E-Book, Deutsch, Band 06, 528 Seiten
Reihe: Vampire-Academy-Reihe
Mead Vampire Academy - Schicksalsbande
1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-8025-8573-9
Verlag: LYX
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 06, 528 Seiten
Reihe: Vampire-Academy-Reihe
ISBN: 978-3-8025-8573-9
Verlag: LYX
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Rose Hathaway glaubte, alles würde endlich gut werden, wenn sie nur ihren Geliebten Dimitri von der Seite der Strigoi zurückholen könnte. Doch nachdem ihr dies gelungen ist, bricht ihre Welt von Neuem zusammen. Die Königin der Moroi-Vampire wurde ermordet und Rose ist die Hauptverdächtige. Nun droht ihr die Todesstrafe, wenn sie nicht beweisen kann, dass sie unschuldig ist. Dabei bräuchte ihre Freundin Lissa sie jetzt mehr denn je, denn man versucht ihr den Anspruch auf den Thron streitig zu machen. Und Dimitri, traumatisiert durch die Zurückverwandlung in einen Dhampir, will nichts mehr von Rose wissen. Kann Rose ihre Leben und ihre Liebe retten?
Richelle Meadhat Kunst, Religion und Englisch studiert. Alles begann mit Geschichten über Einhörner und Zauberer, die sie schon als kleines Kind schrieb. Dem Erfolg ihres ersten RomansSUCCUBUS BLUESschloss sich die Roman-SerieVAMPIRE ACADEMYan. Damit gelang ihr auf Anhieb der Sprung auf die amerikanische und dieSPIEGEL-Bestsellerliste.
Weitere Infos & Material
2
Wie immer verlor ich die Orientierung. Gesichter und Schädel, durchscheinend und leuchtend, umschwebten mich. Sie wurden zu mir hingezogen und drängelten sich in einer Wolke an mich heran, als müssten sie mir alle unbedingt etwas sagen. Und wahrscheinlich war es auch so – wirklich. Die Geister, die in dieser Welt verblieben, waren rastlos, Seelen, die aus ganz bestimmten Gründen nicht weiterzogen. Als mich Lissa von den Toten zurückgeholt hatte, hatte ich eine Verbindung zur Welt der Geister bewahrt. Es hatte mich viel Arbeit und Selbstbeherrschung gekostet zu lernen, wie ich die Phantome ausblenden konnte, die mir folgten. Die magischen Zeichen, die den Hof der Moroi beschützten, hielten tatsächlich die meisten Geister von mir fern, aber diesmal wollte ich sie hier haben. Ihnen diesen Zugang aber zu gewähren, sie einzulassen … na ja, es war gefährlich.
Irgendetwas sagte mir, dass es, wenn es jemals einen rastlosen Geist gegeben hatte, dann eine Königin wäre, die in ihrem eigenen Bett ermordet worden war. In dieser Schar sah ich zwar keine vertrauten Gesichter, doch ich gab die Hoffnung nicht auf.
„Tatiana“, murmelte ich und konzentrierte mich auf das Gesicht der toten Königin. „Tatiana, kommen Sie zu mir.“
Früher war ich schon einmal in der Lage gewesen, einen bestimmten Geist mühelos heraufzubeschwören: meinen Freund Mason nämlich, den die Strigoi getötet hatten. Obwohl Tatiana und ich einander nicht so nah waren wie Mason und ich, hatte aber trotzdem eine gewisse Verbindung zwischen uns bestanden. Für eine Weile geschah nichts. Derselbe Nebel von Gesichtern kreiste immerzu vor mir in der Zelle, und allmählich geriet ich in Verzweiflung. Dann aber war sie plötzlich da.
Sie stand in der Kleidung vor mir, in der sie auch ermordet worden war: einem langen Nachthemd sowie einem blutbefleckten Morgenmantel. Ihre Farben waren blass und flackerten wie auf einem defekten Fernsehbildschirm. Dennoch verliehen ihr die Krone auf dem Kopf und die vornehme Haltung die gleiche königliche Ausstrahlung, an die ich mich erinnerte. Sobald sie erschienen war, sagte und tat sie erst einmal gar nichts. Sie sah mich einfach nur an, und der Blick ihrer dunklen Augen durchbohrte praktisch meine Seele. Mich überkamen die widerstreitendsten Gefühle, dabei wurde mir die Brust eng. Die übliche, rein gefühlsmäßige Reaktion auf Tatianas Nähe – Ärger und Groll – flammte auf, wurde jedoch bald schon von einer überraschenden Woge des Mitleids überschwemmt. Kein Leben sollte ein solches Ende finden wie das ihre.
Ich zögerte, weil ich Angst bekam, die Wachen würden mich hören. Irgendwie hatte ich jedoch den Eindruck, dass die Lautstärke meiner Stimme keine Rolle spielte und niemand von ihnen sehen konnte, was ich sah. Ich hielt den Brief hoch.
„Haben Sie das geschrieben?“, hauchte ich. „Ist es wahr?“
Sie sah mich weiter an. Masons Geist hatte sich damals ganz ähnlich verhalten. Es war eine Sache, Tote heraufzubeschwören, sich mit ihnen zu verständigen aber eine ganz andere.
„Ich muss es wissen. Wenn es noch einen Dragomir gibt, werde ich ihn finden.“ Es hatte keinen Sinn, sie auf die Tatsache aufmerksam zu machen, dass ich gar nicht in der Lage war, etwas oder jemanden zu finden. „Aber Sie müssen es mir sagen. Haben Sie diesen Brief geschrieben? Ist es wahr?“
Nur dieser aufreizende Blick antwortete mir. Meine Verzweiflung wuchs, und der Druck, den all diese Geister ausübten, bescherte mir allmählich Kopfschmerzen. Offenbar konnte Tatiana einem im Tod genauso auf die Nerven gehen, wie sie es im Leben getan hatte.
Ich wollte gerade meine Mauern wieder hochziehen und die Geister wegdrängen, als Tatiana dann doch eine winzige Bewegung machte. Ein schwaches Nicken, kaum wahrnehmbar. Dann richtete sie den Blick auf den Brief in meiner Hand und war verschwunden – einfach so.
Ich riss meine Barrieren also wieder hoch und schirmte mich unter Aufbietung all meiner Willenskraft gegen die Toten ab. Die Kopfschmerzen ließen zwar nicht nach, aber diese Gesichter verschwanden. Ich setzte mich aufs Bett und starrte blicklos den Brief an. Ich hatte also meine Antwort. Der Brief war echt. Tatiana hatte ihn geschrieben. Irgendwie bezweifelte ich nämlich, dass ihr Geist einen Grund hatte zu lügen.
Ich streckte mich aus, legte den Kopf auf das Kissen und wartete darauf, dass dieses schreckliche Pulsieren verschwand. Ich schloss die Augen, kehrte über unser Band zu Lissa zurück und wollte feststellen, was sie getan hatte. Seit meiner Verhaftung hatte sie meinethalben unermüdlich gefleht und gestritten, also erwartete ich, dass sie jetzt das Gleiche täte. Stattdessen machte sie … einen Einkaufsbummel.
Beinahe war ich wegen der Frivolität meiner besten Freundin beleidigt, bis ich begriff, dass sie nach einem Kleid für das Begräbnis suchte. Sie befand sich in einem der versteckten Geschäfte des Hofes, das einer der Lieferanten der Royals leitete. Zu meiner Überraschung war Adrian bei ihr. Der Anblick seines vertrauten Gesichtes linderte die Angst in mir ein wenig. Ein schneller Blick in Lissas Geist verriet mir, warum er bei ihr war: Sie hatte ihn dazu überredet mitzukommen, weil sie nicht wollte, dass er allein blieb.
Das konnte ich gut verstehen. Er war nämlich vollkommen betrunken. Ein Wunder, dass er sich auf den Beinen halten konnte, und tatsächlich hatte ich den starken Verdacht, dass ihn allein die Wand, an der er lehnte, noch aufrecht hielt. Sein braunes Haar war völlig zerzaust – und zwar nicht so gewollt wie sonst üblich. Seine dunkelgrünen Augen wirkten blutunterlaufen. Wie Lissa war Adrian ein Benutzer von Geist. Er besaß eine Fähigkeit, die sie noch nicht hatte: Er konnte Leute in ihren Träumen besuchen. Seit meiner Einkerkerung hatte ich ihn erwartet, und jetzt verstand ich, warum er nicht gekommen war. Alkohol behinderte Geist. In gewisser Weise war das auch gut so. Der exzessive Gebrauch von Geist erzeugte nämlich eine Dunkelheit, die seine Benutzer in den Wahnsinn trieb. Doch darüber hinaus war es auch nicht allzu gesund, sein Leben in permanenter Trunkenheit zu verbringen.
Sein Anblick durch Lissas Augen löste eine emotionale Verwirrung in mir aus, die genauso intensiv war wie diejenige bei Tatiana. Er tat mir leid. Er machte sich offensichtlich Sorgen um mich, und die verblüffenden Ereignisse der vergangenen Woche hatten ihn ganz genauso aus heiterem Himmel getroffen wie uns andere auch. Außerdem hatte er seine Tante verloren, die er trotz ihrer Schroffheit sehr gemocht hatte.
Dennoch empfand ich … Verachtung. Es war vielleicht unfair, aber ich konnte nicht anders. Er bedeutete mir so viel, und ich konnte seine Bestürzung durchaus verstehen, aber es gab doch wesentlich bessere Möglichkeiten, mit seinem Verlust fertig zu werden. Sein Verhalten erschien mir beinahe feige. Er versteckte sich vor seinen Problemen in einer Flasche, und das ging mir völlig gegen den Strich. Ich? Ich konnte mich meinen Problemen jedenfalls nicht kampflos ergeben.
„Samt“, erklärte die Ladeninhaberin Lissa mit Überzeugung. Die verhutzelte Moroi hielt gerade ein voluminöses langärmeliges Kleid hoch. „Samt ist traditionell für die königliche Eskorte bestimmt.“
Über das übliche Tamtam hinaus würde bei Tatianas Begräbnis eine zeremonielle Eskorte neben dem Sarg hergehen, die aus je einem Repräsentanten jeder Familie bestand. Offenbar hatte niemand etwas dagegen, dass Lissa diese Rolle für ihre Familie übernahm. Aber ein Stimmrecht? Das war natürlich eine andere Geschichte.
Lissa musterte das Kleid. Es sah eher nach einem Halloween-Kostüm aus als nach einem Trauergewand. „Es ist über dreißig Grad warm da draußen“, sagte Lissa. „Und feucht.“
„Die Tradition verlangt Opfer“, sagte die Frau melodramatisch. „Das Gleiche gilt für die Tragödie.“
Adrian öffnete den Mund; zweifellos lag ihm eine unpassende, spöttische Bemerkung auf der Zunge. Lissa schüttelte jedoch heftig den Kopf, woraufhin er den Mund hielt. „Haben Sie nichts, hm, Ärmelloses da?“
Die Augen der Verkäuferin wurden groß. „Niemand hat jemals zu einer königlichen Begräbnisfeier Trägerkleider angelegt. Es wäre unpassend.“
„Was ist mit Shorts?“, fragte Adrian. „Sind die okay, wenn man dazu eine Krawatte trägt? So wollte ich nämlich hingehen.“
Die Frau wirkte entsetzt. Lissa warf Adrian einen geringschätzigen Blick zu, weniger wegen der Bemerkung – die fand sie amüsant –, sondern weil seine ständige Trunkenheit auch sie anwiderte.
„Na ja, niemand behandelt mich wie ein vollwertiges Mitglied der Königsfamilie“, sagte Lissa und drehte sich wieder zu den Kleidern um. „Also muss ich mich doch jetzt auch nicht wie eins verhalten. Zeigen Sie mir Ihre Trägerkleider mit kurzen Ärmeln.“
Die Verkäuferin verzog das Gesicht, fügte sich jedoch. Für sie war es sicher kein Problem, Royals modisch zu beraten, aber sie würde es niemals wagen, ihnen etwas zu befehlen. Das war Teil der Hierarchie in unserer Welt. Die Frau durchquerte den Laden, um die erbetenen Kleider zusammenzusuchen, und im gleichen Augenblick betraten Lissas Freund und dessen Tante das Geschäft.
Adrian, so dachte ich, sollte genauso sein wie...




