E-Book, Deutsch, Band 1, 162 Seiten
Reihe: Frühchristliche Werke
Minucius Felix / Eichhorn Dialog Octavius
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-7578-4327-4
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, Band 1, 162 Seiten
Reihe: Frühchristliche Werke
ISBN: 978-3-7578-4327-4
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Drei Freunde spazieren am Strand der malerischen antiken Hafenstadt Ostia. Es ist ein lauschiger Herbsttag zur Zeit der Weinlese. Das Meer untermalt die angeregten Gespräche. Doch dann, vor einer Götterstatue entbrennt plötzlich ein Disput zwischen dem Christ Octavius und dem philosophischen Atheisten Caecilius. Minucius Felix soll als Dritter in der Mitte zwischen beiden Schiedsrichter sein in einem Wettstreit der Argumente auf höchstem Niveau, wo es am Ende nur einen Sieger geben kann. Dieser Dialog ist ein literarisches und apologetisches Meisterwerk des frühen Christentums, als die Lehre der Apostel noch lebendig und frisch war, die Gesellschaft aber argwöhnisch gegenüber den Christen. Minucius Felix berichtet uns kurzweilig und eindrücklich, mit welchen Anschuldigungen die Christen seinerzeit konfrontiert wurden, wie sie sich dagegen wehrten, und gibt uns nebenbei einen Kurs in antiker Mythologie und Geschichte.
Marcus Minucius Felix war Anwalt in Rom des 2.Jahrhunderts n.Chr. und führte gemeinsam mit seinem Freund und Kollegen Octavius diverse Prozesse gegen Christen bevor sich beide selbst zum Christentum bekehrten (siehe Kap. XXVIII). Er schrieb darauf zwei apologetische Bücher, von denen uns nur eines erhalten ist: der vorliegende Dialog Octavius. Im Prinzip wissen wir über Minucius Felix heute nur noch das, was er in diesem Buch preisgibt. Er ist damit sein eigener Biograph. Dabei hatte er anderes im Sinne, nämlich die literarische Wiedergabe einer Anekdote, bei der er Augen- und Ohrenzeuge gewesen war: ein anspruchsvolles, aber kurzweiliges Streitgespräch zweier Akademiker über die Religionen und Philosophien ihrer Zeit, das am Ende nicht nur ein Nachruf auf den verstorbenen Freund ist, sondern eine beeindruckende Apologie des frühen Christentums. Minucius Felix wurde damit ein prägender und mehrfach zitierter Apologet der frühen Kirche.
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Rede des Caecilius
V.
Nun begann Caecilius also: „Bruder Marcus, du bist zwar über den Gegenstand unserer jetzigen Erörterung nicht im Zweifel; du hast dich ja in beiden Lebensrichtungen sorgfältig umgesehen und die eine verworfen, die andere für richtig erkannt. Dennoch mußt du für jetzt deine Seele so stimmen, daß du die Waage eines durchaus gerechten Schiedsrichters hältst und nicht nach einer Seite überwiegend hinneigst.8 Dann wird das Urteil als Resultat unserer Erörterungen, nicht etwa als Ausfluß deiner Sinnesrichtung erscheinen. Wenn du mir nun so zu Gericht sitzest wie ein Fremder und wie wenn du keine Partei kanntest, so ist es nicht schwer nachzuweisen: alles im menschlichen Leben ist zweifelhaft, unsicher, schwankend und besser bloß wahrscheinlich als wahr zu nennen.9 Um so mehr ist es deshalb sonderbar, daß manche einer gründlichen Erforschung der Wahrheit überdrüssig blindlings sich irgendeiner Meinung unterwerfen, anstatt mit unverdrossenem Fleiß bei der Forschung zu verharren. Darum muß man sich allgemein entrüsten und ärgern, daß manche und dazu noch Leute ohne viel Studium, ohne wissenschaftliche Bildung10, ja unerfahren selbst in den gewöhnlichsten Gewerben, etwas Bestimmtes über das gewaltige Weltall auszusprechen wagen. Und doch ist darüber seit so vielen, ja allen Jahrhunderten die Philosophie in ihren meisten Schulrichtungen im Unklaren. Ganz natürlich; denn so weit ist unsere menschliche Beschränktheit von der Erkenntnis des Göttlichen entfernt, daß uns weder das, was über uns am Himmel schwebt, noch was tief unter der Erde verborgen liegt, zu wissen vergönnt oder zu untersuchen gestattet ist. Wir dürfen uns mit Recht mehr als glücklich und weise dünken, wenn wir nach dem bekannten alten Weisheitsspruch11 uns selbst ein wenig besser kennen lernen. Aber weil wir nun einmal in wahnwitzigem und sinnlosem Bemühen über die Grenzen unserer Beschränktheit hinausschweifen und, wiewohl in den Erdenstaub gebannt, selbst den Himmel und die Sternenwelt mit keckem Verlangen übersteigen, so wollen wir wenigstens zu dieser Verirrung nicht noch törichte und grausige Vorstellungen fügen. Angenommen, von Anbeginn haben die Keime aller Dinge durch Selbstbefruchtung der Natur sich zusammengefunden, welcher Gott ist dann der Schöpfer? Oder wenn etwa die Teile des Weltganzen durch zufälliges Zusammenkommen aneinandergefügt, geordnet und gestaltet wurden,12 welcher Gott ist dann der Baumeister? Vielleicht hat das Feuer die Gestirne in Brand gesetzt, hat der eigene Stoff den Luftraum in die Höhe gehoben und die Erde durch sein Gewicht in die Tiefe gezogen; vielleicht ist das Meer aus dem flüssigen Element zusammengeflossen. Aber woher dann diese religiöse Scheu, woher diese Angst? Was ist’s mit diesem Aberglauben? Der Mensch und jedes lebende Wesen, welches entsteht, Leben empfängt und heranwächst, ist gleichsam eine bewußte Zusammensetzung von Grundstoffen; in sie wird der Mensch und jedes lebende Wesen wieder zerteilt, aufgelöst und zerstreut. So strömen sie zu ihrer Quelle zurück und alles macht einen Kreislauf in sich selbst; man braucht da keinen Künstler, keinen Richter und keinen Schöpfer. So sehen wir durch Verdichtung der Feueratome immer wieder neue Sonnen erstrahlen, durch die Ausdünstung der Erddämpfe immer wieder Nebel aufsteigen, welche verdichtet und zusammengeballt als Wolken sich höher emporheben. Wenn sie sich senken, strömt Regen herab, bläst der Wind, rauscht der Hagel oder, wenn die Dunstmassen zusammenstoßen, rollt der Donner, leuchtet der Blitz, zucken die Blitzstrahlen; sie fahren überall nieder, schlagen in Berge, treffen Bäume, treffen ohne Wahl heilige und unheilige Stätten, töten schuldbeladene und oft auch gottesfürchtige Menschen. Was soll ich erst sagen zu den wechselvollen und unsteten Stürmen, durch die ohne Ordnung und Plan alles ungestüm herumgeworfen wird? Erleiden nicht bei Schiffbrüchen Gute und Böse in gleicher Weise ihr Schicksal ohne Rücksicht auf ihren Verdienst; finden nicht bei Bränden Unschuldige und Schuldige gleichzeitig ihren Untergang, und wenn die Luft mit verderblichem Krankheitsstoff geschwängert ist, gehen da nicht alle ohne Unterschied zugrunde? Wenn endlich die Kriegsfackel wütet, erliegen da nicht gerade die Besten? Auch in Friedenszeiten stehen die Bösen nicht bloß den Guten gleich, sondern sind sogar geehrt; bei vielen weiß man nicht, ob man ihre Schlechtigkeit verabscheuen oder ihr Glück sich wünschen soll. Wenn die Welt durch eine göttliche Vorsehung und durch eine göttliche Macht regiert würde, so würde einem Phalaris13 und einem Dionysius14 niemals ein Königtum, einem Rutilius15 und Camillus16 nie die Verbannung, einem Sokrates17 nie der Giftbecher zuteil werden. Sieh nur, die fruchtbeladenen Bäume, die bereits gebleichten Saaten und die vollsaftigen Reben werden vom Regen verdorben, vom Hagel zerschlagen! So sehr ist es wahr, daß uns die Wahrheit verschleiert und vorenthalten wird, so daß wir sie nicht fassen können; glaubhafter freilich ist: es herrscht in wechselnden und schwankenden Zufällen ohne Gesetzmäßigkeit das Schicksal. VI.
Es ist also entweder der Zufall gewiß oder das Naturprinzip ungewiß. Um wieviel pietätvoller und besser ist es dann,18 die Lehre der Ahnen als Richtschnur der Wahrheit anzunehmen, die überlieferte Religion zu üben, die Götter anzubeten, welche dich die Eltern eher fürchten, als näher kennen gelehrt haben, und nicht über die Götter abzuurteilen, sondern den Vorfahren zu glauben. Sie haben in der noch urwüchsigen Zeit, als die Welt eben entstand, das Glück genossen, Götter als Freunde oder als Herrscher19 zu besitzen. So sehen wir denn auch in allen Reichen, Provinzen und Städten besondere volkstümliche Religionsgebräuche in Übung und Lokalgottheiten verehrt, Eleusis die Ceres20, bei den Phrygiern die Göttermutter21, bei den Epidauriern den Äskulap22, bei den Chaldäern den Bel23, bei den Syrern die Astarte24, bei den Tauriern die Diana25, bei den Galliern den Mercur26, bei den Römern alle Gottheiten insgesamt. Wenn ihre gewaltige Macht den ganzen Erdkreis in Besitz genommen und das beherrschte Gebiet über die Sonnenbahn und selbst über die Grenzen des Weltmeeres hinaus ausgedehnt hat, so kommt das daher: sie vereinen im Kampf Tapferkeit und Gottesfurcht; sie schirmen ihre Stadt mit Kultzeremonien, durch keusche Jungfrauen27, durch Priester mit Würden und verschiedenen Ehrentiteln; sie verehren belagert und mit Ausnahme des Kapitols in Gewalt der Feinde28 noch Götter, welche ein anderer schon längst wegen ihrer ungnädigen Gesinnung verschmäht hätte und dringen mitten durch die Reihen der Gallier, die ob solch kühner Ausübung der Religion erstaunten, hindurch ohne Waffen, nur mit einem gottesdienstlichen Gewand ausgerüstet; sie verehren in den Mauern der eroberten feindlichen Stadt, während noch der siegreiche Kampf tobt, die überwundenen Götter.29 Überall laden sie die Götter gastlich ein und machen sie zu den ihrigen; sie errichten Altäre selbst den unbekannten Gottheiten30 und den Manen31. So haben sie, weil sie die religiösen Einrichtungen aller Völker übernahmen, auch ihre Reiche gewonnen. In der Folgezeit ist dieser gottesfürchtige Sinn geblieben; er wird durch die Länge der Zeit nicht geschwächt, sondern gekräftigt. Das Altertum pflegte ja den heiligen Gebräuchen und Tempeln um so mehr Heiligkeit zuzuschreiben, je größeres Alter es ihnen zugeschrieben hat. 8 Caecilius ist sich also bewusst, dass beide seiner Freunde, sowohl Octavius (gegen den er nun zu streiten beginnt) als auch Marcus Minucius Felix (der eingesetzte Schiedsrichter) überzeugte Christen sind und will dennoch gegen das Christentum disputieren. Er ermahnt vorab den Schiedsrichter unparteiisch zu bleiben. 9 Das ist der Skeptizismus oder vielmehr Probabilismus der Neueren Akademie, welche Cicero De nat. deor. I 12 näher beschreibt. 10 Schon Petrus und Johannes erweckten das Staunen des jüdischen Hohen Rates, der doch wusste, „dass sie ungelehrte Leute und Laien seien“ (Apg 4,13). Gerade beim niederen Volk fand das Christentum zuerst am meisten Verbreitung, wenn es auch sehr früh in die höchsten Kreise drang. 11 „Erkenne dich selbst“ stand über dem Tempel zu Delphi geschrieben und wurde durch die Philosophie des Sokrates Praxis. 12 Diese Theorie der Atomisten ist durch Leukipp von Abdera (5. Jh. v. Chr.) erfunden, durch Demokrit und Epikur weiter...




