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E-Book, Deutsch, 267 Seiten

London Meuterei auf der Elsinore


1. Auflage 2018
ISBN: 978-80-268-8446-0
Verlag: e-artnow
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 267 Seiten

ISBN: 978-80-268-8446-0
Verlag: e-artnow
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Dieses eBook: 'Meuterei auf der Elsinore' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Aus dem Buch: 'Der Gegensatz, der sich mir bot, als ich in die Kajüte trat, war überwältigend. An Stelle der kalten harten Decksplanken fühlten meine Füße jetzt einen weichen Teppich, in dem sie versanken. Statt in dem elenden engen Raum mit vier Wänden aus bloßem Eisen, wo ich den Verrückten verlassen hatte, sah ich mich jetzt in einem großen, schönen Salon.'

Jack London (1876-1916) war ein US-amerikanischer Schriftsteller und Journalist. Er erlangte vor allem Bekanntheit durch seine Abenteuerromane Ruf der Wildnis und Wolfsblut sowie durch den mehrfach verfilmten Abenteuerroman Der Seewolf und den autobiographisch beeinflussten Roman Martin Eden. Diese Werke geben gleichzeitig eine Übersicht über die geographischen Räume, die er kannte: den arktischen Norden Nordamerikas (Klondike) zur Zeit des Goldrausches, Kalifornien und den Pazifik bzw. die Seefahrt auf diesem Ozean.

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Zweites Kapitel
Inhaltsverzeichnis
Die Elsinore, die Kohlen geladen hatte, lag sehr tief, als wir längsseit kamen. Ich verstand zu wenig von Schiffen, um ihre Linien bewundern zu können, und war außerdem durchaus nicht in der Stimmung. Ich konnte mich immer noch nicht entscheiden, ob ich die ganze Geschichte aufgeben und mit dem Schlepper zurückkehren sollte oder nicht. Daraus darf man indessen nicht schließen, daß ich von Natur wankelmütig sei. Ganz im Gegenteil! Das Unglück war nur, daß ich auf diese Reise gar nicht versessen war. Wenn ich mich entschlossen hatte, so eigentlich nur, weil ich zu etwas anderm auch keine Lust hatte. Ich war nicht blasiert, und ich langweilte mich eigentlich auch nicht, aber das Leben hatte seinen Reiz für mich verloren. Ich interessierte mich nicht mehr für meine Mitmenschen und ihr dummes, kleinliches Streben, das sie selbst so ernst nahmen. Und schon seit langem war ich unzufrieden mit den Frauen. Ich hatte sie geduldet, war aber doch stets zu sehr geneigt gewesen, alle Mängel, die in der Primitivität ihres Wesens wurzelten, zu analysieren, als daß ich mich von ihnen hätte betören lassen. Endlich hatte ich mich auch in der letzten Zeit davon bedrückt gefühlt, daß selbst die Kunst mir belanglos erschien – als ob sie nur Scharlatanerie sei, die nicht allein ihre Anhänger, sondern sogar ihre Ausüber hinter das Licht führte. Kurz – ich begab mich an Bord der Elsinore, weil das einfacher war, als es zu lassen; und dennoch war alles andere ebenso einfach ... und darin lag eben die Gefahr. Das war der Fluch der Situation, in die ich unversehens geraten war. Und das war auch der Grund, daß ich im selben Augenblick, als ich meinen Fuß auf das Deck der Elsinore setzte, schon halb entschlossen war, den Kapitän zu bitten, mein Gepäck an Bord des Schleppers zu lassen. Was mich zum Bleiben bewog, war, so glaube ich fast, das gastfreie Lächeln, mit dem Fräulein West mich willkommen hieß, und vielleicht auch das Bewußtsein, wie herrlich warm es in der Kabine sein mußte. Den Steuermann, Herrn Pike, hatte ich schon kennengelernt, als ich das Schiff im Erie-Dock besichtigte. Er lächelte ein steifes Nußknackerlächeln, von dem ich den Eindruck hatte, daß es weh tun müßte. Er reichte mir aber nicht die Hand, sondern drehte sich sofort wieder um und begann einem halben Dutzend frierender Männer, die aus der Kuhl des Schiffes auftauchten, laute Befehle zu erteilen. Herr Pike hatte getrunken – das stand fest. Sein Gesicht war aufgedunsen und rot, und seine großen grauen Augen waren böse und blutunterlaufen. Ich blieb stehen und sah sinkenden Mutes, wie mein Gepäck an Bord der Elsinore gebracht wurde, während ich meine Willensschwäche verfluchte, die mich hinderte, die paar Worte zu sprechen, denen zufolge Koffer und Kisten drüben geblieben wären. Die Männer, die jetzt das Gepäck nach achtern in die Kajüte trugen, wichen in jeder Beziehung von der Vorstellung ab, die ich mir von Seeleuten gemacht hatte. Einer von ihnen, ein junger Mensch von achtzehn Jahren mit lebhaften Zügen, lächelte mich aus eigentümlichen Augen an, die ganz italienisch anmuteten. Er war aber leider ein wahrer Zwerg. So klein war er, daß er nur aus Seestiefeln und Südwester zu bestehen schien. Und er war auch kein reiner Italiener. So sicher fühlte ich mich in dieser Beziehung, daß ich den Steuermann fragte, der mürrisch antwortete: »Der da? Knirps? Ist halber Dago. Die andere Hälfte ist malaiisch oder japanisch.« Ein alter Mann – wie ich erfuhr, der Bootsmann – machte einen so gebrechlichen Eindruck, daß ich dachte, er müsse vor kurzem einen Unfall gehabt haben. Sein Gesicht war blöde und tierisch, und wenn er seine ungeschlachten Stiefel schlürfend über das Deck schleifen ließ, blieb er alle paar Schritte stehen, drückte die Hände gegen den Unterleib und machte eine komische Bewegung, als ob er die Därme zurechtdrücken oder heben wollte. Viele Monate sollten vergehen, bis ich lernte, daß gar nichts dahintersteckte, und daß diese Bewegung lediglich eine sonderbare Angewohnheit war. Er hieß, wie ich später erfuhr, Sundry Buyers. Und er war Bootsmann des amerikanischen Segelschiffes Elsinore, die als eines der feinsten Segelschiffe der Welt galt. Unter all diesen Männern und Jünglingen sah ich nur einen einzigen, namens Henry, einen Knaben von sechzehn Jahren, der annähernd dem Bilde entsprach, das ich mir von Seeleuten gemacht hatte. Er kam denn auch – wie mir der Steuermann erzählte – von einem Schulschiff, und diese Reise war seine erste selbständige. Sein Gesicht war scharf geschnitten und gescheit, und seine Bewegungen waren rasch und lebhaft. Wie ich später erfahren sollte, war er tatsächlich der einzige vorn und achtern, der etwas von einem Seemann hatte. Der größte Teil der Mannschaft war noch nicht an Bord gekommen, mußte aber – wie mir der Steuermann knurrend und in einem Ton, der böse Vorahnungen enthüllte, versicherte – jeden Augenblick eintreffen. Die bereits an Bord Befindlichen waren mehr zufällige Leute, die in New York ohne Vermittlung eines Heuerbaas angemustert hatten. Und wie die eigentliche Mannschaft sein würde, das wüßte Gott allein, sagte der Steuermann. Knirps, der japanisch- (oder malaiisch-) italienische Mischling, erzählte der Steuermann, sei ein tüchtiger Seegast, obgleich er bisher nur auf Dampfschiffen gefahren und dies seine erste Reise auf einem Segler wäre. »Richtige Seeleute!« schnaufte Pike höhnisch, als ich ihn fragte, »die kriegen wir überhaupt nicht. Nur Landratten! Jeder Bauerntölpel und Kuhtreiber nennt sich heutzutage Seemann. Das ist der Dreh, womit sie ihre Ansprüche begründen und sich bezahlen lassen. Der Kauffahrteidienst ist zum Deibel gegangen. Es gibt überhaupt keine Seeleute mehr.« Ich merkte, daß der Atem des Steuermannes stark nach Whisky roch. Aber er taumelte nicht und schien überhaupt nicht berauscht zu sein. Erst später sollte ich erfahren, daß seine Gesprächigkeit bei dieser Gelegenheit etwas Außergewöhnliches war, und daß nur der Alkohol ihm die Zunge gelöst hatte. »Aber ich hörte doch«, meinte ich, »daß die Elsinore als eins der besten Segelschiffe gilt.« »Ist sie auch. Aber was ist sie schließlich? Nur eine verfluchte Warenkiste. Herrgott! Ja, die guten alten Klipper – das war noch was anderes! Wenn ich an die denke! Und wenn ich an die Flotten der Teeklipper denke, die in Hongkong zu laden pflegten und durch die Ostpassagen liefen! Ein schöner Anblick! Herrlich!« Ich lauschte mit lebhaftem Interesse. Hier war tatsächlich ein Mensch, ein lebender Mensch. Ich hatte es durchaus nicht eilig, in die Kajüte zu kommen, wo Wada meine Sachen auspackte. Deshalb setzte ich meinen Spaziergang mit Herrn Pike an Deck fort. Er war ein Riese, breitschultrig, von schwerem Knochenbau. Trotz seiner schlechten Haltung maß er reichlich seine sechs Fuß. Ich warf einen verstohlenen Blick auf seine knochigen Hände. Jeder von seinen Fingern wog drei von den meinen auf. Sein Handgelenk war dreimal so stark wie das meine. »Wieviel wiegen Sie?« fragte ich. »Hundertneunzig. Aber in alten Tagen, in meiner besten Zeit, da kam ich beinahe auf zweihundertzwanzig.« »Und die Elsinore kann also nicht laufen?« sagte ich, auf das Thema zurückkommend, das ihn so sehr interessiert hatte. »Ich wette, was Sie wollen – von einem Pfund Tabak bis zu einer Monatsheuer –, daß sie mindestens ihre hundertfünfzig Tage um Kap Horn herum braucht«, antwortete er. »Aber mit der Flying-Cloud habe ich die Fahrt in achtundneunzig Tagen gemacht ... achtundneunzig Tage, mein Herr, von Sandy Hook bis Frisco. Und sechzig Mann vor dem Mast, sechzig Mann, die Männer waren, und acht Jungens! Dreihundertvierundsiebzig Meilen an einem einzigen Tage unter Bramsegel, und in den Böen genügten achtzehn Knoten der Logleine nicht zum Messen. Achtundneunzig Tage – ein Rekord, der nie geschlagen und auch nur einmal erreicht wurde, neun Jahre später, von dem alten Andrew Jackson. Ja, ja, das waren Zeiten!« »Wann hat dieser Andrew Jackson denn den Rekord erreicht?« fragte ich. Denn ich begann den Verdacht zu hegen, daß er mich gründlich aufziehen wollte. »Achtzehnhundertsechzig«, antwortete er prompt. »Und Sie segelten mit der Flying Cloud neun Jahre früher? Und jetzt haben wir 1913. Dann wäre es also zweiundsechzig Jahre her –« »Und ich war erst sieben Jahre alt«, sagte er und lachte. »Meine Mutter bediente die Passagiere auf der Flying-Cloud. Ich kam auf hoher See zur Welt. Mit zwölf Jahren wurde ich Schiffsjunge auf der Herald of the Moon, als sie Kap Horn in neunundneunzig Tagen machte ... die halbe Mannschaft lag die meiste Zeit in Eisen, fünf Mann gingen über Bord, drei Mann wurden an einem Tage von den Offizieren niedergeknallt, der Untersteuermann totgeschlagen, und kein Mensch ahnte, von wem. Aber die Mannschaft wurde angetrieben und gehetzt, unaufhörlich, neunundneunzig Tage von Land zu Land, eine Fahrt von siebzehntausend Meilen, und zwar Ost zu West um das verfluchte Kap herum!« »Dann wären Sie ja aber neunundsechzig Jahre alt«, wandte ich ein. »Bin ich auch«, erklärte er stolz. »Und doch ein anderer Kerl als die Waschlappen von heute. Die würden samt und sonders verrecken bei dem, was ich durchgemacht habe.« Ich trottete neben diesem mächtigen Überbleibsel vergangener Zeiten an Deck auf und nieder und lauschte seinen Erinnerungen aus jenen Tagen, da man noch Männer getötet und wie Vieh zur Arbeit angetrieben hatte. Es war kaum zu glauben – und doch,...



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