Meyer-Pyritz Feuer aus!
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-7700-4123-7
Verlag: Droste Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein Leben für die Feuerwehr
E-Book, Deutsch, 272 Seiten
ISBN: 978-3-7700-4123-7
Verlag: Droste Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Martin Meyer-Pyritz, Jahrgang 1950, Hauptbrandmeister, stand 35 Jahre als Ausbilder, Teamführer eines Notarztwagens und Dienstgruppenleiter einer Zugwache im aktiven Dienst der Düsseldorfer Berufsfeuerwehr. Darüber hinaus war er weltweit für die Deutsche Flugambulanz im Einsatz.
Zielgruppe
Feuerwehrinteressierte
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Die Spezialtaschenlampe
Kennen Sie noch die geradezu legendäre Daimon Taschenlampe aus schwarz gelacktem, dünnem Blech mit dem am oberen Ende abklappbaren, geschlitzten, spitz zulaufenden Lederstück, mit dem man sie am Knopf seiner Jacke befestigen konnte? Die mit dem kleinen, funzeligen Birnchen und dem runden Schraubgewinde? Der Clou dieser Taschenlampe bestand in einem rot und einem grün gefärbten Glas, das man vor den runden Reflektor schieben konnte. Gespeist wurde die Lampe von einer 1,5 Volt Flachbatterie mit zwei dünnen, goldfarbenen Metalllaschen, von denen die längere um 180 Grad abgebogen wurde. Um die Batterie einzulegen, musste man lediglich den hinteren Deckel der Lampe wie eine Tür aufklappen. Mit diesen – besonders von Jungen wie mir – heiß begehrten Taschenlampen waren damals alle Polizeidienststellen und Feuerwehren ausgestattet. Wer als Kind solch eine Lampe besaß, konnte damit natürlich hervorragend Polizist oder Feuerwehrmann spielen.
Daran hatte ich, als ich mich im Jahr 1975 bei der Berufsfeuerwehr Düsseldorf bewarb, allerdings nicht gedacht. Damals rückten die Löschfahrzeuge, allesamt versehen mit großen, gelben Aufklebern, zu Einsätzen aus. In fetten, schwarzen Druckbuchstaben stand auf den Wagen, dass die Landeshauptstadt dringend neue junge Feuerwehrmänner suchte. Zuvor war mir nie in den Sinn gekommen, ein Feuerwehrmann zu werden.
Ich hatte meinen Gesellenbrief als Maschinenschlosser in der Tasche, die Abendrealschule abgeschlossen und das Wilhelm-Heinrich-Riehl-Kolleg zur Erlangung der staatlichen Hochschulreife nach drei Semestern wegen notorischer Faulheit in den Fächern Latein und Mathematik abgebrochen. Ich war frisch verheiratet und besaß einen Studienplatz an der Essener Kunsthochschule, dessen Abschluss mich später befähigt hätte, Grundschullehrer zu werden. Aber bevor ich dieses Studium beginnen konnte, musste ich, weil ich den Wehrdienst mit der Waffe verweigert hatte, meinen Zivildienst antreten. Ich absolvierte ihn bei einer Rettungsdienstorganisation in meiner Heimatstadt Ratingen, wodurch ich in Kontakt mit der Feuerwehr kam. Vom Feuerwehrbazillus befallen gab ich meine bisherigen beruflichen Pläne auf und bewarb mich bei der Düsseldorfer Feuerwehr.
Für mich, den 25-jährigen Kampfsportler und Langstreckenläufer stellte die sportliche Aufnahmeprüfung keine besondere Herausforderung da. Mein damaliges Gewicht betrug zwar nur 67 Kilogramm, ich konnte es mit den meisten der kräftiger wirkenden Mitbewerber aber locker aufnehmen.
Ich begann meine Ausbildung zusammen mit Stephan Boddem, einem Mann, der mir nicht nur ein guter Freund, sondern später sogar einer meiner Direktoren werden sollte.
Als wir mit den anderen Lehrgangsteilnehmern das erste Mal auf dem Feuerwehrhof der Feuerwache 2 im Stadtteil Oberkassel zur praktischen Übung antraten, froren wir jämmerlich. Unsere damalige Einsatzkleidung mutet aus heutiger Sicht geradezu lächerlich an: Sie bestand lediglich aus einer dünnen, schwarzen Tuchhose und einem ebenso dünnen, dunkelblauen Jackett mit mattsilbernen Metallknöpfen und V-Ausschnitt, unter dem ein graues, langärmeliges Oberhemd mit schwarzer Krawatte getragen wurde. Komplementiert wurde diese Uniform mit jener dunkelblauen Schirmmütze, an deren Vorderseite das silberfarbene Abzeichen der Feuerwehr angebracht war. (Ein stilisiertes Flammensymbol mit zwei über einem Helm gekreuzten Beilen.) Darüber steckte eine runde, schwarz-rot-goldene Kokarde. Natürlich trugen wir die typischen Feuerwehrstiefel. Aber das Einzige, was das damalige Schuhwerk mit unseren heutigen Feuerwehrsicherheitsstiefeln gemein hatte, war die schwarze Farbe des Leders. Ansonsten war von Hightech noch rein gar nichts zu spüren. Statt einer gut profilierten, hochabriebfesten, durchtrittssicheren und weitgehend chemikalienresistenten Sohle, die wasserfest mit dem gepolsterten Schaft verschweißt ist, besaßen unsere Stiefel lediglich eine schlichte Lederbrandsohle. Eine die, wenn sie durchgelaufen war, von Feuerwehrmännern die das Schusterhandwerk beherrschten, in feuerwehreigenen Werkstätten mittels kleiner, eingeschlagener Holzstifte und Spezialleim neu besohlt wurden. Stahlkappen zum Schutz der Zehen gegen herabfallende Gegenstände waren zu jener Zeit noch ein Fremdwort. Damals gab es auch nur schlichte Rohrführerhandschuhe aus einfachem Rindspaltleder.
In genau dieser Bekleidung rückten wir zur Brandbekämpfung aus – dabei wurde von der Amtsleitung großer Wert auf das Tragen der akkurat gebundenen schwarzen Krawatte gelegt. Um zumindest gegen die Unbilden des Wetters wie Regen, Sturm, Hagelschlag und Schnee, Frost und Feuersbrunst ein wenig geschützt zu sein, erhielt jeder Feuerwehrmann eine dreiviertellange, schwarze Lederjacke, die aus heutiger Sicht völlig unzureichend war.
Heute trägt die Feuerwehr im Einsatz die so genannte HuPF-Bekleidung. Eine dicke, über die Hüfte reichende Überhose mit angenähten Trägern mit einer dazu passenden, dreiviertellangen, weit geschnittenen Jacke mit großen Seitentaschen, einer zusätzlichen Brusttasche für das Funkgerät und einem Karabinerhaken, an den man seine ex-geschützte Handlampe einklinken kann. Die Knie- und Ellenbogenpartien sind gepolstert und mit Kevlar, einem hochabrieb- und schnittfestem Material besetzt. Die Jacken verfügen über hochschließende Kragen und haben Klettverschlüsse an den Ärmelabschlüssen. Konsequent richtig angezogen und in Kombination mit einer Flammschutzhaube, schützt diese hochwertige Einsatzbekleidung ihren Träger sogar bei einer kurzfristigen Vollbeflammung.
Einzig der alte Feuerwehrhelm, den ich schon 1975 in der Grundausbildung trug, hat sich bei der Düsseldorfer Feuerwehr bis in die heutige Zeit hinein gehalten. Wenngleich viele Wehren schon seit Jahren diverse neue Modelle verwenden, sind wir diesem einsatzerprobten Helm treu geblieben. Lediglich das alte Nackenleder, das vor herabtropfenden heißen Kunststoffen, glühenden Funken und anderem schützen sollte, ist einem funktionelleren Hollandtuch gewichen.
Eines hat sich jedoch über die ganzen Jahre nicht geändert – die Motivation der Feuerwehrmänner. Von wenigen Ausnahmen abgesehen ergreifen auch heute die meisten Anwärter aus persönlicher Überzeugung und voller Idealismus diesen schwierigen und manchmal auch gefährlichen Beruf. Diese Bereitschaft, sich voll einzubringen, stellt das eigentliche Rückgrat der Feuerwehren dar. Die Städte und Kommunen können immer nur die notwendigen Rahmenbedingungen bieten: Fahrzeuge mit guter Ausstattung, eine qualifizierte Ausbildung und hochwertige persönliche Schutzbekleidung; eine angemessene Vergütung und eine Absicherung für diejenigen von uns, die im Einsatz verunfallen oder gar ihr Leben lassen.
Wir waren damals dazu bereit, uns dieser Aufgabe zu stellen. Wir waren jung, voller Kraft und Elan, voller Enthusiasmus und willens, sogar das Unmögliche möglich zu machen. Jeder hatte einen Eid geschworen, notfalls das eigene Leben zu geben, wenn es unumgänglich wäre, das Leben anderer zu retten.
Und heute? Wie sieht mein persönlicher Rückblick diesbezüglich aus?
Ich erinnere mich noch genau an verschiedene Einsatzsituationen, in denen ich – bewusst oder unbewusst – mein Leben riskiert habe. Einige Dinge würde ich aus heutiger Sicht anders machen, besonders jene hochrisikoreichen Aktionen, welche mehr von jugendlichem Übermut als von vernunftgesteuerten Überlegungen getragen wurden.
So habe ich mich einmal im Frühjahr in die eiskalten Fluten des Rheins gestürzt, um einen Menschen zu retten. Ohne Leinensicherung ein geradezu hasardeurhaftes Vorgehen! Fast hätte es mich dabei erwischt. Mit den Jahren bin ich reifer geworden, habe gelernt, meine Möglichkeiten besser einzuschätzen und dementsprechend umsichtiger zu handeln. Dennoch habe ich meine innere Bereitschaft, im Notfall auch bis zum Äußersten zu gehen, nie aufgegeben. Das mag sich vielleicht pathetisch anhören, aber dieser, meiner festen Überzeugung entsprechend habe ich immer gehandelt.
Mit dieser Einstellung stehe ich nicht allein. Überall gibt es Feuerwehrmänner und inzwischen auch Feuerwehrfrauen, die diese Überzeugung mit mir teilen. Deshalb sind wir aber noch lange nicht so verrückt, ohne Sinn und Verstand unser eigenes Leben wegzuwerfen, wenn es gilt, Menschen zu retten. Man muss lernen, das Risiko abzuwägen und einzuschätzen, und man muss wissen, was man sich selber zumuten kann. Manchmal gibt es besonders gefährliche Situationen, in denen es schon den Mut eines Löwen bedarf, und nicht jeder oder jede ist dazu berufen.
Mindestens ebenso wichtig ist der Zusammenhalt der Gruppe. Feuerwehr ist immer eine Gemeinschaftsleistung. Unsere Gemeinschaft und unser zielgerichtetes Vorgehen, bei dem der eine den anderen schützt, machen uns stark. Stark – aber nicht unverwundbar. Damit wir das verbleibende Risiko so weit wie möglich minimieren, nutzen verantwortungsvolle Einsatzkräfte alle Sicherheitseinrichtungen und Geräte, die ihnen zur Verfügung stehen.
Der Tür auftretende Rambo, der ich früher einmal war, ist heute nicht mehr gefragt. Es gibt bessere Methoden, bei denen man sich nicht sein Fußgelenk an einem versteckten Sicherheitsriegel verstaucht. Man springt auch nicht ungesichert von einem Balkon zum nächsten, um in eine Wohnung zu gelangen, von der man nicht einmal weiß, ob dort wirklich ein Mensch in akuter Gefahr schwebt. Und man rennt auch nicht kopflos in eine ungesicherte Unfallstelle auf der Autobahn, ohne vorher die Einsatzstelle rückwärtig abzusichern. Und man begibt sich nicht in eine giftgasgeschwängerte Atmosphäre ohne Atemschutz. Und und und …
Wie lautet doch gleich der Spruch der Freiwilligen Feuerwehren: Gott zur Ehr,...