E-Book, Deutsch, 208 Seiten
Müller In den Tiefen des Raums
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-7309-0379-7
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
SF-Roman
E-Book, Deutsch, 208 Seiten
ISBN: 978-3-7309-0379-7
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Argo Knab, weltbester Testpilot für Raumfahrzeuge aller Art, soll nur mit dem Äonenkreuzer RASANZ ein vermehrungsfreudiges Paar Neandertaler aus der Altsteinzeit entführen, doch dann kommt alles anders ... Coverbild: Tithi Luadthong/Shutterstock.com 'In den Tiefen des Raums ist der Vorgängerroman des hier schon rezensierten Der Fluch des Gnomen, und schlägt in die gleiche humoristische Kerbe. Jedoch beweist Jürgen Müller, dass er nicht nur fest im Sattel der Fantasy sitzt, sondern beweist auch im Genre der Science Fiction handwerkliches Geschick, eine Fähigkeit, die nicht allen Autoren gegeben ist. ... Jürgens Gedankengängen kann man hier und da nur durch mehrmaliges Lesen folgen, gar scheint es, als ob der Autor hier teilweise unter LSD-Einfluss stand - auf alle Fälle ist es ein Heidenspaß, den verschachtelten, abrupten Wendungen zu folgen und sich einfach im Strom des Romans treiben zu lassen. Viele haben versucht, den Stil Douglas Adams' zu erreichen, Jürgen Müller ist es meiner Meinung nach am besten gelungen, teilweise übertrifft er ihn gar im geordneten Chaos der Handlungen - und dabei gelingt ihm das Kunststück, dass der Leser weder verwirrt wird, noch sich nicht mehr zurechtfindet.' (aus einer Rezension von Jürgen Eglseer)
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1. KAPITEL
Der kobaltblaue stählerne Wächterkoloss der Marke BEISEITESCHREITER verharrte auf der Stelle. Vieles hatte er auf dieser Welt namens Ärde erlebt. Noch mehr hatte er gehört in den Jahren, seit er pflichtvergessen die Lücke im unüberwindbaren haushohen Elektrozaun rund um das vier Quadratkilometer große Werksgelände der Firma ÜBERFLUG bewachte. Aber solch eine Gestalt, wie sie eben aus dem alles verschlingenden Anthrazit einer nur mürrisch weichenden Nacht trat, war ihm noch nicht untergekommen. Da schleppte doch ein eiserner Wille zweihundertsechs mit Haut überzogene Knochen zur Arbeit. »Lass mich rein«, sagte Argo. »Seltsam«, entfuhr es dem BEISEITESCHREITER. »Die Fingerabdrücke stimmen mit dem Vergleichshologramm überein. Haarfarbe und -struktur und selbst die Haarquerschnittsuntersuchung – alles in Ordnung. Unverwechselbar die Iris; habe selten etwas so grandios Buntschillerndes gesehen. Die Größe: Einsdreiundneunzig – auf den Zentimeter genau wie es im Ausweis steht. Der Geruch? Pfui Teufel! Stimmt auch – scheußlich wie immer.« »Danke. Schönen Dank auch! Bin dir sehr verbunden.« »Die Sprache? Eindeutig zur Person ›Herr Testpilot Argo Knab‹ gehörend, wie alles andere auch. Und dennoch ...!« »Und dennoch ... was?« »Gewicht: Einhundertsechs Kilogramm laut Ausweis, ja? Ha! Geh weg, Fremder, oder ich schieße!« Laser schoben sich aus dem Wächterkoloss. »Warte.« Argo zückte die Entlassungspapiere der Klinik. »Einlieferungsgewicht: 57 Kilogramm? Entlassungsgewicht: 65 Kilogramm? Gut, überredet: Eindeutige Identifizierung als ›Herr Testpilot Knab‹. Ich bitte um Entschuldigung. Sie dürfen passieren.« Die Laser zogen sich ins Wächterkoloss-Innere zurück. Der BEISEITESCHREITER trat einen Schritt beiseite und gab die Lücke der unüberwindlichen Elektrozäune rund um das vier Quadratkilometer große Werksgelände der Firma ÜBERFLUG frei. Rechts neben dem Bürokratenpalast, etwa vierzig Meter vom Wächterkoloss entfernt, aber in Nähe des riesigen Hangars, befand sich der mit saftig grünem Gras bewachsene Randstreifen des werkseigenen Start- und Landeplatzes. Quirlige Helikopter mit herabhängenden Rotoren, Flugzeuge mit Stummelflügeln, Flugzeuge mit Riesenschwingen, kirchturmhohe Ballons und sogar Raumschiffe, pyramiden-, zigarren-, kugel-, un- und sonstwieförmig, die nicht in den überfüllten Hangar gepasst hatten, drängten sich hier dicht an dicht, aber auch UFO-ähnliche Neuentwicklungen, die Argo so sehr liebte. Eine davon, den silberfarbenen Versuchsraumgleiter AURICA, sollte er am ersten Arbeitstag nach langer Abwesenheit erproben. Die Sichtprüfung fiel günstig aus. Solide gebaut das Himmelsgefährt, dachte Argo anerkennend und schritt, den Ausweis gezückt, zur rostbraunen Einstiegsluke. Eigentlich hätte Argo noch drei Wochen im Bett liegen und sich aufpäppeln lassen müssen. Einer Ohnmacht nahe, zog er sich den Einstieg hoch. Sein an Bord der AURICA schwebender Kopilot registrierte erschüttert, wie Argo durch die Einstiegsluke kroch. Inmitten etlicher der zweihundertsechs mit Haut überzogenen Knochen pumpte ein doppelter Hohlmuskel verbissen wohl einhundertachtzig Mal pro Minute an momentanem Sauerstoffmangel leidendes Blut in einen Kreislauf, der das ständige Rundherum anscheinend satt hatte – derzeit hätte Argo kein Testpilot für Raumflugkörper aller Art sein müssen, sondern ebenso gut ein beliebiger Freizeitsportler sein können, der soeben halbtot ins Zielband eines Triathlon-Wettbewerbes wankt. Gemächlich kletterte die Sonne über dem Horizont empor und vertrieb den Dämmerschein aus dem Werksgelände. Der betonierte Start- und Landeplatz schimmerte in blassem Gris. »Gut, Kumpel ...« Argos Lunge schnappte gierig nach dem planeteneigenen Gasgemisch. »Gründliche Untersuchung!« »Ojemine!« Das kirschgroße Pseudoinsekt, von allen kurz »Pseu« genannt, schwirrte mitleidsvoll vor seiner Nase herum. »Drohender Kreislaufkollaps. Drei Wochen Bettruhe. Aber sofort!« »Ach was! Dass ich nach einem dreimonatigen Klinikaufenthalt nicht fit bin, dürfte klar sein. Die Bordsysteme solltest du überprüfen, nicht mich!« »Ist längst passiert, Chef! Sogar zweimal.« Jeder Kontrolleur, selbst unangemeldet und mit Sehfehler, hätte das Kunstgeschöpf letzte Nacht dabei ertappt, wie es unter Zuhilfenahme seiner Tentakel, Beine und Kauwerkzeuge (es bezog seine Energie aus der Pseudo-Verdauung von Abfall und Dreck) den Großteil der Bordelektronik genüsslich in sämtliche Einzelteile zerlegte, wieder zusammenfügte, die Gründliche Untersuchung dreiundsiebzig Mal durchführte und anschließend fünf Stunden und siebzehn Minuten lang mit seinem persönlichen Psychiater telefonierte. Schuld daran war ein Bewusstseins-Chip, der allen mechanotronischen Hilfskräften installiert wurde ... mit der Nebenwirkung, dass sie bei Untätigkeit allesamt unter unerträglicher Langeweile litten. »Herunterzählen zum Start, Chef?« »Jau!« »Wau! Zehn ... Neun ... Acht ... Sieben ... Sechs ...«, protzte Pseu mit dem körpereigenen Zeitmesser, der eine jede Sekunde in Millionen gleich lange Stückchen zerhackte. »Fünf ... Vier ... Drei ... Zwei ... Eins ... Null!«, stimmte Argo mit schwacher Stimme, aber begeistert ein. Sein Verstand hingegen fiel keine Zehntelsekunde später, als die robusten Triebwerke der AURICA im Verein losfauchten, genau in die Mitte zwischen einem flachen Koma und einer tiefen Ohnmacht. Dröhnend schraubte der Versuchsraumgleiter sich per Spiralsteigflug ins himmlische Blau empor, stürzte im gewollten Trudelfall bis dicht über das khakifarbene Gelände einer erst kürzlich versiegelten ausgedehnten Mülldeponie und vollführte etwas später über dem Gebiet der drei Millionen und vierzehn Seen der Ärde weitere vorprogrammierte Flugmanöver, neckische Kapriolen sowie die Folgen einiger von einem Zufallsgenerator initiierten künstlichen Defekte im Gleiter, von denen jeder einzelne mit einer Katastrophe geendet hätte, hätte der Autopilot nur einmal eine Tausendstelsekunde zu spät reagiert. Überglücklich, etwas zu tun zu haben, absolvierte Pseu das Programm, dokumentierte in seinem Speicher sämtliche Daten, kopierte sie, bestätigte die punktgenaue Landung auf der Stelle, von der aus sie gestartet waren, und schaltete mürrisch die Aggregate der AURICA ab. Feierabend. Merde! Ein versehentlich ebenfalls installierter, aber für mechanotronische Hilfskräfte keineswegs obligatorischer Unterbewusstseins-Chip überflutete das Denken und Fühlen Pseus mit den Schrecknissen der kommenden tristen Nacht, obwohl kaum Mittag eines hellen freundlichen Tages war. »Feierabend, Chef! Der Kasten ist in Ordnung, nicht?« Stille. »Cheeff!« Stillste Stille. Wau! Überglücklich trat der Kopilot in Aktion, erspähte einen Ärdbatzen, der aus dem Profil eines Schuhs des Testpiloten gebröckelt sein mochte, zerhieb ihn mittels rücksichtsloser Anwendung eines scharfkantigen Manipulator-Arms, verschlang und pseudoverdaute die Krümel und sprühte wenig später vor Energie. Der Kopilot schwirrte freudig auf Argos sich kaum noch hebende und senkende, manchmal auch konvulsivisch zuckende Brust. Dort fuhr er teleskopartig die Tentakel aus und bohrte deren spitze Enden an bestimmten Stellen des schmächtigen Oberkörpers durch Overall und Oberhaut. Glücklich auflachend, betätigte er sich nun als Mini-Defibrillator, aber mit Maxi-Saft. Argo zuckte hoch, als hätte er mit einem Zitteraal gebadet, und ächzte: »Guten Morgen, Blechkamerad!« »Wollte, er wäre schon da«, seufzte Pseu, »der morgige Morgen. Feierabend, Chef. Der Kasten ist in Ordnung, nicht?« »Welcher Kasten? Ah, dieser Kasten. Ist er das? Gut.« Argo nahm das Kristall mit der Kopie der Aufzeichnungen an sich, ließ den metallic-smaragdfarbenen Kopiloten samt herumspukenden Unterbewusstseins-Chip allein und wankte in den Bürokratenpalast, wo nur die behäbigsten Ärdenmenschen eine Anstellung finden (Der Spruch »Gut Ding will Weile haben« ist auch auf der Ärde in, aber nicht in Zitatenlexika, sondern als Paragraph 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Erschöpft taumelte er zu einer mächtigen schallgepolsterten Tür, auf der ein Schild mit der Gravur Herr Fridolin Frodilon Abteilungsleiter Ressort Entwicklung stand, klingelte und wurde »bereits« nach fünfzig Minuten eingelassen. Der dickleibige Abteilungsleiter wuchtete sich aus einem Monstrum von Sessel, mit Armlehnen, breiter als Argos Oberschenkel. »Ist das ein Stresstag!«, grummelte er. »Legen Sie das Kristall auf den Schreibtisch. Aber in Reichweite! Ich sehe ihn mir gelegentlich an. Niemandem ist geholfen, wenn ich mich überarbeite. – Ist noch was, Knab?« Fridolin Frodilon als häufig benutzte und...