E-Book, Deutsch, 314 Seiten, Format (B × H): 150 mm x 215 mm
Mäntele Biophysik
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-8463-3270-2
Verlag: UTB
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 314 Seiten, Format (B × H): 150 mm x 215 mm
ISBN: 978-3-8463-3270-2
Verlag: UTB
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Prof. Dr. Werner Mäntele (em.) lehrte an der Universität Frankfurt.
Zielgruppe
Biophysik
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
Weitere Infos & Material
Vorwort 11
1 Biophysik im Umfeld von Physik, Chemie, Biochemie, Biologie und Medizin 14
2 Bindungen, Wechselwirkungen und Kräfte bei Molekülen 27
3 Aufbau von Proteinen 38
4 Lipide als Bausteine biologischer Membranen 56
5 Strukturen und Eigenschaften biologischer Membranen 66
6 Elektrische Eigenschaften von Lipidmembranen 75
7 Transport durch Membranen 85
8 Ionendiffusion, Diffusionspotenziale und Grenzflächenpotenziale an Membranen 98
9 Biologische Energieformen und Energietransformationen 107
10 Chemische und biochemische Reaktionen 129
11 Strukturanalyse I: Hochauflösende Strukturuntersuchungen 144
12 Strukturanalyse II: Mikroskopie, Elektronenmikroskopie, Elektronenbeugung und Neutronenbeugung 159
13 Optische spektroskopische Methoden I: Absorptionsmethoden 173
14 Optische spektroskopische Methoden II: Absorptionsmessungen 189
15 Optische spektroskopische Methoden III: Fluoreszenzspektroskopie 205
16 Optische spektroskopische Methoden IV: Infrarotspektroskopie 218
17 Optische Spektroskopie V: Spezielle Techniken 243
18 Rastersondentechniken 257
19 Sedimentations- und Zentrifugationstechniken 269
20 Strahlen- und Umweltbiophysik 278
Literaturverzeichnis 309
Register 312
2 Bindungen, Wechselwirkungen und Kräfte bei Molekülen
2.1 Bildung von Molekülorbitalen
Bei einer chemischen Bindung kommt es zu einer Annäherung zweier oder mehrerer Atome und zu einer Umverteilung der Elektronenhülle zwischen den Atomen. Die Elektronen des einen Atoms werden von der Elektronenhülle des anderen Atoms abgestoßen, bei geringer Entfernung aber auch vom dessen Kern angezogen. Hinzu kommt eine Abstoßung der Kerne. Schon beim Wasserstoffmolekül H2 müssen mehrere Wechselwirkungen berücksichtigt werden: Die gegenseitige Abstoßung der Kerne und der Elektronen, die Anziehung des Elektrons von Atom #1 durch die Kerne der Atome #1 und #2 sowie die Anziehung des Elektrons von Atom #2 durch die Kerne der Atome #1 und #2. Ein stabiles Molekül entsteht durch ein Gleichgewicht zwischen abstoßenden und anziehenden Kräften. Die Tatsache, dass schon für diesen scheinbar einfachen Fall sechs verschiedene Wechselwirkungen berücksichtigt werden müssen, ist schuld daran, dass in den Pflichtvorlesungen im Physikstudium oft keine Moleküle behandelt werden – mit Ausnahme vielleicht des Wasserstoff-Molekül-Ions (H2+), bei dem durch Fehlen eines Elektrons die Zahl der Wechselwirkungen geringer ist.
Indem man Linearkombinationen von atomaren Elektronenhüllen erstellt, ist es möglich, Elektronenhüllen von Molekülen zu beschreiben. Die dabei verwendete Methode trägt die Bezeichnung LCAO (Linear Combination of Atomic Orbitals).
?M= a ?A1 + b?A2
Dabei sind ?M, ?A1 und ?A2 die Wellenfunktionen des Moleküls bzw. der Atome A1 und A2; a und b sind Parameter für die Linearkombination. Man unterscheidet zwischen bindenden, antibindenden und nichtbindenden Orbitalen. Bindende Orbitale stellen aufgrund ihrer Energielage, die im Molekül günstiger ist als in den einzelnen Atomen, den „Kitt“ für das Molekül dar; antibindende Orbitale sind im Molekül energetisch ungünstiger als in den Atomen. Kovalente Bindungen entstehen durch Wechselwirkungen innerhalb der gemeinsamen Elektronenhülle. Solche Bindungen halten beispielsweise Moleküle zusammen.
Nomenklatur bei Molekülorbitalen (z.B. Kohlenwasserstoffe)
Bindendes s-Orbital:
Elektronendichte entlang der Verbindungslinien der Kohlenstoffkerne endlich groß.
Antibindendes s*-Orbital:
Elektronendichte entlang der Verbindungslinien der Kohlenstoffkerne geht gegen null.
Bindendes p-Orbital:
Elektronendichte ist maximal in der Ebene senkrecht zur Verbindungslinie der Kohlenstoffkerne.
Elektronendichte ist minimal entlang der Verbindungslinie der Kohlenstoffkerne.
Antibindendes p*-Orbital:
Elektronendichte entlang der Verbindungslinien der Kohlenstoffkerne geht gegen null.
Nichtbindende n-Orbitale:
p-Orbitale ohne Beiträge zur Bindung.
2.2 Elektronenaffinität und chemische Bindung
Für das Verhalten von Atomen in chemischen Bindungen ist die Energie, die für die Aufnahme oder Abgabe von Elektronen aufgewendet werden muss, maßgeblich. Für die Bildung eines Kations durch Elektronenabgabe
X ? X+ + e–
ist mindestens die Ionisationsenergie notwendig. Bei der Bildung eines Anions durch Elektronenaufnahme
Y + e– ? Y–
spricht man von der Elektronenaffinität. Welche Vorzeichen und Beiträge Ionisationsenergie und Elektronenaffinität annehmen, hängt von der Position der Atome im Periodensystem ab. Kombiniert man beide Vorgänge, so addiert sich die Ionisationsenergie für das eine Atom zur Elektronenaffinität des anderen. Üblicherweise ist die Ionisationsenergie größer als die Elektronenaffinität, zusammengenommen ist aber immer noch ein Energiebetrag notwendig, der die Bildung einer chemischen Bindung verhindern würde. Dieser wird jedoch erbracht durch die Coulomb-Wechselwirkung zwischen den Elektronenhüllen und den Kernen der beiden Atome (Kap. 2.1).
Die Elektronenhülle von Natrium (Na) mit der Elektronenkonfiguration 1s22s22p63s geht durch Abgabe des 3s-Elektrons in die stabile Edelgaskonfiguration von Neon über, ein Schritt, der nicht viel Energie kostet. Die Elektronenhülle von Chlor (Cl) hat die Elektronenkonfiguration 1s22s22p63s23p5, nach Aufnahme eines Elektrons nimmt sie die stabile Edelgaskonfiguration von Argon an, ebenfalls kein sehr energieaufwendiger Prozess. Die Kombination beider Schritte und die Coulomb-Wechselwirkung führen beim Kochsalz (NaCl) zu einer stabilen Ionenbindung.
2.3 Bindungstypen
Je nach Charakter und Bindungsenergie einer Bindung kann man sie eine der folgenden Gruppen zuordnen:
Ionische Bindung, Ionenbindung, heteropolare Bindung oder elektrovalente Bindung: Unter einer ionischen Bindung versteht man eine Bindung, bei der die elektrostatische Wechselwirkung zwischen dem positiv geladenen und dem negativ geladenen Partner stärker ist als die unmittelbare Wechselwirkung der Elektronenhülle. Beispiele dafür finden sich bei den Alkalihalogeniden, wie bei Na+ und Cl– im NaCl.
Kovalente Bindung, Elektronenpaarbindung oder homöopolare Bindung: Diese kommt durch die Valenzelektronen der äußeren Hülle der Atome zustande. Jeweils zwei bilden ein „bindendes“ Elektronenpaar. Neben Einfachbindungen (ein Elektronenpaar) treten auch Doppel- bzw. Dreifachbindungen auf (zwei oder drei Elektronenpaare). Beispiele dafür sind -C-C-, -C=C- und -C=C- Bindungen.
Koordinative Bindung: Hier stammen die Elektronenpaare nur von einem der Bindungspartner. Der Partner mit Elektronenmangel wird als Akzeptor oder Lewis-Säure bezeichnet, der mit Elektronenüberschuss als Donor (Lewis-Base). Beispiele dafür sind Metallkomplexe wie das Eisen in Hämgruppen.
Wasserstoffbrückenbindungen: Diese Bindungen gehen auf elektronische Wechselwirkungen zwischen Partialladungen zurück und bilden sich zwischen zwei Molekülgruppen über Wasserstoffatome. Dabei wirkt ein elektronegatives Atom einer Gruppe (z.B. Stickstoff, Sauerstoff oder Fluor), an das ein Wasserstoff kovalent gebunden ist, als Donor (Donator), ein anderes elektronegatives Atom mit freien Elektronenpaaren als Akzeptor. Ein Beispiel dafür ist die Wechselwirkung von Wassermolekülen in Wasser.
Van-der-Waals-Bindung: Unter einer Van-der-Waals-Bindung versteht man eine Bindung, die auf die Wechselwirkung von induzierten Dipolmomenten, Dispersionskräften und Dipolen zurückgeht. Dispersionskräfte – auch „London-Kräfte“ genannt – treten auf, wenn unpolare Moleküle, die im zeitlichen Mittel keine Dipole aufweisen, wechselwirken. Dabei können die fluktuierenden Ladungen Dipole bilden, die wiederum im Nachbarmolekül einen Dipol induzieren und damit zu Wechselwirkungen und Kräften führen.
Der Vollständigkeit halber sollte auch die metallische Bindung aufgeführt werden, die in etwa der Bindung in Kristallen entspricht.
2.4 Kräfte und Wechselwirkungen
Bei einem einfachen zweiatomigen Molekül, wie beispielsweise dem Wasserstoffmolekül (H2), lässt sich die Energie der Bindung in Form einer Potenzialkurve darstellen (Abb. 2.1). Im klassischen Bild – bei dem oft die Kerne durch Massepunkte und die Bindungskräfte durch eine Feder symbolisiert werden – entspricht der Kernabstand r = 0 dem Zusammentreffen der Kernpositionen, während das Minimum der Potenzialkurve mit dem Gleichgewichtsabstand r0 übereinstimmt. Ein Parabel-Potenzial (blaue Linie) kann den realen Potenzialverlauf nicht wiedergeben, da einerseits beim Schnitt der Potenzialfunktion mit der Ordinate der Kernabstand auf null gehen würde, andererseits das Molekül auch bei unendlich großen Kernabständen stabil bleiben würde. Das Morse-Potenzial (nach Philip Morse, 1903–1985) mit der Dissoziationsenergie D liefert eine wesentlich bessere Beschreibung der realen Verhältnisse:
Dabei ist D die Dissoziationsenergie, bei der die Bindung gebrochen wird und separate Atome vorliegen. Der Parameter r0 ist der Gleichgewichtsabstand; a beschreibt die Breite des Potenzials.
Das Morse-Potenzial beschreibt die wichtigsten experimentellen Befunde:
- Dissoziation bei großen Kernabständen
- starker Anstieg der potentiellen Energie bei...