Lüders | Never Say Anything | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 367 Seiten

Lüders Never Say Anything

Thriller
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-406-68893-5
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Thriller

E-Book, Deutsch, 367 Seiten

ISBN: 978-3-406-68893-5
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die Journalistin Sophie Schelling hatte sich auf eine ganz normale Dienstreise eingestellt. Doch manchmal ist man zur falschen Zeit am falschen Ort: Sophie sieht etwas, das sie nie hätte sehen dürfen. Immer tiefer verstrickt sie sich in das Netz eines übermächtigen Gegners, bis ihre Suche nach Wahrheit zu einem blutiger Kampf ums Überleben wird.
Der Bestsellerautor Michael Lüders führt den Leser auf die dunkle Seite der Macht und stellt seine Heldin vor eine Gewissensfrage: Wie weit bist du bereit zu gehen, um die Wahrheit herauszufinden? Würdest du dafür deine Zukunft aufs Spiel setzen? Oder vergisst du lieber, was du erlebt und erfahren hast? Dieser Thriller ist eine höchst aktuelle Auseinandersetzung mit Geheimdiensten und entfesselter Moral. Erzählt aus der Sicht einer mutigen Frau, die ihren Beruf als Journalistin ernster nimmt als ihr guttut. Der Inhalt ist fiktiv, doch Ähnlichkeiten mit der Wirklichkeit sind unvermeidlich!

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ERSTES KAPITEL MARRAKESCH, MAROKKO
Ihren Blick in die Höhe gerichtet, auf die mit Zinnen bewehrte Lehmarchitektur vergangener Zeiten, sah sie die Katze, die in hohem Bogen über die Brüstung geflogen kam und in die Tiefe rauschte, fast auf sie zu, im Fallen mehrfach um sich selbst kreisend, bis sie auf allen vieren nicht weit vor Sophies Füßen auf dem Bürgersteig landete. Eine fliegende Katze – es passte zu Marrakesch, ging ihr durch den Kopf, wo auf dem Großen Platz, der Djamaa al-Fna, allabendlich Schlangenbeschwörer und Affendompteure ihre Kunststücke feilboten, ohne Rücksicht auf die geschundenen Tiere. Das Fell der Katze war schneeweiß, so makellos weiß wie sie blond, dachte Sophie, beides ungewöhnlich in Marokko. Mag sein, dass sie sich auch deswegen hinunterbeugte und die Hand nach ihr ausstreckte. Doch die Katze ergriff die Flucht, sprang auf die Straße, wo sie augenblicklich erst von den Hufen eines Pferdegespanns, dann von den Rädern der Kutsche erfasst wurde. Sophie glaubte, das leise Knacken von Knochen zu vernehmen, und hielt die Luft an. Ein Passant, der ihr Entsetzen bemerkt haben mochte, sagte nicht ohne Anteilnahme: «C’est la vie, Madame», und sie nickte, der Gruppe Touristen nachblickend, die in der Kutsche nichts mitbekommen hatte von der kleinen Tragödie. Unwillkürlich schloss Sophie die Augen. Die Bilder vom Tod der Katze verflogen nicht. Sie berührten die erfahrene Reporterin. Sosehr sie sich auch dagegen wehrte, stiegen Fragen in ihr hoch: Was eigentlich bliebe von dir, solltest du selbst einmal unter die Räder geraten? Wer würde um dich trauern? In ein paar Tagen bist du 35, und du hast weder einen Mann noch ein Kind, die mit dir feiern. Die Uhr tickt, aber du hast niemanden, der auf dich wartet. Was ist gut daran, alleine zu sein? Sophie verscheuchte die Gedanken und besann sich auf ihren Termin. Nach einigem Suchen fand sie die unscheinbare, in die Stadtmauer eingelassene eiserne Flügeltür, die man ihr beschrieben hatte. Knarrend öffnete sich das Tor, nachdem sie den metallenen Ring zweimal gegen den dazugehörigen stilisierten Stierkopf geschlagen hatte. Ein junger Mann mit Vollbart und traditionellem Berbergewand hieß sie willkommen und führte sie durch einen schmalen Gang, an dessen Ende Hassan Maliki sie mit freundlichem Blick erwartete. «Wie schön, Sie wiederzusehen», sagte er und reichte ihr die Hand. «Die Freude ist ganz meinerseits, Herr Maliki.» Er wies ihr den Weg in den Innenhof des Riads, eines traditionellen marokkanischen Hauses, das zur Straßenseite hin wenig mehr zu erkennen gab als eine Öffnung in der Begrenzungsmauer, einer Wand aus Lehm inmitten des Gassengewirrs. Der Innenhof war mit prachtvollen Bodenfliesen ausgestattet und hatte die Anmutung eines weitläufigen Wohnzimmers: Ornamentreiche Sitzmöbel mit Bezügen aus Satin verteilten sich großzügig um den plätschernden Springbrunnen, eine Treppe führte hinauf zu den oberen Etagen, zwei jeweils umlaufende Arkadengänge, von denen die Zimmer abgingen. Zum Schutz vor der Sonne waren drei weiße Leinentücher über den Innenhof gespannt, wie schwebende Segel. Jeder einzelne Quadratmeter Wandfläche war gefliest mit Fayencen, die sich zu größeren Mosaiken fügten, zu Arabesken und geometrischen Mustern, überwiegend in Weiß, Blau, Grün und Rot. Hassan Maliki geleitete seine Besucherin zu der Sitzgruppe, die dem Springbrunnen am nächsten stand. Darin schwammen Rosenblätter, ebenso in den mit Wasser gefüllten Schalen auf dem Boden, in denen Duftkerzen brannten. Hölzerne Rundbögen umgaben das Atrium, jede Wölbung mit kalligrafischen Schriftzeichen verziert. Die Rundbögen wiederum ruhten auf geweißtem Lehm. Und jetzt entdeckte Sophie auch die sepiafarbenen Fotografien, die gerahmt auf dem Kaminsims standen, offenbar Familienfotos aus dem vorigen Jahrhundert. Vögel flogen zwitschernd über ihren Köpfen, leise ertönte im Hintergrund eine melancholische Melodie. «Was für ein Haus», staunte Sophie. «Das hätte ich mir niemals vorstellen können, trotz Ihrer Erzählungen.» «Es freut mich, dass es Ihnen gefällt.» Seine Körperhaltung zeigte dieselbe Unsicherheit, die auch sie selbst empfand. Sie kannten einander kaum und waren doch vertraute Fremde, seit Sophie ihm vor ein paar Monaten Berlin gezeigt hatte. Er bat sie, Platz zu nehmen, und schenkte Pfefferminztee aus großer Höhe in die bereitstehenden Gläser ein, in denen die Flüssigkeit brodelte und schäumte. «Ich bin mir natürlich darüber im Klaren, dass ich den Medienpreis in erster Linie Ihnen zu verdanken habe», sagte er in jenem Tonfall, der sich wie eine sanfte Berührung anfühlte und noch Wochen später nachgewirkt hatte, als er längst zurück in Marokko war. Er sah ihr nicht direkt in die Augen, sondern blickte an ihr vorbei. Auf Sophie wirkte diese Zurückhaltung wie ein Versprechen. «Sie verdanken ihn der Qualität Ihrer Zeitschrift», erwiderte sie, ihre Stimme kam ihr ungewohnt hoch vor, und las in seinem fein ziselierten Gesicht. Es zeigte, obwohl er in ihrem Alter war, kaum Falten, sofern sie nicht von seinem Dreitagebart verschluckt wurden. Auf dem Boden lagen reihenweise Stapel des Magazins Outland, dessen Herausgeber und Chefredakteur Hassan Maliki war. «Wie sind Sie eigentlich auf die Idee gekommen zu Ihrem Magazin?», fragte Sophie, auf der Suche nach sicherem Grund. Sie roch sein betörendes Parfüm und wünschte fast, er hätte einen erkennbaren Makel. Doch er war schlank, groß gewachsen, sein Gesicht oval und ebenmäßig, von leichter Bräune. «Gute Frage», erwiderte er. «Ehrlich gesagt hat es sich ergeben, so, wie manchmal die Dinge einfach geschehen, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist.» Beim Reden zeichneten seine schlanken Hände Figuren in die Luft. «Sagen wir so: Ich mag mich nicht abfinden mit den Verhältnissen, wie sie sind. Nicht ohne Grund heißt Outland im Untertitel ‹Ein Magazin der Möglichkeiten›.» «Ja, so haben Sie es bereits in Ihrer Dankesrede in Berlin formuliert.» Er deutete ein Lächeln an: «Ich bitte um Verzeihung. Ich wollte Sie nicht langweilen.» «Das tun Sie nicht», entgegnete Sophie eilig und trank einen Schluck Tee. Einen Moment fürchtete sie, ihr Gegenüber könne ihre Gedanken lesen. «Die Vögel haben aufgehört zu zwitschern», schob sie hinterher, nicht ohne Verlegenheit. Wieder lächelte er und sah ihr erstmals in die Augen. «Ihre Schönheit verwirrt die armen Tiere», sagte er. Sophie spürte, wie sie errötete. Sie musste aufpassen, dass die Begegnung nicht aus dem Ruder lief. Rede mit ihm über die Himmelstreppe, riet ihre innere Stimme. Und dann nichts wie raus hier. *** Der Lärm war ohrenbetäubend, und die Rauchschwaden der Grillstände lagen in der Luft wie Nebel. Nachdem die Details der Reise geklärt waren, hatte Sophie vorgeschlagen, an der weltberühmten Djamaa al-Fna essen zu gehen. Abends verwandelte sich dieser Platz der Gaukler und fliegenden Händler zusätzlich in ein weitläufiges Freiluftrestaurant, wo sich eine mobile Garküche an die andere reihte. Hassan Maliki mochte diese Touristenfalle nicht, wie er sagte, Sophie dagegen fühlte sich endlich wieder auf sicherem Grund. Sie hatten auf einer langen Bank an einem Kebab-Grill Platz genommen, und ihr Begleiter winkte den Kellner zu sich heran. «Wissen Sie eigentlich», fragte er, «was Djamaa al-Fna im Wortsinn bedeutet?» «Keine Ahnung», gestand sie. «Platz der Vernichtung. Hier fanden früher die öffentlichen Hinrichtungen statt, entweder mit dem Schwert oder dem Strick.» Sophie tunkte das Fladenbrot in die scharfe Harissa-Sauce. «Verstehe. Wo die Leute sich am prallen Leben erfreuen, sind einst Menschen gestorben.» «Alles eine Frage der Perspektive, nicht wahr? In Marokko ist der König vielen verhasst, euch gilt er als zuverlässiger Partner. Also hat er einen Freibrief. Und den nutzt er. Jeder, der das Königshaus kritisiert, muss damit rechnen, im Gefängnis zu landen.» «Aber Sie kritisieren ihn doch.» «Ich kenne die Grenzen sehr genau, glauben Sie mir. Ich weiß, wie weit ich gerade noch gehen kann. Und ich genieße die Gnade der rechten Geburt. Mein Nachname, Maliki, bedeutet königlich. Ich gehöre gewissermaßen zur Familie. Das verschafft mir etwas Spielraum.» Sophie hörte ihm aufmerksam zu. Sie war öfter schon im Orient gewesen, aber ihr Wissen war in erster Linie angelesen. Ohne Hassan Maliki wäre sie niemals auf die Idee gekommen, sich für eine Himmelstreppe in der Wüste zu interessieren, dem Ziel ihrer Reise. «Wie ist Ihre Geschichte über diese Treppe...


Michael Lüders, Autor und Orientalist, ist häufiger Gast in Hörfunk und Fernsehen. Bei C.H.Beck erschien zuletzt sein viel beachteter Bestseller "Wer den Wind sät. Was westliche Politik im Orient anrichtet" (2015). Bisher hat er vier Romane und einen Erzählungsband veröffentlicht, darunter "Aminas Restaurant" (2006).



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