schluckte und nickte. Sie wusste, dass sie anders war. Und dass die anderen sie dafür hassten, hatte man ihr schon von klein auf eingetrichtert. Das war nichts Neues. »Ich sollte gehen.«
»Was?« Thomas griff nach ihrem Arm. »Wegen der Rotzgören? Du wolltest doch unbedingt herkommen – mitten in der Nacht im tiefsten Winter! Und jetzt kneifst du tagsüber wegen dieser Hosenscheißer?«
»Du verstehst das nicht!«, widersprach ihm Rosalinda.
»Hexen und Schatten sind eingeschworene Todfeinde!«
Sie riss sich los, machte kehrt und lief aufs Geratewohl davon.
Thomas folgte ihr. »Ich habe Fragen!«, rief er. »Gilt das für alle Hexen oder nur für euch? Und wie wird man ein eingeschworener Todfeind? Muss man dafür zum Amt oder gibt es ein Online-Formular?«
Wütend wirbelte sie herum....




