E-Book, Deutsch, 224 Seiten
Mischke Schwarz ist die Nacht
15001. Auflage 2015
ISBN: 978-3-492-97057-0
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman
E-Book, Deutsch, 224 Seiten
ISBN: 978-3-492-97057-0
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Susanne Mischke wurde 1960 in Kempten geboren und lebt heute in Wertach. Sie war mehrere Jahre Präsidentin der »Sisters in Crime« und erschrieb sich mit ihren fesselnden Kriminalromanen eine große Fangemeinde. Für das Buch »Wer nicht hören will, muß fühlen« erhielt sie die »Agathe«, den Frauen-Krimi-Preis der Stadt Wiesbaden. Ihre Hannover-Krimis haben über die Grenzen Niedersachsens hinaus großen Erfolg.
Autoren/Hrsg.
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Mittwoch, 4.Oktober
Sie wollten mich täuschen. Mich und IHN! Das ist das Schlimmste. Aber sie werden die Quittung dafür bekommen. Groß werden ihr Schmerz und ihre Reue sein, ihr Jammern und Zähneklappern. Ich kann es kaum erwarten. Mein ist die Rache, spricht der Herr. Ich bin nur SEIN Werkzeug.
»Exitus.« Vincent Romero schüttelt betrübt sein Haupt.
»Unmöglich!« Antonie versucht es noch einmal mit Schütteln und gutem Zureden. »Come on, baby, mach schon… Nun hab dich nicht so.« Es folgen ein paar Faustschläge und die Androhung eines Fenstersturzes. Vergeblich. Die Lichter an den Schaltern brennen vorschriftsmäßig, um nicht zu sagen scheinheilig, und die Maschine gibt die vertrauten Geräusche von sich, aber die braune Flüssigkeit, die sie lustlos in das Designertäßchen speit, ist lauwarm und ohne eine Spur von crema, auch jetzt wieder, beim dritten Versuch.
»Scheiße! Das Ding ist doch noch gar nicht alt! Und es war sicher sauteuer, oder?«
Selbstverständlich beantwortet Hauptkommissar Vincent Romero diese Frage nicht, während er sich jetzt sehr, sehr langsam aus seinem Ledersessel hievt.
»Gewalt hilft da nicht.« Romero legt seine kräftige Hand an die Seitenwand.
»Was dann? Handauflegen?« spottet Antonie.
»Sie heizt nicht«, diagnostiziert ihr Chef.
Antonie legt ihre Hand an die andere Seite der Maschine. Glatter Edelstahl, kühl wie der Morgen da draußen, vor dem Bürofenster.
Sie blicken sich über die Maschine hinweg betrübt an.
»Tut mir leid. Ich hätte sie euch gerne in einwandfreiem Zustand dagelassen.« Romero zuckt bedauernd die Schultern unter seinem Sakko, auf dessen weichfließendem Tuch das ordinäre Neonlicht der Bürolampe einen vornehmen Silberschimmer annimmt.
»Verdammt noch mal, wie kann das Ding einfach über den Feiertag seinen Geist aufgeben?« jammert Antonie.
»Maschinen haben keinen Geist.«
»Wo kriegen wir jetzt einen vernünftigen Espresso her?« Eine Frage, die unbeantwortet bleibt, denn in diesem Moment wird die Tür geöffnet.
Romero und Antonie lösen rasch ihre Hände von der Kaffeemaschine.
»Wie wäre es mit Anklopfen, Frau Bulka?« brummt Romero, wobei es ihm wie stets ein wenig grotesk vorkommt, das Mädchen mit den blechgespickten Ohren und dem Ring durch die linke Augenbraue mit »Frau« anzusprechen.
»Tschuldigung. Was macht ihr da? Ist das was Rituelles?«
»Was meinst du, Irina«, fragt Antonie, »haben Maschinen einen Geist?«
»Na, klar. Wenn ich zum Beispiel meinem Computer blöd komme, dann schaltet der total auf stur. Warum?«
»Die Espressomaschine ist kaputt«, seufzt Antonie.
»Wart ihr nicht nett zu ihr?«
»Doch, immer«, versichern Romero und Antonie eiligst.
»Schade. Gerade wollte ich einen schnorren. Na, dann mach ich mal Kaffee.«
Bei diesen Worten ziehen sich Antonies Magen und Romeros Stirnfalten synchron zusammen, und sie tauschen einen entsetzten Blick.
»Ich verhindere das Schlimmste.« Antonie stürzt hinaus auf den Flur. Irina Bulka ist seit zwei Monaten die Sekretärin der Mordkommission und hat durchaus ihre Qualitäten. Kaffeekochen gehört nicht dazu.
Wieder allein, läßt sich Vincent Romero langsam in seinen ergonomischen Schreibtischsessel sinken. Er versucht, sich in ein Schreiben des Innenministeriums zu vertiefen, aber seine Gedanken sind nicht bei der Sache. Was geht mich dieser Unfug noch an? In wenigen Tagen ist sowieso alles vorbei. Ein grausiges Szenario spielt sich vor seinem inneren Auge ab: Sie werden ihm einen Blumenstrauß und einen Freßkorb schenken, dazu Gesundheits- und Glückwünsche auf einer Karte mit einer goldenen, lorbeerumrankten 60, die die Unterschriften der ganzen Dienststelle trägt. Er wird seinen Schreibtisch leerräumen, mit dem Pappkarton unter dem Arm über den Parkplatz gehen und dann nach Hause fahren, wo ihn der Ruhestand erwartet. Ruhe. Langeweile, Alter, Siechtum. Ein Artikel wird in den Lokalteilen der Rundschau und der FAZ erscheinen, in dem sie ihn weidlich loben werden. Am besten machen sie gleich einen schwarzen Rand drum herum… Er wird aus seinen trüben Gedanken gerissen, als die Tür nach kurzem Klopfen aufgeht.
»Immer her mit der Droge«, brummt er, aber statt einer Kaffeekanne hat Antonie Bennigsen ihre Dienstwaffe in der Hand.
Romeros Gesicht hellt sich auf. »Der Gnadenschuß. Das ist die Lösung!«
»Hoch mit dir«, fordert Antonie ihren Vorgesetzten auf. »Da ist etwas, das wir uns ansehen sollten.« Sie steckt die Pistole in ihre Handtasche. Gurt und Holster ruinieren Antonies Meinung nach jedes Outfit, und Romero hat es aufgegeben, ihr deswegen Vorträge zu halten.
Er stemmt sich erneut aus seinem Stuhl, schräge einsachtzig in maßgeschneidertem Anthrazit. Antonie hat bereits seinen zyanblauen Kaschmirmantel vom Bügel genommen und hält ihm das gute Stück hin. Romeros Art, sich zu kleiden, die eher an einen Bonvivant als an einen Polizisten denken läßt, ist im Präsidium seit Jahren Anlaß für Spötteleien. Aber Romero lehnt es ab, diesbezüglich Kompromisse zu machen. Er ist überhaupt nicht der Mann für Kompromisse. Vincent Romero setzt fast immer seinen Willen durch, meist so geschickt, daß die anderen überzeugt sind, alles wäre von Anfang an ihre Idee gewesen.
»Meine liebe Antonie«, seufzt er, als sie über den Parkplatz des Präsidiums eilen, »du würdest deinen alten, kranken Dienstgruppenleiter nicht früh am Morgen und eine Woche vor seiner Pensionierung ohne einen Schluck Kaffee aus seinem privat angeschafften ergonomischen Stuhl scheuchen, wenn es nicht wirklich wichtig wäre, das würdest du doch nicht übers Herz bringen, oder?«
»Herz? Was ist das?« antwortet Antonie mit einem Grinsen, das so schief ist wie Romeros Haltung.
»Dachte ich’s mir. Also, was gibt es?«
»Eine weibliche Leiche bei den Städtischen Bühnen.«
»Jetzt übertreiben sie es mit ihren ewigen Personalquerelen. Und überhaupt: Ist das nicht dein Job? Und Gellers? Ich bin der Mann für die Akten. Das habe ich mir verdient. Deshalb habe ich diese Espressomaschine angeschafft und den monströsen Stuhl. Um’s richtig gemütlich zu haben.«
»Erstens kommt Geller erst morgen aus der Dominikanischen Republik zurück und…«
»Wieso fliegt der Mann nicht nach Kuba und bringt ein paar anständige Cohibas mit?« unterbricht Romero unwillig. »Wäre für seine Beurteilung jedenfalls kein Schaden.«
»…und zweitens habe ich das Gefühl, daß dir momentan etwas Zerstreuung ganz gut tut.«
»Du und Gefühl.« Romero läßt sich vorsichtig auf den Beifahrersitz gleiten. »Autositze«, stöhnt er, »sind das pure Gift.«
»Du solltest dich operieren lassen.«
»Komisch, genau das sagt mein Arzt auch. Mit dem Messer sind diese Jungs unglaublich fix. Aber noch gebe ich nicht auf. Ab morgen abend bekomme ich regelmäßig ayurvedische Massagen.«
»Ist das was Unanständiges?« Antonie wirft Blaulicht und Martinshorn an.
»Wahrscheinlich. Meine Mutter hat es mir empfohlen.« Romeros rechte Hand tastet nach dem oberen Haltegriff, als Antonie vor dem Hauptbahnhof den BMW in die Kurve legt. »Es kommt aus Indien. Und jetzt rase bitte nicht so. Leichen pflegen nicht davonzulaufen.«
»Mir graust.«
»Seit wann graust dir vor Leichen?«
»Vor Pfeiffer, dieser BKA-Knalltüte.«
»Du wirst dich schon arrangieren.«
»Wie kann so ein mickriger Macho deinen Job kriegen?«
»Stehst du denn nicht auf Machos?« fragt Romero in schlecht gespieltem Erstaunen.
Statt einer Antwort wirft sie ihm einen schrägen Blick zu.
»Mich mußt du nicht so giftig ansehen. Ich bin der Ober-Macho.«
»Das weiß ich. Soll ich mal ehrlich sein?«
»Lieber nicht«, wehrt Romero ab, aber schon bricht es aus Antonie heraus: »Ich finde es einfach megabeschissen, daß du gehen mußt! Ich meine, schau dich mal an. Du bist topfit – bis auf deinen Ischias– du hast Erfahrung und Verstand, du weißt, wie man mit Leuten umgeht, du bist der einzige Mann der Dienststelle, der Manieren hat…«
»Probst du schon für meinen Nachruf?« unterbricht Romero. »Und was für eine Ausdrucksweise! Megabeschissen. Du redest wie unser gepierctes Abteilungsküken, das keinen Kaffee kochen kann.«
»…und so einer wird zwangsweise nach Hause geschickt!« schimpft Antonie unbeirrt weiter. »Das ist Verschwendung, wenn man mich fragt, aber mich fragt ja keiner.«
»Wir sind da.« Romero deutet auf die Armada einschlägiger Fahrzeuge. Antonie hält an, springt aus dem Wagen und knallt die Tür zu. Romero quält sich aus seinem Sitz, wobei ihm Antonie die Tür aufhält.
»Danke für die aufmunternden Worte. Das freut einen alten Mann.«
»Du bist kein alter Mann, du siehst höchstens aus wie fünfzig. Eher neunundvierzigeinhalb.«
»Mag sein«, stöhnt Romero. »Aber an manchen Tagen fühle ich mich älter als meine Mutter und der liebe Gott zusammen.«
Hinter den Städtischen Bühnen herrscht Betrieb. Etliche Uniformierte wuseln herum, eine kleine Gruppe Neugieriger lauert hinter dem Absperrband.
Ein kleiner Mann in einem Overall eilt auf Romero und Antonie zu. »Herr Kommissar, isch hab se gefunne. Isch wollt die zwa Wanne do ufflade, und grad dahinter hat se im Dreck geläsche…«
Antonie nimmt ihren Notizblock aus der Tasche. »Ihren Namen...




