Maywald | Kinderrechte in der Kita | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 176 Seiten

Maywald Kinderrechte in der Kita

Kinder schützen, fördern, beteiligen
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-451-83539-1
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Kinder schützen, fördern, beteiligen

E-Book, Deutsch, 176 Seiten

ISBN: 978-3-451-83539-1
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Rund 35 Jahre nach Verabschiedung der UN-Kinderrechtskonvention plädiert Jörg Maywald in diesem Buch dafür, die Kita vom Kopf auf die Füße zu stellen: Das Kind mit seinen Rechten und Bedürfnissen - und nicht die Vorstellungen und Wünsche der Erwachsenen - muss Ausgangspunkt aller Überlegungen sein.  Die Kita vom Kind her denken bedeutet, sämtliche Abläufe und Angebote auf ihre Kindergerechtigkeit hin zu überprüfen. Dazu bedarf es einer konsequenten Parteinahme für Kinder im Sinne des Vorrangs des Kindeswohls.

Dr. Jörg Maywald ist Soziologe und Honorarprofessor für Kinderrechte und Kinderschutz an der Fachhochschule Potsdam. Er ist Mitbegründer des Berliner Kinderschutz-Zentrums und war viele Jahre in der Kinder- und Jugendhilfe und im Kinder- und Jugendgesundheitsbereich tätig.
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2.


Kinderrechte und das Bild vom Kind


Die Themen in diesem Kapitel sind

? das Kind als vollwertiger Mensch

? das gesellschaftliche Bild des Kindes im Laufe der Zeit

? Entwicklung der Kinderrechte weltweit

? Entwicklung der Kinderrechte in Deutschland

2.1 Das Bild vom Kind – ein allmählicher Wandel


Kinder als eigene Persönlichkeiten und (Rechts-)Subjekte anzusehen, ist historisch betrachtet relativ neu. Das hängt mit dem überlieferten Bild vom Kind zusammen. Über Jahrtausende hinweg galten Kinder als noch nicht vollwertige Menschen, den Erwachsenen in jeder Hinsicht unterlegen und ihnen rechtlich nicht gleichgestellt. Kindheit wurde als Übergangsstadium, als Phase menschlicher Unvollkommenheit angesehen, die es so schnell wie möglich zu überwinden galt. Im Verhältnis der Generationen waren die jüngsten und schwächsten Mitglieder der Gesellschaft zugleich diejenigen mit den geringsten Rechten.

Im patriarchalischen römischen Recht lag es in der Hand des Vaters, ein neugeborenes Kind anzunehmen oder eben nicht (ius vitae et necis: Recht über Leben und Tod). In vielen Fällen wurden Mädchen und häufig Kinder mit Behinderungen nicht angenommen und waren damit dem Tode geweiht. Tiefgreifende Veränderungen setzten mit dem Aufkommen der drei großen Weltreligionen Judentum, Christentum und Islam ein. Kinder wurden aufgewertet und erhielten erstmals ein Recht auf Leben. Kindesaussetzungen und Kindestötungen wurden verboten. An vielen Orten entstanden Findel- und Waisenhäuser.

Im Zuge der Aufklärung wandelte sich das Bild vom Kind erneut. Die Kindheit als Erfindung der Moderne – als Lebensabschnitt mit eigenen Bedürfnissen – wurde geboren. Zu der Anerkennung des eigenständigen Lebensrechts des Kindes trat die Auffassung hinzu, dass Kinder einer besonderen Förderung bedürfen. Der Kindergarten und die Schule kamen als Orte der Erziehung zur Familie hinzu. Verbote von »grober«. Misshandlung und »unangemessener« Züchtigung durch Eltern, Lehrer:innen, Lehrherren sowie Heim- und Gefängnisaufseher:innen sollten die schlimmsten Auswüchse von Gewalt gegen Kinder verhindern.

Erste Bestrebungen, Kinder nicht mehr nur als Objekte der Erwachsenen anzusehen, sondern als individuelle Persönlichkeiten mit eigenen Rechten, sind kaum mehr als hundert Jahre alt. Und erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden Kinder auf globaler Ebene allmählich als Träger:innen von Rechten anerkannt.

Wandel im gesellschaftlichen Bild des Kindes

Antike
(Römisches Reich)

Kind als Eigentum des Vaters

Mittelalter (christlicher Kulturkreis)

Kind als Geschenk Gottes (Ambivalenz zwischen Unschuld und Sünde)

Moderne
(Aufklärung)

Kind als Objekt von Bildung und Erziehung
(»Erfindung der Kindheit«)

Postmoderne
(Globalisierung)

Kind als (Rechts-)Subjekt (Individualisierung)

2.2 Geschichte der Kinderrechte weltweit


Unter dem Eindruck massenhaften Kinderelends im Ersten Weltkrieg gründete die englische Grundschullehrerin Eglantyne Jebb 1920 das britische Komitee »Save the Children International Union« als ersten internationalen Lobbyverband für die Interessen von Kindern. Ein von ihr entworfenes Fünf-Punkte-Programm (Children’s Charter) enthielt grundlegende Schutzverpflichtungen der Erwachsenen gegenüber den Kindern und endete mit der Aufforderung, Kinder im Geiste des internationalen Friedens zu erziehen. Der 1919 gegründete Völkerbund übernahm die Charta und verabschiedete sie 1924 als Geneva Declaration (Genfer Erklärung).

Etwa zeitgleich proklamierte der polnische Kinderarzt und Pädagoge Janusz Korczak in den 1920er-Jahren ein Recht jedes Kindes auf unbedingte Achtung seiner Persönlichkeit als Grundlage sämtlicher Kinderrechte. Als Leiter eines jüdischen Waisenhauses in Warschau forderte er umfassende Mitwirkungsrechte für Kinder und überwand damit die Vorstellung einer allein von Schutz und Förderung geprägten Sichtweise zugunsten eines Bildes vom Kind, das von Gleichwertigkeit und Respekt geprägt wird. »Das Kind wird nicht erst ein Mensch, es ist schon einer«, lautete die Quintessenz seiner der damaligen Zeit weit vorauseilenden Anschauung.

Nach den Rückschlägen durch Nationalsozialismus und Zweiten Weltkrieg setzten die Vereinten Nationen als Nachfolger des Völkerbundes die Beratungen über Menschen- und Kinderrechte fort. Bereits 1945 wurde in San Francisco die Charta der Vereinten Nationen verabschiedet, 1948 folgte in Paris die Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Rund zehn Jahre später standen die Kinderrechte auf der Tagesordnung. Ein überarbeiteter und auf zehn Artikel erweiterter Text der Geneva Declaration wurde 1959 von der Vollversammlung der Vereinten Nationen als Deklaration über die Rechte des Kindes verabschiedet. In dieser noch nicht rechtsverbindlichen Deklaration wird das Kind erstmals auf internationaler Ebene als Träger:in eigener Rechte bezeichnet. Außerdem wurde der Begriff des Kindeswohls (best interests of the child) eingeführt.

Vor dem Hintergrund großer Hungerkatastrophen, aber auch aufgrund der Erfahrung von Entkolonialisierung und weltweiter Freiheitsbestrebungen, trat in den 1970er-Jahren die immense Ungleichheit von Lebenschancen der Kinder immer stärker in das Bewusstsein der Weltöffentlichkeit. In der Folge nahmen sich die Vereinten Nationen erneut der Sache der Kinder an. Anlässlich des 20. Jahrestages der Verabschiedung der Deklaration über die Rechte des Kindes beschloss die UN-Vollversammlung, das Jahr 1979 zum »Internationalen Jahr des Kindes« auszurufen. Außerdem beauftragte sie auf Initiative Polens hin eine Arbeitsgruppe, eine völkerrechtsverbindliche Kinderrechtskonvention zu erarbeiten.

Zehn Jahre später wurde dann am 20. November 1989 in der 44. Vollversammlung der Vereinten Nationen das Übereinkommen über die Rechte des Kindes (UN-Kinderrechtskonvention) einstimmig verabschiedet. Die Kinderrechtskonvention ist das weltweit am meisten ratifizierte Menschenrechtsübereinkommen. Insgesamt 196 Staaten haben sie mittlerweile ratifiziert und damit innerstaatlich für verbindlich erklärt. Lediglich die USA stimmten zwar der Verabschiedung zu, gehören jedoch nicht zu den Ratifikationsstaaten. Zwölf Jahre nach Inkrafttreten der Konvention fand 2002 in New York eine Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen zu Kindern statt, der sogenannte Weltkindergipfel, in dessen Rahmen der Internationale Aktionsplan »A World fit for Children« verabschiedet wurde.

Entwicklung der Kinderrechte weltweit

1924

Völkerbund verabschiedet Genfer Erklärung; Schutzverpflichtungen der Erwachsenen gegenüber Kindern

1945

Charta der Vereinten Nationen

1948

Allgemeine Erklärung der Menschenrechte

1959

Vereinte Nationen verabschieden »Deklaration über die Rechte des Kindes«. Kinder werden erstmals als Träger:innen von Rechten bezeichnet. Der Begriff des Kindeswohls wird eingeführt.

1979

Internationales Jahr des Kindes

1989

Vollversammlung der Vereinten Nationen beschließt einstimmig die Konvention über die Rechte des Kindes (UN-Kinderrechtskonvention).

2002

Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen zu Kindern in New York (Weltkindergipfel); Verabschiedung des Internationalen Aktionsplans »A World fit for Children«

2002

Fakultativprotokolle zur UN-Kinderrechtskonvention über »Kinder in bewaffneten Konflikten« und »Betreffend den Kinderhandel, die Kinderprostitution und die Kinderpornografie« treten in Kraft.

2005

Die Vereinten Nationen verabschieden die Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention, u. a. mit der Verpflichtung in Artikel 24, ein inklusives Bildungssystem aufzubauen).

2014

Fakultativprotokoll zur UN-Kinderrechtskonvention, das ein Individualbeschwerdeverfahren vorsieht, tritt in Kraft.

Auch die Europäische Union mit ihren 27 Mitgliedsstaaten bekennt sich zu unveräußerlichen Menschenrechten. Die 2009 in Kraft getretene Charta der Grundrechte der Europäischen Union enthält einen...


Maywald, Jörg
Dr. Jörg Maywald ist Soziologe und Honorarprofessor für Kinderrechte und Kinderschutz an der Fachhochschule Potsdam. Er ist Mitbegründer des Berliner Kinderschutz-Zentrums und war viele Jahre in der Kinder- und Jugendhilfe und im Kinder- und Jugendgesundheitsbereich tätig.

Dr. Jörg Maywald ist Soziologe und Honorarprofessor für Kinderrechte und Kinderschutz an der Fachhochschule Potsdam. Er ist Mitbegründer des Berliner Kinderschutz-Zentrums und war viele Jahre in der Kinder- und Jugendhilfe und im Kinder- und Jugendgesundheitsbereich tätig.



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