Markson | Wittgensteins Mätresse | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 336 Seiten

Markson Wittgensteins Mätresse

Roman
13002. Auflage 2013
ISBN: 978-3-8270-7612-0
Verlag: Berlin Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, 336 Seiten

ISBN: 978-3-8270-7612-0
Verlag: Berlin Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die Künstlerin Kate hält sich für den letzten Menschen auf Erden. Doch gab es sie wirklich - jene Apokalypse, die nur sie allein verschont hat? Oder ist Kate wahnsinnig? In einem Strandhaus an einer unbekannten Küste dokumentiert eine Frau ihre Suche nach den Überlebenden einer namenlosen Katastrophe, durchforstet ihre Erinnerung an Kunstwerke, Bücher und Artefakte einer untergegangenen Zivilisation. Und während Kate rastlos über den Globus reist, in den größten Museen der Welt übernachtet und an den verlassenen Monumenten unserer Kultur umherstreicht, entspinnt sich wie nebenbei eine irrwitzige Geschichte der westlichen Welt: von Homer, der womöglich eine Frau war, über Aristoteles' Lispeln bis zu Rembrandts rostbrauner Katze, von Guy de Maupassants Abneigung gegenüber dem Eiffelturm zu Brahms' Abneigung gegenüber Kindern. Doch dann und wann, tief verborgen zwischen den Zeilen, scheint eine Trauer auf, die vermuten lässt, dass Kates Geschichte womöglich eine ganz andere ist ...

David Markson wurde 1927 in Albany, New York, geboren und studierte an der Columbia University Literatur. Protegiert von Malcolm Lowry gehörte er seit den frühen 1950ern zur New Yorker Schriftstellerszene. Sein 1988 erschienenes Hauptwerk »Wittgensteins Mätresse« gilt heute als Meilenstein der amerikanischen Postmoderne. David Markson verstarb 2010 in New York City.
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Am Anfang hinterließ ich manchmal Botschaften auf der Straße. Jemand lebt im Louvre, lauteten einige dieser Botschaften. Oder in der National Gallery. Natürlich konnten sie so nur lauten, wenn ich in Paris oder London war. Jemand lebt im Metropolitan Museum, so lauteten sie nämlich, als ich noch in New York war. Niemand kam, selbstverständlich. Schließlich hörte ich auf, Botschaften zu hinterlassen. Um die Wahrheit zu sagen, vielleicht hinterließ ich insgesamt nur drei oder vier Botschaften. Ich habe keine Ahnung, wie lange es her ist, seit ich das getan habe. Müsste ich schätzen, ich glaube, ich würde zehn Jahre schätzen. Möglicherweise ist es auch einige Jahre länger her. Allerdings. Und selbstverständlich war ich für eine bestimmte Periode auch nicht bei Sinnen. Damals. Ich weiß nicht, für wie lange, aber für eine bestimmte Periode. Aus der Zeit gefallen. Eine Redewendung, die ich, wie ich vermute, vielleicht nie richtig verstanden habe, jetzt, da ich sie gerade verwende. Bedeutet aus der Zeit gefallen wahnsinnig, oder bedeutet aus der Zeit gefallen einfach vergessen? Aber in jedem Fall gab es kaum einen Zweifel an diesem Wahnsinn. Wie zum Beispiel damals, als ich in jenen obskuren Winkel der Türkei fuhr, um die Stätte des alten Troja aufzusuchen. Und aus irgendeinem Grund wollte ich besonders den Fluss dort sehen, über den ich auch etwas gelesen hatte und der an der Zitadelle vorbei zum Meer fließt. Ich habe den Namen des Flusses, der in Wirklichkeit ein schlammiger Bach war, vergessen. Und außerdem meine ich nicht zum Meer, sondern in die Dardanellen, die einst der Hellespont genannt wurden. Der Name Troja ist natürlich auch geändert worden. In Hisarlik ist er geändert worden. Mein Besuch war in vielerlei Hinsicht eine Enttäuschung, die Stätte erstaunlich klein. Praktisch nicht viel mehr als ein gewöhnlicher Häuserblock und ein paar Stockwerke hoch. Dennoch konnte man von den Ruinen aus den Berg Ida sehen, über all diese Entfernung hinweg. Sogar im späten Frühling war noch Schnee auf dem Berg. Jemand ging dorthin, um zu sterben, glaube ich, in einer der alten Geschichten. Paris vielleicht. Ich meine natürlich den Paris, der Helenas Geliebter gewesen war. Und der verwundet wurde fast am Ende dieses Krieges. In der Tat war es Helena, an die ich hauptsächlich dachte, als ich in Troja gewesen bin. Ich wollte gerade hinzufügen, dass ich eine Zeit lang sogar träumte, die griechischen Schiffe lägen dort noch am Strand. Nun, es wäre ja harmlos genug gewesen, das zu träumen. Von Hisarlik ist das Wasser vielleicht eine Stunde Fußmarsch entfernt. Was ich als Nächstes geplant hatte, war, ein gewöhnliches Ruderboot zu nehmen, damit überzusetzen und dann weiter über Jugoslawien nach Europa zu fahren. Möglicherweise meine ich Jugoslawien. Auf jeden Fall gibt es auf dieser Seite der Meerenge Denkmäler für die Soldaten, die dort im Ersten Weltkrieg gestorben sind. Auf der Seite, auf der Troja liegt, kann man ein Denkmal finden, wo Achilles begraben wurde, was so viel länger her ist. Nun, man sagt halt, dass es dort sei, wo Achilles begraben wurde. Dennoch finde ich es außergewöhnlich, dass junge Männer dort starben, in einem längst vergangenen Krieg, und dann am selben Ort gestorben sind, dreitausend Jahre danach. Aber wie dem auch sei, ich änderte meinen Plan, den Hellespont überqueren zu wollen. Womit ich die Dardanellen meine. So suchte ich mir ein Motorboot aus und nahm stattdessen den Weg über die griechischen Inseln und Athen. Obwohl ich nur eine aus dem Atlas herausgerissene Seite hatte statt einer Seekarte, kostete es mich nur zwei gemächliche Tage, um nach Griechenland zu kommen. Vieles über diesen alten Krieg war zweifellos stark übertrieben. Dennoch, bestimmte Dinge können eine Saite anrühren. Wie zum Beispiel ein oder zwei Tage danach den Parthenon zu sehen, in der späten Nachmittagssonne. Es war in diesem Winter, in dem ich im Louvre lebte, glaube ich. Da verbrannte ich Artefakte und Bilderrahmen, der Wärme wegen, in einem schlecht belüfteten Raum. Aber dann, bei den ersten Anzeichen von Tauwetter, wechselte ich die Fahrzeuge, sobald mir das Benzin auszugehen begann, und begab mich auf den Heimweg quer durch Russland. All das ist unbestreitbar wahr, wenn auch, wie gesagt, lange her. Und ich mag, wie auch schon gesagt, wohl wahnsinnig gewesen sein. Aber dann wiederum bin ich mir überhaupt nicht sicher, wahnsinnig gewesen zu sein, als ich davor nach Mexiko gefahren bin. Möglicherweise davor. Um das Grab eines Kindes namens Adam, das ich verloren hatte, zu besuchen. Noch lange vor all diesem. Warum habe ich geschrieben, sein Name war Adam? Simon war der Name meines kleinen Sohnes. Aus der Zeit gefallen. Bedeutet das, man kann auch nur für einen Augenblick den Namen seines einzigen Kindes vergessen, das jetzt dreißig wäre? Ich bezweifle dreißig. Ungefähr sechsundzwanzig oder siebenundzwanzig. Bin ich fünfzig, also? Es gibt nur einen Spiegel. Hier, in diesem Haus am Strand. Vielleicht sagt der Spiegel fünfzig. Meine Hände sagen das. Es zeigt sich jetzt an meinen Handrücken. Andererseits menstruiere ich noch immer. Unregelmäßig, so dass es oft für Wochen so vor sich hingeht, aber dann wieder nicht eintritt, bis ich es fast vergessen habe. Vielleicht bin ich nicht älter als siebenundvierzig oder achtundvierzig. Ich bin sicher, dass ich einmal versucht habe, behelfsmäßig Buch zu führen, möglicherweise über die Monate, aber sicherlich wenigstens über die Jahreszeiten. Aber ich erinnere mich sogar nicht einmal mehr, wann es war, dass ich einsah, dass ich schon längst den Faden verloren hatte. Dennoch glaube ich, ich war kurz davor, vierzig zu werden, damals, als all dies angefangen hat. Wie ich jene Botschaften hinterließ, war mit weißer Farbe. In riesigen Blockbuchstaben, auf Kreuzungen, wo jeder, der kam oder ging, sie sehen würde. Ich verbrannte auch Artefakte und bestimmte andere Gegenstände, als ich im Metropolitan Museum war. Natürlich. Nun, und hatte dort ständig ein Feuer, im Winter. Dieses Feuer war anders als das Feuer, das ich im Louvre hatte. Wo ich das Feuer im Metropolitan machte, war in der großen Halle, da, wo man hinein- und hinausgeht. In der Tat baute ich darüber auch einen hohen Kamin aus Blech. So dass der Rauch zu den Oberlichten hoch darüber abziehen konnte. Was ich tun musste, war, Löcher in die Oberlichte schießen, nachdem ich den Kamin errichtet hatte. Das tat ich mit einer Pistole, recht vorsichtig, in einem Winkel von einem der Balkone, so dass der Rauch hinaus-, aber der Regen nicht hineinkommen würde. Regen kam herein. Nicht viel Regen, aber etwas. Nun, schließlich kam er auch durch andere Fenster, als jene von selbst zerbrachen. Oder durch das Wetter. Fenster zerbrechen noch immer. Mehrere sind hier zerbrochen, in diesem Haus. Gegenwärtig ist es Sommer, freilich. Auch macht der Regen mir nichts aus. Von oben kann man das Meer sehen. Hier unten sind Dünen, die einem den Blick versperren. In Wirklichkeit ist das mein zweites Haus am selben Strand. Das erste habe ich niedergebrannt. Ich bin immer noch nicht sicher, wie das passiert ist, obwohl, vielleicht hatte ich gekocht. Für einen Augenblick bin ich zu den Dünen gegangen, um zu urinieren, und als ich zurückschaute, stand alles in Flammen. Diese Strandhäuser sind alle aus Holz, selbstverständlich. Alles, was ich tun konnte, war, bei den Dünen zu sitzen und es brennen sehen. Es brannte die ganze Nacht. Ich bemerke noch immer das verbrannte Haus, in der Früh, wenn ich am Strand entlanggehe. Nun, offensichtlich bemerke ich nicht das Haus. Was ich bemerke, sind die Überreste des Hauses. Man ist allerdings noch immer geneigt, an ein Haus als ein Haus zu denken, selbst wenn nicht besonders viel davon übriggeblieben ist. Dieses hat sich ziemlich gut gehalten, wenn ich es recht bedenke. Der nächste Schnee wird mein dritter hier sein, glaube ich. Wahrscheinlich sollte ich eine Liste aufstellen, wo ich sonst noch gewesen bin, wenn auch nur zu meiner eigenen Erbauung. Ich meine, angefangen mit meinem alten Loft in Soho, vor dem Metropolitan. Und dann meine Reisen. Obwohl ich zweifellos inzwischen die meisten davon auch nicht mehr zusammenbekomme. Ich erinnere mich, wie ich eines Morgens in einem rechtsgesteuerten Automobil saß und beobachtete, wie Stratfordupon- Avon einschneite, was sicherlich selten sein muss. Nun denn, und wie ich einmal in demselben Winter fast von einem Auto mit niemandem am Steuer angefahren wurde, das einen Hügel nahe Hampstead Heath hinuntergerollt kam. Es gab eine Erklärung dafür, dass das Auto den Hügel herunterkam, mit niemandem am Steuer. Die Erklärung war der Hügel. Offensichtlich. Auch dieses Auto war rechtsgesteuert. Obwohl das vielleicht nicht besonders wichtig ist für irgendetwas. Und in jedem Fall habe ich vielleicht einen Fehler gemacht, vorher, als ich sagte, ich hätte eine Botschaft auf der Straße hinterlassen, die lautete, jemand lebt in der National Gallery. Wo ich in London gelebt habe, war die Tate Gallery, wo so viele Gemälde von Joseph Mallord William Turner sind. Ich bin recht sicher, dass ich in der Tate gelebt habe. Dafür gibt es ebenfalls eine Erklärung. Die Erklärung ist, dass man von dort aus den Fluss sehen kann. Beim Alleinleben neigt man dazu, den Blick aufs Wasser zu bevorzugen. Ich habe immer auch Turner bewundert, allerdings. Tatsächlich könnten seine eigenen Wasserbilder wohl ihren Teil zu meiner Entscheidung beigetragen haben. Einmal hat Turner sich selbst für mehrere Stunden an einem Schiffsmast festgebunden, während eines wütenden Sturms, so dass er später den Sturm malen konnte. Offensichtlich war es nicht der Sturm selbst, den Turner zu malen beabsichtigte. Was er zu malen beabsichtigte, war eine Darstellung des Sturms. Die Sprache ist in dieser Hinsicht häufig ungenau, habe ich festgestellt. In Wirklichkeit erinnert mich die Geschichte des an den Mast gebundenen Turner an etwas, selbst wenn ich mich nicht daran erinnere, woran es mich erinnert. Es scheint, dass ich mich auch nicht erinnere, welche Art Feuer ich in der Tate hatte. Im Rijksmuseum, in Amsterdam, nahm ich Rembrandts Nachtwache aus seinem Rahmen, als ich mich dort warm hielt. Übrigens. Ich bin recht sicher, dass ich beabsichtigte, um diese Zeit herum auch nach Madrid zu gehen, weil dort ein Gemälde im Prado ist, Rogier van der Weydens Kreuzabnahme, das ich wiedersehen wollte. Aber aus irgendeinem Grund stieg ich in Bordeaux in ein Auto um, das zurück in die andere Richtung wies. Dann wiederum hatte ich vielleicht wirklich die spanische Grenze überquert und war bis nach Pamplona gefahren. Nun, oft habe ich unvorhergesehene Dinge getan in jenen Tagen, wie ich schon gesagt habe. Einmal habe ich, oben auf der Spanischen Treppe in Rom, nur deshalb, weil ich an einen Volkswagenbus voll davon geraten war, aberhunderte von Tennisbällen einen nach dem anderen hinunterspringen lassen, auf jede mögliche Weise. Wobei ich beobachtete, wie sie auf winzige Unregelmäßigkeiten oder ausgetretene Stellen im Stein stießen und die Richtung wechselten, oder schätzte, wie weit jeder von ihnen über die Piazza unten kommen würde. Mehrere sprangen schräg hinüber und trafen das Haus, wo John Keats gestorben ist. Es gibt eine Gedenktafel am Haus, die feststellt, dass dort John Keats gestorben ist. Die Gedenktafel ist auf Italienisch. Giovanni Keats nennt sie ihn. Der Name des Flusses bei Hisarlik ist Skamander, erinnere ich jetzt. Bei Homer, in der Ilias, wird er als ein mächtiger Fluss bezeichnet. Nun, vielleicht war er das, früher einmal. Viele Dinge können sich ändern, in dreitausend Jahren. Aber dennoch, als ich eines Abends auf den ausgegrabenen Mauern oberhalb vom Fluss saß und zur Meerenge hinüberschaute, war ich fast sicher, man könne noch immer die entlang der Küste angezündeten griechischen Wachtfeuer sehen. Nun, wie ich gesagt habe, vielleicht habe ich mich das nicht wirklich denken lassen. Dennoch, bestimmte Dinge sind harmlos genug zu denken. Am nächsten Morgen, als die Morgenröte erschien, war ich recht zufrieden, sie mir als rosenfingrige Morgenröte vorzustellen, beispielsweise. Selbst wenn der Himmel trübe gewesen ist. Inzwischen habe ich mir gerade Zeit genommen, meine Eingeweide zu entleeren. Ich gehe dafür nicht zu den Dünen, sondern zum Ozean selbst hinunter, wo die Flut einläuft. Als ich ging, machte ich zuerst halt im Wald neben dem Haus, um einige Blätter mitzunehmen. Und nachher ging ich Wasser holen von meiner Quelle, die sich vielleicht ein paar hundert Schritte den Pfad entlang in der anderen Richtung wie der Strand befindet. Ich habe auch einen Bach. Selbst wenn er kaum die Themse ist. In die Tate habe ich mein Wasser vom Fluss gebracht, allerdings. Man kann so etwas jetzt seit längerem tun. Nun, man konnte aus dem Arno trinken, in Florenz, schon damals, als ich in den Uffizien lebte. Oder aus der Seine, als ich einen Krug vom Louvre den Kai hinuntertrug. Am Anfang trank ich ausschließlich Wasser in Flaschen. Natürlich. Am Anfang hatte ich auch eine Ausrüstung. Wie Generatoren, zum Betreiben elektrischer Heizgeräte. Wasser und Wärme waren das Wesentliche. Selbstverständlich. Ich erinnere mich nicht, was zuerst kam, die Geschicklichkeit im Umgang mit Feuer, und damit das Aufgeben solcher Gerätschaften, oder die Entdeckung, dass man jedes Wasser, das man wünschte, wieder trinken konnte. Vielleicht war, was zuerst kam, die Geschicklichkeit im Umgang mit Feuer. Selbst wenn ich zwei Häuser niedergebrannt habe, im Lauf der Jahre. Beim letzten war es, wie ich vermerkt habe, versehentlich. Warum ich das erste niederbrannte, möchte ich nicht zu sehr vertiefen. Ich habe das ganz vorsätzlich getan. Allerdings. Das war in Mexiko, an dem Morgen, nachdem ich das Grab des armen Simon besucht habe. Nun, es war das Haus, in dem wir alle gelebt hatten. Ich glaubte ehrlich, ich hätte vorgehabt, dort zu bleiben, eine Zeit lang. Was ich getan habe, war, in Simons altem Zimmer überall Benzin zu vergießen. Einen Großteil des Vormittags konnte ich noch immer den Rauch höher und höher steigen sehen, in meinem Rückspiegel. Jetzt habe ich zwei riesige Feuerstellen. Hier in diesem Haus am Meer, von dem ich spreche. Und in der Küche einen veralteten Kanonenofen. Ich habe den Ofen allmählich recht lieb gewonnen. Simon war sieben gewesen. Nebenbei bemerkt. Viele verschiedene Beeren wachsen in der Nähe. Und gleich hinter dem Fluss gibt es allerlei Gemüse, auf Feldern, die früher bestellt worden waren, jetzt aber natürlich wild überwachsen sind. Vor dem Fenster, an dem ich sitze, wirbelt die Brise zehntausend Blätter umher. Sonnenlicht bricht durch den Wald in hell gesprenkelten Flecken. Blumen wachsen auch, in üppiger Fülle. Es ist ein Tag für ein bisschen Musik, wirklich, obwohl ich keine Mittel habe, mir welche zu besorgen. Jahrelang, wo immer ich war, brachte ich es im Allgemeinen fertig, eine zu spielen. Aber als ich begonnen habe, die Gerätschaften loszuwerden, musste ich die Musik auch aufgeben. Gepäck bin ich losgeworden, im Wesentlichen. Nun, Dinge. Hin und wieder passiert es einem, dass man eine bestimmte Musik im Kopf hört. Allerdings. Nun, ein Bruchstück von diesem oder jenem, in jedem Fall. Antonio Vivaldi, etwa. Oder Joan Baez, die singt. Es ist nicht lange her, da hörte ich sogar eine Passage aus Les Troyens, von Berlioz. Wenn ich hörte sage, sage ich so nur sozusagen. Selbstverständlich. Dennoch, vielleicht ist doch Gepäck da, selbst wenn ich glaubte, ich hätte Gepäck zurückgelassen.


Jelinek, Elfriede
Elfriede Jelinek wurde am 20.10.1946 in Mürzzuschlag/Steiermark geboren. Sie studiert Komposition am Wiener Konservatorium, ab 1964 Theaterwissenschaft und Kunstgeschichte. Erste Gedichte entstehen, 1968 der Roman »bukolit«. Erste Romanpublikation 1970 mit »wir sind lockvögel, baby!«. Berühmt wird Elfriede Jelinek mit dem 1983 erschienenen Roman »Die Klavierspielerin«, dessen Verfilmung mit Isabelle Huppert in Cannes preisgekrönt wird. Daneben tritt sie als politisch engagierte Theatermacherin an die Öffentlichkeit. Seit der Uraufführung ihres Theaterstücks »Burgtheater« (1985) wird Elfriede Jelinek in Österreich als Nestbeschmutzerin diffamiert, »Das Lebewohl« (Berlin Verlag 2000) ist eine kritische Auseinandersetzung mit der Haider-Partei. 1990 entsteht in Zusammenarbeit mit Werner Schroeter das Filmdrehbuch zu »Malina«, nach dem Roman von Ingeborg Bachmann. »Die Kinder der Toten«, das Opus magnum der Autorin, erscheint 1995. Einar Schleefs Inszenierung von »Ein Sportstück« feiert 1998 am Burgtheater Triumphe. 2004 wird Elfriede Jelinek mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet. Sie lebt in Wien und München.

Tax, Sissi
Sissi Tax, geboren 1954 in Köflach, verfasst literarische Texte, darunter die Bücher "manchmal immer" (1995), "je nachdem" (2001) und "und so fort" (2007). Sie ist zudem Autorin einer Biografie Marieluise Fleißers und hat gemeinsam mit Oskar Pastior Gertrude Steins "Ein Buch mit da hat der Topf ein Loch am Ende eine Liebesgeschichte" übersetzt. Sissi Tax lebt in Berlin.

Wallace, David Foster
David Foster Wallace, geboren 1962 in Ithaca/New York, gilt als postmoderner Kultautor und Chronist des amerikanischen Way of life. Seine Romane, Essays und Storys »gehören zum intellektuell und künstlerisch Verwegensten, was die moderne amerikanische Literatur in den vergangenen Jahren hervorgebracht hat« (Der Spiegel). Im September 2008 nahm sich David Foster Wallace in seinem Haus in Kalifornien das Leben. Unter anderem liegen vor: »In alter Vertrautheit«, »Schrecklich amüsant ? aber in Zukunft ohne mich«, »Der Besen im System«, »Kurze Interviews mit fiesen Männern« und »Am Beispiel des Hummers«. Zuletzterschienen in deutscher Sprache »Die Entdeckung des Unendlichen«und »Infinite Jest«.

Markson, David
David Markson wurde 1927 in Albany, New York, geboren und studierte an der Columbia University Literatur. Protegiert von Malcolm Lowry gehörte er seit den frühen 1950ern zur New Yorker Schriftstellerszene. Sein 1988 erschienenes Hauptwerk »Wittgensteins Mätresse« gilt heute als Meilenstein der amerikanischen Postmoderne. David Markson verstarb 2010 in New York City.



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