Meyrink | Der Golem | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 457 Seiten

Meyrink Der Golem

Ein metaphysischer Roman
1. Auflage 2014
ISBN: 978-80-268-1697-3
Verlag: e-artnow
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Ein metaphysischer Roman

E-Book, Deutsch, 457 Seiten

ISBN: 978-80-268-1697-3
Verlag: e-artnow
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Dieses eBook: 'Golem' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Gustav Meyrink (1868-1932) war ein österreichischer Schriftsteller. Während sein Frühwerk mit dem Spießbürgertum seiner Zeit abrechnet, befassen sich seine späteren, häufig im alten Prag spielenden Werke hauptsächlich mit übersinnlichen Phänomenen und dem metaphysischen Sinn der Existenz. Im Roman ''Golem'' sowie in verschiedenen Artikeln äußerte Meyrink, selbst schon früh Mitglied der Theosophischen Societät Germania, esoterisch-mystische Ansichten, die unter anderem religiös-messianische Ideen und Elemente des Buddhismus, aus jüdischer und christlicher Mystik sowie aus Theosophie und Alchemie enthielten. Zur Inhalt: Frühes 20. Jahrhundert. Der anonyme Erzähler der Geschichte, zu Besuch in Prag, hat vor dem Zu-Bett-Gehen in einem Buch über das Leben Buddha Gotamas gelesen. Er fällt in einen unruhigen Halbschlaf und gleitet in eine Traumwelt, in der er Ereignisse erneut durchlebt, die sich vor mehr als dreißig Jahren im Prager Judenviertel zugetragen haben. In diesem Zustand nimmt er die Identität des Gemmenschneiders und Ausbesserers von Antiquitäten Athanasius Pernath an, der um 1890/1891 im Prager Ghetto lebt...

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Licht


Inhaltsverzeichnis

Einigemal im Lauf des Tages hatte ich an Hillels Türe geklopft; – es ließ mir keine Ruhe: ich mußte ihn sprechen und fragen, was alle diese seltsamen Erlebnisse bedeuteten; aber immer hieß es, er sei noch nicht zu Hause.

Sowie er heimkäme vom jüdischen Rathaus, wollte mich seine Tochter sofort verständigen. –

Ein sonderbares Mädchen übrigens, diese Mirjam!

Ein Typus, wie ich ihn noch nie gesehen.

Eine Schönheit, so fremdartig, daß man sie im ersten Moment gar nicht fassen kann, – eine Schönheit, die einen stumm macht, wenn man sie ansieht, und ein unerklärliches Gefühl, so etwas, wie leise Mutlosigkeit in einem erweckt.

Nach Proportionsgesetzen, die seit Jahrtausenden verlorengegangen sein müssen, ist dieses Gesicht geformt, grübelte ich mir zurecht, wie ich es so im Geiste wieder vor mir sah.

Und ich dachte nach, welchen Edelstein ich wählen müßte, um es als Gemme festzuhalten und dabei den künstlerischen Ausdruck richtig zu wahren: Schon an dem rein Äußerlichen; dem blauschwarzen Glanz des Haares und der Augen, der alles übertraf, worauf ich auch riet, scheiterte es. – Wie erst die unirdische Schmalheit des Gesichtes sinn- und visionsgemäß in eine Kamee bannen, ohne sich in die stumpfsinnige Ähnlichkeitsmacherei der kanonischen »Kunst«richtung festzurennen!

Nur durch ein Mosaik ließ es sich lösen, erkannte ich klar, aber was für Material wählen? Ein Menschenleben gehörte dazu, das passende zusammen zu finden. – –

Wo nur Hillel blieb!

Ich sehnte mich nach ihm wie nach einem lieben, alten Freunde.

Merkwürdig, wie er mir in den wenigen Tagen – und ich hatte ihn doch, genaugenommen, nur ein einziges Mal im Leben gesprochen, – ins Herz gewachsen war.

Ja, richtig: die Briefe – Briefe – wollte ich doch besser verstecken. Zu meiner Beruhigung, falls ich wieder einmal länger von zu Hause fort sein sollte.

Ich nahm sie aus der Truhe: – in der Kassette würden sie sicherer aufbewahrt sein.

Eine Photographie glitt zwischen den Briefen heraus. Ich wollte nicht hinschauen, aber es war zu spät.

Den Brokatstoff um die bloßen Schultern gelegt – so wie ich ›sie‹ das erste Mal gesehen, als sie in mein Zimmer flüchtete aus Saviolis Atelier – blickte sie mir in die Augen.

Ein wahnsinniger Schmerz bohrte sich in mich ein. Ich las die Widmung unter dem Bilde, ohne die Worte zu erfassen, und den Namen:

Deine

Wie ich den Namen aussprach, zerriß der Vorhang, der meine Jugendjahre vor mir verbarg, von oben bis unten.

Vor Jammer glaubte ich zusammenbrechen zu müssen. Ich krallte die Finger in die Luft und winselte, – biß mich in die Hand: – – nur wieder blind sein, Gott im Himmel, – den Scheintot weiterleben, wie bisher, flehte ich.

Das Weh stieg mir in den Mund. – Quoll. – Schmeckte seltsam süß, – wie Blut. – –

Angelina!!

Der Name kreiste in meinen Adern und wurde – zu unerträglicher gespenstischer Liebkosung.

Mit einem gewaltsamen Ruck riß ich mich zusammen und zwang mich – mit knirschenden Zähnen – das Bild anzustarren, bis ich langsam Herr darüber wurde!

darüber!

Wie heute nacht über das Kartenblatt.

Endlich: Schritte! Männertritte.

Er kam!

Voll Jubel eilte ich zur Tür und riß sie auf.

Schemajah Hillel stand Straußen und hinter ihm – ich machte mir leise Vorwürfe, daß ich es als Enttäuschung empfand – mit roten Bäckchen und runden Kinderaugen: der alte Zwakh.

»Wie ich zu meiner Freude sehe, sind Sie wohlauf, Meister Pernath«, fing Hillel an.

Ein kaltes »Sie«?

Frost. Schneidender, ertötender Frost lag plötzlich im Zimmer.

Betäubt, mit halbem Ohr, hörte ich hin, was Zwakh, atemlos vor Aufregung, auf mich losplapperte:

»Wissen Sie schon, der Golem geht wieder um? Neulich erst sprachen wir davon, wissen Sie noch, Pernath? Die ganze Judenstadt ist auf. Vrieslander hat ihn selbst gesehen, den Golem. Und wieder hat es, wie immer, mit einem Mord begonnen« – Ich horchte erstaunt auf: Ein Mord?

Zwakh schüttelte mich: »Ja, wissen Sie denn von gar nichts, Pernath? Unten hängt doch großmächtig ein Polizeiaufruf an den Ecken: den dicken Zottmann, den ›Freimaurer‹ – na, ich meine doch den Lebensversicherungsdirektor Zottmann, – soll man ermordet haben. Der Loisa – hier im Haus – ist bereits verhaftet. Und die rote Rosina: spurlos verschwunden. – Der Golem – der Golem – es ist ja haarsträubend.«

Ich gab keine Antwort und suchte in Hillels Augen: warum blickte er mich so unverwandt an?

Ein verhaltenes Lächeln zuckte plötzlich um seine Mundwinkel.

Ich verstand. Es galt mir.

Am liebsten wäre ich ihm um den Hals gefallen vor jauchzender Freude.

Außer mir in meinem Entzücken, lief ich planlos im Zimmer umher. Was zuerst bringen? Gläser? Eine Flasche Burgunder? (Ich hatte doch nur eine.) Zigarren? – Endlich fand ich Worte: »Aber warum setzt ihr euch denn nicht?!« – Rasch schob ich meinen beiden Freunden Sessel unter. – – –

Zwakh fing an, sich zu ärgern: »Warum lächeln Sie denn immerwährend, Hillel? Glauben Sie vielleicht nicht, daß der Golem spukt? Mir scheint. Sie glauben überhaupt nicht an den Golem?«

»Ich würde nicht an ihn glauben, selbst wenn ich ihn hier im Zimmer vor mir sähe«, antwortete Hillel gelassen mit einem Blick auf mich. – Ich verstand den Doppelsinn, der aus seinen Worten klang.

Zwakh hielt erstaunt im Trinken inne: »Das Zeugnis von Hunderten von Menschen gilt Ihnen nichts, Hillel? – Aber warten Sie nur, Hillel, denken Sie an meine Worte: Mord auf Mord wird es jetzt in der Judenstadt geben! Ich kenne das. Der Golem zieht eine unheimliche Gefolgschaft hinter sich her.«

»Die Häufung gleichartiger Ereignisse ist nichts Wunderbares«, erwiderte Hillel. Er sprach im Gehen, trat ans Fenster und blickte durch die Scheiben hinab auf den Trödlerladen – »Wenn der Tauwind weht, rührt sich's in den Wurzeln. In den süßen wie, in den giftigen.«

Zwakh zwinkerte mir lustig zu und deutete mit dem Kopf nach Hillel.

»Wenn der Rabbi nur reden wollte, der könnte uns Dinge erzählen, daß einem die Haare zu Berge stünden«, warf er halblaut hin.

Schemajah drehte sich um.

»Ich bin nicht ›Rabbi‹, wenn ich auch den Titel tragen darf. Ich bin nur ein armseliger Archivar im jüdischen Rathaus und führe die .«

Eine verborgene Bedeutung lag in seiner Rede, fühlte ich. Auch der Marionettenspieler schien es unterbewußt zu empfinden, – er wurde still, und eine Zeitlang sprach keiner von uns ein Wort.

»Hören Sie mal, Rabbi –, verzeihen Sie: ›Herr Hillel‹, wollte ich sagen«, – fing Zwakh nach einer Weile wieder an, und seine Stimme klang auffallend ernst, »ich wollte Sie schon lange etwas fragen. Sie brauchen mir ja nicht drauf zu antworten, wenn Sie nicht mögen, oder nicht dürfen – – –«

Schemajah trat an den Tisch und spielte mit dem Weinglas – er trank nicht; vielleicht verbot es ihm das jüdische Ritual.

»Fragen Sie ruhig, Herr Zwakh.«

»– – Wissen Sie etwas über die jüdische Geheimlehre, die Kabbala, Hillel?«

»Nur wenig.«

»Ich habe gehört, es soll ein Dokument geben, aus dem man die Kabbala lernen kann: den ›Sohar‹ – –«

»Ja, den Sohar – das Buch des Glanzes.«

»Sehen Sie, da hat man's«, schimpfte Zwakh los. »Ist es nicht eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, daß eine Schrift, die angeblich die Schlüssel zum Verständnis der Bibel und zur Glückseligkeit enthält –«

Hillel unterbrach ihn: »– nur einige Schlüssel.«

»Gut, immerhin einige! – also, daß diese Schrift infolge ihres hohen Wertes und ihrer Seltenheit wieder nur den Reichen zugänglich ist? In einem einzigen Exemplar, das noch dazu im Londoner Museum steckt, wie ich mir habe erzählen lassen? Und überdies chaldäisch, aramäisch, hebräisch – oder was weiß ich wie – geschrieben? – Habe zum Beispiel je im Leben Gelegenheit gehabt, diese Sprachen zu lernen oder nach London zu kommen?«

»Haben Sie denn alle Ihre Wünsche so heiß auf dieses Ziel gerichtet?« fragte Hillel mit leisem Spott.

»Offen gestanden – nein«, gab Zwakh einigermaßen verwirrt zu.

»Dann sollten Sie sich nicht beklagen«, sagte Hillel trocken, »wer nicht nach dem Geist schreit mit allen Atomen seines Leibes, – wie ein Erstickender nach Luft, – der kann die Geheimnisse Gottes nicht schauen.«

»Es sollte trotzdem ein Buch geben, in dem sämtliche Schlüssel zu den Rätseln der anderen Welt stehen, nicht nur einige«, schoß es mir durch den Kopf, und meine Hand spielte automatisch mit dem Pagad, den ich immer noch in der Tasche trug, aber ehe ich die Frage in Worte kleiden konnte, hatte Zwakh sie bereits ausgesprochen.

Hillel lächelte wieder sphinxhaft:

»Verstehen was er damit meint?«, wandte sich Zwakh an mich.

Ich gab keine Antwort...



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