Müller / Kasper | Das elementare Schulwesen im Montafon 1774–1869 | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 336 Seiten

Müller / Kasper Das elementare Schulwesen im Montafon 1774–1869

vor dem Hintergrund gesamtstaatlicher Entwicklungen
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-7030-6605-4
Verlag: Wagner Innsbruck
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

vor dem Hintergrund gesamtstaatlicher Entwicklungen

E-Book, Deutsch, 336 Seiten

ISBN: 978-3-7030-6605-4
Verlag: Wagner Innsbruck
Format: EPUB
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Das Jahr 1774 steht für die bildungspolitische Zeitenwende mit den ausgesprochenen Zielen 'Schulbildung für Alle' und 'Überwindung des Analphabetentums'. Das erste staatliche Schulgesetz setzte im elementaren Bildungsbereich eine bemerkenswerte Entwicklung in Gang. Im Zuge dessen kam es in der gesamten Monarchie zu zahllosen Gründungen von Trivialschulen (später als Volksschulen bezeichnet).
Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts lassen sich allein im Montafon annähernd 30 Schulstandorte nachweisen. Im Dorf waren es die Pfarrschulen, in den abgelegenen Weilern die Filialschulen.
Trotz anfänglicher Widerstände, anhaltender Unzulänglichkeiten, ökonomischer Schwierigkeiten und mit amtlicher Duldung mancher Provisorien gelang es den Schulverantwortlichen gemeinsam mit bildungsnahen Personen, die sich häufig genug auch als Gönner in Schulstiftungen einbrachten, während der Jahre 1774 bis 1869 ein stabiles Schulnetz aufzubauen, umfangreiche Baumaßnahmen zu verwirklichen, die Schulbesuchsquote zu steigern, die Lehrerqualifikation zu verbessern und die Alphabetisierung großer Teile der Bevölkerung voranzutreiben.
1869 ging die ereignisreiche, vielfach konfliktbeladene Aufbau- und Konsolidierungsphase zu Ende. Darauf aufbauend brachte nachfolgend das zweite große Schulgesetz einen enormen Entwicklungsschub Richtung neuzeitlicher Volksschule.

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1 Einführung
Noch im 18. Jahrhundert waren die Menschen vornehmlich in Mitteleuropa mit einer Anzahl schwerwiegender Probleme konfrontiert, deren Ursachen bis in die Zeit des 30-jährigen Krieges und der Pestepidemie zurückreichten. Trotz allem konnte sich im Bildungswesen Bemerkenswertes entwickeln. Auf bildungspolitischer Ebene zeichnete sich im Sinne einer Neuorientierung ein umwälzender Wandel ab. Im Zuge dieser Entwicklung setzte sich unumkehrbar die Vorstellung durch, dass der Staat eine besondere Verantwortung trägt, auch den niederen Volksschichten den Zugang zu Wissen und Bildung zu erschließen, mit einer verbindlichen staatlichen Rechtssetzung abzusichern, ein flächendeckendes Trivialschulwesen aufzubauen und allen Kindern den Schulbesuch zu ermöglichen. Dadurch verringerte sich der bisherige kirchliche Einfluss entscheidend. Der Umsetzungsprozess gestaltete sich speziell wegen ungelöster Finanzierungsprobleme als besonders schwierig und zwischen dem formalen Anspruch und der Schulwirklichkeit klaffte dann doch eine spürbare Lücke. Es sollten noch mehrere Jahrzehnte vergehen und den Einsatz tatkräftiger und vorausschauender Lehrer und fortschrittlicher Geistlicher erfordern, bevor Schulbildung zu einem Allgemeingut für die gesamte Bevölkerung werden konnte. 1.1 Einleitende Vorbemerkungen
•    Über die bildungsgeschichtlich bemerkenswerte Epoche von 1774 bis 1869 •    Von der Pfarrschule zur staatlichen Volksschule •    Aufbau des staatlichen Schulwesens im Montafon •    Schule zwischen formalem Anspruch und Schulwirklichkeit 1.1.1 Über die bildungsgeschichtlich bemerkenswerte Epoche von 1774 bis 1869 Die im Titel benannte zeitliche Eingrenzung hebt mit 1774 und 1869 zwei äußerst prägnante Momente österreichischer Schulgeschichte hervor. Maria Theresia erließ am 6. Dezember 1774 mit der „Allgemeinen Schulordnung“ das erste gesamtstaatliche Schulgesetz, ein Meilenstein in der Schulgeschichte Österreichs, und 1869 folgte das nächste große Schulgesetz, das weit umfassendere „Reichsvolksschulgesetz“. Diese Zeitpunkte kennzeichnen jeweils zweierlei. Einmal stehen sie für den vorläufigen Abschluss eines vorangegangenen, langwierigen, nicht immer linear verlaufenen Entwicklungsprozesses, zum anderen für den Beginn einer jeweils neuen bildungspolitischen Phase. Mitte des 18. Jahrhunderts setzten sich die staatlichen Entscheidungsträger vermehrt mit den Anliegen der Aufklärung – Kraft der eigenen Vernunft und Freiheit des Denkens – auseinander. Gleichzeitig erkannten sie ihre besondere Verpflichtung zu sozialer Fürsorge für die Untertanen und die Wirkung einer staatlich geregelten Elementarbildung zur Absicherung bestehender Machtverhältnisse. Diese Strömungen lösten bei ihnen im Zusammenhang mit dem Bildungswesen ein grundlegendes Umdenken aus, besonders hinsichtlich einer Bildung, die das gesamte Volk, also auch die niederen Schichten, erfassen sollte.1 Nur auf diesem Wege erschienen aktuelle ökonomische und militärische Herausforderungen lösbar. Besonders der immer noch weit verbreitete Analphabetismus in den ländlichen, agrarisch geprägten Gebieten führte zu erheblicher Kritik an der Wirksamkeit der bisherigen, von der Kirche geführten und ausgerichteten Schule2 und zwang zu einer zeitnahen, staatlichen Regelung unter Einbeziehung des niederen Schulwesens. Diese folgte dann auch 1774. Maria Theresia unterzeichnete das erste gesamtstaatliche Schulgesetz mit den Grundsätzen Einheitlichkeit, Allgemeinheit, Nützlichkeit und dem Ziel, gehorsame Untertanen standesgemäß auszubilden. Es umfasste die Unterrichtsverpflichtung vom sechsten bis zum zwölften Lebensjahr, einheitliche, sechswöchige Lehrerausbildung, die Einrichtung einer Trivialschule zumindest in jeder Pfarre oder Kuratie, die Vorgabe der einzig bestimmenden Lehrart, die mehrstufige Schulaufsicht und weitere schulrechtliche Bestimmungen. Zusammen bildeten die einzelnen Abschnitte den legistischen Rahmen für den Aufbau des elementaren Schulwesens.3 Die Nachfolger von Maria Theresia, besonders der energisch vorgehende Joseph II., sahen sich in weiterer Folge gezwungen, durch eine Fülle von ergänzenden Nachtragserlässen den Prozess der Institutionalisierung weiterzuführen und entschieden voranzutreiben. Trotz all dieser Bemühungen kam die Umsetzung der Schulreform nur langsam in Schwung. Erst allmählich wuchs die Schule im allgemeinen Bewusstsein der Bevölkerung zur Selbstverständlichkeit an und bis zur Erreichung der Entwicklungsziele des ersten staatlichen Schulgesetzes, vornehmlich die vollständige Alphabetisierung der Bevölkerung, vergingen noch weit mehr als 100 Jahre. 1.1.2 Von der Pfarrschule zur staatlichen Volksschule Schon geraume Zeit vor den theresianischen Trivialschulen existierten in den Städten die „Deutschen Schulen“ und auf dem Land die von der Kirche eingerichteten und betreuten „Pfarrschulen“. Da die Machthaber ihre Hauptaufgabe mehr in der Erhaltung ihres Einflussbereiches und der Abwehr der Bedrängung von außen sahen, nahm sich die Kirche, dem konzilsmäßigen Auftrag folgend,4 der Bildungsarbeit in den Städten und auf dem Lande bis in die entlegenen Talschaften an. Die Pfarrseelsorger sorgten für den Schulbetrieb, der sich allerdings nicht auf ein staatliches Schulgesetz stützen konnte, wodurch wesentliche erfolgsbedingende Wirkungsfaktoren wie die Vorgabe von Zielen, Inhalten, Methoden und Schulzeitdauer, die Bereitstellung brauchbaren Schulraumes, der Einsatz ausgebildeter Lehrer oder verbindlicher Schulbesuch unberücksichtigt blieben. Der Unterricht, vom Pfarrer, Mesner oder einer mehr oder weniger schreibkundigen Person abgehalten, beschränkte sich vorzugsweise auf die religiöse Unterweisung, das Lesen, das Schreiben und bestenfalls das grundlegende Rechnen. Wie Einschätzungen aufzeigten, dominierte im realen Schulalltag infolgedessen eine wenig erfolgsversprechende Beliebigkeit aller Merkmale schulischen Wirkens, welche eine Überwindung des herrschenden Analphabetismus in breiten, besonders den unteren Bevölkerungsschichten nicht erwarten ließ.5 Mangels eigener Schulhäuser fand der Unterricht im gemeindeeigenen Mesnerhaus, gelegentlich im Pfarrhaus oder in der Wohnstube des mit der Aufgabe betrauten Bauern oder Handwerkers statt. Der kirchendominierten Phase schloss sich 1774 die staatlich-öffentliche mit dem Ziel der Institutionalisierung der Bildung auf der Basis eines allgemeinen, einheitlichen Schulgesetzes für das elementare Schulwesen an, deren Durchsetzung sich als langwierig herausstellte, geprägt von Rückschlägen, Unstetigkeiten und beträchtlichen Anstrengungen. Die Folgen dieser Veränderung betrafen unmittelbar die Gemeinden, die Eltern, die jetzt unterrichtspflichtigen Kinder und die Kirche, die auf einmal deutlich an Einfluss verlor. Besonders den finanzklammen Gemeinden entstanden als nunmehrige Schulerhalter außerordentliche Kosten, ebenso den Eltern, denen der Schulbesuch zusätzliche Ausgaben für die Anschaffung der unumgänglich notwendigen Schulmaterialien und darüber hinaus den zeitweisen Verlust an Arbeitskräften in Haus und Hof bescherte. Zur Durchsetzung der „gewollten Schule“ trugen kirchliche und weltliche Schulaufseher vor Ort bei, für den Bereich des Landgerichts der Schul-Distrikts-Schulaufseher und für den Kreis zeichnete der Kreisschulkommissär verantwortlich. Sie achteten auf die Einhaltung und Befolgung der amtlichen Vorschriften und gaben ihre Wahrnehmungen in Visitationsberichten an die nächsthöhere Instanz auf Kreis- und Provinzebene weiter, bis sie schlussendlich zusammengefasst in der „hohen Studienhofkommission“ einlangten. Die 1818 in Vorarlberg in Kraft getretene „Politische Schulverfassung“ von 1806 brachte keine wesentlichen Fortschritte oder bemerkenswerte schulpolitische Neuerungen. Im Wesentlichen handelte es sich um eine Zusammenführung überwiegend aus der Regierungszeit Josephs II. stammender Verordnungen mit erforderlichenfalls klarstellender Ausformulierung. Folglich blieben die mit einem bescheidenen Bildungsauftrag ausgestatteten Volksschulen weiterhin hinter den Anforderungen und Bedürfnissen der Zeit. Im Gegensatz dazu kam es in anderen Ländern wie Deutschland und der Schweiz zu einem wachsenden Aufschwung des Schulwesens. Ungeachtet des anhaltenden schulpolitischen Stillstandes hierzulande fanden sich vereinzelt vorausschauende Lehrer, deren Bemühen in der Verbesserung des Unterrichts lag und die eigenständig fortschrittliche Lehrmethoden und Lehrwerke entwickelten. Die nächsten Schritte zur „Abstellung vorhandener Übelstände“ an Volksschulen6 erfolgten alsdann im Laufe des Revolutionsjahres 1848, begünstigt durch die befreiende Aufbruchstimmung als Folge der Aufstände.7 Trotzdem reichte es nicht für den großen, überfälligen Durchbruch, die schwerwiegenden Mängel im elementaren Schulwesen bestanden fort: Beschränkung auf ein dürftiges Lehrangebot, die Unzahl kleinlicher administrativer Vorgaben mit ihren hemmenden Auswirkungen auf das Lehren und Lernen, die bescheidene Lehrerausbildung, das geringe...


Reinhard Müller (1946), Lehrer an verschiedenen Volks- und Hauptschulen, langjähriger Lehrerbildner und Abteilungsleiter für die Volks- und Hauptschullehrerausbildung an der Pädagogischen Akademie des Bundes in Vorarlberg, zuletzt Leiter des Instituts für Bachelorstudien an der Pädagogischen Hochschule Vorarlberg.

Michael Kasper, MMag. Dr., Doktoratsstudium Geschichte, Lehramtsstudien Geschichte, Sozialkunde und Politische Bildung, Geographie und Wirtschaftskunde sowie Katholische Religion in Innsbruck. Seit 2011 als kulturwissenschaftlicher Bereichsleiter beim Stand Montafon tätig (zuständig für die Montafoner Museen, das Montafon Archiv und kulturgeschichtliche Projekte). Obmann des Heimatschutzvereins Montafon und des Geschichtsvereins Region Bludenz.



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