E-Book, Deutsch, 176 Seiten
Mügge Weihnachtsabend
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7534-1339-6
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 176 Seiten
Reihe: Taschenbuch-Literatur-Klassiker
ISBN: 978-3-7534-1339-6
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der Schumacher Anton lebt mit seiner kleinen Familie in einer kleinen Wohnung. Es ist bereits Nacht. Er arbeitet noch, und seine Frau erzählt von einem Gespräch mit einer Dame der Gesellschaft. Man versteht nicht, warum der Schumacher sich nicht engagiert. Da kommt Unruhe auf und es erscheint ein ungebetener Gast, eine Frau in Männerkleidern. Der Schumacher und seine Frau leisten erste Hilfe und bieten ihrem Gast an, bis zum Morgen zu bleiben. Das Angebot wird jedoch abgelehnt. Damit beginnt Theodor Mügges Roman Weihnachtsabend, erschienen im Jahr 1853.
Theodor Mügge, eigentlich Friedrich Theodor Leberecht Mücke, war ein deutscher Schriftsteller und Verfasser von Abenteuerromanen. Er wurde geboren in Berlin am 8. November 1802 und verstarb am 18. Februar 1861 ebenda.
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Es begab sich an einem kalten und stürmischen Dezemberabende des vergangenen Jahres, daß tief im untersten Grunde eines mächtigen fünfstöckigen Hauses, welches im comfortabelsten Theile der Stadt, dicht an der schönsten und vornehmsten Straße steht, ein fleißiges junges Ehepaar emsig arbeitend beisammen saß, als es beinahe Mitternacht schlagen wollte. Dies fleißige Pärchen gehörte zu der bedeutenden Zahl moderner Troglodyten in den großen Tummelplätzen der menschlichen Gesellschaft, die ihre Parias nicht allein fünf oder sechs halsbrechende Treppen hoch in Dachwinkeln und Bodenkammern unterbringt, sondern sie auch tief in den Schoß der mütterlichen Erde hinabsteigen läßt, um allda zwischen feuchten, dumpfigen Mauern zu versuchen, was Hunger und Fieber ihnen anzuthun vermögen. So übel jedoch sah es in der Kellerwohnung nicht aus, in welcher die beiden Arbeiter saßen. Es war ein ziemlich großes, grün angestrichenes Zimmer, dessen Decke sich tonnenartig wölbte; auch lag es nicht gar tief unter der Oberfläche der Straße. Denn die Fenster waren gut erreichbar, hatten helle große Scheiben und waren von außen mit dichten Läden geschlossen. Es war ganz sichtlich ein noch ziemlich neues Haus und über diesem kleinen tiefen Raume lag ein Schimmer jenes wohlthuenden Geistes der Ordnung und Sauberkeit, der auch mit Armuth zu versöhnen weiß. Wenige Geräthe waren in dem Zimmer. Ein breites Bett stand an der langen Wandseite, eine Kommode, über welcher ein kleiner Spiegel hing, befand sich ihr gegenüber. Im Hintergrunde glänzte die blanke Front eines Spindes und neben ihm hatte ein andres mit Glasscheiben Platz genommen. Mitten in dem Gemach aber stand ein Tisch und zwischen Fenster und Ofen ein zweiter ganz niedriger, an welchem die beiden Personen saßen. Es war warm, reinlich und behaglich in dieser unterirdischen Wohnung. Die obere Hälfte des Zimmers lag in schweigender Nacht und Stille, die untere Hälfte war voll Licht und Rührigkeit. Die kleine Lampe hatte einen breiten Schirm; ihre Strahlen fielen auf eine Glaskugel und durch diese mit scharfem Glanz auf die Arbeit des fleißigen Mannes, der mit großer Behendigkeit an einem feinen Stiefel nähte. Es war ein noch ziemlich junger Mann, der hier mit aufgestreiftem Hemd und weißer Arbeitsschürze hinter der Glaskugel saß. Sein langes, glänzend schwarzes Haar fiel über eine hohe und gewölbte Stirn, ein listiges und lustiges Lachen lag auf seinen Lippen, und wenn er aufblickte und seiner Gefährtin bei dieser nächtlichen Arbeit dann und wann ein paar ermunternde Worte sagte, zeigte er zwei Reihen so prächtiger weißer Zähne, wie sie je schwarzes Brod tapfer zermalmt haben. Die Frau ihm gegenüber war ebenfalls jung und rüstig. Ihre braunen Flechten legten sich an ein gesundes Gesicht mit starken, vollen Zügen und hellen Augen, die entschlossen um sich schauten. Sie sah wie Eine aus, die zu arbeiten weiß und Hände wie Mund auf dem rechten Fleck hat. Während sie mit dem Einfassen einiger Schuhe sich beschäftigte, die vor ihr standen, trat sie dann und wann mit dem Fuß auf den Läufer einer Wiege, welche an ihrer Seite stand, sobald der kleine Schläfer darin sich bewegte. Der rumpelnde Ton der Wiege unterbrach dann die tiefe Stille und wurde abgelöst durch das Heulen des Windes, der an den Fensterläden rasselte, oder durch den dumpfen bebenden Ton rasch rollender Wagen, die auf der großen Straße vorüberfuhren und die Grundmauern des Gebäudes erschütterten. Nach einer geraumen Zeit sagte die Frau gähnend: Höre auf, Anton, es muß beinahe Mitternacht sein. Der Schuhmacher warf einen schnellen Blick auf die schwarzwälder Uhr in der Wandecke. Alleweil punkt halb erst, liebste Guste, gab er zur Antwort, aber bist müde geworden den lieben langen Tag. Na, es geht noch so, erwiederte sie; bei dem schlechten Geschäft wird man so müde eben nicht. Schlechte Zeiten! brummte der Mann halb laut, werden aber auch darüber fort kommen. Die Frau seufzte vor sich hin. Man mag es machen wie man will, sagte sie, es ist kein Vorwärtskommen. An Fleiß fehlts nicht, murmelte er leise. An meinem Willen auch nicht, setzte sie hinzu. Bist gut, rief er die Hand freundlich ausstreckend, es wird sich schon machen. Jung sind wir, arbeiten wollen wir, zur Noth geht's noch, und alleweil mag kommen was da will, manchem ehrlichen Kerl geht's wohl noch schlechter. Die Frau erwiderte sein Lächeln, sagte aber dann mit einem besonders scharfen Blick: Ich meine nur, Anton, es könnte besser gehen, wenn Du nur wolltest. Hörst wie der Wind pfeift? fragte er. Es ist ein schandbares Wetter draußen und um nichts danke ich alleweil dem lieben Gott mehr, als daß ich kein Wetterhahn geworden bin. Ah! geh' doch mit Deinen Possen, antwortete sie gereizt, ich weiß schon, was es bedeuten soll. Na, meinte er lachend aufschauend, ich sitze hier warm, lasse den Wind fahren wohin er will, und wenn es mich kränkt im Herzen, seh' ich Dich an und die Wiege da, so wird's wieder gut. Wenn Du uns beide ansiehst, Anton, sagte die Frau, müßte es Dir doch einfallen, daß es gut wäre für uns Alle, wenn Du es machtest, wie es so Viele gemacht haben. Ihre letzten Worte verloren sich unter dem erschütternden Rollen mehrerer Wagen, die schnell hintereinander vorüberfuhren. Sakerment! rief der Schuhmacher, was ist das heut für Spektakel. Wir wohnen doch hier um die Ecke und bekommen den Lärm erst aus zweiter Hand, aber es ist als ob die Steine sich bewegten. Die Herrschaften fahren nach Haus, erwiederte die Frau. Hole sie der Henker! brummte Anton vor sich hin. Was ist denn eigentlich heute los bei Geheimraths? Es ist ein Ball oder so etwas, sagte sie. In allen Zimmern brannten die Kronen als ich vorüberging und gefährlich viel Wagen und Menschen standen vor dem Hause. Dazu haben sie immer Zeit und Geld, meinte der Schuhmacher mit einer gewissen zornigen Betonung. Du würdest es auch nicht besser machen, wenn Du Geheimrath oder Baron wärst, fiel sie ein. Hast vielleicht Recht, Guste, sagte er lachend, alleweil ist blos schade darum, daß ich es nicht bin. Aber wenn ich es wäre, würde ich doch meinen Mitmenschen das Leben nicht saurer machen, wie es schon ist; würde mich hüten, es so zu machen, wie sie es mir anthun. Ließe Jeden denken und meinen und glauben was er Lust hat und thäte mich blos darum bekümmern, macht der Anton Mertens mir gute Stiefeln und Schuhe, so ist er mir recht. Mehr kann ich nicht von ihm verlangen. Ja, wenn Du auch so denkst, rief die Frau, andere Leute sind nun einmal nicht anders; ihre Gründe haben sie auch und mit dem Kopf durch die Wand ist noch Keiner gekommen. Man sieht es ja, wie Viele untergehen oder wenn sie klug sind bei Zeiten zu Kreuze kriechen; wer aber nichts hat und doch nicht klug sein will, der muß nicht Andere anklagen. Anton antwortete nicht. Er warf seine langen Haare von der Stirn zurück, schüttelte den Kopf dabei und arbeitete eifrig weiter. Ich habe es Dir nicht gesagt, fuhr seine Frau fort, aber gestern begegnete ich der Frau Geheimräthin und Fräulein Elise auf der Straße. Nun, wie geht's Auguste? fragte sie, als ich bei ihr vorüber ging und grüßte. Nicht zum allerbesten, sagte ich. Ist Jemand bei Euch krank? fragte sie. Gott sei Dank! gesund sind wir Alle, sagte ich, aber das Geschäft geht schlecht, wir haben viele Kunden verloren; dazu ist mein Kind jetzt unruhig von wegen der Zähne, helfen kann ich Anton auch nicht so viel, wie ich möchte, denn Wirthschaft und Hausstand verlangen Ordnung und nehmen mehr Zeit fort wie man denkt. So haben wir denn mancherlei Sorgen, obwohl es an Fleiß nicht mangelt. Da seid Ihr selbst schuld, gab sie zur Antwort. Lieber Gott, ich bin gewiß nicht schuld, sagte ich. Nein, Du nicht, sagte sie, Du bist immer vernünftig gewesen, aber Dein Mann taugt nichts. Donnerwetter! rief Anton ärgerlich lachend, indem er mit seinem Stiefel aufklopfte. Das sagte die alte Hexe Dir ins Gesicht? Bsch! winkte Guste, wecke das Kind nicht auf. Er ist fleißig und ordentlich, sagte ich, ich kann nicht über ihn klagen. Aber er hat keinen Glauben und keine Gesinnung, rief sie so laut, daß ich mich schämte, und das muß ein Mann haben, mit dem man sich einlassen soll. Als ob ich mich mit ihr einlassen wollte, rief der Schuhmacher. Liebe, gnädige Frau Geheimräthin, sagte ich, Anton macht seine Arbeit doch gewiß gut und immer sind Sie uns gewogen gewesen, und haben viel für uns gethan. Aber ich habe nur Undank davon gehabt, fuhr sie auf. Der Geheimrath hat Deinen Mann erziehen lassen, wie sein Vater starb, der es auch wohl verdient hat, daß man sich um das Kind kümmerte, denn er war zwanzig Jahre lang ein treuer Diener. Wir haben Anton in die Schule geschickt, haben ihn in die Lehre gebracht, ihn unterstützt, wo es nöthig war, und aus meinem Hause hat er Dich geheirathet. Was ich damals gethan habe, will ich nicht weiter erwähnen, aber der Geheimrath lieh Euch obenein zweihundert Thaler zu Eurem...




