Morris | Zwischen Liebe und Hass | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 2, 480 Seiten

Reihe: Wakefield Saga

Morris Zwischen Liebe und Hass


1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-7751-7465-7
Verlag: Hänssler
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, Band 2, 480 Seiten

Reihe: Wakefield Saga

ISBN: 978-3-7751-7465-7
Verlag: Hänssler
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



England 1553. Die Glaubenskriege zwischen Katholiken und Protestanten toben. In seinem Verlangen nach Rache für die Mörder seines Vaters stürzt Robin Wakefield sich in Intrigen und gefährliche Abenteuer. Die Liebe und den Glauben, die er als Kind gelehrt wurde, könnten ihm Frieden bringen, doch bald befindet er sich in einer lebensgefährlichen Lage ... Band 1 Das Schwert der Wahrheit Band 2 Zwischen Liebe und Hass

Gilbert Morris (1929-2016) war Pastor, Englisch-Professor und Bestsellerautor. Mit seiner Frau und seinen drei Kindern lebte er in Alabama, USA.
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2

Eine Warnung
zur rechten Zeit


Der größte der Karpfen schwamm majestätisch durch das grüne Wasser nach oben. Er war beinahe 45 Zentimeter lang. Als die Nachmittagssonne seine ausgefransten Flossen berührte, schien er einen weiß glühenden Glanz auszustrahlen. Er schwebte lässig knapp unter der Oberfläche und formte sein Maul zu einem O. Es sah aus, als meditierte er über die Natur seiner wässrigen Welt. Die geringeren Bürger dieses Kosmos, den der große Fischteich bildete, drängten sich am Boden zusammen, unbestimmte schattige Formen, die geisterhaft in den schlammigen Tiefen dahintrieben.

»Ich wünschte, ich hätte keine anderen Sorgen als du!«

Die Sprecherin war eine junge Frau von zwanzig Jahren, die auf den Felsbrocken am Rand des Fischteiches saß. Dieselbe Sonne, die den Karpfen aufleuchten ließ, berührte ihr Haar und verwandelte es in eine Funken sprühende rote Krone – so fein wie Seide. Ihr Gesicht war schmal und spitz, fast wie das eines Fuchses. Ihre Augen waren von einem blassen Blaugrün, und Leute, die sie gut kannten, sagten, wenn ihre Augen blau seien, sei alles in Ordnung, – aber hütet euch vor Prinzessin Elisabeth, wenn ihre Augen in blassgrünem Feuer auflodern!

Der Klang ihrer eigenen Stimme schien die junge Frau aufzuschrecken, denn sie warf einen jähen Blick auf die schwere Eisentür in der Mauer, die das Haus und die Gartenanlagen umgab. Einen Augenblick lang verhielt sie sich vollkommen still, nur die losen Strähnchen ihres Haars flatterten. Ihre Haltung hatte etwas von der Vorsicht eines Wilds an sich, hatte Ähnlichkeit mit einem Reh, das erstarrend und angespannt auf das Geräusch eines Feindes lauscht, der sich an sein Versteck anschleicht.

Sie könnten heute schon kommen – und ich kann mich nirgends in ganz England verstecken!

Auf ihrer hohen Stirn, glatt wie Alabaster, zeichneten sich drei feine Furchen ab, aber sie blinzelte, und mit einer für sie charakteristischen blitzschnellen Bewegung beugte sie sich vor und hob ein Stöckchen auf. Sie fasste dieses und stieß es jäh in den Teich. Dann lachte sie, als der plötzliche Stups den Karpfen so erschreckte, dass er einen Purzelbaum schlug. »Hab ich dich erwischt!«, rief sie, »lass dir das eine Lehre sein!«

Sie beugte sich vor und spähte in die Tiefen des großen Teichs hinunter. Sie strengte ihre Augen an, um den Fisch zu sehen, aber er hatte sich hinter einem der großen Steine am Boden des Beckens verkrochen. Sie warf das Stöckchen mit einer zornigen Geste beiseite und sprach den Fisch von Neuem an: »Warum versteckst du dich, du Feigling? Du bist der größte Fisch im ganzen Teich! Schande über dich! Wenn ich der größte Fisch in meiner Welt würde, wäre ich kein solcher Feigling!«

Elisabeth neigte zu jähem Stimmungswechsel, und ihr Gelächter brach ganz plötzlich los – ein herzhafter Klang, der viele an ihren Vater, König Heinrich VIII., erinnerte. Heinrich hatte seiner Tochter Maria seine mächtige Stimme vererbt, Elisabeth sein Lachen und sein Durchhaltevermögen, aber seinem Sohn Edward fast gar nichts. Keiner der drei war mit dem mächtigen, kraftvollen Körper des Vaters geboren worden. Elisabeth hatte die schlanke, aber wohlgerundete Gestalt ihrer Mutter geerbt – dieselbe Gestalt, die Heinrich dazu getrieben hatte, sich von seiner Frau Catherine scheiden zu lassen, damit er sie besitzen konnte.

Gute fünf Minuten lang saß Elisabeth da und starrte in die Tiefen des Teiches. In ihrem Kopf jagten sich die Gedanken, ihr Körper verharrte reglos. Der riesige Karpfen vergaß seine Furcht, tauchte hinter den Steinen auf und schwebte von Neuem zur Oberfläche des Wassers empor. Seine vorquellendes Auge betrachtete die Gestalt der jungen Frau, aber da sie sich nicht rührte, empfand sein Fischherz keine Furcht. Er erlaubte der Bewegung des Wassers, mit seinen ausgefransten Flossen zu spielen – Anzeichen hohen Alters, wie Elisabeth annahm.

Mit gedämpfter Stimme flüsterte sie: »Vater Fisch, du bist sehr alt, nicht wahr?« Es war eine ihrer Gewohnheiten, dass sie sich ein Pferd oder einen Hund als Gesprächspartner suchte – irgendein Wesen, das ihre Worte nicht gegen sie verwenden konnte. Sie war im Schatten der Gefahr aufgewachsen; und das hatte sie gelehrt, ihre Zunge zu hüten. Von Natur aus war sie eine gesprächige junge Frau und sehnte sich danach, sich auszusprechen, wann immer ihr danach zumute war, aber unter gewissen Umständen konnte das den Tod bedeuten. So verbrachte sie viel Zeit allein, mit Spazierengehen oder Ausreiten, und teilte die Gedanken, die sie vor keinem menschlichen Wesen aussprechen konnte, mit ihrem Pferd oder mit dem Hund, der ihr auf den Fersen folgte.

Sie betrachtete den Fisch nachdenklich. »Als meine Mutter noch am Leben und voller Schönheit war, da hast du schon genau dasselbe getan, was du jetzt tust – du bist herumgeschwommen und hast Brotkrumen gefressen.« Sie brach ein Bröckchen von dem Stück harten Brotes ab, das sie mitgebracht hatte, um die Fische zu füttern, warf es ins Wasser und beobachtete, wie die Kreise sich über die Oberfläche verbreiteten. Sie nickte dem Fisch zu, als er darauf zuschwamm. »Du bist so sicher in deiner Welt! Der Tag, an dem meine Mutter auf dem Block starb – der war für dich wie alle anderen Tage auch, nicht wahr?«

Sie hatte schon vor langer Zeit die Einzelheiten von Anne Boleyns Tod den Leuten abgequält, die Augenzeugen gewesen waren. Nur zu wissen, dass ihre Mutter gestorben war, aber nicht, warum oder wie, hatte ihr Albträume beschert. Sie war überzeugt gewesen, dass sie die Schrecken loswerden konnte, wenn sie alle Einzelheiten erfuhr, dann konnte ihre Fantasie nicht diese schattenhaften und grausamen Bilder herbeizaubern und sie damit quälen. Sir Myles Wakefield, ihr Freund, hatte schließlich Verständnis dafür gehabt und ihr die Einzelheiten erzählt.

»Als sie erfuhr, dass sie sterben musste«, hatte Sir Myles gesagt, »da sagte sie, wenn der König es erlaubte, so wollte sie wie die französischen Adeligen enthauptet werden, mit einem Schwert und nicht wie die englischen mit einem Beil.« Elisabeth starrte in das schlammige Wasser. Sie hatte Sir Myles Stimme beinahe so im Ohr, wie sie damals geklungen hatte, als er schließlich ihren Bitten nachgegeben hatte. »Es gab keinen solchen Scharfrichter in England, also musste die Hinrichtung verschoben werden, bis man einen aus Frankreich geholt hatte. Man sagt, sie schlief in dieser Donnerstagnacht nur wenig. Sie konnte in der Ferne das Hämmern hören, als das Schafott gezimmert wurde.

Am nächsten Morgen wartete der Henker bereits, als der oberste Beschließer des Towers erschien, gefolgt von Eurer Mutter. Sie trug ein wunderschönes Nachthemd aus schwerem grauen Damast, mit Pelz verbrämt, unter dem ein scharlachrotes Mieder aufleuchtete. Sie hatte diese Kleidung gewählt, weil sie den Nacken bloß ließ. Man hatte ihr eine große Summe Geld gegeben, um es als Almosen unter der Menge zu verteilen. ›Ich bin nicht hier‹, sagte sie schlicht, ›um euch zu predigen, sondern um zu sterben. Betet für den König, denn er ist ein guter Mann und hat mich so gut behandelt, wie er nur konnte.‹ Dann nahm sie ihre mit Perlen bestickte Haube ab und enthüllte, dass ihr Haar kunstvoll aufgesteckt war, um den Scharfrichter nicht zu behindern.

›Betet für mich‹, sagte sie, dann kniete sie nieder, während eine der Hofdamen ihr die Augen verband. Die Zeit war noch nicht vergangen, die man braucht, um ein Vaterunser zu sprechen, da beugte sie den Kopf, murmelte mit gedämpfter Stimme: ›Gott, erbarme dich meiner Seele‹. Der Henker trat vor und zielte – und mit einem einzigen Schlag war sein Werk getan.«

Einen Augenblick lang schien es Elisabeth, dass sie das Zischen dieses Schwertes hören konnte – und sie erhob sich rasch und schritt rund um den Teich, die Augen voller Qual. Einen Augenblick später holte sie tief Atem, dann setzte sie sich wieder auf die Felsen und zwang sich, den Fisch in ruhigem Ton anzusprechen.

»Nachdem er meine Mutter hatte hinrichten lassen«, flüsterte sie, »erschien mein Vater in Gelb gekleidet, mit einer Feder an der Mütze, und zehn Tage später war er mit Johanna Seymour verheiratet.« Sie hob einen Stein auf, wog ihn in der Hand, blickte den Fisch an, dann zuckte sie die Achseln und warf den Stein wieder zu Boden. »Sie war die Frau, die er am liebsten hatte – immer unterwürfig. Aber sie starb achtzehn Monate später, alter Fisch.« Sie neigte den Kopf zur Seite, beugte sich vor und fragte: »Was hast du an dem Tag getan, an dem meine Mutter starb? Ich nehme an, du hast nichts weiter getan, als herumzuschwimmen und Brot zu fressen.«

Das Geräusch eines Reiters in schnellem Trab drang an ihr scharfes Ohr, und wieder schien sie zu erstarren. Sie witterte geradezu die Gefahr in der Luft. Als sie das Pferd anhalten hörte, flüsterte sie: »Nun liegt Edward VI., das Kind, bei dessen Geburt Johanna Seymour starb, selbst im Sterben – und was wirst du tun, Elisabeth Tudor?«

Als die Tür in der Mauer aufgestoßen wurde, stand sie auf und sprach von Neuem, als redete sie mit sich selbst: »Was werde ich tun –?«

Immer noch auf dem Pferderücken jagte der Reiter durchs Tor. Als sie sah, wer es war, überschwemmte eine Welle der Erleichterung die junge Frau. Ein einzelner Atemstoß drang über ihre Lippen, und eine Sekunde lang verspürte sie eine Schwäche, die sie schwanken ließ. Sie ging recht ungeduldig mit Schwäche um, sei es ihre eigene oder die anderer Leute, also stieß sie das Kinn vor und rief: »Sir Myles – hierher!«

Myles Wakefield folgte augenblicklich dem Klang der weichen Stimme. Als er Elisabeth sah,...


Morris, Gilbert
Gilbert Morris (1929-2016) war Pastor, Englisch-Professor und Bestsellerautor. Mit seiner Frau und seinen drei Kindern lebte er in Alabama, USA.

Gilbert Morris (1929-2016) war Pastor, Englisch-Professor und Bestsellerautor. Mit seiner Frau und seinen drei Kindern lebte er in Alabama, USA.



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