London | Jerry der Insulaner | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 216 Seiten

London Jerry der Insulaner


1. Auflage 2018
ISBN: 978-80-268-8443-9
Verlag: e-artnow
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 216 Seiten

ISBN: 978-80-268-8443-9
Verlag: e-artnow
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Dieses eBook: 'Jerry der Insulaner' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Aus dem Buch: 'Solange das dauerte, vergaß Jerry Meringe ganz. Wie er noch genau wußte, hatte der Habicht einen scharfen Schnabel und scharfe Krallen gehabt. Man mußte sich also hüten vor diesem flatternden Ungeheuer, das mit Donnergepolter hin und her sauste. Und Jerry hielt, sprungbereit und immer nach einem Halt suchend, die Augen fest auf das Großsegel gerichtet und ließ jedesmal, wenn es sich eine Bewegung erlaubte, ein gedämpftes Knurren hören.'

Jack London (1876-1916) war ein US-amerikanischer Schriftsteller und Journalist. Er erlangte vor allem Bekanntheit durch seine Abenteuerromane Ruf der Wildnis und Wolfsblut sowie durch den mehrfach verfilmten Abenteuerroman Der Seewolf und den autobiographisch beeinflussten Roman Martin Eden. Diese Werke geben gleichzeitig eine Übersicht über die geographischen Räume, die er kannte: den arktischen Norden Nordamerikas (Klondike) zur Zeit des Goldrausches, Kalifornien und den Pazifik bzw. die Seefahrt auf diesem Ozean.

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Zweites Kapitel
Inhaltsverzeichnis
Aus dem Walboot über die niedrige Seite der Arangi und die sechszöllige Teakholzreling an Deck war nur ein Schritt, und Tom Haggin machte ihn leicht mit Jerry unterm Arm. Auf Deck befand sich eine aufregende Versammlung. Aufregend wäre sie für jeden unbereisten zivilisierten Menschen gewesen, und aufregend war sie für Jerry; für Tom Haggin und Kapitän Van Horn dagegen war es eine ganz alltägliche Sache. Das Deck war klein, weil die Arangi klein war. Ursprünglich eine aus Teakholz erbaute Lustjacht mit Messingnägeln, Kupferhaut und eisernem Bodenbeschlag wie ein Kriegsschiff und einem Flossenkiel aus Bronze war sie für die »Sklavenjagd« und den Niggertransport zwischen den Salomoninseln verkauft. Mit Rücksicht auf das Gesetz nannte man das jedoch »Rekrutieren«. Die Arangi war ein Arbeiterwerbeschiff, das die neu eingefangenen schwarzen Kannibalen von den entfernteren Inseln zur Arbeit nach den neuen Plantagen schaffte, wo weiße Männer feuchte, verpestende Sümpfe und Dschungeln in reiche, stattliche Kokospalmenhaine verwandelten. Die beiden Masten der Arangi bestanden aus Oregon-Zedernholz und waren so geputzt und gewachst, daß sie wie gelbbraune Opale im Sonnenglast schimmerten. Ihre außergewöhnlich großen Segel befähigten sie, wie der Teufel zu fahren, und gaben gelegentlich Kapitän Van Horn, seinem weißen Steuermann und seiner fünfzehnköpfigen schwarzen Besatzung alle Hände voll zu schaffen. Sie maß sechzig Fuß über Deck, und die Querbalken ihres Decks waren durch keine Aufbauten geschwächt. Nur an wenigen Stellen war das Deck durchbrochen: für das Skylight der Kajüte und die Laufbrücke, die Luke vorn über dem winzigen Vorderkastell und die kleine Luke achtern, die zum Vorratsraum führte, ohne daß jedoch Querbalken durchschnitten worden waren. Und auf diesem kleinen Deck befanden sich außer der Besatzung die »retournierten« Nigger von drei ausgedehnten Plantagen. Unter »retourniert« ist zu verstehen, daß ihr dreijähriger Arbeitskontrakt abgelaufen war, und daß sie vertragsgemäß in ihre Heimatsdörfer auf der wilden Insel Malaita zurückgeschickt wurden. Zwanzig von ihnen – alles gute Bekannte von Jerry – waren von Meringe; dreißig kamen von der Bucht der tausend Schiffe auf den Russellinseln, und die übrigen zwölf von Pennduffryn an der Ostküste von Guadalcanar. Zu diesen – die sich sämtlich, in ihren merkwürdigen kreischenden Falsettstimmen schwatzend und quiekend, an Deck befanden – kamen dann noch zwei Weiße: Kapitän Van Horn und sein dänischer Steuermann Borckman, insgesamt also neunundsiebzig Seelen. »Dachte schon, Sie hätten's im letzten Augenblick bereut«, lautete Kapitän Van Horns Gruß, und ein freudiger Schimmer leuchtete in seinen Augen auf, als er Jerry bemerkte. »Es hätte auch nicht viel gefehlt«, antwortete Tom Haggin. »Und für einen andern hätte ich's auch nicht getan, so wahr ich lebe. Jerry ist der beste vom ganzen Wurf, abgesehen natürlich von Michael, denn die beiden sind die einzigen, die noch übrig sind, und sie sind nicht besser als die, die weg sind, Kathleen war ein Prachthund, das Ebenbild Biddys, wenn sie am Leben geblieben wäre. – Hier, nehmen Sie'n.« Mit einem schnellen Entschluß legte er Jerry Van Horn in die Arme, drehte sich um und schritt das Deck entlang. »Aber wenn ihm was zustößt, vergeb' ich's Ihnen nie, Schiffer«, rief er barsch über die Schulter zurück. »Dann müssen sie erst meinen Kopf nehmen«, lachte der Schiffer. »Auch nicht unmöglich, mein tapferer Kamerad«, knurrte Haggin. »Meringe schuldet Somo vier Köpfe, drei infolge Dysenterie und einen durch einen Baum, der vor knapp vierzehn Tagen auf ihn fiel. Es war noch dazu der Sohn eines Häuptlings.« »Ja, und dazu kommen noch zwei Köpfe, die die Arangi Somo schuldet«, nickte Van Horn. »Sie werden sich erinnern: Voriges Jahr im Süden ging ein Bursche namens Hawkins in seinem Walboot auf dem Wege durch die Arli-Passage verloren.« Haggin, der jetzt über das Deck zurückkam, nickte. »Zwei von seiner Besatzung waren Somoleute. Ich hatte sie für die Uri-Plantage rekrutiert. Mit ihnen macht das sechs Köpfe, die die Arangi schuldet. Aber wenn schon, es gibt ein Salzwasserdorf drüben an der Wetterseite, wo die Arangi achtzehn schuldig ist. Ich rekrutierte sie für Aolo, und als Salzwasserleute wurden sie auf die »Sandfliege« gesteckt, die auf dem Wege nach Santa Cruz verlorenging. Ich habe ein schönes Konto dort an der Wetterküste, und, wahrhaftig, der Bursche, der meinen Kopf kriegt, wird ein zweiter Carnegie! Hundertundfünfzig Schweine und Muschelgeld ohne Ende hat das Dorf gesammelt für den, der mich kriegt und ausliefert.« »Aber das haben sie nicht – bis jetzt«, schnaubte Haggin. »Ich hab' keine Angst!« lautete die zuversichtliche Antwort. »Das hat Arbuckle auch immer gesagt«, tadelte ihn Haggin. »Wie oft hab' ich das von ihm zu hören gekriegt. Armer alter Arbuckle. Der zuverlässigste und vorsichtigste Bursche, der je mit Niggern gehandelt hat. Er legte sich nie schlafen, ohne eine ganze Schachtel Nägel auf dem Fußboden auszustreuen, und wenn es keine Nägel gab, nahm er zusammengeknüllte Zeitungen. Ich weiß noch genau, wie wir einmal in Florida unter einem Dach schliefen und ein großer Kater eine Küchenschabe zwischen den Zeitungen jagte. Und da ging es piff, paff, puff mit seinen großen Reiterpistolen, zweimal sechs Schuß, und das Haus war durchlöchert wie ein Sieb. Einen toten Kater gab es übrigens auch. Er konnte im Dunkeln schießen, ohne zu zielen, drückte mit dem Mittelfinger ab und fand die Richtung, indem er den Zeigefinger auf den Lauf legte. Nein, mein Lieber! Es war nicht zu spaßen mit ihm. Der Nigger, der seinen Kopf kriegen konnte, schien noch nicht geboren. Aber sie kriegten ihn doch. Sie kriegten ihn. Vierzehn Jahre hielt er aus. Es war sein Küchenboy. Holte ihn sich vor dem Frühstück. Und ich entsinne mich noch gut, wie wir zum zweitenmal in den Busch zogen, um zu holen, was von ihm übriggeblieben war.« »Ich sah seinen Kopf, nachdem sie ihn dem Kommissar von Tulagi übergeben hatten«, warf Van Horn ein. »Und solch ein friedlicher, ruhiger, ganz alltäglicher Ausdruck lag auf seinem Gesicht, ganz mit dem alten Lächeln, das ich tausendmal gesehen hatte. Es war darauf eingetrocknet, als sie ihn über dem Feuer dörrten. Aber sie kriegten ihn, wenn es auch vierzehn Jahre dauerte. Mancher Kopf geht immer wieder nach Malaita, ohne abgehauen zu werden, aber schließlich geht's ihm wie dem Kruge; er kommt ohne Henkel nach Hause.« »Ich werde schon mit ihnen fertig werden«, beharrte der Kapitän. »Wenn der Spektakel losgeht, gehe ich geradeswegs auf sie los und erzähl' ihnen was. Das begreifen sie nicht. Glauben, ich hab' irgend 'ne mächtige Teufel-Teufel-Medizin.« Tom Haggin reichte ihm plötzlich die Hand zum Abschied, hütete sich aber, seinen Blick auf Jerry in den Armen des andern fallen zu lassen. »Achten Sie auf meine Retournierten,« ermahnte er ihn, als er über die Schiffseite kletterte, »bis Sie den letzten von ihnen an Land gesetzt haben. Die Nigger haben keine Ursache, Jerry oder sein Geschlecht zu lieben, und ich möchte nicht, daß ihm etwas von ihrer Hand zustößt. Im Dunkel der Nacht kann es sehr leicht geschehen, daß er über Bord verschwindet. Lassen Sie kein Auge von ihm, ehe sie den letzten los sind.« Als Jerry sah, daß Herr Haggin ihn verließ und im Walboot wegfuhr, wurde er unruhig und gab seine Angst in einem leisen Winseln zu erkennen. Kapitän Van Horn drückte ihn an sich und streichelte ihn mit der freien Hand. »Vergessen Sie nicht die Abmachung«, rief Tom Haggin über das Wasser herüber. »Wenn Ihnen etwas zustößt, soll Jerry wieder zu mir zurückkommen.« »Ich werde ein Dokument darüber aufsetzen und es bei den Schiffspapieren verwahren«, lautete die Antwort Van Horns. Zu dem reichen Wortschatz Jerrys gehörte auch sein eigner Name, und als die beiden Männer miteinander sprachen, hatte er ihn verschiedentlich gehört. Er hatte daher eine unklare Ahnung, daß die Unterredung sich auf das unklare und nicht zu erratende Etwas bezog, das ihm widerfahren sollte. Er wurde immer unruhiger, und Van Horn setzte ihn auf das Deck. Er sprang an die Reling, schneller, als man von einem unbeholfenen sechs Monate alten Hündchen hätte erwarten sollen, und auch der schnelle Versuch Van Horns, ihn zu halten, nutzte nichts. Aber er prallte zurück vor dem offenen Wasser, das gegen die Seite der Arangi schlug. Das Tabu war über ihm. Das Bild des treibenden Baumstamms, der kein Baumstamm, sondern ein lebendes Wesen war, erwachte plötzlich in seinem Kopfe und hielt ihn zurück. Es war nicht die Vernunft, sondern das zur Gewohnheit gewordene Verbot. Er setzte sich auf seinen Stummelschwanz, hob die goldbraune Schnauze zum Himmel und stieß ein langgezogenes Welpengeheul aus, das Schrecken und Kummer ausdrückte. »Schon gut, Jerry, alter Junge, nimm dich zusammen und sei ein Mann«, suchte Van Horn ihn zu beruhigen. Aber Jerry wollte sich nicht trösten lassen. War dies auch zweifellos ein weißhäutiger Gott, so war es doch nicht sein Gott. Herr Haggin war sein Gott, und ein höherer Gott noch dazu. Selbst er erkannte das, ohne weiter darüber nachzudenken. Sein Herr Haggin trug Hosen und Schuhe. Dieser Gott neben ihm auf dem Deck glich mehr einem Schwarzen. Nicht allein, daß er keine Hosen trug und barfüßig und barbeinig ging, er hatte um die Lenden, gerade wie ein Schwarzer, einen strahlend bunten Schurz, der wie ein Schottenrock...



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