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E-Book, Deutsch, 381 Seiten

Marx Von Berlin nach Timbuktu

Der Afrikaforscher Heinrich Barth. Biographie

E-Book, Deutsch, 381 Seiten

ISBN: 978-3-8353-4726-7
Verlag: Wallstein
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Ein Reisender ohne kolonialistischen Blick - das Leben eines der großen Entdecker und Forscher des 19. Jahrhunderts.

Heinrich Barth (1821-1865) war der bedeutendste Afrikaforscher des 19. Jahrhunderts. Durch seine ab 1849 unternommene fünfeinhalbjährige Afrikareise, die ihn bis nach
Timbuktu führte, wurde er in ganz Europa berühmt. Seine umfassenden Forschungen zur Geographie, Ethnographie, Geschichte und Linguistik fanden ihren Niederschlag in seinem umfassenden Reisebericht, der bis heute eine der wichtigsten Quellen zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte Westafrikas ist. Als Reisender zeigte Barth ein für Europäer außergewöhnliches Maß an Interesse an den afrikanischen Kulturen. Sein Blick war dabei ungetrübt von imperialistischen und rassistischen Sichtweisen, die sonst so häufig die Entdecker und Eroberer des heraufkommenden Kolonialzeitalters kennzeichneten.
Weniger bekannt sind seine sonstigen Forschungsreisen. So unternahm er zahlreiche Expeditionen in den Mittelmeerraum, dessen geographische Erforschung sein zweites großes Thema war.
Für seine Biographie konnte Christoph Marx auf den kürzlich erschlossenen umfangreichen Briefwechsel zurückgreifen. Anlässlich des 200. Geburtstags Heinrich Barths zeichnet der Autor das umfassende Bild eines Mannes, der bahnbrechend als Geograph, Historiker und Ethnologe wirkte und bis heute ein Vorbild für eine Wissenschaft ohne Vorurteile ist.
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Herkunft, Jugend und Studium
1821-1845
Die Geschichte eines Welterkunders beginnt in der Stadt, die im Zeitalter der Segelschiffe das Tor zur Welt war: Hamburg, die größte Hafenstadt im deutschsprachigen Raum, eine Stadt der Kaufleute und Seefahrer. Hamburg nutzte die napoleonische Zeit, die Auflösung des Alten Reiches und vieler überkommener Bindungen, um sich zu erneuern. Der alte Dom wurde abgerissen, die Befestigungen geschleift, die Stadt expandierte, auf der Elbchaussee richteten sich die Wohlhabenden in ihren repräsentativen Landhäusern ein. Hamburg wurde ab 1845 mit Gaslaternen beleuchtet, die Reichen benutzten sie auch schon in ihren Häusern. Fernhandel und Handwerk prägten aber weiterhin die Wirtschaft. Durch die napoleonische Besetzung der Stadt hatte Hamburg zwei Drittel seines Schiffsbestands verloren, und zunächst fehlte das Kapital für einen Neuanfang aus eigener Kraft. Darum investierten britische Kaufleute in den Handel und in die Schifffahrt, sie gründeten Firmen oder Dependencen, weshalb die Stadt ökonomisch lange mit England verbunden blieb. Durch die Unabhängigkeit der ehemaligen spanischen Kolonien in Süd- und Mittelamerika erlebte der Handel mit den neuen Staaten, insbesondere mit Brasilien, einen deutlichen Aufschwung, der die bereits blühenden kommerziellen Beziehungen zu den USA ergänzte und erweiterte.[1] 1847 wurde die Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actien Gesellschaft (HAPAG) als Gemeinschaftsunternehmen von 33 Kaufleuten gegründet.[2] Entlang von Handel und Handwerk verlief eine soziale Polarisierung, denn während Kaufleute vom Aufschwung des internationalen Kommerzes profitierten und zu teilweise beträchtlichem Wohlstand kamen, blieb das Handwerk ein auf die Stadt selbst bezogenes Gewerbe. Gleichwohl gab es auch hier einzelne Meister, die, etwa im Bauwesen, reich wurden. Allerdings hatten deren Gesellen kaum etwas vom Aufschwung, sie lebten wegen des knappen Wohnraums in beengten und überteuerten Wohnungen. So vertiefte sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts die Klassenspaltung erheblich, da Pauperismus in Hamburg verbreitet war, die Arbeiter extrem ausgebeutet wurden und nicht am wachsenden Reichtum der nach London zweitgrößten Hafenstadt Europas partizipierten. Die Familie Barth
Der soziale Graben war jedoch nicht gänzlich unüberbrückbar, gelegentlich gelang es Handwerkern, ihn zu überspringen und in die Kaufmannschaft aufzurücken. Meist griffen ihnen wohlhabende Unterstützer unter die Arme, d. h. man brauchte Beziehungen und Kontakte, kurz: Patronage. Ein Beispiel dafür war Johann Christoph Heinrich Barth (1787-1856) aus Willmersdorf in Thüringen.[3] Er kam aus armen, dörflichen Verhältnissen und wurde, als beide Eltern starben, 1801 zu seinem Onkel Johann Heinrich Ludwig Barth nach Hamburg geschickt, um dort das Metzgerhandwerk zu erlernen.[4] Hamburg, um 1800 mit ca. 160.000 Einwohnern eine der größten Städte im deutschsprachigen Raum, bot als Hafenstadt mehr Möglichkeiten, zu Wohlstand zu kommen, als andere Städte. Barth nutzte die Chancen, die ihm die neue Umgebung bot, er blieb für den Rest seines Lebens in der großen, weltoffenen Hafenstadt und arbeitete sich vom Metzger und Fleischhändler zum geachteten Import-Export-Kaufmann hoch, er wurde wohlhabend. Offenbar begann er mit dem Verkauf von Räucherfleisch, ob er sein Geschäft dann weiter diversifizierte, ist leider nicht überliefert. Als sehr begabtem Geschäftsmann gelang es ihm, sich aus der Armut eines Handwerkergesellen hochzuarbeiten. Möglicherweise übertrieb der preußische Gesandte Bunsen etwas, als er ihn dem Foreign Office gegenüber als »einen sehr reichen Mann« bezeichnete,[5] doch muss sein Reichtum nicht unbeträchtlich gewesen sein, denn Christoph Barths Schwiegersohn Gustav Schubert fühlte sich zunächst »inmitten des mich umgebenden Wohlstandes« als »armer Schlucker«.[6] Ihren Kindern vermittelten die Eltern »strenge Moralität, Gewissenhaftigkeit, peinliche Ordnungsliebe, Sinn für Häuslichkeit und Familienleben«.[7] Barth senior profitierte bei seinen Geschäftsbeziehungen von den alten Kontakten der Hansestadt nach Großbritannien. Zwar hatte auch er nach dem großen Brand 1842 finanzielle Engpässe und war auf Mieteinnahmen angewiesen, doch schon drei Jahre später konnte er seinem Sohn Heinrich eine mehrjährige Mittelmeerreise bezahlen, die viel teurer wurde, als ursprünglich veranschlagt. Dem jüngeren Sohn Ludwig finanzierte er ein Landgut und die Geschwister erbten nach dem Tod ihrer Eltern so viel, dass Heinrich Barth einige Jahre davon leben und von seinem eigenen Geld Zuschüsse zu Afrikaexpeditionen geben konnte.   Die Eltern Johann Christoph Heinrich Barth
und Carolina Charlotte Elisabeth, geb. Zadow   Dabei hatte Barth senior es nicht leicht gehabt, denn der Aufstieg war ihm wahrlich nicht in die Wiege gelegt. Noch in späten Jahren zeigen seine Briefe, dass er nur über eine geringe Bildung verfügte. Die Haltung des sozialen Aufsteigers, bei dem sich Ambition und Stolz auf das Erreichte mit dünnhäutiger Reizbarkeit verbanden, wenn seine Leistung nicht anerkannt wurde, prägte auch seinen Sohn Heinrich und lässt manche Reaktion verständlicher werden, die man oft dessen »schroffem« Charakter zuschrieb. Christoph Barth heiratete 1814 in Hamburg Carolina Charlotte Elisabeth Zadow (1789 oder 1791-1862), die Tochter eines Schuhmachers aus Hannover, von der ein Foto erhalten ist, aber die sonst kaum Spuren hinterlassen hat. Der Sohn Heinrich hatte zu seinem Vater zeitlebens ein besonders inniges, von Bewunderung geprägtes Verhältnis, während die Mutter in seinen Briefen zwar erwähnt wird, aber nie mit der gleichen Anteilnahme. Möglicherweise hing dies mit ihrem labilen Gesundheitszustand zusammen, denn sie verbrachte oft viele Wochen im Ferienhaus an der Elbe, während ihr Mann in Hamburg seinen Geschäften nachging.[8] Das Paar wurde mit fünf Kindern gesegnet, wobei zwischen den Geschwistern teilweise große Altersunterschiede lagen. Henriette, die älteste, und Ludwig, den jüngsten, trennte ein Altersabstand von 16 Jahren. Ob in die Jahre zwischen den Geburtstagen der Geschwister noch weitere Geburten fielen, ist nicht bekannt, doch bei der damaligen hohen Kindersterblichkeit ist es auffällig, dass alle fünf bekannten Barth-Geschwister das Erwachsenenalter erreichten. Darum ist nicht auszuschließen, dass es noch früh verstorbene Geschwister gab, die in der Familienkorrespondenz keine Erwähnung fanden. Henriette (8.11.1816-3.4.1888), Heinrich Barths älteste Schwester, war intellektuell interessiert, erhielt aber als Frau nicht die Chance, die höhere Schule zu besuchen und ihre Begabung weiterzuentwickeln, auch wenn Bruder Heinrich zumindest ansatzweise Frauen dieses Recht zubilligte. In seinen Briefen von der ersten Reise, die ihn 1840 nach Italien führte, richtete Heinrich zuweilen das Wort direkt an Henriette, da er mit ihr das Interesse an der Antike, aber auch an der italienischen Kunst teilte. »Von den schönsten Statuen, die hier sind, werdet auch wohl Ihr, wenigstens Schwester Henriette, Viel gehört haben.«[9] Die beiden verband auch die Begeisterung für Literatur, wobei Goethe obenan stand, dessen italienische Reise Barths Route zweifellos vorbestimmt haben dürfte, während seine Schwester von dem gelobten Land nur träumen durfte. Ähnlich wie ihr jüngerer Bruder galt Henriette als »schroff«,[10] was vielleicht einer der Gründe war, dass sie unverheiratet blieb: Ihre Schwester Mathilde hätte »der guten, lieben Schwester ein besseres Loos gewünscht, einen bestimmten Wirkungsbereich. Sie fühlt leider so oft eine unendliche Leere, eine Sehnsucht nach einem gleich gestimmten Herzen[,] die natürlich im Elternhause bei diesen beiden einfachen Leuten nicht gestillt werden kann.«[11] Drei Jahre nach ihr, am 26. März 1819, wurde der älteste Sohn, Theodor, geboren, über den so wenig bekannt ist, dass die älteren Biographen, sogar Barths Schwager Gustav v. Schubert, der 1897, über dreißig Jahre nach Barths Tod, die erste Darstellung seines Lebens verfasste, ihn völlig übersahen und nur von vier Geschwistern wussten.[12] Theodor hat kein einziges Selbstzeugnis hinterlassen, keinen Brief, kein Bild; er bleibt eine schattenhafte Figur, der bald aus dem Leben der Familie entschwand. Heinrich hatte offenbar ein sehr gespanntes Verhältnis zu diesem Bruder, denn in einem der Briefe an seinen Schwager berichtete er: »Wir Beide haben eigentlich keine Bruderliebe und Freundschaft in unserer Kindheit genossen. Bei Theodor entwickelte sich von früh an eine so rohe Natur, daß ich fast nur in feindliche Berührung mit ihm trat.«[13] Theodor erlernte das Handwerk des Vaters und wurde Metzger. Offenbar war er leichtsinnig und gab Geld aus, das er nicht hatte. Im Dezember 1839 war von Schulden die Rede, nicht zum ersten Mal, denn der Vater bezahlte sie zwar, ging aber auf deutliche Distanz zu seinem in Nürnberg lebenden Sohn, dem er die Rückkehr nach Hamburg nicht gestatten wollte. Heinrich machte sich zum Fürsprecher seines älteren Bruders, denn »alle Hoffnung gebe ich in Rücksicht auf ihn noch nicht auf, obgleich er immer älter und älter wird«. Falls er nach Berlin käme, wollte Barth ihm gut zureden, »jedoch das ist eben das Schlimme bei ihm, daß er keine festen Vorsätze hat und sich wie ein Rohr vom Winde hin und hertreiben läßt«.[14] Nur in wenigen späteren...


Marx, Christoph
Christoph Marx, geb. 1957, Professor für Außereuropäische Geschichte an der Universität Duisburg-Essen. Veröffentlichungen u. a.: Trennung und Angst. Hendrik Verwoerd und die Gedankenwelt der Apartheid (2020); Mugabe. Ein afrikanischer Tyrann (2017); Südafrika, Geschichte und Gegenwart (2012); Geschichte Afrikas - Von 1800 bis zur Gegenwart (2004).

Christoph Marx, geb. 1957, Professor für Außereuropäische Geschichte an der Universität Duisburg-Essen.


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