E-Book, Deutsch, 419 Seiten
Reihe: Enchanted
Loup Drachenwut (Enchanted 3)
18001. Auflage 2018
ISBN: 978-3-646-30087-1
Verlag: Carlsen
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Magischer Fantasy-Liebesroman
E-Book, Deutsch, 419 Seiten
Reihe: Enchanted
ISBN: 978-3-646-30087-1
Verlag: Carlsen
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Jess A. Loup versteht Deutsch, obwohl sie in Bayern lebt. Wenn sie nicht im Kopf mit imaginären Leuten spricht (oder über sie schreibt), ist sie auf dem Bogenparcours zu finden, lässt sich von ihren Katzen terrorisieren oder fotografiert wilde Tiere in Afrika. Solange der Brief aus Hogwarts verschollen bleibt, erschafft sie ihre eigenen magischen Welten.
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Rupard
Das Pferd war nicht gerade heißblütig, und er war dankbar dafür. Es trottete mit solcher Gelassenheit, ja geradezu Langeweile aus dem Tor hinaus, dass ihm keiner der Wächter einen zweiten Blick schenkte. Zumal Rupard ohnehin die Kleidung der Jünger der Reinheit trug und den Kopf gesenkt ließ. So würde er es auch weiterhin halten, zumindest bis er außer Sichtweite der Stadt war. Dann würde er dem Wallach die Sporen geben und so schnell wie möglich versuchen, Antochtnar zu erreichen. Er musste Faye von Melliar finden – und vor allem sie davon überzeugen, dass sie von ihm nichts zu befürchten hatte. Während er der Straße folgte, die parallel zu den Stadtmauern nach Nordwesten führte, dachte er an Sullivan und Audra. Der Drang, umzudrehen und ihnen zu Hilfe zu eilen, wurde fast übermächtig. Er biss die Zähne zusammen und trieb das Pferd stur geradeaus. Wenn er jetzt nachgab, war die Opferbereitschaft der Sidhe umsonst gewesen. Die Gefahr, dass der verräterische Kanzler ihn abfangen und vor seinem Vater als wahnhaft krank darstellen würde, war hoch. Immerhin besaß Rupard zwei der drei Schlüssel zu dem geheimen Verlies, in dem sich … Heliarkos befand. Der Name und das Bild eines groß gewachsenen, muskulösen Mannes schoben sich in seine Gedanken. Ungewollt. Unbeabsichtigt. Heliarkos war der Name des Fyldraks, des Drachenwandlers, den sein Vater und dessen Komplizen gefangen genommen und eingesperrt hatten. Die Zweifel drohten ihn erneut zu überschwemmen. Was, wenn sich alles als ein riesiger Irrtum herausstellte? Wenn sich die Hexe hatte täuschen lassen und ebenso die Sidhe? Und er selbst? Konnte er noch auf seinen eigenen Verstand bauen, so oft, wie er in letzter Zeit verletzt, auf den Kopf geschlagen und unter Drogen gesetzt worden war?
Nur eines wusste er mit Sicherheit: Er wollte weder Sirus noch Danian dabei unterstützen oder auch nur dabei zusehen, wie sie die gefährlichste Kreatur der Welt dazu zwangen, Krieg und Tod über freie Städte und Länder zu bringen.
Als sein Reittier schnaubte, wurde er sich bewusst, wie sehr er es vernachlässigt hatte, auf seine Umgebung zu achten. Jeder hätte ihn überfallen können. Es war zwar allgemein bekannt, dass die Jünger der Reinheit keinen weltlichen Besitz bei sich zu tragen pflegten, doch es gab genügend verzweifelte Menschen, die andere für einen Kanten Brot angriffen und auch vor Mord nicht zurückschreckten.
Eine Staubwolke in einer halben Meile Entfernung erregte seine Aufmerksamkeit. Es handelte sich wohl um einige Fuhrwerke, und wenn er Glück hatte, konnte er sich ihnen anschließen. Er drängte das Pferd zu einer schnelleren Gangart und erreichte die Wagen, von denen er fünf zählte. Die meisten waren mit einer Plane bedeckt, doch das Klappern und Klirren verriet ihm, dass sich in ihrem Inneren wohl Töpferwaren befanden. Wie es aussah, traf er auf eine Gruppe Händler, die sich zusammengeschlossen hatten, um gemeinsam den Heimweg von Kopays aus anzutreten.
Rupard ließ seine Hand über dem Herzen ruhen, als er zu dem vordersten Fuhrwerk aufschloss. Ehrerbietig neigte er den Kopf.
»Seid gegrüßt, edler Herr«, murmelte er.
Das Gesicht des älteren Mannes auf dem Kutschbock war zerfurcht und wettergegerbt. Aufmerksame Augen musterten ihn ein paar Herzschläge lang, bevor er nickte. »Bin kein edler Herr, aber sei auch du gegrüßt, Jünger.«
»Mit Verlaub«, hob Rupard an. »Würdet Ihr es mir erlauben, eine Zeit lang mit Euch zu reisen? Ich habe meine Gruppe der Reinheit verloren, weil ich eine Weile krank war, und es ist doch bedeutend sicherer, zu mehreren zu reisen.«
Gleichmütig zuckte der Mann mit den Schultern. »Kann’s schlecht verbieten, oder? Ist schließlich eine fürstliche Straße, die allen zugänglich ist. Wenn du allerdings glaubst, Gold oder Silber oder auch nur Essen schnorren zu können, bist du bei mir falsch.«
»Es käme mir nicht in den Sinn«, wollte Rupard abwehren, doch er verstummte, als aus dem hinteren Teil des Wagens eine junge Frau erschien und auf den Bock stieg.
»Mit wem redest du, Gilmer?« Sie zwitscherte wie ein Vögelchen, und Rupards Lippen verzogen sich unwillkürlich zu einem Lächeln. In diesem Moment fiel ihr Blick auf ihn. »Oh! Ein Jünger! Ich grüße Euch von Herzen! Ich hoffe, der alte Brummbär hier hat Euch nicht abgeschreckt? Wo kommt Ihr her? Wohin geht Eure Reise? Wollt Ihr nicht einen Teil des Weges unser Begleiter sein? Ich sehne mich seit Längerem nach reinem Beistand, Ihr kämt also wie gerufen!«
»Jetzt halt doch mal einen Moment lang die Luft an«, knurrte der Mann namens Gilmer. »Der Jünger muss sich fühlen wie in einem Sturm, wenn du so viel Wind beim Plappern verursachst!«
Rupard verbeugte sich, soweit das vom Sattel aus möglich war. »Durchaus nicht«, versicherte er sanft. »Höchstens wie im Auge eines Sturms, also an dem sichersten Ort, der während eines solchen Ereignisses möglich wäre.«
»Oh!« Sie errötete auf entzückende Weise. »Verzeiht mir meinen Redeschwall! Es stimmt, was Gilmer sagt, ich neige wirklich dazu, zu viel zu reden, wenn ich aufgeregt bin, und ich bin schon seit Tagen aufgeregt, denn wir waren zum ersten Mal in Kopays …«
»Sprich nur für dich, Weib!«
»Wie ich sagen wollte, bevor mich der Brummbär hier unterbrach – wir waren zum ersten Mal zusammen in Kopays, und das war sehr aufregend, denn ich bin nie zuvor so weit gereist. Ihr müsst wissen, wir kommen aus dem Herzogtum Nurtoni, und selbst dort wohnen wir so weit im Westen, dass unser Heimatort schon fast an Ritonas grenzt.«
Rupards Gedanken überschlugen sich. In seiner Ausbildung hatte man immer sehr viel Wert daraufgelegt, dass er sich der Grenzen von Kopays und seiner ihm untergegebenen Herzogtümer bewusst war. Er musste sich schon sehr täuschen, wenn Ritonas nicht das letzte Herzogtum vor der freien Stadt Antochtnar war. Auch die Knochenschlucht befand sich in Ritonas. Zwar hatte er keinesfalls das Bedürfnis, sein Erlebnis mit den Untoten zu wiederholen, doch wenn er sich so lange den fahrenden Händlern anschließen durfte, wäre das nicht nur ein ausgezeichneter Schutz vor umherschweifenden Räubern, sondern auch eine sehr gute Tarnung. Die Wahrscheinlichkeit, dass ausgerechnet Leute aus einem so entfernten Herzogtum sein Gesicht und damit seine wahre Identität kannten, war mehr als gering.
Er setzte sein harmlosestes Lächeln auf. »Ich bat bereits Euren Vater darum, Euch begleiten zu dürfen …«
Ihr lautes Lachen unterbrach ihn. »Meinen Vater? Meint Ihr Gilmer? Das ist mein Ehemann, und auch wenn er äußerlich immer brummt und knurrt, so ist er doch tief in seinem Inneren der beste und liebevollste Gatte, den man sich wünschen kann!«
Der »beste und liebevollste Gatte« brummte und knurrte etwas Unverständliches in seinen Bart, doch Rupard entging nicht, dass seine Ohren rot anliefen.
»Ich bitte um Verzeihung«, wandte er sich an den Mann, den er auf Anfang vierzig und somit gut doppelt so alt wie seine junge Frau schätzte. »Um nichts in der Welt wollte ich Euch beleidigen.«
Gilmer grinste schief. »Kein Grund, Jünger. Kann’s ja selbst kaum glauben, dass die kleine Lady hier mich erhört hat.« Er warf einen scheuen Blick zu der jungen Frau hinüber, die ihn genauso scheu erwiderte. Ganz offensichtlich waren sie noch nicht sehr lange verheiratet, und ihre Zuneigung zueinander war tief und ungebrochen. Für einen winzigen Moment beneidete Rupard die beiden.
»Wie auch immer.« Sie schien sich wieder daran zu erinnern, dass er neben ihrem Fuhrwerk ritt. »Seid willkommen in unserer kleinen Gruppe. Bestimmt werden auch die anderen nichts dagegen haben, Euch bei uns zu wissen.« Sie deutete mit dem Daumen nach hinten, dorthin, wo die anderen Fahrzeuge hinter ihnen her rumpelten.
Rupard tastete in den Taschen seines Umhangs herum in der Hoffnung, wenigstens auf ein paar Münzen zu stoßen, doch sie waren leer. Natürlich besaß er noch die in seine Ärmel eingenähten Wechselscheine, doch die konnte er wohl kaum hervorholen und behaupten, er sei ein Jünger der Reinheit.
Die junge Frau hatte ihn beobachtet. »Ich weiß, dass Ihr kein Gold oder Silber mit Euch tragt«, sagte sie. »Doch ich weiß auch, dass Ihr uns so viel mehr als weltliche Güter zu geben in der Lage seid, nicht wahr?«
»Ja?«, stammelte Rupard. Wovon redete sie nur?
»Ihr werdet doch jeden Abend mit uns beten?«, fragte sie.
»Beten.« Ein paar Herzschläge lang war sein Kopf völlig leer, dann hörte er das Echo eines warmen Gelächters in seinem Geist. »Oh … das. Natürlich. Ich werde mit Euch beten, edle Lady!« Dieses Lachen stammte nicht von ihm. Es war ganz sicher der Fyldrak, der schon wieder versuchte, seine Gedanken zu verwirren. Das musste aufhören! Wenn er ihm endlich begegnete, würde er ihm klarmachen, dass er sich nicht einfach so ständig bei ihm einnisten konnte, nein, durfte!
»Ich bin keine edle Lady. Mein Name ist Sandora, und ich bin froh, dass Ihr zu uns gestoßen seid. In Hoharim, unserer Heimatstadt, gehen wir regelmäßig in die Kirche der Vier Heiligen, und die waren uns auch immer gewogen, aber in Kopays …« Sie schüttelte den Kopf. »Ich glaube fast, sie kennen die Vier Heiligen nicht einmal. Stattdessen beten sie zu einer Vielzahl von Göttern! Was sagt denn Eure Göttin dazu, Jünger?«
Rupard versuchte wirklich, darauf eine Antwort zu finden, doch er hatte nicht einmal eine rechte Vorstellung davon, was genau die Jünger der Reinheit anbeteten, geschweige denn was ihre Göttin zu all den anderen Religionen meinte. Er besann sich seiner größten Stärke, der Diplomatie, und senkte die Stimme, um sie warm und eindringlich klingen zu lassen. »Wisst Ihr,...




