Mcfadyen | Die Blutlinie/Der Todeskünstler | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 1, 1040 Seiten

Reihe: Smoky Barrett Sammelband

Mcfadyen Die Blutlinie/Der Todeskünstler

Zwei Smoky Barrett Romane in einem Band
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-8387-5369-0
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Zwei Smoky Barrett Romane in einem Band

E-Book, Deutsch, Band 1, 1040 Seiten

Reihe: Smoky Barrett Sammelband

ISBN: 978-3-8387-5369-0
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Das Böse hoch zwei: Cody Mcfadyens Meisterwerke in einem Band

Zwei schockierende Fälle der FBI-Ermittlerin Smoky Barrett: In 'Die Blutlinie' verfolgt sie die Spur eines Serientäters, der ihre beste Freundin auf dem Gewissen hat. Der gnadenlose Killer möchte sich einen Traum erfüllen - ein Traum, der für viele zum Alptraum wird.

Und das abgrundtief Böse erwartet Smoky auch in 'Der Todeskünstler', als sie zum Fundort zweier Leichen gerufen wird. Neben ihnen kauert ein Mädchen. Der Todeskünstler hat sie besucht. Seit Jahren zerstört er ihr Leben, tötet jeden, der ihr lieb ist. Er wird wieder zu ihr kommen ...

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KAPITEL 1


Ich habe einen meiner Träume. Insgesamt sind es nur drei; zwei sind wunderschön, der dritte ist voller Gewalt. Alle drei lassen mich zitternd und allein zurück.

Der Traum heute Nacht handelt von meinem Mann. Er geht ungefähr so:

Ich könnte sagen, er küsst meinen Hals, und es dabei belassen, der Einfachheit halber. Doch das wäre eine Lüge, im grundlegendsten Sinn des Wortes.

Es wäre ehrlicher zu sagen, dass ich mich mit jeder Faser meines Wesens, mit jedem letzten, brennenden Zentimeter meines Selbst danach sehne, von ihm auf den Hals geküsst zu werden, und als er es tut, sind seine Lippen die eines Engels, gesandt vom Himmel, um meine fiebrigen Gebete zu erhören.

Ich war damals siebzehn, genau wie er. Es war eine Zeit, in der es noch keine Verbindlichkeit und keine Dunkelheit gab. Nur Leidenschaft, scharfe Kanten und ein Licht, das so hell brannte, dass es die Seele schmerzte.

Er beugte sich vor im Dämmerlicht des Kinos, und (o Gott) er zögerte für einen kurzen Moment, und (o Gott) ich erschauerte wie am Rand eines Abgrunds, obwohl ich tat, als wäre ich ruhig, und o Gott o Gott o Gott er küsste meinen Hals, und es war der Himmel, und ich wusste gleich dort und damals, dass ich für immer mit ihm zusammen sein wollte.

Er war der Eine für mich. Die meisten Leute, ich weiß, finden den Ihren nie. Sie lesen darüber, träumen davon oder spotten über die Vorstellung. Doch ich hatte den Meinen gefunden. Ich hatte ihn gefunden, als ich siebzehn war, und ich ließ ihn nie wieder gehen, nicht einmal an dem Tag, an dem er sterbend in meinen Armen lag, nicht einmal, als der Tod ihn mir entriss, während ich schrie und weinte, nicht einmal heute.

Gottes Name in diesen Tagen bedeutet Leiden. O Gott o Gott o Gott – ich vermisse ihn so.

Ich erwache mit der Präsenz jenes Kusses auf meiner siebzehn Jahre alten Haut und begreife, dass ich nicht siebzehn bin und dass er überhaupt nicht mehr altert. Der Tod hat ihn im Alter von fünfunddreißig Jahren konserviert, auf ewig. Für mich aber ist er immer siebzehn, beugt sich immer vor, berührt immer meinen Hals in jenem einen, vollkommenen Augenblick.

Ich strecke die Hand nach der Stelle aus, wo er eigentlich schlafen sollte, und ein Schmerz durchbohrt mich so plötzlich und schneidend, dass ich bete, während ich erzittere, um den Tod bete, um ein Ende der Schmerzen. Natürlich atme ich weiter, und bald lässt der Schmerz wieder nach.

Ich vermisse einfach alles von ihm in meinem Leben. Nicht nur die guten Dinge. Ich vermisse seine Fehler genauso schmerzhaft wie seine wunderbaren Seiten. Ich vermisse seine Ungeduld, seinen Ärger. Ich vermisse den herablassenden Blick, mit dem er mich manchmal angesehen hat, wenn ich wütend war auf ihn. Ich vermisse es, mich darüber zu ärgern, dass er ständig vergessen hat zu tanken und dass das Benzin immer fast aufgebraucht war, wenn ich irgendwohin wollte.

Das ist es, denke ich häufig, was einem nie in den Sinn kommt, wenn man darüber nachdenkt, wie es wäre, jemanden zu verlieren, den man liebt. Dass man nicht nur die Blumen und die Küsse vermisst, sondern die Gesamtheit der Erfahrungen. Man vermisst die Fehlschläge und die kleinen Missgeschicke mit genau der gleichen Verzweiflung, wie man es vermisst, mitten in der Nacht in den Armen gehalten zu werden. Ich wünschte, er wäre jetzt hier und ich könnte ihn küssen. Ich wünschte, er wäre jetzt hier und ich könnte ihn betrügen. Alles wäre mir recht, sehr recht, wenn er nur da wäre.

Manchmal, wenn sie den Mut aufbringen, fragen die Leute, wie es ist, jemanden zu verlieren, den man liebt. Ich antworte ihnen, dass es schwer ist, und belasse es dabei.

Ich könnte zu ihnen sagen, dass es wie eine innerliche Kreuzigung ist. Ich könnte ihnen erzählen, dass ich in den Tagen danach fast ohne Unterbrechung geweint habe, selbst während ich in der Stadt unterwegs war – auch wenn ich den Mund geschlossen hielt und kein Geräusch von mir gab. Ich könnte ihnen berichten, dass ich diesen Traum habe, jede Nacht, und dass ich ihn erneut verliere, jeden Morgen.

Aber warum sollte ich ihnen den Tag verderben? Also sage ich ihnen nur, dass es schwer ist. Das scheint sie in der Regel zufrieden zu stellen.

Es ist bloß einer von diesen Träumen, und er treibt mich aus dem Bett. Zitternd.

Ich starre in das leere Zimmer. Dann wende ich mich dem Spiegel zu. Ich habe begonnen, ihn zu hassen. Manche würden sagen, das ist normal. Dass wir uns alle unter das Mikroskop unserer Selbstbetrachtung legen und uns auf die Fehler konzentrieren. Wunderschöne Frauen schaffen sich Ärger- und Sorgenfalten, weil sie genau danach suchen. Teenager mit wunderschönen Augen und Figuren, für die manch einer sterben würde, weinen, weil ihr Haar die falsche Farbe hat oder weil sie glauben, ihre Nase sei zu groß. Diesen Preis zahlen wir, weil wir uns durch die Augen anderer richten, einer der Flüche der menschlichen Rasse. Und ich bin damit einverstanden.

Trotzdem sehen die meisten Menschen nicht das, was ich sehe, wenn sie in den Spiegel blicken. Wenn ich mich selbst betrachte, dann sehe ich das:

Ich habe eine zerklüftete Narbe, ungefähr einen Zentimeter breit, die mitten auf der Stirn an meinem Haaransatz beginnt. Sie verläuft senkrecht nach unten, dann biegt sie in einem nahezu perfekten 45°-Winkel nach links ab. Ich habe keine linke Augenbraue; die Narbe hat ihren Platz eingenommen. Sie überquert meine Schläfe, von wo aus sie in einer trägen Schleife hinunter zu meiner Wange verläuft. Von dort zieht sie sich zu meiner Nase, tippt an ihren Rücken und kehrt wieder um, läuft diagonal über meinen linken Nasenflügel, dann an meinem Kiefer vorbei am Hals nach unten und endet auf meinem Schlüsselbein.

Die Wirkung ist beachtlich. Wenn man mich nur von rechts sieht, scheint alles ganz normal. Man muss mich von vorn ansehen, um den Gesamteindruck zu erhalten.

Jeder schaut sich wenigstens einmal am Tag im Spiegel an. Oder er sieht den Eindruck von sich in den Blicken anderer. Und er weiß, womit er zu rechnen hat. Er weiß, was andere sehen werden, was wahrgenommen wird. Ich aber sehe nicht länger das, was ich zu sehen erwarte, sondern das Spiegelbild einer Fremden, die mich hinter einer Maske hervor anstarrt. Einer Maske, die ich nicht abnehmen kann.

Wenn ich nackt vor dem Spiegel stehe, wie jetzt, dann sehe ich auch den Rest. Ich trage eine Art Halsband aus runden, zigarrengroßen Narben, das sich von einem Schlüsselbein zum anderen zieht. Weitere gleichartige Narben bedecken meine Brüste und führen von dort hinunter über mein Brustbein und meinen Bauch bis zum Ansatz meiner Schamhaare.

Die Narben sind zigarrengroß, weil sie von einer Zigarre stammen.

Wenn man all das beiseite lassen würde, sähe es gar nicht so schlecht aus. Ich bin klein, eins fünfzig groß. Ich bin nicht dünn, aber in Form. Mein Mann nannte meine Figur immer »verlockend«. Außer wegen meines Wesens, meines Herzens und meiner Seele, so sagte er immer, habe er mich wegen meiner »mundgroßen Brüste und meines herzförmigen Hinterns« geheiratet. Und ich habe langes, dichtes, dunkles lockiges Haar, das bis unmittelbar über besagten Hintern reicht. Auch mein Haar mochte er.

Es fällt mir schwer, an diesen Narben vorbeizublicken. Ich habe sie hundertmal gesehen, vielleicht tausendmal. Sie sind immer noch alles, was ich sehe, wenn ich in den Spiegel blicke. Sie stammen von dem Mann, der meinen Mann und meine Tochter getötet hat. Den später ich getötet habe.

Ich fühle eine überwältigende Leere in mich hineinströmen, wenn ich daran denke. Sie ist riesig, dunkel und absolut empfindungslos. Es ist, als würde man in ein betäubendes Gelee sinken.

Keine große Sache. Ich bin daran gewöhnt. So ist mein Leben heute eben.

Ich schlafe nicht länger als zehn Minuten, und ich weiß, dass ich heute Nacht nicht wieder einschlafen werde.

Ich erinnere mich, wie ich vor ein paar Monaten tief in der Nacht aufgewacht bin, einfach so. Diese Zeit zwischen halb vier und sechs Uhr morgens, wenn man sich fühlt, als wäre man der einzige Mensch auf der Erde – falls man zufällig auf ist. Ich hatte, wie immer, einen von meinen Träumen geträumt, und wusste, dass ich nicht wieder einschlafen würde.

Ich zog ein T-Shirt an und eine Jogginghose, schlüpfte in meine alten Turnschuhe und ging nach draußen. Ich rannte und rannte durch die Nacht, rannte, bis mein Körper nass war vor Schweiß, bis der Schweiß meine Kleidung durchtränkte und die Turnschuhe füllte, und rannte weiter. Ich schonte meine Kräfte nicht, und mein Atem ging schnell. Meine Lungen fühlten sich an wie vereist durch die Kühle der morgendlichen Luft. Aber ich hielt nicht an. Ich rannte schneller. Arme und Ellbogen pumpten, und ich rannte, so schnell ich konnte, ohne mich um irgendetwas zu kümmern.

Ich landete vor einem jener Bedarfsartikelläden, die das Tal füllen, am Straßenrand, wo ich Magensäure hochwürgte und nach Luft rang. Zwei andere morgendliche Geister starrten zu mir herüber, dann wandten sie die Blicke ab. Ich richtete mich auf, wischte mir über den Mund und stieß die Tür zum Laden auf.

»Eine Packung Zigaretten bitte«, sagte ich zu dem Inhaber, noch immer völlig außer Atem. Er war Mitte fünfzig, vermutlich ein Inder.

»Welche Marke möchten Sie?«

Die Frage verblüffte mich. Ich hatte seit Jahren nicht mehr geraucht. Ich starrte auf die Reihen hinter ihm, und mein Blick blieb an den früher geliebten Marlboros hängen.

»Marlboros. Rote.«

Er legte eine Packung vor mir auf den Tresen...



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