Marschall | Tage voller Weihnachtszauber | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 367 Seiten

Marschall Tage voller Weihnachtszauber

Roman
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7325-9498-6
Verlag: Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Roman

E-Book, Deutsch, 367 Seiten

ISBN: 978-3-7325-9498-6
Verlag: Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Lena lebt im Kinderheim. Wie jedes Jahr wünscht sie sich zu Weihnachten nur eines: eine Mama. Doch nicht irgendeine, sondern ihre eigene. Die aber kennen weder Heimleiterin Henriette Jonas noch Erzieher Lukas. Doch in diesem Jahr wird alles anders, als ein schräger Aushilfsweihnachtsmann nicht nur das Waisenhaus durcheinanderbringt, sondern auch Henriette den Kopf verdreht, Lukas ein Date verschafft und Lena ein Versprechen macht. Die Zeit drängt, denn bis zum Fest sind es nur noch wenige Tage...



Anja Marschall, geb. 1962 in Hamburg, arbeitete als Erzieherin, Pressereferentin, Journalistin, EU-Projektleiterin, Apfelpflückerin in Israel, Zimmermädchen in einem Londoner Luxushotel und Kioskverkäuferin an den Hamburger Landungsbrücken. Sie veröffentlichte mehrere Spannungsromane. Tage voller Weihnachtszauber ist ihr erster Roman ohne Leiche. Anja Marschall lebt mit ihrer Familie in Schleswig-Holstein.
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Kapitel 1


Vor drei Jahren

Es war ein Heiligabend, wie man ihn sich nur erträumen konnte. Den ganzen Tag über hatte es geschneit. Die Stadt kuschelte sich unter ihre weiße Schneedecke in der Gewissheit, dass es ein gutes Jahr gewesen war. In den Fenstern der Häuser sah man all die hell erleuchteten Tannenbäume. Die Familien saßen bei Gänsebraten und Rotkohl am Tisch und plauderten. Kinder probierten ihre neuen Spielsachen aus, und so mancher schaute mit einem Glas Rotwein in der Hand die schönen alten Filme im Fernsehen an. Kirchenglocken läuteten zum Gottesdienst, während über der Stadt die sanfte Ruhe des Weihnachtsfestes lag.

Ein Taxi rollte durch die leeren Straßen. Die festgefahrene Schneedecke unter den Reifen schluckte seinen Lärm. Nur das leise Surren des Motors war zu hören. Der Wagen spiegelte sich in den weihnachtlich geschmückten Schaufenstern des Kaufhauses Kohlstedt, als er vorbeifuhr.

Lukas liebte diese Ruhe in der Stadt. Es schien ihm, als gehörte all das nur ihm. Die sonst so hektische Stadt war in einen zauberhaften Märchenschlaf gefallen. Nur wenige Menschen gingen durch die Nacht. Man grüßte einander und war guter Dinge. All seine Fahrgäste waren bisher bestens gelaunt gewesen, gaben ein ordentliches Trinkgeld und verabschiedeten sich mit einem freundlichen »Schönes Fest noch!«. Eine alte Dame hatte sogar ein russisches Weihnachtslied aus ihrer Heimat für ihn gesungen.

Warum nur konnte nicht jeden Tag Heiligabend sein?

Jetzt, kurz vor Mitternacht, war es besonders ruhig. Seit fast einer Stunde hatte er keine neuen Fahrten von Sylli aus der Zentrale bekommen. Niemand winkte seinem Taxi vom verschneiten Straßenrand aus entgegen, um ihn anzuhalten. Lukas lächelte. Er überlegte, ob er zum Hauptbahnhof fahren solle. Der Zug aus Bern würde zwar erst in einer Stunde ankommen, aber bis dahin könnte er ja noch ein wenig mit den Kollegen plaudern, die mit ihm auf dem Vorplatz warteten.

Da vibrierte sein Handy, das er auf die Zwischenkonsole gelegt hatte. Erst meinte er, es könnte Amid sein, für den er die Schicht übernommen hatte, weil dessen Frau heute Nacht ihr erstes Kind bekommen sollte. Völlig außer sich und am Ende seiner Nerven war Amid am frühen Nachmittag zu ihr ins Krankenhaus gefahren. Die Wehen hatten eingesetzt.

Ohne den Blick von der Straße zu nehmen, drückte Lukas den Knopf für die Freisprechanlage. Es war seine Mutter. »Dein Vater ist sehr enttäuscht, Junge«, sagte sie voll Vorwurf, ohne sich die Mühe einer Begrüßung zu machen. »Warum bist du nicht gekommen? Die ganze Familie hat auf dich gewartet. Wirklich, Lukas, wir hatten …«

»… mehr von dir erwartet, ich weiß«, fiel er ihr ins Wort. »Ich habe euch doch gesagt, dass ich arbeiten muss. Es tut mir leid, aber es ging nicht anders.« Aus dem Lautsprecher über seinem Kopf kam ihr leidendes Seufzen.

»Niemand hat dich je gezwungen, so eine Arbeit zu machen, Junge. Dein Vater hat dir mehr als einmal …«

Lukas legte auf. Für alles Geld der Welt würde er nicht das Weihnachtsfest mit seinen Eltern verbringen, und schon gar nicht würde er seinem Vater erlauben, ihm eine Anstellung in seiner Klinik zu besorgen, die ihn auf ewig in genau jene Abhängigkeit und scheinheilige Dankbarkeit katapultieren würde, aus der er gerade erst geflohen war.

Lukas drehte das Radio an. Der Sprecher meinte, es würde noch weiter schneien, und mit Temperaturen über minus drei Grad bräuchte man in dieser Nacht nicht zu rechnen.

Lukas schaute auf seine Armbanduhr. Noch hatte er von der Zentrale nicht gehört, ob Amid schon Vater war. Das Kleine musste sich beeilen, wenn es ein Christkind werden wollte, denn in einer Viertelstunde würde es Mitternacht sein.

Lukas setzte den Blinker und bog auf die alte Kaiserbrücke ab, die über den Fluss in die Innenstadt führte. Der Schneefall hatte wieder eingesetzt. Flocken tanzten durch den Schein der Straßenlaternen gen Boden. Zufrieden stellte Lukas fest, dass er trotz des Anrufs seiner Mutter noch immer in wundersamer Weihnachtsstimmung war. Er konnte nicht anders, als glücklich zu sein.

Sein Wagen hatte die Mitte der Brücke fast erreicht, als er jemanden auf dem Boden vor dem Brückengeländer sitzen sah. Es ist doch viel zu kalt, schoss es ihm durch den Kopf, und er drosselte die Geschwindigkeit. Tatsächlich, da saß jemand. Er bremste und fuhr den elektrischen Fensterheber herunter.

»Hallo! Alles in Ordnung bei Ihnen?« Der Geruch von Kaminholz zog mit der frischen Schneeluft in seinen Wagen. Lukas überlegte, ob es vielleicht ein Obdachloser sein könnte, der es sich hier bequem gemacht hatte, doch das schien ihm unwahrscheinlich. Wer konnte, hatte sich in dieser Kälte ein warmes Plätzchen gesucht. Lukas kniff die Augen ein wenig zusammen, um die Person in dem blauen Mantel besser erkennen zu können, doch ein Brückenpfeiler versperrte ihm die Sicht. Hin und her gerissen, ob er nicht einfach weiterfahren sollte, fuhr er das Fenster wieder hoch. Kurz zögerte er, dann schaltete er die Warnblinkanlage ein.

Kopfschüttelnd verließ er das Taxi und kletterte über die Leitplanke, die die Fahrbahn vom Fußweg trennte. Sofort erkannte er eine junge Frau, die auf dem Boden saß, sich an das Brückengeländer lehnte und in den Himmel über sich starrte, aus dem immer mehr Flocken fielen.

Vorsichtig ging Lukas zu ihr. »Hallo? Alles okay?«

Schneeflocken hatten sich in ihren dunklen Haaren verirrt, die in üppigen Locken über ihre Schultern fielen.

»Haben Sie sich verletzt?«

Die Fremde trug Pumps, was Lukas bei diesem Wetter für ungewöhnlich hielt, denn es war nicht nur kalt, sondern auch rutschig auf dem Gehweg. Unter ihrem Wollmantel lugte der Stoff eines glitzernden Abendkleides hervor.

Der Schein einer nahen Straßenlaterne tauchte das zum Himmel gerichtete Gesicht der jungen Frau in ein weiches Licht. Als er zu ihr trat, musste er unwillkürlich an einen Engel denken. »Brauchen Sie Hilfe?«

Erst jetzt schien sie ihn zu bemerken. »So viel schöner Schnee. Und bald schon ist er fort. Einfach weg, so wie wir alle«, sagte sie langsam, als müsse sie sich konzentrieren.

Lukas begriff, wo ihr Problem lag. »Na, Sie haben wohl zu tief in den Punschtopf geguckt, was?«, bemerkte er erleichtert und sah sich um, ob außer ihnen noch jemand auf der Brücke war, vielleicht ihre Freunde oder ein Begleiter. Doch da war niemand. Sie waren allein.

»Sie können hier nicht sitzenbleiben. Es ist viel zu kalt. Kommen Sie, ich helfe Ihnen auf.« Umständlich kam sie auf die Füße. Er reichte ihr die Handtasche, die im Schnee lag. »Wohnen Sie in der Nähe?« Doch statt zu antworten, drehte sie sich um und beugte sich weit über das Geländer. »So schön!«

»Halt!«, rief Lukas, griff nach ihrem Arm und zog sie zurück, »das ist der falsche Weg.«

Sie sah ihn überrascht an. »Ja?«

»Ja.«

Sie schüttelte ihren Kopf, und die Schneeflocken in ihren Haaren flogen davon. »Nein, ich muss da lang.« Sie zeigte zum schwarzen Wasser hinunter, das unter ihnen träge dahinfloss. Schon wollte sie wieder zum Geländer zurück.

»Halt.« Sanft schob er sie zum Wagen. Er wusste, dass es ein Fehler war, sie mitzunehmen. Wenn ihr bei der Fahrt übel wurde, musste er die Sauerei in Amids Auto dann für den Rest der Nacht wegmachen. Vielleicht sollte er besser die Polizei rufen.

Plötzlich drehte sie sich aus seinem Griff und stolperte zurück zum Geländer. »Das Wasser ist so schön, so tief!«, rief sie und versuchte, über die Brüstung zu klettern. Mit einem Satz war er bei ihr und zog sie zu sich.

Etwas sagte ihm, dass er genau zur rechten Zeit aufgetaucht war.

»Wo wohnen Sie denn?«, wollte er wissen, während er sie auf die Rückbank des Taxis bugsierte. Sie antwortete nicht, sondern legte ihre Hände unter den Kopf, zog die Beine auf die Bank und schlief ein. Seufzend griff Lukas nach ihrer Handtasche. Kurz zögerte er, aber es ging nicht anders. Er suchte ihren Ausweis oder etwas, das ihm sagte, wo er sie hinbringen könnte.

Den Kollegen gegenüber würde er nicht erwähnen, was er hier für eine Dummheit beging. Kein Fahrer war so bescheuert, jemanden in diesem Zustand mitzunehmen.

Sie hieß Clara Hansen, war Anfang zwanzig und wohnte in der Brennerstraße 17. Das war keine vier Kilometer von hier.

Als er das Taxi bald darauf vor der Hausnummer 17 stoppte, war Lukas erleichtert. Er musste nicht für den Rest der Nacht putzen. Leider aber zerschlug sich auch seine Hoffnung, jemand würde ihm die junge Frau in seinem Wagen abnehmen. Niemand reagierte auf sein Klingeln. Er überlegte, dass sie wahrscheinlich allein lebte. Bei den Nachbarn um diese Zeit klingeln erschien ihm sinnlos. In ihrer Handtasche hatte er einen Hausschlüssel gefunden. Vielleicht sollte er sie einfach in ihre Wohnung bringen, den Schlüssel irgendwo ablegen und dann wieder gehen. Seufzend öffnete er die hintere Tür des Wagens. »Frau Hansen, wir sind da. Sie können jetzt aussteigen.« Ihr Haar hatte das ebenmäßige Gesicht halb verdeckt, und Lukas musste unwillkürlich an die Sixtinische Madonna von Raffael denken. Nur dass diese Schönheit nicht in einem Museum an der Wand hing, sondern in seinem Taxi lag und schlief. Vorsichtig rüttelte er an ihrem Arm. Sie rührte sich nicht. Obwohl er sie atmen sah, stieg plötzlich eine merkwürdige Unruhe in ihm auf. »Frau Hansen? Hören Sie mich?«

Er tätschelte ihre Wange. Sie fühlte sich eigentümlich kalt an. Wahrscheinlich, überlegte er, hatte sie schon länger auf der Brücke gesessen. Dennoch schien sie...


Anja Marschall, geb. 1962 in Hamburg, arbeitete als Erzieherin, Pressereferentin, Journalistin, EU-Projektleiterin, Apfelpflückerin in Israel, Zimmermädchen in einem Londoner Luxushotel und Kioskverkäuferin an den Hamburger Landungsbrücken. Sie veröffentlichte mehrere Spannungsromane. Tage voller Weihnachtszauber ist ihr erster Roman ohne Leiche. Anja Marschall lebt mit ihrer Familie in Schleswig-Holstein.



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