Loy ÖkoDharma
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-942085-76-2
Verlag: edition steinrich
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Buddhistische Perspektiven zur ökologischen Krise
E-Book, Deutsch, 314 Seiten
ISBN: 978-3-942085-76-2
Verlag: edition steinrich
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
David R. Loy ist Zen-Lehrer, Professor für buddhistische und vergleichende Philosophie, Mitgründer und Vizepräsident des Rocky Mountain Ecodharma Retreat Center sowie Autor zahlreicher Bücher, u.a. von 'Erleuchtung, Evolution, Ethik: Ein neuer buddhistischer Pfad' und 'Geld, Sex, Krieg, Karma: Anmerkungen zu einer buddhistischen Revolution' (beide edition steinrich). Er lebt in den USA. www.davidloy.org
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IST DER KLIMAWANDEL DAS PROBLEM?
Sagen wir es klar und deutlich: Der Klimawandel ist die größte Herausforderung, mit der die Menschheit jemals konfrontiert war. In der Tat sind seine Konsequenzen so schwerwiegend, dass der Begriff und sein netter Verwandter Beschönigungen sind für etwas, das treffender als zu bezeichnen ist. Dieses Buch betrachtet die Klimakrise durch eine buddhistische Linse und reflektiert dabei die Bedeutung dieser Krise auf die Art und Weise, wie wir den Buddhismus heute verstehen und praktizieren.
Aber geht es nicht um etwas noch Größeres als den Klimanotstand?
Trotz fortdauernder Versuche seitens gewisser Interessengruppen, die Situation zu beschönigen, sind die von zahlreichen wissenschaftlichen Studien gelieferten Beweise schlüssig und werden daher hier nicht diskutiert. Die menschliche Zivilisation entwickelte sich im als Holozän bekannten Zeitalter (ungefähr die letzten 11.700 Jahre), in dem das Klima im Allgemeinen stabil und milde war. Der Ackerbau begann, zufällig oder nicht, vor etwa 11.500 Jahren, als Kulturpflanzen wie Weizen, Gerste, Erbsen und Linsen in der Levante kultiviert wurden. Das Holozän neigt sich nun seinem Ende zu, hauptsächlich aufgrund steigender Kohlendioxidwerte in den Meeren und der Atmosphäre (derzeit deutlich über 400 Teilchen pro einer Million im Vergleich zu etwa 262 Teilchen in der vorindustriellen Zeit). Dieser Anstieg ist vor allem auf menschliche Aktivitäten zurückzuführen: auf das Verbrennen von fossilen Treibstoffen wie Kohle, Erdöl und Methangas. Heute leben wir im Zeitalter des Anthropozän, von , dem altgriechischen Wort für »Mensch«, abgeleitet. Und abgesehen von unerwarteten Naturkatastrophen, wie einem Meteoriteneinschlag oder dem Ausbruch von Supervulkanen, scheint die Zukunft der Biosphäre in den nächsten Jahrtausenden davon abhängig zu sein, was die Menschheit in den nächsten Jahrzehnten tut (und nicht tut) – oder sind es bloß die nächsten paar Jahre?
Anstatt zu wiederholen, was die meisten von uns ohnehin schon wissen, will ich mich hier auf zwei grundlegende Tatsachen bezüglich der Klimakrise beschränken. Erstens ist sie nicht ein Problem von außen, das uns widerfährt, sondern etwas, was wir uns selbst antun – auch wenn gewisse Menschen und gewisse Gesellschaften dafür natürlich mehr Verantwortung tragen als andere. Rund ein Sechstel der Weltbevölkerung ist so arm, dass es keinen bedeutenden Anteil an Treibhausgasen produziert. Tragischerweise sind es jene Menschen in den weniger entwickelten Ländern, hauptsächlich in Afrika und Südasien, die unter den klimatischen Veränderungen am meisten zu leiden haben, während jene in den überentwickelten Ländern in Nordamerika und Europa bisher relativ wenige Beeinträchtigungen erfahren mussten. Wir werden zu den ethischen Konsequenzen dieses Unterschieds zurückkehren, an dieser Stelle geht es mir lediglich um den Hinweis, dass der die Schuld am gegenwärtigen Geschehen nicht Naturkatastrophen oder anderen Spezies zuweisen kann. Stellen Sie sich vor, wie wir reagieren würden, wenn außerirdische Raumschiffe auftauchten und begännen, Kohlendioxid in unsere Atmosphäre zu pumpen! Die Wurzeln unseres Problems sind leider nicht so einfach zu identifizieren und anzugehen. Wie Walt Kellys Pogo schon während des Vietnamkriegs gesagt hat: »Wir haben den Feind getroffen, und er ist wir.«
Zweitens möchte ich auf die Tatsache hinweisen, dass unsere gemeinschaftliche Reaktion auf die Klimakrise zwar nicht unbedeutend, aber bei weitem nicht angemessen ist. Weiterhin werden internationale Konferenzen abgehalten und konkrete Verpflichtungen eingegangen (und manchmal gebrochen), und dennoch tun wir nicht, was notwendig wäre, um den Ausstoß von Kohlendioxid ausreichend zu senken. Angesichts der außergewöhnlich bedeutsamen Folgen des Problems müssen wir uns fragen: Warum nicht?
In aller Deutlichkeit gesagt: Die überwältigende Dringlichkeit des Klimakollapses – der nicht mehr nur eine Bedrohung ist, sondern bereits eingesetzt hat – bedarf unserer ungeteilten Aufmerksamkeit und unserer aufrichtigen Anstrengungen. . Es geht um eine umfassendere ökologische Herausforderung, die noch viel beängstigender ist.
Das zu betonen ist wichtig, da viele Menschen annehmen, dass unsere Wirtschaft und unsere Gesellschaft auf unbegrenzte Zeit so weiterlaufen könnten wie bisher, wenn wir nur auf erneuerbare Energiequellen umstiegen. Ein Problem dieser Denkweise ist, dass es bis zu einer Generation dauern kann, bis die erwärmende Wirkung von neuen Kohlenstoffemissionen erkannt wird, was bedeutet, dass wir viele weitere Jahre intensiver Klimaverschiebungen zu erwarten haben, mitsamt zunehmend ernsthaften sozialen und ökonomischen Konsequenzen, die nur schwer abschätzbar sind. Die Klimakrise ist nur die Spitze eines ökologischen Eisbergs, der noch tiefgreifendere Konsequenzen für die Zukunft der menschlichen Zivilisation birgt. Aus dieser breiteren Perspektive betrachtet haben wir bisher nicht viel mehr unternommen, als Liegestühle auf der Titanic umzuarrangieren – eine müde Metapher, die angesichts der steigenden Zahl von Eisbergen, die nun in der Arktis und Antarktis treiben, allerdings höchst angemessen erscheint.
Denken Sie zum Beispiel daran, was mit den Weltmeeren geschieht. Natürlich hat vieles davon mit der Zunahme von Kohlenstoffemissionen zu tun. Bisher haben die Meere über 90 Prozent der zusätzlichen Wärme absorbiert, die durch die Verbrennung fossiler Energieträger entstanden ist. Ohne diesen Kühlkörper wäre die durchschnittliche Lufttemperatur auf der Welt einigen Berechnungen zufolge bereits um atemberaubende 36 Grad Celsius gestiegen, und wir wären alle gegrillt. Die Aufnahme zunehmender Mengen von Kohlendioxid hat das Meerwasser versauert (es ist bereits saurer als jemals zuvor in den letzten 800.000 Jahren), was Weichtiere und Plankton am unteren Ende der Nahrungskette daran hindert, Schalen aus Calciumcarbonat zu bilden. Ganz offensichtlich führt die einflussreiche Kombination von Erwärmung und Übersäuerung des Wassers zum Ausbleichen der Korallenriffe (die Heimat eines Viertels aller Meerestiere). Dem Dokumentarfilm aus dem Jahr 2017 zufolge hat die Welt in den letzten dreißig Jahren bereits etwa die Hälfte ihrer Korallenriffe verloren, und das Absterben der verbleibenden Korallen ist für die nächsten dreißig Jahre zu erwarten. Ereignisse in den Jahren 2016 und 2017 haben zwei Drittel des Großen Barrierriffs vor der Küste Australiens massiv beschädigt, und Meeresforscher haben wenig Hoffnung auf dessen Rettung.
Und es gibt weitere Probleme mit den Meeren. Die weltweiten Fangmengen in Meeresgewässern haben seit 1996 abgenommen, und eine Studie in der Zeitschrift prognostiziert, dass die Meere bis 2048 kommerziell abgefischt sein werden. Einem Bericht des Weltwirtschaftsforums aus dem Jahr 2016 zufolge wird es bis 2050 mehr Plastik als Fische in den Meeren geben. Laut einer Studie des Londoner aus dem Jahr 2017 wird weniger als die Hälfte der pro Minute verkauften eine Million Plastikflaschen wiederverwertet, und der geschätzte jährliche Verbrauch soll bis 2021 eine halbe Milliarde überschreiten. Seit den 1950er Jahren wurden etwa eine Milliarde Tonnen Plastik weggeworfen, und eine in veröffentlichte Untersuchung aus dem Jahr 2015 hat berechnet, dass acht Millionen Tonnen davon jährlich in den Meeren landen. Im Bericht des Weltwirtschaftsforums von 2016 schätzt man außerdem, dass sich heutzutage bereits über 165 Millionen Tonnen Plastik in den Weltmeeren befinden, vieles davon in einem riesigen Strudel von Mikroplastikteilchen im Pazifischen Ozean, bekannt als der Große Pazifische Müllteppich (ein weiterer existiert im Nordatlantik). Anders als organisches Material ist Plastik nicht biologisch abbaubar; es zerfällt lediglich in immer kleinere Teilchen, die oft von Meeresorganismen selbst in den tiefsten Gräben des Pazifischen Ozeans aufgenommen werden – und von uns. Eine wissenschaftliche Studie aus dem Jahr 2017 hat in 83 Prozent der weltweiten Leitungswasserproben winzige Plastikfasern entdeckt. Der höchste Anteil an Verschmutzung wurde mit 94 Prozent in den Vereinigten Staaten gemessen.
Es gibt auch ein weltweites Problem mit , wenn Chemikalien wie Kunstdünger und Waschmittel in Seen und Flüsse fließen, dort die Wasserqualität verschlechtern und schließlich zu riesigen »toten Zonen« in Buchten und Mündungen führen. Algenblüten, die für Pflanzen, Tiere und Menschen giftig sein können, treten häufiger auf und können zu Fischsterben und Artenverlust führen. Eine Studie hat mehr als sechshundert solcher Küstenbereiche auf der ganzen Welt identifiziert. Eine der größten »toten Zonen« befindet sich an der Mündung des...




