McCullough Krieg der Klingen
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-8387-5381-2
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Fantasy trifft auf Action, Magie und Intrigen
E-Book, Deutsch, Band 3, 381 Seiten
Reihe: Königsmörder
ISBN: 978-3-8387-5381-2
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der dritte mitreißende Band der Fantasy-Reihe »Der Königsmörder«.
Aral Königsmörder hat gelernt, im Schatten zu überleben. Als gebrochener Ex-Assassine der gefallenen Göttin Namara versucht er, seinem alten Leben zu entkommen - bis eine Frau aus seiner Vergangenheit auftaucht: Die ebenso schöne wie auch gefährliche Jax, einst seine Verlobte und nun auf einer verzweifelten Mission. Und obwohl er die Vergangenheit nur ungern wieder an sich heranlässt, findet sich der ehemalige Attentäter schon bald in einem Krieg wieder, aus dem es für ihn keinen Ausweg mehr gibt und er nicht weiß, wem er noch trauen kann...
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1
Heute sah ich einen Geist in den Augen einer ehemaligen Geliebten. Mir war nie bewusst geworden, wie sehr ich mein altes Gesicht vermissen würde, bis zu dem Moment, als Jax mich angesehen und einen Fremden erblickt hatte.
Ich saß im Greifenkopf, wie ich es schon so oft in der Vergangenheit getan hatte, und trank zu viel Whiskey– wofür das Gleiche galt. Nur war es nicht mein üblicher Whiskey, und ich war nicht, wer ich üblicherweise war. Die Glocken Shans hatten soeben die sechste Stunde verkündet. Die durch die offenen Fenster der Taverne dringenden Sonnenstrahlen waren immer noch heiß, auch wenn der aufziehende Abend ihrem Biss bereits das schlimmste Feuer genommen hatte. Ich hatte mir einen Platz weit entfernt von meinem üblichen Tisch gesucht und Magierlandwhiskey anstelle meines bevorzugten Aveni bestellt, um den kürzlich erfolgten Verlust meines Gesichts nachzubereiten.
Jax erkannte ich in dem Moment, in dem sie den Greifen betrat, obwohl sie im Gegenlicht stand und Schatten ihr Gesicht verhüllten. So ist das eben mit der ersten Liebe. Sie schreibt sich mit untilgbaren Lettern in Herz und Erinnerung.
Oder sind sie womöglich doch nicht so untilgbar?
Der Blick, mit dem Jax mich bedachte, als wir Augenkontakt hatten, bohrte sich so tief wie ein Schwerthieb in mein Inneres. Nicht wegen dem, was er aussagte, sondern aufgrund dessen, was er nicht sagte. Da gab es keine Erkenntnis, keinen noch so kleinen Hinweis auf das, was einmal zwischen Jax Seldansfluch und Aral Königsmörder gewesen war. Keine Liebe und kein Verlust, nur das kühle Taxieren, mit dem ein professioneller Mörder einen Raum auf eventuelle Bedrohungen kontrolliert.
Mich bedachte sie mit einem einzigen, gemessenen Blick, der einzig dazu diente, Quellen möglichen Ärgers zu identifizieren, und weiterwanderte, als er keine entdeckte, ganz, wie es der meine auch getan hätte, wäre ich an ihrer Stelle gewesen. Damit hätte ich rechnen müssen, ich hätte daran denken müssen, was ich geworden war, aber das tat ich nicht, und das Desinteresse der Frau, die ich einmal geliebt hatte, peinigte mich. Für sie war ich unsichtbar, nur ein Geist in ihren Augen.
Beruhig dich, Aral. Triss’ vertraute Stimme sprach direkt in meinem Kopf zu mir, süß und klar und absolut besänftigend. Du bist derjenige, der dein Gesicht vergessen hat, nicht Jax.
Wie stets hatte mein Vertrauter auch dieses Mal recht. Ich fühlte einen Druck auf der Schulter, so, als würde die Hand eines Freundes sie kurz drücken und gleich wieder loslassen. Kurz sah ich mich zu dem Schatten hinter mir um und schenkte ihm ein schiefes Lächeln. Dem, was in dem Schatten verborgen war, um genau zu sein. Triss ist ein Finsterling, eine Kreatur lebendiger Nacht, und er lebt in meinem Schatten. Buchstäblich.
Danke, mein Freund, antwortete ich in Gedanken. Auch wenn es schon einen Monat her ist, fällt es mir schwer, daran zu denken, was der Knochenformer mit meinem Gesicht gemacht hat.
Mit einer Hand rieb ich mir reumütig über Wange und Kinn. Eigentlich nicht so anders als mein altes Gesicht, jedenfalls nicht von innen und nicht für meine Finger. Aber ich wusste, dass mir kein Spiegel je wieder das Gesicht von Aral Königsmörder zeigen würde, nicht einmal die ausgezehrte, verhärmte Version, die ich in den Jahren getragen hatte, als ich Aral der Löhner gewesen war. Ein Löhner, einer der freiberuflich arbeitenden Allzweckdienstleister der Unterwelt. Pakete liefern, Leute beschützen, dann und wann der eine oder andere Auftragsdiebstahl. Das alles gehörte zum Alltag jenes Aral, ach, und was war das für ein tiefer Sturz, gemessen an jener Zeit, in der die Welt mich den Königsmörder genannt hatte und die, die Unrecht taten, beim Gedanken an mich erzitterten.
Ich nahm einen weiteren tiefen Schluck von meinem Whiskey, rauchig und kräftig, genau das, was ich nun brauchte. Dann aber ermahnte ich mich im Geiste, dass meine Veränderung mir nur zugute kam, bedachte man all die Fahndungsplakate mit meinem alten Gesicht. Das sagte ich mir wieder und wieder, und bis zu dem Moment, in dem mich Jax’ Augen bar jeglicher Erkenntnis gestreift hatten, hatte ich sogar meist so getan, als würde ich mir glauben.
Mein Gesicht war von jeher nichts Besonderes gewesen. Alles nur mittelbraun, von den Haaren bis zur Haut. Nicht allzu hübsch, nicht zu hässlich. Die Art von Gesicht, das sich leicht ignorieren oder vergessen lässt. Die Meister und Priester, die mich aufgezogen und zum Assassinen im Dienste einer inzwischen toten Göttin ausgebildet hatten, hatten mir stets gesagt, dies sei einer meiner größten Vorzüge.
Mein neues Gesicht teilte all die vorteilhaften Aspekte meines alten und verbesserte sie sogar noch. Ich hatte Haut und Knochen gezielt auf eine Art neu angeordnet, die sämtliche Kennzeichen meiner Herkunft auslöschte, sodass ich nun aussah wie das Produkt verschiedenster Erbanlagen. Was ich nun hatte, war die Art von Gesicht, die man in jedem der elf Königreiche des Ostens finden konnte– nicht einheimisch, aber auch nicht unverkennbar fremd. In vielfacher Hinsicht war dies das perfekte Gesicht für den, der ich einst gewesen war. Aral Königsmörder, Klinge der Namara, der Göttin der Gerechtigkeit. Welch eine Ironie, dass ich es erst aufgesetzt hatte, nachdem meine Göttin ermordet worden war, ihr Tempel zerstört und meine Freunde und Gefährten bis auf eine Handvoll niedergemetzelt.
Ruhig. Wieder drückte Triss meine Schulter– die Berührung eines Schattens– dieses Mal jedoch, um mich zu warnen. Denk daran, wo wir sind, und beherrsch dich. Wir werden immer noch gejagt.
Und wieder hatte er recht. Der Greif war ein öffentlicher Ort. Einer, von dem bekannt war, dass ich dort einen guten Teil meiner Zeit verbracht hatte, ehe mein zweites Leben als Schattenlöhner aufgeflogen war. Wenn ich mich im Raum umblickte, sah ich gleich mehrere Tische, die potenziellen Ärger versprachen. Der Platz in der Ecke, den ich früher als meinen Stammplatz betrachtet hatte, beispielsweise. Dort saßen ein Mann und eine Frau, beide mit dem Rücken zur Wand, beide umgeben von der Aura lauernder Jäger.
Sie war schlank, groß, hatte lange und doch muskulöse Glieder und war alles andere als zerbrechlich. Eisblondes Haar und weiße Haut wiesen sie als Fremde aus, ebenso wie ihre hart blickenden blauen Augen. Mit ihren sicheren, zielgerichteten Bewegungen erinnerte sie mich an eine riesige Gottesanbeterin. Der Mann war ebenfalls groß, aber breit, wo sie schmal war. Dicke Muskeln zeichneten sich unter der dünnen Seide einer langärmeligen Tunika ab. Er war so dunkel wie jeder gewöhnliche Einheimische, doch seine Züge und sein dichter, schwarzer Bart deuteten auf eine Kadeshi-Herkunft hin. Das Gleiche galt für die kurzen Äxte mit den breiten Klingen, die in seiner Schärpe steckten.
Er ertappte mich dabei, wie ich ihn musterte, zog kaum merklich eine Braue hoch und berührte eine seiner Äxte auf eine Weise, die mir verriet, dass er mich für einen Dieb hielt. Ich tat verschüchtert und schluckte krampfhaft, ehe ich in mein Glas starrte, und er schnaubte verächtlich und widmete sich wieder der Unterhaltung mit der Frau. Diesen Ärger hatte ich zwar mühelos abwenden können, aber, verdammt, ich sollte gar nicht hier sein. Ich hätte fortgehen und mir eine andere Bar suchen sollen, in der ich mich regelmäßig aufhalten konnte, um mir zu dem neuen Gesicht auch eine neue Identität aufzubauen.
Aber ich war es sterbensmüde, ständig davonzulaufen, und irgendwie konnte ich mein altes Ich nicht so einfach zurücklassen. Nicht einmal die Version, in der ich weiter nichts war als ein versoffenes Wrack, das sich sein Brot als Schattenlöhner hatte verdienen müssen.
Was mich wieder zu Jax brachte. Wir waren gemeinsam im großen Tempel der Namara aufgewachsen. Sie war ein Jahr nach mir mit kaum vier Jahren in den Dienst der Göttin getreten; ein zierliches Mädchen mit langem, dunklem Haar, heller Haut und einem gewinnenden Lächeln, das sich im Laufe der Jahre, in denen das Mädchen sich in eine schöne, junge Frau verwandelt hatte, zu einem ebenso gefährlichen wie schelmischen entwickelt hatte. Zwar war sie physisch nicht sonderlich beeindruckend, doch das hatte sie durch ihre Fähigkeiten als Zauberin und Assassinin im Dienst der Gerechtigkeit mehr als wettgemacht und sich in Bezug auf ihre Fertigkeiten den dritten Platz in unserer Generation verdient. Gleich nach Siri und mir.
Warum hatte sie ausgerechnet diesen Moment gewählt, um in mein Leben zurückzukehren? Ich beging nicht den närrischen Fehler, mir einzubilden, ihre Anwesenheit an dem einzigen Platz in ganz Tien, von dem bekannt war, dass ich ihn regelmäßig frequentiert hatte, beruhe in irgendeiner Weise auf Zufall. Nebenbei fragte ich mich auch, wo sie sich während der sechs Jahre seit dem Untergang des Tempels versteckt gehalten haben mochte. Nicht in Zhan, wie ich in Anbetracht der mangelnden Pigmentierung ihrer Haut vermutete. Und auch an keinem anderen Ort unter sengender Sonne, es sei denn, sie war zu einem reinen Geschöpf der Nacht geworden.
Aven vielleicht, oder zu Hause in Dalridia oder in den Bergen im Magierland. Mit größter Wahrscheinlichkeit war es einer dieser Orte gewesen. Sie musste sich irgendwo verborgen gehalten haben, wo sie nicht weiter auffiel, aber zugleich an einem Ort, der nahe genug war, dass sie Tien in maximal vier Wochen hatte erreichen können. Damit fielen Öse, Varya und Radewald aus.
Die Nachricht, dass der Königsmörder entlarvt worden war, war auf...