Marschall | Tod am Nord-Ostseekanal | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 272 Seiten

Reihe: Historischer Kriminalroman

Marschall Tod am Nord-Ostseekanal


1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-96041-122-2
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

E-Book, Deutsch, 272 Seiten

Reihe: Historischer Kriminalroman

ISBN: 978-3-96041-122-2
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Brunsbüttel 1894: Als sich ein tödlicher Unfall auf der Baustelle des Nord-Ostsee-Kanals ereignet, wird Kriminalinspektor Hauke Sötje an die Elbe geschickt, um den Vorfall zu untersuchen. War es ein Unfall oder gar Sabotage am prestigeträchtigsten Bauprojekt der Welt, das schon bald von Kaiser Wilhelm II. höchstpersönlich eröffnet werden soll? Ein Attentäter und die hübsche Tochter des Unternehmers Jennings verwickeln Sötje in einen Fall, der nicht nur das Leben Wilhelms II., sondern das gesamte junge Kaiserreich bedroht.

Die gebürtige Hamburgerin Anja Marschall lebt mit ihrer Familie im Westen Schleswig-Holsteins, wo sie als Journalistin und Autorin arbeitet. Sie veröffentlicht seit vielen Jahren Romane und Krimis. Im Emons Verlag erscheint ihre erfolgreiche historische Krimireihe (Ende 19. Jh.) um ihren Kommissar Hauke Sötje, der vornehmlich in Hamburg und Schleswig-Holstein ermittelt. Marschall initiierte den ersten Krimipreis für Schleswig-Holstein und ist Herausgeberin mehrerer Anthologien.
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ALTONA. ES FAND AM FREITAG IM »ENGLISCHEN GARTEN« ZU ALTONA EINE VON DER SOZIALDEMOKRATISCHEN PARTEI BERUFENE WAFFEN-PROTESTVERSAMMLUNG STATT. UNGEFÄHR 8000 PERSONEN FÜLLTEN DIE SÄLE UND KORRIDORE DES LOKALS IN GERADEZU BEÄNGSTIGENDER WEISE.

Originalauszug: Kieler Zeitung 1894

Kiel, 1894: Seit den Morgenstunden sank grauer Nieselregen auf den Marktplatz herab. Mit schwarzen Schirmen über den Köpfen eilten die Leute an dem Mann vorbei, der unauffällig neben der Litfaßsäule nahe dem Rathaus stand und den Platz beobachtete.

Die kalten Hände tief in den Hosentaschen vergraben, blickte Kriminalhilfssergeant Hauke Sötje hinüber zur Rüdelschen Hofapotheke. Dort fegte ein Gehilfe grimmig den Gehweg. Neben der Apotheke lag Schmielaus Haushaltswarenladen, aus dem in diesem Moment eine dicke Matrone mit ihrer jungen Dienstmagd trat. Das Mädchen verschwand nahezu hinter den in Packpapier gewickelten Schachteln und Kästen. Sie stiegen in eine wartende Kutsche, die kurz darauf über das Kopfsteinpflaster rumpelte.

Hauke bemerkte eine Gruppe Offiziere der kaiserlichen Marine in ihren schwarzen Uniformen, die soeben aus der Weinstube Jordan herauskam. Offenbar in bester Stimmung, schauten die Herren zum grauen Himmel hinauf. Leicht schwankend stellten sie sich mitten auf den Gehsteig und überlegten lautstark, wo sie denn als Nächstes einkehren könnten. Sie scherten sich nicht um die Leute, die ihretwegen auf dem Weg ausweichen mussten. Ein älterer Herr mit Zylinder und Gehstock warf ihnen im Vorbeigehen einen verärgerten Blick zu.

Kiel war einer der beiden kaiserlichen Reichskriegshäfen. Wer der Marine diente, hatte gewisse Privilegien, die anderen vorenthalten blieben. Schlechtes Benehmen schien dazuzugehören.

Ein Pferdeomnibus rollte aus der Flämischen Straße heraus. Er hielt am fünfarmigen Kandelaber vor dem Rathaus. Drei Frauen und ein Mann entstiegen dem Gefährt. Eine Mutter mit Kind auf dem Arm wiederum stieg ein. Der Omnibuskutscher kassierte von ihr das Fahrgeld. Dann griff er zu der kleinen Glocke, die daraufhin zu bimmeln begann. Nun setzte sich der Klepper gemächlich in Bewegung, hin zur nächsten Haltestelle.

Hauke schlug den Kragen seines Mantels hoch. Sein Magen knurrte. Er hatte seit den frühen Morgenstunden nichts mehr gegessen. Und nun war es Nachmittag. Doch der Befehl war eindeutig: Er durfte seinen Posten nicht unerlaubt verlassen, sondern hatte die Observierung des Marktes aufrechtzuerhalten, bis er abgelöst wurde oder man ihn ins Kommissariat am Martensdamm zurückbefehligte. Und so folgte Haukes Aufmerksamkeit den Offizieren, die sich lachend zum Hafen aufmachten.

Da trat ein kleiner Mann mit Melone und langem schwarzen Wollmantel aus dem Rathaus. Fast wäre er mit den Offizieren zusammengestoßen, geschickt wich er aus. Mit gesenktem Kopf eilte er weiter. Hauke erkannte Sergeant Haberstern. Sofort hoffte er, dass dieser nun den Posten auf dem Marktplatz übernehmen würde. Aber Haberstern lief an Hauke vorbei, Richtung Exerzierplatz. Dort musste er wahrscheinlich einen der anderen Sergeanten ablösen, die Kommissar Bahnsen heute Morgen überall in der Stadt verteilt hatte.

Anders als die anderen Anwärter der neuen Kriminalpolizei trug der ehemalige Kapitän Hauke Sötje seine alten Seemannskleider, bestehend aus Cordhose, gewachster Jacke und Mütze. Haberstern und die anderen hingegen hatten sich mit ihrer Anstellung als Kriminalhilfssergeanten sogleich einen dunklen Mantel mitsamt Melone zugelegt. Hauke wusste, dass viele Männer der neuen Kriminalpolizei zuvor einfache Wachtmeister in Uniform gewesen waren oder ehemalige Soldaten. Und Hauke vermutete, dass sie nur ungern ihre Uniform ausgezogen hatten. Was lag da näher, als das Alte gegen etwas Neues zu tauschen? Das aber machte die Männer von der Kriminalpolizei dem Gesindel gegenüber ebenso schnell erkennbar, als trügen sie Helm und Portepee. Doch wer war er, dass er über die anderen Sergeanten so dachte, schließlich trug auch er noch die alte Kluft des Seemannes. Selbst, wenn er keiner mehr war.

Dennoch fand Hauke, dass seine Kleidung in einer Hafenstadt wie Kiel weit besser geeignet war, in gewissen Kreisen Vertrauen aufzubauen, als dunkle Wollmäntel und Melonen es konnten. Sein Vorgesetzter war anderer Meinung. Haukes Weigerung, sich der Kleiderordnung des Ersten Kriminalkommissars zu unterwerfen, hatte Hauke ein Wochensalär, die Streichung des Kleidergeldes und die Androhung der Entlassung aus dem vorläufigen Polizeidienst gekostet. Genutzt hatte es wenig. Hauke trug auch weiterhin seine Seemannsjacke und die derbe Cordhose sowie die Wollmütze.

Überall im Kaiserreich baute man seit einiger Zeit spezielle Polizeieinheiten auf, um den immer dreister werdenden Verbrechern besser begegnen zu können. Die neue Zeit hatte nicht nur das Leben der Menschen verändert, sondern auch die Vorgehensweise von Schmugglern, Mördern und gewaltbereitem Gesindel. Das Verbrechen im Kaiserreich schien zunehmend besser organisiert zu sein als früher, größer und vor allem brutaler. Die einfachen Wachtmeister waren dem nicht mehr gewachsen. Und so bildete man nicht nur in Berlin, sondern auch in Kiel eine neue Gruppe von Männern in Sachen moderner Verbrechensbekämpfung aus. Unerkannt sollten sie sich auf die Suche nach Kriminellen machen.

Seit einiger Zeit merkte Hauke, wie er sich an sein neues Leben als Polizist zu gewöhnen begann. Obwohl ihm klar war, dass er in seinem Inneren immer ein Seemann bleiben würde, wusste er auch, dass er nie mehr ein Schiff befehligen konnte. Nicht nach dem, was damals vor Plymouth geschehen war. Hauke Sötje, der Mörder von dreiundfünfzig braven Männern.

Dass Hauke heute dennoch hier im Regen auf dem Marktplatz von Kiel stand und beobachtete, während sein Magen knurrte, verdankte er nur einem Menschen: Sophie-Louise Struwe.

Ohne es zu wissen, hatte sie ihn im letzten Jahr davon abgehalten, seinem unehrenhaften Leben als Kapitän ein Ende zu setzen. Ein Ende, das ihm damals mehr Würde versprach als ein Leben in Schuld und Schande. Sophie wurde sein letzter Anker zurück ins Leben. Er wollte sie nie wieder gehen lassen. Um sie aber heiraten zu können, wie es sich gehörte, musste er einer ehrbaren Arbeit nachgehen. Sophie fand, dass eine Anstellung als Kriminaler seiner Schweigsamkeit und seinem ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit und Ordnung sehr entspräche. Dabei hatte sie ihn angelächelt. Schon damals schien sie noch vor ihm zu wissen, dass eine Anstellung als Kriminalhilfssergeant eine Aufgabe war, die ihm helfen konnte zu vergessen.

Jedoch war es in diesen Tagen mehr als fraglich, ob Hauke jemals eine feste Anstellung in Kiel erhalten würde. Kriminalhauptkommissar Bahnsen machte keinen Hehl daraus, dass Hauke ihm zu renitent war. »Gehorsam, Gehorsam, nichts als Gehorsam«, verlangte der Mann von seinen Sergeanten. Blinder Gehorsam aber war nicht Haukes Sache.

Er wusste, dass Bahnsen ihn nicht so einfach entlassen würde, denn seit Hauke im Kommissariat war, konnte Bahnsen sich mit Erfolgen brüsten. Da waren der Mord an einem holländischen Seemann und die Schmugglerbande aus Dänemark, die dank Hauke dingfest gemacht werden konnte. Hauke wusste, dass seine Leistungen außer Frage standen, auch wenn sein verschlossenes Wesen ihm wenig Freunde am Martensdamm eingebracht hatte. Sosehr Hauke auch das Meer vermisste, die Suche nach der Wahrheit und das Wiederherstellen einer gerechten Ordnung erschienen Hauke sinnvoll genug, um selbst Bahnsen ertragen zu können.

Langsam glitt sein Blick über den Platz. Nicht zum ersten Mal fragte er sich, ob Bahnsen einen gravierenden Fehler begangen hatte, als er seine Männer in der ganzen Stadt postierte. Bahnsen hatte ihnen erzählt, er habe von einem Informanten erfahren, dass mehrere hundert Werftarbeiter einen aufrührerischen sozialistischen Aufmarsch in der Stadt planten.

Da Hauke aber auf dem Marktplatz nirgends auch nur einen berittenen Polizisten bemerkte, wurde er das Gefühl nicht los, Bahnsen könnte versäumt haben, die eigentlich zuständigen Polizeiorgane zu informieren. Stattdessen hatte Bahnsen wohl beschlossen, den angeblichen Aufmarsch selbst in die Hand zu nehmen. Er hatte seinen Männern den Auftrag erteilt, ermittlungsrelevante Informationen zu sammeln, sollte es zu einer Demonstration kommen.

»Der endgültige Kampf gegen dieses vaterlandslose Gesindel gehört ebenso zu unseren Aufgaben wie das Zerschlagen des Verbrechens in Gänze«, hatte Bahnsen gesagt, bevor er die zwanzig Männer hinausschickte.

Hauke aber hatte eine andere Vermutung. Er glaubte, dass Bahnsen in einen Machtkampf mit dem städtischen Polizeiverwalter Lorey verwickelt war. Der eine gönnte dem anderen nicht die Butter auf dem Brot. Die Kriminalpolizei in der Stadt war erst vor wenigen Jahren eingerichtet worden, und die Frage der Kompetenzen war noch immer nicht zur Genüge geklärt. Und so war damit zu rechnen, dass Bahnsen zufrieden zuschauen würde, wenn Lorey vor den Stadtrat zitiert werden würde, um zu erklären, warum er diese kaiserfeindliche Demonstration nicht verhindert hatte.

Darum also lungerte Hauke Sötje seit Stunden hier herum, auf der Suche nach stadtbekannten Sozialisten oder sonstigen Verdächtigen.

Die Menschen in Kiel gingen an diesem verregneten Tag unterdessen in aller Ruhe ihren Geschäften nach. Man baute Schiffe auf der Howaldtwerft und goss Kanonen bei Winter&Söhne am Ostufer, während nahe Holtenau die Schleusen für einen der größten Kanäle, die Europa je gesehen hatte, errichtet wurden: den Nord-Ostsee-Kanal. Seit Jahren grub man diese Schneise, die Schleswig-Holstein einmal in der Mitte zerteilte. Im nächsten Jahr sollte die feierliche Eröffnung...


Die gebürtige Hamburgerin Anja Marschall lebt mit ihrer Familie im Westen Schleswig-Holsteins, wo sie als Journalistin und Autorin arbeitet. Sie veröffentlicht seit vielen Jahren Romane und Krimis. Im Emons Verlag erscheint ihre erfolgreiche historische Krimireihe (Ende 19. Jh.) um ihren Kommissar Hauke Sötje, der vornehmlich in Hamburg und Schleswig-Holstein ermittelt. Marschall initiierte den ersten Krimipreis für Schleswig-Holstein und ist Herausgeberin mehrerer Anthologien.



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