Mienert | »Das haben wir doch schon immer so gemacht« | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 214 Seiten

Mienert »Das haben wir doch schon immer so gemacht«

Die »Ja, abers« in Kita und Hort. EPub
2., veränderte Auflage 2017
ISBN: 978-3-647-99850-3
Verlag: Vandenhoeck & Ruprecht
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Die »Ja, abers« in Kita und Hort. EPub

E-Book, Deutsch, 214 Seiten

ISBN: 978-3-647-99850-3
Verlag: Vandenhoeck & Ruprecht
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



»Das macht er nur, um mich zu ärgern«; »Die Eltern ziehen nicht mit!«; »... dann grinst der mich auch noch ganz frech an«; »Offene Arbeit, schön und gut, aber nicht mit Krippenkindern!«; »Jahrelange praktische Erfahrungen kann man nicht in der Ausbildung lernen.«Was ist dran an diesen Grundsätzen und Mythen der pädagogischen Arbeit mit Kita-Kindern und ihren Eltern? Malte Mienert wirft einen entwicklungspsychologischen Blick auf solche und weitere Standardsätze und Realitäten des Kita-Alltags. Sie werden auf Sinn und Zweck hin abgeklopft und ihnen werden Argumente entgegengestellt, die es ermöglichen sollen, die eigene pädagogische Arbeit neu zu überdenken, Platz für Veränderungen zu schaffen und von manch liebgewordenem pädagogischem »Argument« Abschied zu nehmen. In den Blick genommen werden dabei nicht nur die typischen ErzieherInnensätze in Auseinandersetzungen mit den Kindern, sondern auch die gängigen Alltagsargumente in der Zusammenarbeit mit Eltern (»die nie mit uns an einem Strang ziehen wollen«), die Klagen über Rahmenbedingungen (»wenn doch der Personalschlüssel besser wäre ...«) und grundsätzliche pädagogische Auseinandersetzungen mit der Öffnung der Arbeit in Kindertageseinrichtungen.

Dr. Malte Mienert - Entwicklungspsychologe, Dekan am UNIES Universitätsinstitut für Internationale und Europäische Studien in Kerkrade (NL) und Fortbildner - arbeitet u. a. zu den Themen Erziehungspartnerschaft, Pädagogisches Selbstverständnis und Teamkommunikation. Er leitet das Bremer Institut für Gesundheitsförderung und Pädagogische Psychologie INGEPP e.V.
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Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


1.Das ABC der »Ja, abers« in Kita und Hort

Anna hat Angst – »Wir machen das mit der Eingewöhnung ganz individuell.«

»Anna ist eines von den stilleren Kindern in ihrer Gruppe. Sie ist erst seit drei Monaten bei uns. In der Eingewöhnung gab es wenige Probleme mit ihr. In den wenigen Tagen, die ihre Mutter anwesend sein konnte (ihr neuer Job ließ nur kurz Zeit für die Eingewöhnung), zeigten sich keine Anpassungsprobleme. Warum also auch lange eingewöhnen? Ganz individuell sind wir von unserem üblichen Eingewöhnungsprozedere abgewichen. Dass Anna Angst zeigt, weint, und sich nicht von Mama trennen möchte, ist, völlig überraschend, vor einem Monat erstmals zu beobachten gewesen.«

Britta belegt sich selbst ein Brötchen – »Messer, Gabel, Schere, Licht …«

»Soll eine Vierjährige wie Britta bereits mit einem Messer hantieren wie die Großen? Im Team bestehen daran große Zweifel. Schließlich gibt es ja auch gar keinen Grund dafür. Die Erzieherinnen und Erzieher haben bisher allen Kindern die Brötchen geschmiert, und es gibt kindgerechtes Plastikgeschirr, mit bunten Bildern, wirklich niedlich. Britta könnte sich doch verletzen. Und dann bekommen wieder die Erzieherinnen und Erzieher den Ärger. Was werden denn die Eltern sagen, wenn sie Britta mit dem Messer sehen? Wir haben doch auch eine Aufsichtspflicht. Und müssen die Kinder von Gefahren fernhalten.«

Carlos cremt gern sein Gesicht ein – »Wir fragen uns schon, ob der Carlos irgendwie andersrum ist.«

»Wir kennen den Carlos ja nun schon seit einigen Jahren. Er hat schon im Kindergarten am liebsten mit den Mädchen gespielt und auch sonst so Sachen gemacht, die eigentlich eher für die Mädchen typisch sind. Puppenspiele, Verkleiden, in der Kochecke spielen und solche Sachen. Er hat sich auch die Fingernägel angemalt, und einmal kam er sogar im Rock in die Einrichtung. Naja, soll er ruhig, aber wir haben ihn immer wieder ermuntert, sich auch mit echten Jungssachen zu beschäftigen, mal Fußball zu spielen oder so. Da hat er dann angefangen zu weinen, richtig wie ein Mädchen. Jetzt ist er bei uns im Hort, und die anderen Kinder ziehen Carlos oft auf. Nennen ihn schwul und so. Wir verteidigen ihn dann immer und sagen dann, die Kinder sollen solche Worte nicht verwenden. Aber wir fragen uns natürlich schon, ob da vielleicht was dran ist. Vielleicht wird er ja wirklich schwul und kriegt dann lauter Probleme im Leben. Seine Mutter ist recht gelassen, aber sein Vater übt echt viel Druck auf den Jungen aus.«

Daisy ist unser Dickerchen – »Haben die Eltern denn darauf nicht geachtet?«

»Dass Daisy übergewichtig ist, kann doch nicht nur den pädagogischen Fachkräften auffallen. Trotzdem, Unterstützung kommt von den Eltern keine. Vater und Mutter sind ja auch nicht gerade die Allerschlanksten. Alle kleinen Hinweise an die Eltern, der Verweis auf das Projekt Gesunde Ernährung und die ausgehängte Pyramide mit den Oft-Und-Viel-Lebensmitteln und den Achtung-Lieber-Gar-Nicht-Lebensmitteln, scheinen die Eltern zu ignorieren. Neulich habe ich es sogar angesprochen. Als Daisys Vater da war, hab ich Daisy gefragt: ›Magst du dem Papa nicht mal erzählen, wie gut dir der Salat heute zum Mittag geschmeckt hat?‹ Und dann wird sie morgens sogar noch im Buggy gebracht? Was soll denn daran gesund sein?«

Emines Eltern kommen nie – »Typisch, beim Elternabend fehlen wieder die, die es eigentlich brauchen würden.«

»Ach Frau Endogin, schön, dass ich sie heute wenigstens beim Abholen von Emine treffe. Leider waren sie ja wieder nicht beim Elternabend mit dabei. Das Thema wäre schon für sie interessant gewesen. Es ging um die kleinen Beißunfälle, die in letzter Zeit häufiger passieren. Sie wissen doch, Emine macht uns da einiges an Sorgen …«

Fritz macht immer Faxen – »Dieses Kind hat ADHS, kein Zweifel.«

»10 Jahre alt und das Stillsitzen immer noch nicht gelernt. Immer ist es Fritz, der mit seinen Faxen aus der Reihe tanzt. Er steht auf, wenn er sitzen soll, tanzt, wenn er stehen soll, springt, wenn er tanzen soll. Schule, Hausaufgaben, Disziplin, Regeln in der Gruppe – all das bedeutet offensichtlich nichts für Fritz. Konzentrationsgestört, ganz offensichtlich, ADHS, kein Zweifel. Da lass ich mir auch von einem Kinderarzt doch nicht erzählen, so was sei völlig normal und verwächst sich wieder.«

Gustaf ist schon ganz gelenkig – »Ja, aber was ist mit der Aufsichtspflicht?«

»Ich merk schon, Gustaf hat einen großen Bewegungsdrang. Für einen Zweijährigen ist er schon unglaublich schnell unterwegs. Lass ich nur die Tür einen Spalt offen, ist er mir schon entwischt. Selbst die große Treppe klettert er schon selbst rauf und wieder runter. Wie soll ich denn da die Aufsichtspflicht gewährleisten. Wenn er immer so flitzt, dann wird er sich noch mal schwer verletzen.«

Hannes macht nie Hausaufgaben – »Was sollen denn die Lehrerinnen und Lehrer und seine Eltern von mir denken, wenn ich den einfach nur spielen lasse?«

»Von den Lehrerinnen und Lehrern bekommen wir immer einen Zettel mit in den Hort. Was wir mit den Kindern noch üben sollten. Hin und wieder stehen auch andere kleine Aufträge mit auf dem Zettel. Es wäre schon schön, wenn wir im Hort mal Kekse backen würden, für den Kuchenbasar. Oder ein Programm fürs Schulfest vorbereiten. Oder vielleicht auch mal eine kleine Präsentation für den Einschulungselternabend. Da sind wir ja selbst als Horterzieherinnen nicht dabei. Natürlich können die Kinder bei uns die Hausaufgaben machen. Ist freiwillig, aber die Eltern legen da schon großen Wert darauf, dass die gemacht sind, wenn die Kinder um vier nach Hause gehen. Wir haben mal bei der Schuldirektorin nachgefragt, ob Hausaufgaben denn wirklich sein müssten. Die Kinder sind ja schon ziemlich k.o., wenn sie aus der Schule kommen. Aber da hat die Schulleiterin auf die Grundschulverordnung verwiesen. Danach wären Hausaufgaben Pflicht, das täte ihr auch leid. Ich wollte immer mal selbst in die Grundschulverordnung schauen, ob das so drin steht. Ich bin irgendwie noch nicht dazu gekommen. Ich muss mich ja um Hannes kümmern und ihn zu den Hausaufgaben motivieren.«

Inez und Immo inklusiv – »Da fehlen uns die Fachkräfte. Dafür sind wir nicht ausgebildet.«

»Jetzt haben wir gerade noch Integration gemacht. Für unsere Integrativkinder haben wir spezielle Fachkräfte, die sich speziell um diese Kinder kümmern. Auf einmal nun Inklusion? Wer hat sich denn so was ausgedacht? Noch mehr Arbeit? Für Kinder mit Behinderungen haben wir keine Ausbildung bekommen. Das ist doch nur wieder eine neue Masche, um auf unserem Rücken Geld zu sparen und die Sonder- und Förderschulen zu schließen, wo solche Kinder doch eigentlich am besten aufgehoben sind.«

Julius ganz jähzornig – »Da muss ich doch durchgreifen, zum Schutz der anderen Kinder.«

»Wenn Julius seine Ausraster hat, dann kennt der gar nichts mehr. Er wirft mit allem, was ihm in die Finger kommt, greift andere Kinder an, haut, schlägt, beißt, tritt. Seine Aggressionen hinterlassen tiefe Wunden bei anderen Kindern. Selbst nach mir hat er schon getreten und geschlagen. Ich muss ihn dann oft am Arm packen und ihn von den anderen Kindern richtig wegzerren, sonst überleben die womöglich nicht. Klar, er wird dann von mir aus dem Raum in ein anderes Zimmer gebracht, wo er seine Aggressionen abbauen kann. Geredet habe ich mit ihm schon so oft, das bringt überhaupt nichts. Auch mit seinen Eltern habe ich schon gesprochen, hat auch nichts gebracht. Eine Kollegin hat mir die Festhaltetherapie empfohlen, ihn also in seiner Wut zwischen meine Beine klemmen und ihn ganz fest umarmen. Das geht vielleicht noch bei einem 8-Jährigen wie Julius. Aber der wird doch immer stärker.«

Kim und Kathi feiern keinen Karneval, Fritz und Fine reagieren bei Fasching ganz verstört – »Aber die Eltern wollen doch den Karneval, das war doch immer so niedlich.«

»Was, Herr Mienert, keinen Fasching und Karneval mehr für die Krippenkinder und alle unter 3 Jahren? Selbst für die größeren Kinder höchstens als freiwilliges Angebot? Na, das können Sie gern mal unseren Eltern erklären. Fasching und Karneval haben wir immer schon gefeiert, das hat doch keinem Kind geschadet. Das ist doch auch zu niedlich, wenn die Kleinen als Mariechenkäfer und Indianer verkleidet sind. Naja, ganz ehrlich, ich selbst finde Verkleiden auch schrecklich. Und viele Kinder gucken ganz verängstigt. Aber wo kommen wir denn hin, wenn wir alle Traditionen auf einmal abschaffen?«

Lennart lernt aufräumen – »Man muss auch mal müssen und kann nicht immer nur wollen!«

»Drei Jahre alt, da kann man doch schon ein gewisses Grundverständnis für Ordnung und Regeln erwarten, oder? Nicht bei Lennart, offenbar. Ich sag ihm, er soll seine Sachen aufräumen, und dann schaut er mich an und schaut durch mich durch und geht einfach weg. Dabei haben wir in unserer Gruppe die gemeinsame Regel, dass jeder seine Sachen aufräumt, wenn er mit Spielen fertig ist. Das hab ich ihm schon hundertmal gesagt. Das ist doch nicht in Ordnung. Das Leben besteht doch nicht nur aus Spaß, es gibt doch auch Pflichten. Natürlich muss man da auch manchmal mit ihm schimpfen.«

Max muss mal – »Die Sauberkeitsentwicklung ist eines unserer wichtigsten Erziehungsziele.«

»Als Max zwei Jahre alt war, da hab ich mir noch keinerlei Gedanken gemacht, wenn er immer noch die Windel wollte. Wissen Sie, es ist ja nicht...


Mienert, Malte
Dr. Malte Mienert – Entwicklungspsychologe, Dekan am UNIES Universitätsinstitut für Internationale und Europäische Studien in Kerkrade (NL) und Fortbildner – arbeitet u. a. zu den Themen Erziehungspartnerschaft, Pädagogisches Selbstverständnis und Teamkommunikation. Er leitet das Bremer Institut für Gesundheitsförderung und Pädagogische Psychologie INGEPP e.V.



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