E-Book, Deutsch, 144 Seiten
Mann / Puschner Geschichte Südasiens
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-534-70436-1
Verlag: wbg Academic in Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
1500 bis heute
E-Book, Deutsch, 144 Seiten
ISBN: 978-3-534-70436-1
Verlag: wbg Academic in Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Das Potential und die Wirtschaftskraft Südasiens und Indiens rücken immer deutlicher in das europäische Bewusstsein. Welche vielgestaltige Geschichte dieser Großraum hat und wie es zu den heutigen Staaten gekommen ist, führt der Band von Michael Mann eindrücklich vor.
Geographisch geht es nicht um eine Geschichte Indiens in seinen heutigen Grenzen, sondern um eine des gesamten Subkontinents, von Pakistan und Nepal über Indien bis Sri Lanka und den Malediven. Inhaltlich behandelt der Band die Geschichte der Region nicht nur punktuell dort, wo Europäer mit ihr in Berührung kommen (Kaufleute, Ostindienkompanien, Kolonisatoren), sondern begreift sie als eigenständige, hoch spannende Geschichte einer Großregion. Die Darstellung beginnt mit dem Entstehen des islamischen Großreiches der Moguln und endet in der Gegenwart. Die religiösen wie politischen Spannungen der Region bis heute werden ebenso behandelt wie der jüngere rasante Aufstieg Indiens als Wirtschaftsmacht.
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[Menü] Einführung: Geschichte, Gesellschaft und Kultur
Indien – Südasien Die meisten Geschichten zu Südasien tragen im Titel oftmals den Begriff oder Namen „Indien“. Unter Indien wird nach allgemeinem Verständnis fast ausnahmslos die Republik Indien verstanden, was die anderen Staaten des südasiatischen Subkontinents ausschließt. Der Terminus Südasien hat aber in den letzten beiden Jahrzehnten zunehmend den eurozentrischen Begriff „Indien“ abgelöst und sich an die seit längerem etablierten geografischen Bezeichnungen Südost-Asien und Zentralasien sowie neuerdings auch Ostasien und Westasien angelehnt. Darüber hinaus bezeugt diese neue Begrifflichkeit ein gewandeltes Verständnis von geschichtlichen Zusammenhängen, die nun nicht mehr einseitig von Europa aus konzipiert und geschrieben werden. Die neueste Forschung konzentriert sich auf ein polyzentrisches Weltbild, das allen großen Weltregionen einen gleichwertigen historisch-kulturellen Stellenwert zuschreibt. Eine Geschichte Südasiens zu verfassen heißt folglich auch, sie aus der Perspektive des südasiatischen Subkontinents heraus zu entwerfen und nicht von vorgefertigten Meinungen auszugehen, wie sie in Europa über Jahrhunderte gepflegt wurden und sich in Form von Stereotypen und Vorurteilen manifestiert haben. Geografisch gehören zu Südasien die gegenwärtigen Länder Afghanistan und Pakistan, Indien, Nepal, Bhutan, Sikkim und Bangladesh, Sri Lanka und die Malediven. Südasien ist mit 4,2 Mio. km2 ein Subkontinent, dessen Ausmaße an die der momentanen Europäischen Union heran reichen. Ein Vergleich mit dieser ist nicht nur vor dem Hintergrund der räumlichen Dimension, sondern auch deshalb angebracht, weil die geografische Diversifiziertheit und die sprachliche, kulturelle und ethnisch-gesellschaftliche Vielfalt durchaus mit der Südasiens korrespondiert. Der Subkontinent wird in seiner südlichen Hälfte, der „Halbinsel“, vom Indischen Ozean umspült, deren Spitze Kanya Kumari die Insel Sri Lanka vorgelagert ist. Im Westen begrenzen das Sulaiman- und nördlich davon gelegen das Kirthan-Gebirge die Landmasse. Gen Norden scheint das gewaltige Bergmassiv des Himalaya („Stätte des Schnees“) mit Pamir, Hindukush und Karakorum den Subkontinent abzuschließen, im Osten der Brahmaputra und das Arakan-Gebirge. Wie jedoch bei allen Gebirgsmassiven der Welt zu beobachten, stellen sie keine unüberwindlichen Hindernisse dar, ganz im Gegenteil, sie fordern geradezu die Erschließung von Passiermöglichkeiten heraus. Der Bolan-Pass und der Khaiber-Pass nach Afghanistan zeugen ebenso von der Suche nach solchen Durch- und Übergängen wie der Karakorum-Pass in das westliche Zentralasien. Auch Tibet war keinesfalls unerreichbar, wie die Jahrtausende alten wirtschaftlichen und kulturellen Austauschbeziehungen zwischen Zentralasien, Tibet und Nordindien belegen. Die transkontinentale Seidenstraße mit ihren von Händlern und Kaufleuten im Verlauf der Jahrhunderte erkundeten und erschlossenen nord-südlich verlaufenden Zubringern sorgte ebenso für die weite Verbreitung von Waren und Menschen wie von politischen und religiösen Ideen. Landschaftsräume Ähnlich wie Europa ist auch Südasien durch eine stark differenzierte landschaftsräumliche Gliederung gekennzeichnet. Die südliche Festlandmasse des Subkontinents bildet die Halbinsel, die in den Indischen Ozean ragt und dessen westliche Hälfte als Arabisches Meer und dessen östliche Hälfte als Golf von Bengalen bezeichnet wird. So wenig wie die Berge Gesellschaften und Kulturen voneinander isolieren, so wenig geschieht das im Fall von Ozeanen. Seit dem Altertum bestanden rege wirtschaftliche und kulturelle Austauschbeziehungen zwischen den Anrainerregionen des Indischen Ozeans. Bereits die Gesellschaft der Harappa-Zivilisation des 3. vorchristlichen Jahrtausends, deren Kern im nordwestlichen Südasien lag, unterhielt Kontakte zur sumerischen Gesellschaft Mesopotamiens, die zu Land wie zu Wasser gepflegt wurden. Im Verlauf der nachfolgenden Jahrtausende sind diese multilateralen Beziehungen immer weiter entlang der arabischafrikanischen Küste einerseits und andererseits zum malayisch-indonesischen Archipel ausgedehnt worden. Nicht zu unrecht wird deshalb neuerdings von einer „maritimen Seidenstraße“ gesprochen. Ab dem 12. Jahrhundert ließen sich Händler aus Gujarat im Hadhramaut, das in etwa dem heutigen Jemen entspricht, und Afrika sowie tamilische Händlergruppen in Südostasien dauerhaft nieder. Naturräume Tektonisch kann der südasiatische Subkontinent in drei große Naturräume unterteilt werden. Zum einen liegt, wie bereits erwähnt, das riesige Gebirgsmassiv im Norden des subkontinentalen Festlandplatte. Diese schiebt sich seit etwa 120 Millionen Jahren unter die eurasische Festlandplatte und wirft dabei den Himalaya auf. Zum zweiten gibt es das im Vorfeld dieser Auffaltung liegende Tiefland, das von Ganges und Jamuna, das von dem so genannten Doab, zu Deutsch: Zweistromland, in west-östlicher Richtung durchflossen wird. Westlich davon ergießt sich der Indus, der von vier weiteren Flüssen, die allesamt im Himalaya entspringen, gespeist wird. Vom südlichen Ende des Panjab, dem Fünfstromland, fließt er schließlich weitere 1.000 km bis in das Arabische Meer. Im Osten der submontanen Landschaft formt zusammen mit dem Ganges der Brahmaputra das gewaltige Flussdelta Bengalens, eine einzigartige Landschaft, die nur ein bis zwei Meter über dem Meeresspiegel liegt. Gerade deshalb gehört sie zu einer der fruchtbarsten Regionen des Subkontinents, aber auch zu einer Gegend, die stets von Überschwemmungen, aus dem Landesinneren oder vom Meer her, bedroht war und ist. Die auf jeder Weltkarte so markant erscheinende „indische Halbinsel“ wird an seiner westlichen Seite von den Western Ghats begrenzt, einer Gebirgskette von bis zu 2.600 Metern Höhe, und im Osten von den Eastern Ghats, die mit 1.500 Metern jedoch wesentlich niedriger sind. Das Hochplateau, das in west-östliche Richtung geneigt ist, gleichsam wie eine schiefe Ebene, wird als Dekhan bezeichnet und stellt den dritten großen Naturraum dar. Sämtliche Flüsse, die in den zur Dekhan Seite gelegenen Abhängen der Western Ghats entspringen, fließen aufgrund der tektonischen „Schieflage“ in den Golf von Bengalen. Am bekanntesten sind die großen Flüsse vor Mahanadi, Krishna, Godaveri und Kaveri mit ihren prägnanten Mündungsdeltas. Die beiden Flüsse, die in Ost-West-Richtung fließen, sind die Narbada oder Narmada und die Tapti, die nördlich von Bombay in das Arabische Meer fließen. Die Narmada, meist bekannt durch die seit Jahrzehnten anhaltenden Planungen und Baumaßnahmen zur weltweit größten Stauseen-Landschaft, trennt zusammen mit dem Satpura-Gebirge Zentralindien vom nördlich davon gelegenen „Hindustan“ ab, ohne dass auch dieser Fluss samt dem schroffen Bergland je eine unüberwindbare Barriere gewesen ist. Klima und Vegetation Diese so markante geografische Beschaffenheit des südasiatischen Subkontinents, die vor allem durch ihre großräumige Struktur charakterisiert ist, hat unmittelbare Auswirkungen auf die klimatisch-vegetativen Verhältnisse. Sie werden weit über den Subkontinent hinaus vom Monsun (arab. mausim: Jahreszeit) bestimmt, der zunächst einmal nur die sich um fast 180 Grad drehenden Windrichtungen meint. Damit einher gehen gewaltige Niederschläge, die sich über dem Subkontinent, aber auch in Indonesien und Teilen Südchinas ergießen. Allgemein wird unterschieden zwischen dem Sommermonsun, der von Juni bis September aus südwestlicher Richtung über das Arabische Meer weht und mit seinen warmen Winden ungeheure Wassermassen transportiert, und dem Wintermonsun, der von Dezember bis Februar vom asiatischen Inland her weht und nur über dem Golf von Bengalen Wasser aufnimmt. Deshalb sind hier die Niederschläge meist nur in Südindien und auf Sri Lanka zu verzeichnen, während die des Sommermonsuns an den Western Ghats und am Abhang des östlichen Himalaya im Jahresdurchschnitt die höchsten Niederschlagsmengen von bis über 3.000 mm verzeichnen. Auf dem Dekhan sowie im nördlichen Rajastan und Pakistan regnet es indessen am wenigsten. Auffällig an diesen klimatischen Konditionen ist die extrem hohe Variabilität der Niederschlagsmengen, die den Kontrast zwischen den feucht-nassen und den semi-ariden bzw. ariden Regionen prägen. Dies ist für Südasien insofern von großer Bedeutung, als die Menge an Niederschlägen wie die daraus resultierende Verfügbarkeit von Wasser über künstliche Bewässerungsmöglichkeiten mehr als in anderen Weltregionen entscheidend für eine ertragreiche Landwirtschaft ist. Im Laufe der Jahrtausende sind nicht nur ökologisch angepasste Landwirtschaftsformen wie der Terrassenfeldbau in bergigen Regionen entstanden oder ausgedehnte Bewässerungssysteme in Form von Kanälen und Staudämmen angelegt worden, sondern darüber hinaus wurden die Regionen, in denen Wasser ganzjährig reichlich vorhanden war, zu landwirtschaftlichen Kornkammern ausgebaut. Das gilt für Sri Lanka,...