E-Book, Deutsch, 404 Seiten
Msimang Und immer wieder aufbrechen
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7099-3956-7
Verlag: Haymon Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 404 Seiten
ISBN: 978-3-7099-3956-7
Verlag: Haymon Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
IMMER EIN NEUES LAND: SISONKE MSIMANG KÄMPFT FÜR GLEICHBERECHTIGUNG, UNABHÄNGIGKEIT UND IHR RECHT AUF EINEN PLATZ IN DER WELT.
SISONKE MSIMANG IST EIN KIND DER FREIHEIT
Sisonke Msimang und ihre Geschwister werden in eine REVOLUTIONÄRE GEMEINSCHAFT geboren, die gegen die APARTHEID und für ein UNABHÄNGIGES SÜDAFRIKA kämpft. 'Heimat' ist lange Zeit der Traum von Freiheit und kein bestimmter Ort: Sie wird im EXIL geboren, wächst in SWASILAND, SAMBIA, NAIROBI und KANADA auf, studiert in den USA. Als sie Südafrika zum ersten Mal betritt, ist sie schon über 20 Jahre alt. Wie steht es dort heute um FREIHEIT und GLEICHBERECHTIGUNG? WAS IST AUS DEM TRAUM GEWORDEN, der Sisonke Msimang und ihre Mitkämpfer*innen in den Jahren des Exils immer weitermachen ließ? Und die Autorin selbst? Als Kind ist sie umgeben von Frauen, die sich keinen Deut um die Regeln scheren, die man sich für sie ausgedacht hat. Sie inspirieren und bestärken Sisonke Msimang darin, DIE FRAU ZU WERDEN, DIE SIE SEIN WILL. Ist ihr das gelungen? Und welche Bedeutung haben Heimat und Zugehörigkeit heute für sie?
KEINE SCHEU VOR KOMPROMISSLOSER UND SCHMERZHAFTER SELBSTREFLEXION
Sisonke Msimang erzählt von HOFFNUNG und VERTRAUEN, von ENTTÄUSCHUNG - von sich selbst, von ihren HELD*INNEN - und was das mit ihrem Selbstverständnis und ihrer Identität macht. Davon, wie Stärke sie wachsen lässt und die Welt ein bisschen besser macht. Aber auch darüber, was ihr der Zwang abverlangt, immer stark sein und sich immer weiterentwickeln zu müssen. Sie HINTERFRAGT SICH MIT GROSSER OFFENHEIT, setzt sich immer wieder neu zusammen - um nie wieder das Gefühl haben zu müssen, Idole zu brauchen. Um am Ende - in all ihrer Vielseitigkeit und Widersprüchlichkeit - die HELDIN IHRER EIGENEN GESCHICHTE zu sein. Sie schreibt vom Wunsch, ihr fünfjähriges Ich von damals in den Arm nehmen zu können, um ihm zu sagen: DU KANNST ALLES ÜBERSTEHEN UND STÄRKER UND GLÜCKLICHER WERDEN, ALS DU DIR DAS AN DER SCHWELLE ZU JEDEM NEUEN LAND VORSTELLEN KANNST.
WARMHERZIG, KÄMPFERISCH UND AUFRICHTIG: EIN BUCH WIE EIN RICHTIG GUTES GESPRÄCH MIT FREUND*INNEN
In Sisonke Msimangs Leben prallen Länder, Träume, Menschen, Rückschläge, Ermutigendes, Ideale - ganze Welten aufeinander: Da sind HEIMWEH und Orientierungslosigkeit, aber auch das Gefühl von ZUGEHÖRIGKEIT, ZUSAMMENHALT und die VIELFALT DES ZWEITGRÖSSTEN KONTINENTS DER ERDE. Da sind KOLONIALISMUS, RASSISMUS, KLASSENUNTERSCHIEDE UND SOZIALE UNGERECHTIGKEIT, aber auch WIDERSTANDSGEIST, VERÄNDERUNG und REVOLUTION. DISKRIMINIERUNG, SEXISMUS und Überforderung, aber auch FAMILIE und FEMINISTISCHER KAMPFGEIST. Das Gefühl von Unvollkommenheit und ZWEIFEL an sich selbst, aber auch VERSÖHNUNG und AKZEPTANZ. Die Herausforderungen in einer Beziehung einer Schwarzen Frau mit einem weißen Mann, aber auch die Bereitschaft, voneinander zu lernen, und die Kraft der LIEBE.
Sisonke Msimang ist Revolutionärin, Antirassistin, Mutter, Afrikanerin, Feministin, Partnerin, Schwester - die Heldin ihrer eigenen Geschichte. Ihr Buch ist eine INSPIRATION und ein AUFRUF an Betroffene und Mitkämpfer*innen, sich für SELBSTBESTIMMUNG und GERECHTIGKEIT einzusetzen.
Aus dem Englischen von Tatjana Kruse.
Sisonke Msimang wurde im Exil in Swasiland geboren, wuchs in Sambia, Nairobi und Kanada auf, studierte in den USA - und ist Südafrikanerin. Als sie Südafrika das erste Mal betritt, ist sie schon über 20 Jahre alt. Sisonke Msimang war als Executive Director der Open Society Foundations für Südafrika zuständig und arbeitete für die UN. Ihre Lebensgeschichte zeigt, wie untrennbar das Private und das Politische miteinander verbunden sind und wie nah Hoffnung, Enttäuschung und Wiederhochrappeln beisammen liegen. Sisonke Msimang hat keine Scheu vor Selbstreflexion: Sie ist aufrichtig mit sich selbst - und regt an, es ihr gleichzutun. Mit 'Und immer wieder aufbrechen' (aus dem Englischen von Tatjana Kruse) erscheint erstmals ein Buch von Sisonke Msimang in deutscher Übersetzung. Das englische Original 'Always Another Country' erschien 2017, 2018 folgte 'The Resurrection of Winnie Mandela'.
Weitere Infos & Material
Prolog
Diese Geschichten beginnen mit einem jungen Mann. Eines Morgens im Winter 1962 schließt er sich, wütend und erschöpft davon, was es mit sich bringt, Schwarz zu sein, einer verbotenen Armee an. Im Jahr darauf verlässt er heimlich das Land. Ein weiteres Jahr später wird sein Anführer Nelson Mandela gefangen genommen und der Sabotage angeklagt. Das Gericht verurteilt Mandela zu einer lebenslangen Haftstrafe, aber seine Tapferkeit gerät nicht ins Wanken. Stattdessen zeigt sich Mandela der Lage gewachsen und äußert die berühmten Worte: „Ich bin der Erste, der angeklagt wurde“, und die Welt erlebt mit, wie ein afrikanischer Mann im Angesicht des fast sicheren Todes ungebrochen Haltung zeigt. Zu dem Zeitpunkt im Jahr 1963, als Mandela sich vor Gericht gegen den Vorwurf der Sabotage zur Wehr setzen muss – zum Zeitpunkt, als er verkündet, dass er bereit sei, für den Kampf gegen die weiße Vorherrschaft zu sterben –, hat der junge Mann, der später mein Vater werden sollte, das Land bereits verlassen. Ein Jahr lang hält er sich in Russland auf, lernt das Morse-Alphabet und wie man mit einem Gewehr umgeht. Ebenso wie alle anderen Rekruten ist er in die Fremde aufgebrochen, ohne sich von seinen Eltern, von seinen Angehörigen zu verabschieden, nicht einmal von seinem besten Freund. Nachdem er monatelang alles sorgfältig und fast ganz allein auf sich gestellt geplant hat, steht er eines Morgens auf und verschwindet im Nebel. Zehn Jahre später trifft er in Lusaka ein. Davor hat er seinen Abschluss an der Russischen Universität der Völkerfreundschaft in Moskau gemacht und sich nach Tansania begeben, wo er mit anderen Genossen eine Militärbasis aufbaut. Er reist nach Guinea-Bissau und trotzt an der Seite der Truppen von Amílcar Cabral an vorderster Front der portugiesischen Kolonialmacht. Als er endlich in Lusaka ankommt, ist er schon lange nicht mehr jung und hat Freunde sterben sehen. Er lernt eine hübsche junge Frau aus Swasiland kennen, die in Lusaka studiert. Sie wird seine Frau und schließlich meine Mutter. Sie liebt ihn, auch wenn sie seinem revolutionären Gedankengut zwiespältig gegenübersteht. Sie ist klug genug, den revolutionären Wölfen im Schafspelz zu misstrauen, aber auch weise genug, ihre Skepsis ausschließlich im privaten Umfeld zu äußern. Gemeinsam reisen Mummy und Baba um die Welt. Meine Schwestern und ich kommen in den 1970ern in Sambia zur Welt, wo der ANC, der African National Council, seinen Hauptsitz hat. Von dort ziehen wir erst nach Kenia, dann nach Kanada, anschließend zurück nach Kenia und letztlich für kurze Zeit nach Äthiopien. Als Nelson Mandela 1990 aus der Haft entlassen wird, dürfen wir endlich nach Hause. Meine Schwestern und ich sind Kinder der Freiheit. Wir wurden in den ANC hineingeboren und innerhalb einer revolutionären Gemeinschaft aufgezogen, deren einziger Zweck es war, gegen die Apartheid zu kämpfen. Man fütterte uns mit kommunistischer Propaganda und schulte uns im radikalen afrikanistischen Diskurs, all das im Schatten der Hoffnungen meines Vaters und des Pragmatismus meiner Mutter. Auf dem Spielplatz hielten wir imaginäre AK-47-Schnellfeuergewehre in unseren mageren Armen, und statt Räuber und Gendarm spielten wir Kapitalisten und Parteikader. Beim Seilspringen riefen wir – im Stakkato-Rhythmus unserer Sprünge – laut die Namen unserer Helden: „Govan Mbeki“, hüpf, spring, „Walter Sisulu“, spring, hüpf. „Eines!“ Springen. „Tages!“ Springen. „Werden!“ Springen. „Wir!“ Springen. „Alle!“ Springen. „Frei sein!“ Südafrika ist heute ein freies Land, doch denjenigen von uns, denen das Land am Herzen liegt, ist klar geworden, dass der Traum von Freiheit eine Art Heimat für uns war. Er war ein Luftschloss, in dessen Mauern jeder von uns ein Held sein konnte. Als wir aus dem Exil zurückkehrten, hatten wir dieses Schloss noch deutlich vor Augen. Wir sagten uns, wir seien etwas Besonderes, und waren fest entschlossen, eine Regenbogennation aufzubauen. Wir wussten, dass Südafrika kompliziert und brutal war, kein Land für Träumer. Das hielt uns aber nicht vom Träumen ab. Politisch treibt Südafrika mittlerweile hilflos vor sich hin. Viele von uns – jene, die ins Exil gingen, jene, die in Haft waren, und jene, die Freunde und Angehörige durch die Kugeln des weißen Minderheitenregimes verloren haben – fragen sich, wo genau wir in diesem Land stehen und welchen Platz Südafrika in der Welt einnimmt. Anfangs hielten alle Südafrika für den Beweis, dass das Gute über das Böse siegen kann. Wir waren stolz auf uns. Heute findet man nicht nur überall Leid und Armut – früher etwas Edles –, man hat sich daran gewöhnt. Wir lehnen uns nicht mehr dagegen auf. Wir nehmen das Leid der Schwarzen nicht mehr wahr, weil jetzt Schwarze das Sagen haben. Das Elend der Apartheid ist glücklicherweise vorbei, doch irgendwie scheint das Leid der Schwarzen unter einer Schwarzen Regierung weniger gravierend – was den Schrecken nicht verringert. Hier stehen wir heute: Nelson Mandela ist tot, ebenso wie Walter Sisulu und Govan Mbeki. Lillian Ngoyi, Ruth First, Fatima Meer, Neville Alexander, Dennis Brutus und eine ganze Reihe herausragender Frauen und Männer, die alle eine gerechte Menschlichkeit verkörperten, sind von uns gegangen. Jetzt, wo sie nicht mehr sind, haben wir es mit einem Land zu tun, das ganz gewöhnlich ist, sogar enttäuschend, auch wenn es mit kurzen Momenten verblüffender Brillanz aufwarten kann. Das Südafrika, das ich mir als Kind vorstellte, war ein Ort des Triumphs, ein Schmelztiegel, aus dem eine würdigere und gerechtere Menschheit hervorgehen würde. Meine Eltern waren Freiheitskämpfer, darum stellten unsere Wanderungen rund um den Globus Teil eines notwendigen Übels dar. Unser Leid war etwas Erhabenes. Eines Tages würde Südafrika groß werden, so träumten wir, und die Demütigungen, die man uns zufügte, würden uns lehren, Ungerechtigkeit zu verabscheuen, und impften uns gegen Ungleichbehandlung. Und doch haben wir jetzt ein Südafrika, das frei, aber nicht gerecht ist. Für mich persönlich ist das der Punkt, mit dem ich am meisten zu hadern habe. Vielleicht stimmt es ja, dass es in normalen Zeiten kein Heldentum gibt. Als die Waffen schwiegen und sich der Rauch verzogen hatte, stellten wir fest, dass wir nicht die Ausnahme waren. Die ganze Zeit über waren wir einfach nur gewöhnliche Menschen gewesen. Vermutlich kämpfe ich schon mein Leben lang gegen diesen Umstand an. Ich wollte immer an etwas glauben, und das, woran ich mehr als alles andere glaubte, war die Fähigkeit der Südafrikanerinnen und Südafrikaner, über die Apartheid zu triumphieren. Mein Glaube an Gott war nie besonders ausgeprägt, aber ich glaubte an die Menschlichkeit – in der Führung des ANC, in meinen Eltern, kollektiv in den Südafrikanerinnen und Südafrikanern aller races. Ich glaubte, dass sie alle besser sein konnten, als die Umstände es scheinbar diktierten. Und dann endete die Apartheid. Wenn ich ehrlich sein soll, waren die vergangenen zwei Jahrzehnte zwar in vielerlei Hinsicht enttäuschend, aber ich bin dankbar, dass mein rehäugiger Wunderglaube dadurch auf die Probe gestellt wurde. Was wäre das Leben schon wert, wenn wir immer nur rosarot vor uns hinträumen, wenn wir das glauben, was man uns sagt, und wir nicht erkennen, was sich direkt vor unseren Augen abspielt? Die letzten zwanzig Jahre haben mich gelehrt, dass manche Menschen kompliziert sind, dass sie dich enttäuschen werden und du sie trotzdem liebst. Ich habe erkannt, dass es Menschen gibt, die keine Reue empfinden, denen ihre Taten niemals leidtun. Aber auch sie haben ihre Berechtigung, denn die Geschichte lehrt uns, dass Nachsicht wichtiger ist als Rechtschaffenheit, dass ein schwieriger Friede besser ist als Krieg. Trotz allem, was mir dadurch genommen wurde – ein Großteil der Sicherheit, die man normalerweise mit seinem Zuhause assoziiert, die Fähigkeit, meine Muttersprache perfekt zu beherrschen, Kontakt mit Tanten und Cousins und Nichten und Nachbarn, die andernfalls vielleicht meine Freunde geworden wären: Das Exil war das größte Geschenk meiner Eltern an mich. Ohne einen physischen Ort, den ich Heimat nennen konnte, verliebte ich mich in die Idee von Südafrika. Diesen Traum habe ich mit der Muttermilch aufgenommen – dass es in Südafrika nicht einfach nur um non-racialism und Gleichberechtigung ging, sondern um etwas sehr viel Größeres. Wenn man als Kind im Exil aufwächst, wie ich es erlebt habe, wenn man Flüchtling oder Migrant ist oder auch einfach wenn der Lebensweg keine gerade Linie ist, lernt man schnell, dass ein Gefühl der Zugehörigkeit ein verbindendes Element ist: Man überlebt nur, wenn man jedes „wenn“, „und“, „aber“, „beides“ und „sowohl als auch“ meistert. Man lernt, dass alles gut ist, solange man an das Kollektiv glaubt, an seine Gruppe, an seinen „Stamm“. Es ist entscheidend für das eigene Überleben, diesen Menschen zu vertrauen und darauf, dass sie nur dein Bestes wollen. Dieses Gefühl der Zugehörigkeit, der Nähe, ist notwendig, um weiterleben zu können. Ich wuchs mit dem festen Glauben an Helden und Heldinnen auf, darum war es schwer für mich, in den letzten zehn Jahren den moralischen Abstieg jener politischen Partei mitzuerleben, der ich so viel von meiner Identität verdanke. Meine Vorbilder haben sich selbst demontiert. Ihr Verhalten hat mich verstört und oft zutiefst verletzt. Ich habe mich sogar gefragt, ob es ein Fehler war, überhaupt jemals an sie geglaubt zu haben. Ob alles nur eine einzige Lüge war....