MacAlister Time Thief - Keine Zeit für Traummänner
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-8025-9472-4
Verlag: LYX
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, Band 01, 400 Seiten
Reihe: Time-Thief-Reihe
ISBN: 978-3-8025-9472-4
Verlag: LYX
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Peter Faa besitzt die seltene Gabe, über die Zeit zu gebieten. Als er erfährt, dass seine eigene Familie der hübschen Kiya Mortenson die Lebenszeit stiehlt, ist er entschlossen, dem Treiben ein Ende zu bereiten. Denn Kiya weckt Gefühle in ihm, die er nie für möglich gehalten hätte.
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»Es heißt doch immer, der Blitz würde nie zweimal an derselben Stelle einschlagen, nicht wahr? Also, ich bin der lebende Beweis dafür, dass das totaler Unsinn ist.«
»Unsinn? Wie kommen Sie darauf? Haaa…, haaa…«
»Tschi!«, sagte ich und fuhr mitfühlend zusammen. Der Mann, der mir in dem kleinen Warteraum gegenübersaß, putzte sich die rote Nase. Seine Augen waren ebenso rot und völlig zugeschwollen. Was mich bewog, ihm Trost zuzusprechen, waren aber die zahllosen Quaddeln in seinem Gesicht, am Hals und an der Brust, soweit sie durch den offenen Hemdkragen zu sehen war. »Machen Sie sich keine Sorgen. Ich habe von meiner Freundin Lily gehört, dass die Ärzte hier super sind. Sie werden bestimmt im Nu wieder abgeschwollen und entquaddelt sein.«
»Das hoffe ich.« Der Mann schloss erschöpft die Augen und betupfte seine laufende Nase und die Augen. »Pollenallergien bin ich gewöhnt, aber die Quaddeln sind neu.«
»Ich wusste nicht, dass man die auch von etwas anderem bekommen kann als von einer Medikamentenallergie.« Ich ahmte unwillkürlich seine Bewegungen nach, als er sich an den Hals fasste, um zu kratzen, sich aber besann und die Hand wieder sinken ließ. Schon beim Anblick der vielen geröteten Quaddeln juckte es mich am ganzen Körper.
»Offensichtlich doch, wenn man auf bestimmte Pflanzen überempfindlich reagiert. Das habe ich heute Morgen herausgefunden, als ich eine Begegnung mit einem großen Wüsten-Beifuß am Straßenrand hatte.«
Ich kratzte mich am Arm. »Hm, ich war schon oft in der Nähe von Beifußbüschen, und sie haben mir noch nie Probleme gemacht.«
»Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, Horatio …«, murmelte der Mann und ballte die Fäuste. Der Arme musste sich wirklich elend fühlen in seinem verquollenen Zustand. Eigentlich sah er gar nicht schlecht aus. Ende fünfzig, braune Haare, braune Augen und eine runde Brille mit Drahtgestell im Stil der 1930er-Jahre.
»Kann man wohl sagen.«
Er riss unvermittelt die Augen auf. »Entschuldigen Sie bitte, Miss … Miss …«
»Mortenson. Kiya Mortenson.«
»Kiya?«
»Ja, ziemlich ungewöhnlich, hm?« Ich kratzte mich an der Schulter. »Meine Eltern waren Hippies. Unheimlich clevere Hippies. Sie fanden es lustig, mich nach einer alten Ägypterin zu nennen, die immer für die Mutter von Tutenchamun gehalten wurde. Aber neulich habe ich gelesen, dass das nicht stimmt. Jetzt trage ich also den Namen einer Frau, die gar nicht mit Tutenchamun verwandt war.«
»Sie hätten nach jemand wesentlich Unangenehmerem benannt werden können.«
»Wohl wahr. Ich könnte Hitlerina heißen.« Ich lächelte, als er ein heiseres Lachen ausstieß. Gleich darauf verzog er das Gesicht, und seine Finger zuckten, weil er den Juckreiz kaum noch aushalten konnte. Ich kratzte mich stellvertretend am Handgelenk.
»Ich bin Dalton.«
»Einfach nur Dalton? Ist das ein Künstlername oder wollen Sie mir Ihren Nachnamen nicht verraten, weil Sie befürchten, ich könnte heimlich ein Foto von Ihrem Elend schießen und es auf Facebook posten, um Sie vor Familie und Freunden lächerlich zu machen?«
Er öffnete seine roten, zugeschwollenen Augen, so weit es ihm möglich war. »Ist es wahrscheinlich, dass Sie heimlich Fotos von mir machen?«
»Nein, aber hauptsächlich, weil mein Handy ein Fossil ist und ich damit gar nicht fotografieren kann.«
Er lachte wieder, diesmal allerdings behutsamer. »Da Familie und Freunde also vorerst sicher vor meinem schaurigen Gesicht sind, gehe ich das Risiko ein, dass Sie zur Stalkerin mutieren, und verrate Ihnen meinen Nachnamen. Er ist McKay.«
»Hallo Dalton McKay.«
»Hallo Kiya. Tut mir leid, dass ich Sie eben unterbrochen habe. Sie wurden vom Blitz getroffen, sagen Sie? Das klingt sehr dramatisch. Warum sind Sie in dieser Arztpraxis und nicht in der Notaufnahme eines Krankenhauses?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Ich habe keine Verletzungen oder so. Mir war nur ein paar Sekunden lang schwummerig, und dann ging es mir wieder gut. Aber ich dachte, ich lasse sicherheitshalber prüfen, ob mein Herz in Ordnung ist und der Blitz keinen Schaden im Gehirn angerichtet hat und solche Sachen.«
»Das sollten Sie auch.« Er blinzelte eulenhaft hinter seinen runden Brillengläsern. »Ich glaube, ich habe noch nie jemanden kennengelernt, der vom Blitz getroffen wurde.«
»Schon zweimal! Deshalb sagte ich ja, dass die Redensart nicht stimmt.«
Er blinzelte noch ein paarmal, wischte sich erneut Augen und Nase und fragte stirnrunzelnd: »Was haben Sie getan, als Sie getroffen wurden?«
»Ich habe einem Streifenhörnchen geholfen.« Ich grinste schief. »Okay, um genau zu sein, habe ich gekeucht und geschnauft und mir geschworen, dass ich ab sofort wieder regelmäßig joggen gehe. Aber der Grund dafür war, dass ich einem Streifenhörnchen helfen wollte, weil es mit dem Kopf in einer Milchflasche aus Plastik feststeckte. Laufen konnte der kleine Lümmel trotzdem ziemlich gut. Ich musste ihm über einen Berg hinterherrennen, bis ich ihn endlich hatte. Ich habe nicht daran gedacht, dass man sich bei einem Gewitter nicht unter hohen Bäumen aufhalten soll, und dann ging es plötzlich knall, bumm, brutzel!«
»Brutzel?« Dalton sah mich erschrocken an. »Es hat gebrutzelt?«
»Na ja …« Ich legte die Stirn in Falten, während ich mich genau zu erinnern versuchte. »Brutzeln ist vielleicht nicht das richtige Wort. Es gab so ein kratziges Geräusch, als sich die Blitzblume auf meinem Arm ausbreitete. Zumindest glaube ich, dass es damit zusammenhing. Vielleicht kam das Geräusch aber auch von dem Streifenhörnchen, das sich die Milchflasche vom Kopf riss.«
»Was für eine Blitzblume? Ist das eine einheimische Pflanze?«
»Das ist keine Pflanze.«
Ich ging zu ihm und ließ mich auf das durchgesessene Sofa neben seinem Stuhl plumpsen. Dann zog ich die Chiffonbluse aus, die ich über dem Tank-Top trug. »Dieses verästelte Muster hier. Das entsteht manchmal, wenn jemand vom Blitz getroffen wird. Sehen Sie? Ich habe mal gehört, es kommt daher, dass der Blitz alle Venen und Arterien und so weiter aufleuchten lässt.«
»Das ist ja … verblüffend.« Dalton beugte sich vor, um sich meinen Oberarm genauer anzusehen. »Einmalig! Und das tut nicht weh?«
»Die Blitzblume?« Ich warf einen flüchtigen Blick auf das farnwedelartige Muster, das vom Bizeps bis zum Handgelenk reichte. Ich hatte noch eins, aber das konnte ich nur sehen, wenn ich mich nackt vor den Spiegel stellte und über die Schulter schaute. »Nein. Vom Blitz getroffen werden ist ungefähr so, wie wenn man einen Elektrozaun anfasst, nur heftiger. Aber das da? Das tut überhaupt nicht weh.«
»In seiner Feinheit wirkt es fast … feminin.«
»Ja, es hat eine bizarre Schönheit.«
»Bleibt so etwas lange?«
»Tja, das ist das Merkwürdige an der Sache.« Ich machte es mir auf dem Sofa gemütlich. Ich wusste nicht recht, warum, fand es aber nett, mir die halbe Stunde, bis man mich aufrief, durch eine Unterhaltung mit diesem Mann zu vertreiben. »Vor ein paar Jahren habe ich es mal online nachgelesen. Diese Muster sollten eigentlich wieder weggehen, aber meine bleiben. Wie eine Narbe.«
»Das sieht aber nicht wie eine Narbe aus.« Er fuhr vorsichtig mit dem Zeigefinger über das Muster. »Eher wie ein Henna-Tattoo.«
»Ja, nicht wahr? Meine Pflegemutter sagt, das andere sieht aus, als wäre es mit einem hellbraunen Filzstift aufgemalt. Aber es kommt wirklich daher, dass ich – wieder mal – zur falschen Zeit am falschen Ort war.«
»Wenn das nächste Mal ein Gewitter aufkommt, sollten Sie wahrhaftig einen großen Bogen um Bäume machen«, pflichtete er mir bei.
»Ich konnte eigentlich nichts dafür. Ich habe … äh … einen Aushilfsjob gemacht. Inoffiziell. Ich habe meine Freundin Lily bei der Waldbrand-Wache vertreten. Sie wollte für ein paar Tage ihre Familie besuchen, also bin ich für sie eingesprungen und habe ihre Schicht übernommen. Wir dachten, dass ich mir ein paar Dollar verdienen kann, während sie zu ihrer Familie fährt, und dass es schon niemand merken wird. Aber was passiert, während ich dem Streifenhörnchen bis ans Ende der Welt nachjage? Ich werde von einem Blitz getroffen, der – ich schwöre – wie aus dem Nichts kam. Und als ich die Feuerwehr anrief, um zu fragen, ob mich jemand von dem Berg ins Krankenhaus fahren kann, sind alle total ausgeflippt. Sie haben beim Forstamt angerufen, wodurch Lilys Boss erfuhr, dass ich an ihrer Stelle Wache geschoben habe und … Na ja, Sie können sich vorstellen, wie das Ganze ausgegangen ist.«
»Hmm«, machte Dalton und schaute wieder auf meinen Arm. »Und das war schon das zweite Mal, dass Sie getroffen wurden?«
»Ja.« Ich sah ihm prüfend ins Gesicht. »Geht es Ihnen wirklich so schlecht, dass Sie sich meine langweilige Lebensgeschichte anhören müssen, um sich von der ganzen Juckerei abzulenken?«
»Ja«, sagte er freiheraus, dann verzog er das Gesicht. »Entschuldigen Sie, das war unhöflich.«
»Ach was.« Ich winkte lachend ab. »Ich weiß, wie es ist, wenn man versucht, etwas Bestimmtes zu tun. Da lenke ich Sie gern ein bisschen ab. Also, ich wurde schon mal vom Blitz getroffen, als ich laut meiner Pflegemutter ungefähr drei Jahre alt war. Ich selbst kann mich an das Gewitter und das Feuer danach nicht erinnern.« Ich strich meine rote Caprihose glatt – meine Reminiszenz an die 1950er-Jahre.
»Und Sie wurden nicht verletzt? Ein kleines...