E-Book, Deutsch, Band 54, 320 Seiten
Reihe: Nuncius Hamburgensis - Beiträge zur Geschichte der Naturwissenschaften
Meyer / Wolfschmidt Auf den Spuren Johannes Keplers - Zu seinem 450. Geburtstag
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-347-28160-8
Verlag: tredition
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Bearbeitet und herausgegeben von Gudrun Wolfschmidt. Nuncius Hamburgensis; Band 54
E-Book, Deutsch, Band 54, 320 Seiten
Reihe: Nuncius Hamburgensis - Beiträge zur Geschichte der Naturwissenschaften
ISBN: 978-3-347-28160-8
Verlag: tredition
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Vor 450 Jahren wurde Johannes Kepler geboren. Dieses Buch 'Auf den Spuren Johannes Keplers' von Erich Meyer gibt einen sehr guten Überblick über sein Leben, seine Wirkungsorte, die Kontakte mit seiner Scientific Community, die Aufstellung der Gesetze der Planetenbewegung und seine vielen weiteren Leistungen auf dem Gebiet der Mathematik, der Optik, der Konstruktion des astronomischen Fernrohrs. Bis heute hat Kepler damit eine grosse Bedeutung -- nicht zuletzt weist darauf das 'Kepler' Weltraumteleskop hin, mit dem man erfolgreich nach Exoplaneten gesucht hat. Auf der Spurensuche nach den bisher unbekannten Wohnhäusern von Johannes Kepler während seines 14-jährigen Aufenthalts in Linz stieß der Autor auf bisher unbekannte Details aus dem Alltag und dem Wirken des großen Universalgelehrten. Begeben Sie sich auf eine Zeitreise und tauchen Sie anhand vieler Zitate und Ausschnitte aus Originaldokumenten und Briefen in Keplers Lebens- und Gedankenwelt ein. Dabei erhalten Sie auch viele interessante Informationen über sein Familienleben und seine Freunde und Bekannten, von denen viele aus seiner Heimat Württemberg stammten. Zahlreiche epochale Errungenschaften und Erkenntnisse, die Johannes Kepler trotz schwieriger äußerer Umstände und ständiger Geldsorgen nicht nur auf dem Gebiet der Astronomie, sondern auch in anderen Wissensbereichen gelangen, haben auch für die heutige Zeit noch Gültigkeit.
Homepage https://www.fhsev.de/Wolfschmidt/index.html Nuncius Hamburgensis - Beiträge zur Geschichte der Naturwissenschaften https://www.fhsev.de/Wolfschmidt/GNT/research/nuncius.php Publikationen https://www.fhsev.de/Wolfschmidt/publikat.php#2020
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Vorwort: Johannes Kepler (1571–1630) – Auf dem Weg zur Neuen Astronomie Wolfschmidt, Gudrun (Hamburg) Als Motto Keplers möchte ich die Inschrift auf seinem Epitaph voranstellen: „Mensus eram Coelos, nunc terrae metior umbras. Mens coelestis erat, corporis umbra iacet.“1 Vor 450 Jahren wurde Johannes Kepler geboren.2 Dieses Buch Auf den Spuren Johannes Keplers von Erich Meyer gibt einen sehr guten Überblick über sein Leben, seine Wirkungsorte, die Kontakte mit seiner Scientific Community, die Aufstellung der Gesetze der Planetenbewegung und seine vielen weiteren Leistungen auf dem Gebiet der Mathematik, der Optik, der Konstruktion des astronomischen Fernrohrs. Bis heute hat Kepler damit eine grosse Bedeutung – nicht zuletzt weist darauf das Kepler Weltraumteleskop (vgl. Abb. 5.21, S. 240) hin, mit dem man erfolgreich nach Exoplaneten gesucht hat. In meinem Vorwort möchte ich den Schwerpunkt auf Keplers Beitrag zur wissenschaftlichen Revolution,3 zur Entstehung des neuen Weltbildes legen. 0.1 Antikes und mittelalterliches geozentrisches Weltbild Beginnen wir mit dem antiken Weltbild: Blickt man hinauf zum Himmel, drängt sich der Eindruck auf, alles dreht sich um uns. Die Sonne geht auf, erreicht ihren höchsten Punkt im Süden und geht schließlich unter. Wir beobachten die Sterne, die während der Nacht von Ost nach West wandern. So ist es verständlich, daß sich der Mensch im Zentrum des Kosmos wähnte. So entstand das geozentrische Weltsystem des Aristoteles (384–322 v. Chr.), bei dem die Erde das Zentrum des Universums bildete und das bis ins Mittelalter seine Gültigkeit behielt.4 Voraussetzung für jedes Weltmodell war – nach Platon (428–347 v. Chr.) – daß sich die Planeten als göttliche Wesen auf spezielle Art bewegen: Abbildung 0.2:
Planeten bewegen sich auf elliptischen Keplerbahnen um die Sonne.
Der Exoplanet Kepler-22b umkreist den G5-Stern und liegt in der habitablen Zone.
Das Kepler Weltraumteleskop spürte mehr als 2.500 Exoplaneten auf. (künstlerische Darstellung, Grössenvergleich mit unserem Planetensystem), (NASA, Ames, JPL/Caltech) 1. Die Himmelskörper müssen sich auf Kreisen um die Erde bewegen, d.h. auf (konzentrischen) Kreisbahnen und 2. Die Bewegung dieser Kreise muß mit konstanter Geschwindigkeit erfolgen, d. h. sie müssen sich gleichmäßig (gleichförmig) bewegen. Die Wurzeln dieser Forderung, die in umgekehrter Formulierung auch bei den Pythagoreern vorkommt, liegen im allgemeinen griechischen Verständnis von Einfachheit und Harmonie. Nur eine Kreisbewegung konnte vollkommen ausgewogen und ewig sein. Die Geometrie wurde damit zur Modellwissenschaft – weit über den heutigen Bereich von Wissenschaft hinaus (Teichmann 1999). Aber es gab Probleme bei der Aufstellung eines Weltbildes, zwei Anomalien mußten berücksichtigt werden: • Die erste Anomalie besteht in der ungleichmäßigen Geschwindigkeit der Planeten auf ihrer Bahn, was sich bei der Sonne durch die ungleich langen Jahreszeiten bemerkbar macht (bei den Planeten handelt es sich um die „siderische Periode“, das ist die Zeit, bis ein Planet wieder die gleiche Stellung zum Fixsternhimmel einnimmt. • Die zweite Anomalie besteht in der schwer erklärbaren Schleifenbewegung und Rückläufigkeit der Planeten („synodische Periode“). Um größere Übereinstimmung mit seinen Beobachtungen zu erreichen, erdachte sich Klaudios Ptolemaios (100–170 n.Chr.) ein geometrisch-mathematisches Modell: Er kombinierte die Epizykel des Apollonius von Perge (240–170 v. Chr.) mit der exzentrischen Bewegung nach Hipparch von Nikaia (190–120 v.Chr.). Zusätzlich führte er einen Äquanten (Ausgleichspunkt) ein, auf den bezogen die Geschwindigkeit des Planeten vom Beobachter aus gleichförmig erscheint. Ptolemaios erhob allerdings keinen Anspruch darauf, daß dieses hypothetische Modell physikalisch real existiere. Das System sollte also nur gestatten, den Lauf von Sonne, Mond und Planeten zu berechnen und deren Sichtbarkeit und Finsternisse vorherzusagen. 0.2 Das neue heliozentrische Weltbild des Nikolaus Copernicus (1473–1543) Nikolaus Copernicus (1473–1543) widmete sich dem Studium der „Sieben Freien Künste“ in Krakau am Collegium Maius der Jagellonischen Universität (1491 bis 1495).5 Diese war ein bedeutendes Zentrum der Wissenschaften, speziell der Astronomie. Danach studierte Copernicus in humanistischer Tradition in Italien, zunächst in Bologna Rechtswissenschaften (1496 bis 1500), dann an der Universität Padua Medizin (1501 bis 1503); an der Universität Ferrara wurde er 1503 als Doktor des Kirchenrechts promoviert. „ Über die bislang herrschende Unsicherheit der Mathematiker bei der Berechnung der Bewegungen des Systems der Himmelskörper habe ich lange nachgedacht. […] Aus diesem Grund nahm ich mir die Mühe, die Werke aller Philosophen wieder zu lesen, deren ich habhaft werden konnte; ich wollte ausfindig machen, ob irgendeiner von ihnen je auf den Gedanken gekommen war, die Bewegungen der Himmelskörper könnten andere sein als die von den mathematischen Schulen angenommenen.“ (Copernicus: De revolutionibus. Vorrede. Zitiert nach Menzzer 1959, S. 4–5 oder S. 6). Angeregt von antiken Quellen, besonders von Philolaos (~470–380/399 v. Chr.) und anderen,6 gab Nikolaus Copernicus der Sonne statt der Erde den Platz im Zentrum des Kosmos. Copernicus griff also auf antike Vorbilder zurück und ersetzte das im Mittelalter verbreitete Weltbild des Aristoteles durch sein heliozentrisches System, wobei er besonderen Wert darauf legte, die antiken Voraussetzungen von Kreisbewegung und gleichförmiger Geschwindigkeit einzuhalten. Zwischen 1507 und 1514 verfaßte Copernicus sein erstes astronomisches Werk Commentariolus, den ersten Entwurf für sein neues Weltsystem. Copernicus strebte ein harmonisches Weltbild an, d. h. er versuchte, wieder eine Einheit zwischen physikalischer Realität – dem Weltbild des Aristoteles – und mathematischem Modell – des Ptolemaios – herzustellen (Krafft 1973). Aber das neue Weltbild des Copernicus beruhte allerdings noch auf komplizierten Kreisbewegungen (Epizykeltheorie). Mit der Methode der Antike (Ptolemaios) schuf Copernicus sein neues Weltbild. Allerdings konnte Copernicus auf den Äquanten, den fiktiven Ausgleichspunkt, des Ptolemaios verzichten. Zur Veröffentlichung seines Hauptwerks kam es erst durch den Besuch von Georg Joachim Rheticus (1514–1574), eines protestantischen Theologen der Wittenberger Universität bei Copernicus. Rheticus verfaßte seine Narratio prima (Danzig 1540), eine erste Darstellung der neuen copernicanischen Vorstellungen. Dann übergab er die Überwachung des Drucks von Copernicus’ Buch an Andreas Osiander (1498–1552), einem lutherischen Theologen und Mathematiker an der Lorenzkirche in Nürnberg, der allerdings die neue Theorie als Hypothese bezeichnete – was mit großer Wahrscheinlichkeit der Intention des Copernicus widersprach. „Im Hinblick auf Hypothesen war ich von jeher der Ansicht, daß sie keine Glaubensartikel darstellen, sondern Berechnungsgrundlagen. Selbst wenn sie also falsch sind, bedarf es keiner Aufregung, solange sie genau die Phänomene der Bewegung wiedergeben. Denn wenn wir den Hypothesen des Ptolemäus folgen, wer kann uns da sagen, ob die ungleichmäßige Bewegung der Sonne durch einen Epizykel oder durch die Exzentrizität verursacht wird, vermag doch jedes von beiden das Phänomen zu erklären?“7 Abbildung 0.3:
Heliozentrisches Weltbild mit den vier Jupitermonden, Andreas Cellarius (~1596–1665) – Copernicus sitzt rechts unten Cellarius, Andreas: Harmonia Macrocosmica Amsterdam 1660/61, S. 92. So erschien das Hauptwerk des Copernicus De revolutionibus orbium coelestium („Von den Umdrehungen der Himmelssphären“) 1543 in Nürnberg, gedruckt bei Johannes Petreius (1497–1550). 0.3 Die Rezeption des Copernicanischen Weltbildes Zusammenfassend könnte man die Leistung des Copernicus folgendermaßen beurteilen:8 Copernicus hat zwar die richtige Anordnung der Planeten mit der Sonne im Zentrum gefunden (Abb. 0.3), aber sonst nur die Phänomene gerettet (salvare phaenomena), weil er die Voraussetzungen des antiken Weltbildes, besonders die Vollkommenheit, Einfachheit und Harmonie (Kreisbewegung und gleichförmige Geschwindigkeit), nicht aufgeben wollte.9 De revolutionibus wurde zunächst ohne Begeisterung aufgenommen; es war ein schwer verständliches mathematisches Werk, basierend auf der Epizykletheorie der Antike. Zudem wurde die Berechnung der Planetenpositionen aufgrund der heliozentrischen Lehre weder genauer, noch war diese physikalisch oder astronomisch „überprüfbar“. Ferner war das neue...