McIntosh | Das Mädchen im roten Kleid | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 544 Seiten

McIntosh Das Mädchen im roten Kleid

Roman
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-641-21786-0
Verlag: Blanvalet
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, 544 Seiten

ISBN: 978-3-641-21786-0
Verlag: Blanvalet
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die mitreißendste Liebesgeschichte seit 'Der Englische Patient'!
England, Herbst 1918. Ein junger Mann erwacht in einem Sanatorium ohne jede Erinnerung an sein früheres Leben. Er weiß nur, dass er während des Ersten Weltkriegs in Flandern gekämpft und dort Schreckliches erlebt hat. Als er an einem Tag im November im Garten der hübschen Schneiderin Eden Valentine begegnet, die einen Botengang für ihren Vater erledigt, überredet er sie, ihm zur Flucht zu verhelfen. Tom und Edie verlieben sich, doch können sie nicht ahnen, dass eine junge Frau verzweifelt auf der Suche nach Tom ist und ihn im Sanatorium nur knapp verpasst hat. Bald schon wird die Vergangenheit das glückliche Paar mit aller Macht einholen und ihre Liebe auf eine harte Probe stellen ...

Fiona McIntosh, geboren in Brighton, England, ist zeit ihres Lebens viel gereist: Sie verbrachte einen Teil ihrer Kindheit in Afrika, arbeitete in Paris und siedelte schließlich nach Australien über. Gemeinsam mit ihrem Mann gibt sie ein Reisemagazin heraus. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Adelaide, Südaustralien.
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1

November 1918

Der Mann schreckte aus dem Schlaf auf. Er starrte auf die vertraute Deckenfarbe, die Blasen warf, aber je mehr er versuchte, die Erinnerungen aus seinem Traum festzuhalten, desto schneller trieben sie davon, wie spinnwebfeine Seidenfäden im Wind. Doch die nächtlichen Schrecken hinterließen eine beißende Bitterkeit in seinem Mund, den metallischen Geschmack von Blut, den üblen Gestank von fauligem Fleisch und menschlichen Ausscheidungen, den durchdringenden Schießpulvergeruch und den von kaltem Tabak, Schweiß … aber vor allem den eisigen, scharfen Geschmack von Angst. Diejenigen, die ihn pflegten, versicherten ihm, er würde lediglich die Zeit in den Schützengräben noch einmal durchleben – Das kommt häufig vor; machen Sie sich keine Sorgen, es wird vergehen, und andere freundliche Beschwichtigungen –, aber nichts vermochte den wiederkehrenden Albtraum zu verscheuchen.

Er fröstelte unter der Decke des Krankenhausbettes. In einer Ecke war der Name seines gegenwärtigen Heims blau eingestickt. Edmonton-Militärhospital. Die Decke war grob und viel zu klein, aber immerhin stand sein schmales Eisenbett neben der Heizung. Der uralte, pfeifende Heizkörper tröstete ihn, und er fragte sich, wie viele andere Männer wohl in diesem Bett gelegen hatten und warum. Ein flüchtiger Beobachter hätte ihn für gesund halten können. Die Wunden waren so gut wie verheilt, und mittlerweile zeugte nur noch ein leichtes Humpeln von der Verletzung, die er sich an der Front zugezogen hatte. Wesentlich schlimmer war die unsichtbare Narbe, die er im Inneren mit sich trug.

Er konnte sich nicht daran erinnern, wie er verletzt worden war, und weil er als »unbekannter Soldat« eingeliefert worden war, konnten ihm die Ärzte und Schwestern auch nichts dazu sagen. Sie waren einhellig der Meinung gewesen, dass er dem Zustand seiner Wunden und dem besonderen Kreuz-und-quer-Stil seines Verbands nach zu urteilen eine Zeitlang in einem Feldlazarett gelegen haben musste, wahrscheinlich in Flandern. Und deshalb dachte er, er habe möglicherweise in Ypern gekämpft.

Vor einigen Monaten war er nach Hause geschickt worden, und man hatte ihn hierher nach London gebracht. Die meiste Zeit war er aufgrund einer schweren Gehirnerschütterung bewusstlos gewesen, zwischendurch hatte er Fieberanfälle durch die Infektionen gehabt und vor Schüttelfrost mit den Zähnen geklappert.

Abgesehen von den lebhaften Traumbildern, die ihm sofort entglitten, wenn er aufwachte, konnte er sich an nichts erinnern, was vor dem Juni 1918 passiert war. Seine erste klare Erinnerung war, dass er auf einem Schiff aufwachte, das den Kanal nach England überquerte. Um ihn herum sangen, rauchten, redeten Männer leise in den Ecken, während andere vor Schmerzen stöhnten. Allen war heiß, und die meisten wären wohl lieber an Deck gewesen, aber niemand beklagte sich. Sie alle waren in der Hölle gewesen und hatten überlebt. Mit ausdruckslosem Gesicht hatte er die Szene um sich herum betrachtet. Er fühlte nur Verwirrung – er konnte sich einfach nicht an das erinnern, was sie alle zu vergessen versuchten.

»Morgen, Jonesy.« Eine helle Stimme durchschnitt seine Erschöpfung und brachte ihn in die Gegenwart zurück. »Brrr … heute ist es aber kalt.«

»Guten Morgen, Nancy«, sagte er und rang sich für die Krankenschwester, die niemals ihre gute Laune zu verlieren schien, ein Lächeln ab.

»Wie geht es uns?« Sie fühlte ihm den Puls.

»Uns geht es gut«, sagte er. Das strahlende Weiß ihrer gestärkten Schürze, das einen starken Kontrast zu ihrer blauschwarzen Schwesterntracht bildete, beeindruckte ihn sehr. Beides trat jedoch in den Hintergrund vor ihren leuchtend roten Haaren. Nancy hatte die Krankenschwesternhaube so weit wie möglich zurückgeschoben, wodurch goldrote Löckchen hervorquollen. Sie war nicht unbedingt ein Hingucker, aber er fand sie trotzdem äußerst attraktiv. Ihre kecke Art war verführerisch, und sie war sogar jetzt zu spüren, während sie konzentriert zählte und auf ihre Taschenuhr blickte.

»Sie sehen auch gut aus«, sagte sie schließlich. »Und, wenn ich das sagen darf, auch sehr attraktiv trotz dieses Bartes.«

Er rieb sich über das Kinn. Noch weigerte er sich, den wilden schwarzen Bartwuchs abzurasieren.

»Vielleicht würde Sie ja jemand erkennen, wenn Sie sich rasierten«, sagte Nancy schelmisch und schüttelte ihm die Kissen auf. »Wollen Sie sich anziehen?«

»Hat das einen Sinn?«, sagte er, wobei er ihren fröhlichen Tonfall nachahmte.

Sie versetzte ihm einen leichten Klaps. »Ja, Mr Jones. Ich würde schrecklich gerne Ihren richtigen Namen erfahren. Sie klingen überhaupt nicht so, als würden Sie hierher gehören.«

»Wohin gehöre ich denn?«, fragte er und stand auf, damit sie seine Bettdecke und das Laken richten konnte. Er trat ans Fenster, wobei er zu verbergen versuchte, dass der Pantoffel an seinem linken Fuß wie ein leiser Seufzer über das Linoleum glitt.

»Oh, vermutlich an irgendeinen eleganten Ort im Süden«, antwortete sie.

Er überlegte. »Vielleicht bin ich ein berühmter Schauspieler.«

»Dann hätte ich Sie erkannt.« Stirnrunzelnd schüttelte sie den Kopf. »Ich glaube, Sie waren eher Anwalt oder Bankier«, sagte sie. »Dann würde ich definitiv mit Ihnen ausgehen.«

»Habe ich Sie darum gebeten?«, fragte er und wandte sich verlegen zu ihr um. Unwillkürlich zog er seinen Morgenmantel fester um sich.

»Nein, aber ich warte auf eine Einladung, jetzt, wo Sie wieder laufen können und wir endlich Frieden haben.« Sie warf ihm einen wissenden Blick zu.

Frieden. Das hatte für ihn keine Bedeutung. »Was haben wir heute für ein Datum, Nan?«

»Den neunzehnten November. Sie sind bestimmt nicht der Erste, der das heute fragt. Ich glaube, das ganze Land hat immer noch so eine Art Kater.« Lachend schüttelte sie den Kopf. »Ich muss mich ja selbst immer wieder kneifen. Vier Jahre …« Seufzend schnippte sie mit den Fingern. »Einfach so vorbei. Worum ist es eigentlich gegangen?«

Da fragte sie den Falschen. Er drehte sich erneut um und blickte aus dem Fenster in den gepflegten Krankenhauspark. Früher einmal, so hatte man ihm erzählt, hatten prächtige Blumenbeete den Vordereingang geschmückt, aber in den letzten Jahren war dort Gemüse angepflanzt worden. Im nächsten Frühjahr würde erneut ein Blütenmeer das Feld der Geschichte überdecken. Er befand sich in dem Flügel, den sie das Sanatorium nannten. Er lag ein wenig abseits vom Krankenhaus, und es war angenehm gewesen, als sie noch zu viert waren, aber seine drei Zimmergenossen waren mittlerweile wieder nach Hause zu ihren Familien zurückgekehrt, und jetzt verstärkte die Lage des Sanatoriums nur seine Isolation.

Ein weiterer kleiner Garten draußen war umgeben von kahlen, dornigen Rosenbüschen. Reif bedeckte den Rasen, und er sah ein Rotkehlchen in einem fast laublosen Strauch. Es hockte zwischen den orangefarbenen Hagebutten und zwitscherte melodiös. Der U-Form der olivbraunen Stirn nach zu urteilen, war es ein Männchen. Woher weiß ich das?, dachte er. Das Rotkehlchen sah so einsam aus, wie er sich fühlte, und sein Gesang klang so kläglich wie seine Stimmung. Er verstand es, weil er wusste, dass dieser Vogel die Ruhe so sehr mochte wie er.

»So, Jonesy. Ich komme gleich wieder. Haben Sie sich bis dahin geduscht?«

»Ja, bestimmt. Ich hasse es, Sie zu enttäuschen.«

Sie drückte seinen Arm. »Wenn nur alle Patienten so einfach wären wie Sie. Meinetwegen können Sie für immer hierbleiben.«

Bei ihren Worten lief es ihm eiskalt über den Rücken. Er wusste, dass sie es nur lieb gemeint hatte, aber ihm drehte sich der Magen um.

»Sie gehören zu den Glücklichen«, fügte sie hinzu. »Sehen Sie diese hübsche Frau da?« Sie wies mit dem Kinn zum Fenster, und er sah eine dunkelhaarige Frau in einem dunkelblauen Kostüm und braunen Handschuhen, die den Weg entlangging, der an seinem Flügel vorbeiführte. »Ich habe heute gehört, dass sie ihren Bruder verloren hat. Er muss in Ihrem Alter gewesen sein; sie sagte, er sei dreiunddreißig gewesen. Sie klang so niedergeschlagen … als ob es erst gestern passiert wäre.«

»Vermisst?«

»Nein, gefallen, aber es gibt keine genauen Informationen darüber – seine Leiche wurde neben anderen namenlosen Soldaten 1915 beerdigt. In Ypern, meine ich, hätte sie gesagt.«

Er blinzelte. »Wo ich war?«

»Wir nehmen an, dass Sie von dort gekommen sind«, sagte sie und hob warnend den Finger.

Die Frau war hinter der Hecke verschwunden. »Wen besucht sie?«

»Niemanden. Dort, wo Sie an den meisten Tagen mürrisch draußen sitzen, befindet sich auch der Lieferanteneingang.« Nancy zuckte mit den Schultern. »Sie hat dem Krankenhausdirektor etwas gebracht. Anscheinend hat sie in der Cafeteria auf ihn gewartet. Dort habe ich gehört, wie sie über ihren Bruder geredet hat.« Nancys Tonfall wurde wieder sachlich. »So, und jetzt ab in die Dusche. Danach gehen Sie in den Frühstücksraum …«

»Oh, Nancy, ich würde lieber …«

»Ja, Mr Jones, ich weiß, was Sie lieber würden, aber … Krankenhausordnung.«

»Was ist mit der Spanischen Grippe?«

Sie blinzelte und war sofort abgelenkt. »Wir haben in der Nacht zwei weitere Patienten verloren. Und zwei Krankenschwestern – mittlerweile sind vier von uns gestorben.«

»Nan, das tut mir so leid«, sagte er, beschämt, weil er ihr die gute Laune verdorben hatte.

»Es ist eine schreckliche...


McIntosh, Fiona
Fiona McIntosh, geboren in Brighton, England, ist zeit ihres Lebens viel gereist: Sie verbrachte einen Teil ihrer Kindheit in Afrika, arbeitete in Paris und siedelte schließlich nach Australien über. Gemeinsam mit ihrem Mann gibt sie ein Reisemagazin heraus. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Adelaide, Südaustralien.



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