McCullough Die zerborstene Klinge
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-8387-2656-4
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Fantasy trifft auf Action, Magie und Intrigen
E-Book, Deutsch, Band 1, 383 Seiten
Reihe: Königsmörder
ISBN: 978-3-8387-2656-4
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der erste mitreißende Band der Fantasy-Reihe »Der Königsmörder«.
Einst war Aral Königsmörder. Ein Klingenmeister der Götter - Assassine im Auftrag der Göttin der Gerechtigkeit. Doch als seine Göttin ermordet wurde, zerfiel nicht nur sein Glaube, sondern auch sein Leben. Heute schlägt Aral sich als abgewrackter Söldner und Trunkenbold durch, verfolgt von Schuld und den Geistern der Vergangenheit. Doch als eine geheimnisvolle Botin ihn um Hilfe bittet, erwacht etwas in ihm, das längst tot schien: Pflicht. Ehre. Und der tödliche Instinkt eines Mannes, der nie vergessen hat, wie man tötet.
Was wie ein einfacher Auftrag beginnt, führt Aral auf die Spur einer weitreichenden Verschwörung und zwingt ihn, sich seiner Vergangenheit zu stellen.
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2
Maylien war kaum zur Vordertür hinausgegangen, da schlüpfte schon Jerik hinter seinem Tresen hervor und kam auf mich zu. Er war ein großer Mann, ausgestattet mit einem dicken Narbengewebe, dort, wo sein linkes Auge und etwa die Hälfte seiner Kopfhaut hätten sein sollen. Erkundigte sich jemand danach, pflegte er auf den Greifenschädel zu zeigen, der hinter dem Tresen hing, und zu erzählen: »Den anderen hat es schlimmer erwischt. Hab seine jämmerliche Visage an die Wand genagelt.«
»Arbeit?«, fragte er mich.
»Sieht so aus.«
»Dann kannst du ja zahlen.«
Ich warf ihm einen der Beutel zu. »Nimm eine Hälfte für meine Zimmerrechnung, die andere für die Bar. Das sollte reichen, um für beides ein Stück weit im Voraus zu zahlen.«
Jerik warf einen Blick in den kleinen Beutel und lächelte. »Das wird es. Soll ich dir eine neue Flasche Kyles holen?«, erkundigte er sich und schnappte sich derweil die leere.
Nur zu gern hätte ich ja gesagt, und vielleicht hätte ich es auch getan, wäre da nicht dieser leichte Druck gewesen, der murmelnd überall dort über meinen Rücken glitt, wo mein Schatten auf meinem Körper ruhte, ein Gefühl, als würden Dutzende Tausendfüßer zornig von meinen Hüften zu den Schultern und wieder zurück stapfen. Bedauernd schüttelte ich den Kopf.
»Nicht heute Nacht, fürchte ich. Die Arbeit ruft.«
Jerik zuckte beiläufig mit den Schultern und machte kehrt. Mit der Trinkerei mochte es für heute genug sein, aber er wusste, ich würde zurückkommen, sobald die Arbeit erledigt war. Zum zweiten Mal binnen einer Stunde huschte ich durch die Hintertür hinaus in die Dunkelheit des Hofes. Dieses Mal ging ich in den Stall und die Leiter hinauf, die zum Speicher und dem kleinen Zimmer führte, das ich während der letzten beiden Jahre gemietet hatte.
Dort oben gab es kein Licht, nur den muffig-staubigen Geruch des Heus aus dem letzten Sommer und eine beinahe vollkommene Finsternis. Wegen des Heus war es zu gefährlich, eine Laterne unbeaufsichtigt brennen zu lassen, und Jerik würde gewiss keine kostspielige Magierlampe an mich vergeuden. Nicht dass mich das gestört hätte. Die Tempelpriester hatten mich, seit ich mit vier Jahren in den Orden aufgenommen worden war, gelehrt, im Dunkeln zu agieren.
Obwohl ich allein war und in Anbetracht des Mangels an Licht nicht einmal hätte gesehen werden können, fummelte ich mit großem Getue an meinem Schlüssel herum, als ich an der Tür anlangte. Die Priester hatten mich auch gelehrt, meine Rolle zu leben, eine Lektion, die sich für meine Arbeit als Löhner als ebenso nützlich erwiesen hatte wie für mein ehemaliges Handwerk.
Während ich mit dem Schlüssel an der Tür kratzte, tat Triss die eigentliche Arbeit. Im Dunkeln vollends unsichtbar, kletterte er um mich herum und umhüllte meinen Körper, umgab mich mit einer beinahe transparenten Schicht puren Schattens wie mit einer rauchigen, zweiten Haut. Es war ein bisschen so, als würde man in eiskalte Seide gewickelt werden. Dann verlängerte er den Teil von sich, der meine rechte Hand umgab, bohrte einen Tentakel gehärteten Schattens in das Schlüsselloch. Durch unsere temporär gemeinsamen Sinne fühlte/schmeckte ich das Gesperre und die Magie, die es hielt, als er die Verlängerung herumdrehte, um die Verriegelung zu lösen.
Die Tür öffnete sich mit kaum hörbarem Klicken, und ich glitt in den noch düsteren Raum und zog sie hinter mir zu. Das Schloss dieser Tür war weitaus besser, als es der Raum gebot. Ein Durkotherzeugnis und verdammt teuer, aber ich schätzte meine Privatsphäre sehr.
Ich reckte den Arm hoch und berührte mit einer schattenverhüllten Hand die kleine Steinkugel, die über der Tür angebracht war – ihre Magie zeigte sich dem Magiesichtigen als blassgrüner Funke. Das milderte den Bann der Finsternis über der winzigen, aber sehr hellen Magierlampe, die meinen Raum erleuchtete. Die Tür zu schließen, ehe ich meine Magie anwandte, entsprang eher der Gewohnheit lebenslanger Übung als einer ernsten Sorge, ich könnte hier und jetzt entdeckt werden.
Langgezogen, wie er jetzt war, tönte Triss meine Haut nicht stärker, als es ein paar Stunden in der Mittagsstunde vermocht hätten. Wer jedoch gelernt hatte, genau hinzusehen, hätte vielleicht bemerkt, dass ich, während ich in meinen Schatten gekleidet war, keinen solchen warf, selbst im hellsten Lichtschein nicht. Zu meinem Glück waren derart geschulte Individuen außerordentlich selten.
Die kleine Magierlampe offenbarte einen schmalen Raum unter einer tiefreichenden Dachschräge. Meine Pritsche verbarg sich in der Ecke, wo das steile Dach auf den rohen Dielenboden traf. Die einzigen anderen Möbelstücke waren ein niedriger Tisch und, gleich daneben, eine kleine Truhe, die zugleich als Sitzbank diente. Ein ramponierter, arg fleckiger Teppich sorgte dafür, dass nicht der kleinste Schimmer des magischen Lichts durch die Ritzen zwischen den Dielen in den darunterliegenden Stall dringen konnte.
Von der Form abgesehen unterschied sich der Raum kaum von der Zelle, die die Priester mir vor all diesen Jahren in den Tempelanlagen zugewiesen hatten. Na ja, es war die Form und die Tatsache, dass meine alte Zelle nun unter hundert Tonnen Schutt begraben lag, umgeben von endlosen Morgen unfruchtbaren Landes unter einer Saat aus Salz, ausgebracht von den Streitmächten des Himmelssohns. Ich verdrängte den Gedanken, wenn auch nicht, ohne schmerzhaft zu bedauern, dass ich Jeriks Angebot, mir eine neue Flasche zu bringen, ausgeschlagen hatte.
Triss drückte mich in einer Art von Ganzkörperumarmung, ehe er sich auf dem Boden entspannte, seine übernatürlichen Sinne mitnahm und mir wieder so etwas wie einen Schatten gab. Auch wenn besagter Schatten eigentlich zu einem kleinen Drachen gehören sollte.
»Danke, dass du den Auftrag angenommen hast«, sagte Triss.
Ich zuckte mit den Schultern, kniete nieder und strich mit dem Finger um seinen Unterkiefer – wie stets war ich fasziniert von den Schuppen und dem warmen, lebendigen Fleisch dort, wo meine Augen nichts als einen Schatten auf einem fadenscheinigen Teppich erkennen konnten. Sogar in dieser Gestalt hatte er eine gewisse Substanz. »Du bist alles, was mir geblieben ist, und du wolltest, dass ich es tue. Wie hätte ich dir das abschlagen können?«
Der Drachenschatten zog verlegen den Kopf ein. »Ich hatte befürchtet, ihre Lügen und ihr Versuch, ihre Magie vor dir zu verbergen, könnten dich dazu veranlassen, sie abzuweisen.«
»Magie?« Ich schloss die Augen und rieb mir einen endlosen Moment lang die Lider. »Das hast du vorhin nicht erwähnt. Du hast nur gesagt, Maylien wäre mehr, als sie zu sein scheint. Vielleicht solltest du langsam ein bisschen mehr ins Detail gehen.«
»Ich weiß, dass sie keine sichtbaren Banne an sich hatte, und ich konnte keinen Vertrauten entdecken, aber als sie sich anfangs über dich gebeugt hat und ihr Schatten auf mich gefallen ist, hat er nach der Magiergabe geschmeckt – einer Gabe, die erst kürzlich benutzt wurde, anderenfalls hätte ich es nicht gemerkt.« Nachdenklich legte er den Kopf schief. »Wahrscheinlich hat ihr Vertrauter draußen auf sie gewartet, allerdings wäre es auch möglich, dass sie sich mit einem geringeren Geist verbündet hat, der ganz einfach unsichtbar war.«
Ich unterdrückte das Bedürfnis, Triss anzuknurren. Für eine Nacht hatten wir genug gestritten. »Nun, wenn sie Magierin und adlig ist, dann wäre es kein Wunder, wenn sie ihren Vertrauten verstecken würde, was immer er sein mag.« Vielleicht etwas, dass Wunden in Schultern schlägt, wenn es dort thront? Womöglich ein Falke oder ein Adler? Aber das war im Grunde nicht wichtig. »Die Zhani zeigen sich nicht gerade erfreut, wenn Angehörige des hohen Adels Magie wirken. Sie behaupten, das würde das ganze Herausforderungssystem zur Nachfolgeregelung infrage stellen.« Was es auch tat, und das könnte auch erklären, warum sie verkleidet zu mir gekommen war.
Ich setzte mich auf meine Truhe und wünschte mir, ich hätte einen Trunk zur Hand. Das Letzte, was ich wollte, war, in die höfische Politik von Zhan verwickelt zu werden … aufs Neue. Ich trug noch immer die Narben am Bein und den Preis auf meinem Kopf vom letzten Mal, damals, vor einer Dekade. Bekümmert massierte ich mir die Schläfen.
»Triss …«
»Ich weiß. Ich hätte es dir sagen sollen. Aber du wirst den Auftrag doch nicht jetzt noch ablehnen, oder?«
»Nein. Ich habe ihr Geld genommen, und schließlich gehe ich grundsätzlich nicht davon aus, dass mir ein Auftraggeber die Wahrheit erzählt. Du andererseits …« Ich seufzte. »Wenn du das nächste Mal Magie im Schatten von irgendjemandem schmeckst, dann gib mir unauffällig einen Wink, dann reden wir vorher darüber.« Wir wussten beide, dass er das bereits dieses Mal hätte tun müssen, aber ich ging nicht weiter darauf ein – er kann recht eigensinnig sein, wenn er will, und er ist vermutlich der Klügere von uns beiden. »Kein Geruckel mehr, als hätte dir jemand einen Becher Schattenameisen in die Schattenhose geschüttet, ja? Damit siehst du nur aus wie ein nervöser Anfänger.«
»Ich … du … ich habe nicht … Hmpf.«
Triss ergoss sich wieder in die Form meines Schattens, hob die Schattenhände an die Schattenohren, dass sie aussahen wie ein Geweih, und wackelte dann einfach mit den Fingern vor mir, womit das Gespräch wirkungsvoll beendet war. Schon kapiert. Ich grinste und machte mich auf, das Licht wieder abzudecken. Ich brauchte dringend...