E-Book, Deutsch, 448 Seiten
Major Und morgen für immer
23001. Auflage 2023
ISBN: 978-3-492-60509-0
Verlag: Piper Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman | Der herzzerreißendste und lebensbejahendste Liebesroman des Jahres 2023
E-Book, Deutsch, 448 Seiten
ISBN: 978-3-492-60509-0
Verlag: Piper Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Cesca Major besuchte die Bristol University und arbeitete zehn Jahre lang als Lehrerin, bevor sie mit dem Schreiben von Romanen begann. Sie ist Veranstalterin und Rednerin bei Literaturfestivals und unterrichtet kreatives Schreiben. Cesca Major lebt mit ihrem Mann, ihrem Sohn und ihren Zwillingstöchtern in Berkshire westlich von London.
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Kapitel?1
3. Dezember 2007
Liebe Emma,
wenn es nach mir ginge, würden wir unseren Jahrestag am Tag unseres ersten Dates feiern. Aber du möchtest, dass es der heutige Tag ist, weil du den Leuten so gern die Geschichte dazu erzählst.
Weißt du eigentlich, dass ich dich in der vollen U-Bahn zuerst entdeckt habe? Ich erinnere mich noch genau: du im schwarzen Rollkragenpullover, mit dem mittlerweile so vertrauten roten Lippenstift, dein dichtes, dunkles Haar wie immer zum Zopf hochgebunden. Aber ich sah weg, weil ich a) nicht der unangenehme U-Bahn-Starrer sein wollte und b) gekleidet war wie ein Statist aus dem alpinen Musical Meine Lieder – meine Träume.
Trotzdem galt meine gesamte Aufmerksamkeit in dieser ruckeligen U-Bahn allein dir. Jules sagte etwas Lustiges, und du lachtest dein unglaublich anziehendes Lachen. Da konnte ich nicht widerstehen, ich musste dich einfach ansehen. Ich erinnere mich noch genau, wie mir ein Schauer die Wirbelsäule hinunterlief, als unsere Blicke sich trafen.
Ich versuchte schnell, mich auf etwas anderes zu konzentrieren, und verfluchte den Umstand, dass ich mich ausgerechnet heute für die Arbeit hatte verkleiden müssen, denn in Lederhose und mit Tirolerhut fühlte ich mich völlig fehl am Platz. Aber auch sonst wäre ich wahrscheinlich nicht mutig genug gewesen, etwas zu unternehmen. Zumal ich überzeugt davon war, dass du bereits vergeben sein musstest. Und zwar an einen Mann deines Kalibers – der sicher perfekt sitzende Anzüge trug, drei Sprachen beherrschte, fantastisch mit Kindern konnte, Tiere liebte und im Bett der Hammer war.
Doch das Schicksal nahm seinen Lauf, als der Wagen plötzlich bremste, ich stolperte und meine Hand die Haltestange nur knapp verfehlte. Mein Tirolerhut fiel herunter, rollte davon und blieb direkt vor deinen glänzenden braunen Schnürstiefeln liegen. Schnell murmelte ich eine Entschuldigung. Jules lachte und sagte auf Deutsch: »Guten Tag«, während ich in Lederhosen vor dir kniete und du mich zum ersten Mal anlächeltest: mitleidig, versteht sich. Ich war schließlich ein Mann, der nicht einmal ganz normal in der U-Bahn stehen konnte. Dein Partner hätte mit Sicherheit aufrecht und ruhig im Wagen gestanden.
»Das ist ein schöner Hut«, waren deine Worte an mich. Deine Stimme klang selbstbewusst und sanft, während ich mir Sorgen über mein möglicherweise platt gedrücktes Haar machte und den Hut schnell wieder aufsetzte. Noch nie zuvor hatte ich mir Gedanken über zu platte Haare gemacht. Komm schon, sag endlich etwas, dachte ich bei mir. Nun mach schon. Aber mehr als ein »Danke« bekam ich nicht über die Lippen.
Ich weiß noch, wie traurig ich darüber war, die Chance vertan zu haben. Zwei Haltestellen später müsste ich bereits aussteigen und dich der Central Line überlassen, die dich immer weiter aus meinem Leben entfernen würde. Ein zweites Mal dürfte sich mir die Gelegenheit sicher nicht bieten, dich kennenzulernen und herauszufinden, ob dieses elektrisierende Gefühl sich wiederholt hätte, echt wäre. Dann jedoch sahst du mich an und fragtest, ob ich irgendwelche guten Märkte mit deutschen Waren kennen würde und ob ich sie dir aufschreiben könne. Die Frau zwei Sitze weiter lächelte über ihrem Buch.
Innerlich jubilierte ich – diese faszinierende Frau wollte doch tatsächlich meine Nummer (oder nahm wirklich an, ich sei Deutscher, und interessierte sich einfach für Produkte aus Deutschland). Ich war aufgeregt und suchte hastig in meiner Tasche nach Stift und A6-Notizbuch (und nein, ich finde es überhaupt nicht seltsam, so etwas mit mir herumzutragen – aber ich wünschte trotzdem, Hattie hätte dir nicht erzählt, dass ich darin Vogelarten notiere. Danke, Schwesterherz). Aber ich fand nur einen Stift, eine 50-Pence-Münze, einen zerknitterten Kassenbon und meinen Schlüssel.
Ich glättete den Kassenbon und schrieb schnell meine Nummer darauf. Dann zeichnete ich alle Zahlen noch einmal nach, auch wenn ich ein wenig Sorge hatte, pedantisch zu wirken. Aber die Sieben ähnelte wirklich zu sehr einer Eins.
Eine Reihe pastellfarbener Einfamilienhäuschen, die am Fenster hinter dir vorbeizogen, zeigte mir, dass wir schon bald an meiner Haltestelle ankommen würden. Schnell und etwas unbeholfen streckte ich dir den Kassenbon entgegen. »Falls du mal auf einen Markt gehen möchtest«, sagte ich. Du hast gelächelt, und in mir kribbelte es vor Glück. Gerade als ich dein Lächeln erwidern wollte, fiel mir plötzlich ein, wofür ich den Kassenbon von der Drogerie Boots bekommen hatte, und ich erstarrte.
Zu spät. Es war geschehen. Der Bon war bereits in deiner Hand. Noch hast du gelächelt, als wäre alles gut. Jules hat gelächelt, als wäre alles gut. Die Frau zwei Sitze weiter hat gelächelt, als wäre alles gut.
Verfluchter Mist.
Am liebsten hätte ich dir den Bon sofort wieder aus der Hand gerissen. Dein roter Nagellack verschwamm vor meinen Augen, während Panik in mir aufstieg. Meine Mutter hatte mich darum gebeten, ihr von Boots eine Packung Anusol zu besorgen. O mein Gott. Ich hatte meine Nummer auf den Bon für eine Packung Hämorrhoidensalbe geschrieben.
Mein ganzer Körper fühlte sich plötzlich taub an, während ich fieberhaft überlegte, ob ich einen Kommentar darüber machen sollte, dass das Anusol nicht für mich bestimmt war.
Schnell, ich musste irgendetwas sagen, um davon abzulenken. Ich mochte deine Stiefel. Deine echt scharfen Stiefel. GENAU DAS HATTE ICH SAGEN WOLLEN: SCHARFE STIEFEL. NATÜRLICH HATTE ICH NICHT LAUT SAGEN WOLLEN: ECHT SCHARFE DINGER.
Mein Gott, was für ein furchtbarer Augenblick, als du mich überrascht ansahst. Ich stotterte: DEINE … STIEFEL … ECHT SCHARF, als hätte ich schuhbasiertes Tourette. Normalerweise wurde ich nicht so leicht rot, aber jetzt spürte ich, wie mein gesamtes Gesicht brannte, als brodelte Lava in mir. Du hast fantastisch reagiert, einfach gelacht und versucht, mir über die peinliche Situation hinwegzuhelfen.
Aber NATÜRLICH entschied sich die U-Bahn just in diesem Augenblick, quietschend und völlig unerwartet stehen zu bleiben. Ich konnte das Ende des rettenden Bahnsteigs bereits durch das Fenster sehen. Er war zum Greifen nah, aber ich steckte in diesem Albtraum fest.
»Meine Haltestelle«, quiekte ich. Ja, es war tatsächlich ein richtiges Quieken. Ein Laut, von dem ich vorher nicht einmal gewusst hatte, dass meine Stimmbänder ihn hergaben. »Zu Hause«, sagte ich, anscheinend nicht mehr in der Lage, in ganzen Sätzen zu sprechen. Vielleicht sollte ich doch mithilfe des kleinen Nothammers den Weg aus dem Fenster wählen?
Jules und die Frau zwei Sitze weiter lachten völlig ungeniert über mich.
Mein Gesicht, das sich in der Fensterscheibe spiegelte, glich dem eines Geistes, mit weit aufgerissenen Augen nahm ich deinen Dank für den Kassenbon entgegen.
Ich konnte im Gegenzug nur nicken, dankbar für deinen Versuch, so nett und normal wie möglich zu wirken, was allerdings nur dazu führte, dass ich dich noch mehr mochte. Gesagt habe ich das natürlich nicht. Ich blieb stumm und hielt es für unwahrscheinlich, dass ich jemals wieder mit einer Frau sprechen könnte.
Die U-Bahn ruckte, fuhr ein Stück weiter und hielt im nächsten Moment am Bahnsteig an. Die Türen öffneten sich, und ich stürzte förmlich nach draußen.
Als sich der Wagen entfernte, drehte ich mich noch einmal um und erhaschte einen letzten Blick auf dich, sah, wie du den Hals gereckt und mich angegrinst hast.
Ich weiß noch ganz genau, was für ein fürchterlicher Abend das war. Ich war bemüht, auf cool zu tun und Dave weiszumachen, dass es mir ganz egal wäre, ob du anrufen würdest oder nicht. Dabei starrte ich unentwegt auf mein Telefon, als wäre ich wieder vierzehn und wartete vor meinem Pager. Dein Lächeln und der amüsierte...




