Moog-Grünewald | Giordano Bruno: "Die Heroischen Leidenschaften" | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 192 Seiten

Reihe: Blaue Reihe

Moog-Grünewald Giordano Bruno: "Die Heroischen Leidenschaften"

E-Book, Deutsch, 192 Seiten

Reihe: Blaue Reihe

ISBN: 978-3-7873-3380-6
Verlag: Felix Meiner
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Die 'Heroischen Leidenschaften' (De gli heroici furori) – sind der letzte der insgesamt sechs italienischen Dialoge Giordano Brunos, die sämtlich zwischen 1583 und 1585 in England verfasst wurden. Sie können nicht nur als Höhe- und Kulminationspunkt des brunianischen Œvres gelten, sondern zugleich als ein Werk, in dem sich wie in einem Brennspiegel Philosopheme des ausgehenden Mittelalters und der Frühen Neuzeit bündeln und in neue Konstellationen treten. Darüber hinaus verfügen sie über ein hohes Maß an Literarizität, ja Poetizität und reflektieren damit das Selbstverständnis Brunos, dass auch poetische Gestaltung und anschauliche Darstellung Aufgaben des Philosophen seien.
In einer genauen Untersuchung von Sprache und Struktur des Dialogs, vor allem anhand der zahlreichen Gedichte, die die Dialogpartner in immer neuen Anläufen lesen, vortragen und interpretieren, zeigt die Autorin, wie Dichtung und Philosophie, Sprache und Erkenntnis, ästhetische Textualität und metaphysische Philosopheme bei Bruno ineinandergreifen und die unendlich vielen mentalen Bilder, die Brunos Dichtung evoziert, die 'Umkreisung' des unendlich Einen und Absoluten, um das es Bruno geht, erst ermöglichen. Umgekehrt bedeutet dies – so die hier begründete These –, dass sich Brunos Ontologie und Epistemologie erst über eine Analyse der den Dialogen eignenden Sprache und Struktur, ihrer Zeichen und Figuren erschließt.
Das Buch bietet nicht nur eine Interpretation eines der anspruchsvollsten philosophischen Werke der Frühen Neuzeit, sondern auch eine gute Einführung in Brunos Denken.
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II POIESIS. SPRACHE – STRUKTUR – GENERA
Die Eroici furori gelten formal als Dialog – zu Recht: Es sind insgesamt zehn Dialoge in zwei Teilen. Bruno selbst bezeichnet im »Argomento […] sopra gli eroici furori« das in Rede stehende Werk als dialogo und seine Teile als dialogi. Jeder einzelne Dialog hat je zwei Dialogpartner – es sind nicht immer dieselben. Indes besteht die Besonderheit der Dialoge zunächst rein formal darin, dass die Prosapartien mit Poemen alternieren, genauer: auf Poeme Bezug nehmen bzw. zu Poemen überleiten. Es sind Sonette, auch Schweifsonette, Sestinen und eine Kanzone – Bruno bezeichnet sie im Argomento als articoli83, als ›Glieder‹, und macht damit deutlich, dass jeder einzelne articolo in seiner Bedeutung für sich steht. Und doch bilden die einzelnen articoli nur in ihrer Folge einen Text, weben sie jene tessitura, die den Sinn der Eroici furori generiert. So sind sie die sinnbildenden Elemente im engeren Sinn; ihre Evidenz gewinnen sie aus ihrer poetischen Form, der Form des Sonetts; sie geben den eroici furori Ausdruck und Anschauung – in potentiell unendlich vielen Variationen. Die Strophenformen und das Thema, die Liebe, wenngleich die heroische, haben denn auch zu der Annahme geführt, die Eroici furori seien ursprünglich ein Canzoniere gewesen, dem die Prosapartien nurmehr hinzugefügt seien.84 Auch wenn diese Annahme aus guten Gründen keine Fortüne hatte, wird man die Eroici furori zumindest im Kontext des Petrarkismus diskutieren müssen nicht anders als sie in die Tradition der Impresenkunst und der Emblematik zu stellen sind. Allerdings wird es sich zeigen, dass der Verweis auf verschiedene literarische Formen und Gattungen keine eindeutige Zuweisung zu diesen Gattungen und Formen erlaubt. Denn für die Litterae gilt dasselbe nolanische Gesetz wie für Erkenntnis und Moral: die Aufnahme der Tradition und ihre Reform durch Transformation. Die Besonderheit der Eroici furori beruht nun darin, dass die Reform der Erkenntnis und der Moral nurmehr möglich wird durch einen Text, der die Reform ästhetisch-poietisch selbst vollzieht, mithin seinerseits ›reformiert‹ ist. Denn nur eine ›reformierte‹ Ästhetik und Poietik vermag unmittelbarer Ausdruck der nolana filosofia, einer nova filosofia, zu sein bzw. diese erst zu rechtfertigen. Das gilt nicht anders für den Gesamtaufbau der Eroici furori, den ihnen zugrunde liegenden Kompositionsplan. Aus heuristischen Gründen ist es geboten, die differenten literarästhetischen, auch generischen Merkmale des Textes in ihrer jeweiligen Besonderheit zu beschreiben und in ihrer Funktion zu bestimmen. Voraussetzung ist die Kenntnis der Rolle, die Bruno der Dichtung im Allgemeinen, für die Eroici furori im Besonderen zumisst. Darüber gibt bereits der Beginn der Eroici furori, der erste Dialog des Ersten Teils, Aufschluss. Tansillo spricht eingangs folgende Worte: Gli furori dumque atti più ad esser qua primieramente locati e considerati, son questi che ti pono avanti secondo l’ordine a me parso più conveniente. (42) Leidenschaften also, denen es zukommt, an erster Stelle ›bedacht‹ zu werden, stellt Tansillo seinem ›interlocutore‹ Cicada in der Folge vor – »secondo l’ordine a me parso più conveniente«, mithin in einer Ordnung, die ihm am meisten angemessen zu sein scheint. Die Konvenienz der Ordnung – so das Raffinement der Formulierung – ist eine zweifache und wechselseitige: Sie ist sowohl dem Gegenstand, den furori, geschuldet als auch dem, der ihn ›in Betracht zieht‹ und in Sprache ›vor Augen stellt‹. Und das heißt: Was auch immer in der Folge über die furori gesagt wird, wird in einer dem Objekt und zugleich dem Subjekt konvenienten Ordnung und Sprache vorgetragen.85 Mit der Aussage »son questi che ti pono avanti« wird sodann das die gesamten Eroici furori kennzeichnende Verfahren benannt: das Verfahren des Vor-Augen-Stellens, mithin der Ekphrasis. Die Intention – so wird damit gleich aus dem ersten Satz deutlich – ist Anschaulichkeit, Unmittelbarkeit der Darstellung, ist Simulation von Präsenz durch Repräsentation in Bildern. Der Grund liegt im Gegenstand, in den furori, die das erste Wort der Aussage überhaupt sind.86 Es sind Leidenschaften – so wird in der Folge näher ausgeführt werden –, die auf das absolute Eine und dessen Erkenntnis hinzielen, in nie nachlassendem Bemühen, in unendlicher Anstrengung – zugleich im Bewusstsein, dass dies, wenn überhaupt, nurmehr mediatisiert möglich ist: im ›Schatten‹ der Natur bzw. des Universums und im ›Spiegel‹ der Sprache, der Dichtung. Der Rang der Sprache als Medium des Intellekts bzw. des Ingeniums und die Rolle der Dichtung, näherhin der poetischen Darstellung, wird denn auch gleich mit dem ersten Wort des ersten Sonetts der Eroici furori explizit deutlich. Nicht die furori werden, wie nach dem Eingangssatz zu erwarten, als erste genannt und als solche thematisiert, vielmehr folgt unmittelbar ein Musenanruf in Form eines Sonetts: Muse che tante volte ributtai, importune correte a’ miei dolori, per consolarmi sole ne’ miei guai con tai versi, tai rime e tai furori, con quali ad altri vi mostraste mai, che de mirti si vantan et allori; or sia appo voi mia aura, àncora e porto, se non mi lice altrov’ ir a diporto. O monte, o dive, o fonte, ov’abito, converso e mi nodrisco; dove quieto imparo et imbellisco; alzo, avviv’, orno il cor, il spirto e fronte: morte, cipressi, inferni cangiate in vita, in lauri, in astri eterni. (42)i Der Sprecher des Sonetts ist der furioso, der eroe. Die Musen, die er anruft, hat er in der Vergangenheit immer wieder von sich gewiesen; nun sollen sie ihm in seinem Leid Trost spenden mit Versen, Reimen und Leidenschaften, wie sie sie bislang keinem anderen gewährten. In asyndetischer Reihung haben versi, rime, furori gleiche Valenz und gehören als solche zusammen, sie bilden eine Kombinationsfolge, die in Variation im zweiten Terzett aufgenommen wird: Die ihrerseits asyndetische ternäre Reihe der Verben und Substantiva, näherhin Prädikate und Objekte, in der zwölften Zeile nimmt mit alzo […] il cor und avvivo […] il spirto Bezug auf furori, mit orno […] [sc. il] fronte auf versi und rime, um in der letzten Zeile die erstrebte Metamorphose vom Tod – morte, cipressi, inferni – in das ewige Leben nicht allein den furori, vielmehr zugleich den versi und rime zuzuschreiben: der Tod soll sich in Leben, die Hölle bzw. die Unterwelt in ewige Gestirne, die Zypressen in Lorbeer verwandeln. Daraus wird deutlich: Die Leidenschaften sind mit der Dichtung, die ihnen Ausdruck gibt, unverbrüchlich verbunden; alle Wörter und Bilder des ersten Sonetts sind semantisch entweder den furori oder den versi und rime zuzuordnen, und versi und rime sind auf furori bezogen und umgekehrt. Die Interrelation zwischen den furori und der sie zur Vorstellung bringenden Dichtung hebt der Kommentar des Sonetts – Cicada spricht – noch einmal hervor, indem er dem furioso die folgenden Worte beilegt: »O monte« Parnaso dove »abito«, Muse con le quali »converso«, »fonte« eliconio o altro dove mi »nodrisco«: monte che mi doni quieto alloggiamento, Muse che m’inspirate profonda dottrina, fonte che mi fai ripolito e terso; monte dove ascendendo »inalzo« il core; Muse con le quali versando »avvivo« il »spirito«; fonte sotto li cui arbori poggiando adorno la »fronte«; »cangiate« la mia »morte« in »vita«, gli miei »cipressi« in »lauri«, e gli miei »inferni« in cieli: cioè destinatemi immortale, fatemi poeta, rendetemi illustre, mentre canto di morte, cipressi et inferni. (50)i In der Bildlichkeit des Musenanrufs und seinem üblichen Apparatus – der Berg Parnassus, die Quelle am Fuße des Helicon – ist nicht allein eine Poetologie formuliert, vielmehr zugleich die den Eroici furori zugrunde liegende Metaphysik. Es sind die Musen, die tiefe Gelehrsamkeit eingeben, ineins den Geist beleben sollen, zudem jene im Bild des Aktaion verhandelte conversio herbeiführen, die hier nur erst mit dem Begriff des cambiamento – »cangiate la mia morte in vita« – bezeichnet ist87. Deutlicher noch wird die Referenz auf das Aktaion-Sonett im zweiten Poem des ersten Dialogs: Ein enger Zusammenhang, ja die Übereinstimmung von »muse« und »pensieri«, Erkenntnis und schöpferischer Einbildungskraft, von phantasia und cognitio wird postuliert: In luogo e forma di Parnaso...


Moog-Grünewald, Maria
Maria MoogGrünewald war bis 2014 Inhaberin des Lehrstuhls für Romanische Philologie und Vergleichende Literaturwissenschaft an der EberhardKarls Universität Tübingen.

Maria Moog-Grünewald war bis 2014 Inhaberin des Lehrstuhls für Romanische Philologie und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Eberhard Karls Universität Tübingen.


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