Müller | Kein Isländer ist auch keine Lösung | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 432 Seiten

Müller Kein Isländer ist auch keine Lösung

Roman
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-641-27294-4
Verlag: Penguin
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, 432 Seiten

ISBN: 978-3-641-27294-4
Verlag: Penguin
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Zwei Freundinnen. Ein geheimnisvoller Mann. Und ein Urlaub voller Turbulenzen.

Merle, alleinerziehende Mutter einer rebellischen Zwölfjährigen, findet die Sache mit der Liebe ziemlich hoffnungslos. Auch wenn sie in letzter Zeit immer häufiger an ihre mysteriöse Internetbekanntschaft denken muss. Da ist eine Reise nach Island vielversprechender, und ihre beste Freundin Steffi nimmt sie gleich mit. Doch kaum haben die beiden Frauen einen Fuß auf das Schiff gesetzt, geht das Chaos auch schon los: Denn der Atlantik ist riesig und ausgesprochen stürmisch, ihre Fähre wiederum viel zu klein. Als Merle dann auch noch erfährt, dass ihre beste Freundin versucht, sie hinter ihrem Rücken zu verkuppeln, hat sie genug – Merle wird das alles plötzlich viel zu heiß! Doch aussteigen ist leider keine Option …
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Kapitel 1


»Wie bekloppt muss man eigentlich sein, um eine Seereise im November über den Nordatlantik zu buchen?«

Steffis Ehemann Thorben sieht uns an, als wären wir verrückt geworden. Wir, das sind meine beste Freundin Steffi, kinderlos, achtunddreißig, Karrierefrau, von Beruf Chefin eines florierenden Spielwarenladens, und ich, Merle, ebenso alt, aber ansonsten so ziemlich das Gegenteil: alleinerziehend, Single, unterbezahlt und überbeschäftigt. Beide sind wir chronisch urlaubsreif und Islandfans, nur waren wir leider noch nie dort. Wir tauschen uns ständig aus, was Romane und Sachbücher über unser Lieblingsland betrifft, verfolgen die Aurora-borealis-Vorhersagen per App und alles, was sonst so auf der Insel unserer Träume passiert. Und nun rückt dieser Traum endlich in Reichweite!

Darum grinsen wir jetzt auch nur selig und schwenken unsere Fährtickets. Die Reiseunterlagen sind da! Jetzt ist es quasi amtlich: Steffi und ich fahren eine Woche mit der Fähre in den Norden, mit einem bunt zusammengewürfelten Haufen pauschaler Krimifans – ganz egal, ob Thorben uns nun für bekloppt hält oder nicht.

Steffi kam bereits vor einem knappen Jahr mit der Idee an. Wir beide haben wahrscheinlich als Allererste überhaupt diese Gruppenreise gebucht und uns auch gleich noch zum Isländischkurs angemeldet, der urplötzlich im Programm der Volkshochschule stand – ein Omen! Und was für eins!

»Du bist nicht mal seefest, Steffi«, versucht Thorben es noch einmal, obwohl er doch einsehen müsste, dass es längst zu spät ist, uns von unserem Vorhaben abzubringen.

Steffi ignoriert ihn. Sie hat dem Anlass gebührend die guten Sektkelche und den teuren Schampus bereitgestellt und schenkt uns ein.

»Wenn wir in See stechen wollen, dann tun wir das!«, grinst sie, und wir stoßen an. »Auf Buckelwale unterm Nordlicht!«

»Und Dosenbier!«, ergänze ich ausgelassen.

»Aber was machst du mit deiner Tochter?«, wendet Thorben sich verzweifelt an mich.

»Himmel!« Ich schlage mir mit der flachen Hand vor die Stirn. »Stimmt ja. Ich habe ein Kind! Seit zwölf Jahren schon. Das hatte ich glatt vergessen! Lass mal überlegen … Keller? Tierheim? Oder nimmst du es? Also, wenn du dich so um Ennas Wohlergehen sorgst, schicke ich sie dir gern zwischendurch vorbei. Einmal täglich? Ins Büro?«

Steffi kichert, doch Thorben schüttelt missbilligend den Kopf.

»Musst du immer so sarkastisch sein, Merle?«

»Entspann dich, Thorben«, beruhige ich ihn seufzend. »Das Pubertierchen freut sich schon seit Wochen darauf, bei Oma einzuziehen und komplette Narrenfreiheit zu genießen. Eine Woche Urlaub von Mama. Das wird uns beiden guttun.« Ich schließe für einen Moment die Augen, und sofort meine ich den Lärm von zuschlagenden Türen und auf Anschlag hochgefahrenen Lautsprechern zu hören, garniert von diversen Stolperfallen in der ganzen Wohnung – von benutztem Geschirr über Wäsche und Schulkram bis hin zu Bastelsachen, Plüschbären und den traurigen Resten meiner schwer misshandelten Schminke. Enna wechselt derzeit die Stimmungen schneller, als ich staunen kann. In der einen Minute das zuckerschnutige Kuschelkind, das gerade erst das Trotzalter hinter sich gelassen hat – in der nächsten eine wilde Furie, die glaubt, sie wäre maximal einen halben Schritt vom Erwachsensein und der Sprengung aller Ketten entfernt.

»Mitten im Schuljahr?!« Er zieht die Augenbrauen hoch.

»Ganz genau«, flöte ich. »Während Enna in der Schule ist, kann meine arme alte Mutter verschnaufen. So wird es ihr und ihren Mitbewohnerinnen in der Senioren-WG nicht zu viel mit dem süßen, rebellischen Teenagerkind.«

Nicht, dass hier Missverständnisse entstehen: Ich liebe meine Tochter heiß und innig! Bis zum Mond und (meistens auch) wieder zurück. Mindestens! Aber auch der innigsten Mutter-Kind-Beziehung tut ab und zu ein kleiner Abstand gut. Damit man den Kopf wieder freibekommt und sich zwischendurch darauf besinnt, nicht nur eine 24/7/365-Rolle als Muttertier und Alleinverdienende zu erfüllen, sondern außerdem Frau und Mensch zu sein – sagt zumindest Steffi. Das stand in irgendeinem Hochglanzmagazin, direkt neben einer Fotoserie für den perfekten Wellnessnachmittag mit stumm geschaltetem Telefon. Ja, früher war ich auch mal so naiv. Da habe ich noch an die romantische Liebe auf den ersten Blick und für ein ganzes Leben geglaubt. Daran, dass man sich die Aufgaben, die der Nachwuchs nun mal mit sich bringt, teilt. Aber ich schweife ab.

Von meiner Auszeit verspreche ich mir ganz bescheiden, dass ich meine Batterien ein wenig aufladen kann, um hinterher wieder etwas entspannter weiterzumachen.

Zwischen meiner Arbeit als Verkäuferin in einem Bastelladen und nächtlichen Gelegenheitsjobs als Schaufensterdekorateurin – meinem eigentlichen Beruf – bleibt mir nämlich kaum Zeit zum Durchatmen, geschweige denn für Gurkenmasken und handgesprudelte Schaumbäder mit Bio-Rosenblüten.

Bloß nicht weitermachen wie bisher, sagt Steffi, sonst kommt der Burn-out. Ich müsse aufhören, mich zu verkriechen und mich alt zu fühlen, und sie müsse auch einfach mal raus – nicht wegen Thorben, nein. Einfach nur so. Und dass dafür eine Woche Schiff mit Schuss genau das Richtige sei – eine kleine Gruppenrundreise bis knapp unter den Polarkreis mit Vollpension und Bespaßungsprogramm auf der Eydna. Eydna ist Färöisch und bedeutet Glück oder Schicksal. Ich hab’s gegoogelt, und das ist schon das nächste gute Omen für unsere Mädelstour. Auch Hannes, mein Lernpartner aus dem Internet, sagt, dass eine Reise nach Island immer das Richtige sei. Und der muss es schließlich wissen, der wohnt nämlich da oben.

Also ziehen wir das durch. Aber nur zur Klarstellung: Seinetwegen haben wir die Route nicht gewählt, Hannes weiß nicht mal, dass wir gebucht haben. Ich erzähle ihm sowieso schon viel zu viel von mir. Diese Anonymität macht mich leichtsinnig. Nein, unser Schiffstrip in die Wikinger-Enklave ist ein reines Freundinnending.

»Untersteh dich, Enna bei mir abzuladen«, grummelt Thorben missbilligend-mürrisch und mit einem dezenten Seitenblick auf seine Frau. »Es hat schon einen guten Grund, warum wir keine Kinder haben.«

»Sag bloß, du magst Enna nicht?« Ich lege provozierend den Kopf schief und fixiere ihn.

Thorben verdreht die Augen zur Zimmerdecke. »Das habe ich doch gar nicht gesagt.« Nervös kratzt er sich am Hinterkopf.

»Aber du hast angedeutet, dass ich eine Rabenmutter bin, weil ich mein Kind für sieben Nächte in die Obhut der Großmutter gebe.« Ich drohe ihm spielerisch mit dem ausgestreckten Zeigefinger. Es macht einen Riesenspaß, ihn zu ärgern.

»Sag doch auch mal was«, wendet Thorben sich hilflos an seine giggelnde Ehefrau.

»Ich überlege gerade, ob ich mir Popcorn hole«, sagt Steffi und hält die Sektflasche in die Höhe. »Auch ’nen Schluck? Atmen, Schatz!« Sie haucht einen Kuss durch die Luft.

Thorben aber gibt nicht auf. »Ich dachte, ihr seid ach so öko, und dann bucht ihr eine Kreuzfahrt?«

»Das ist ein total umweltfreundliches Fährschiff!«, krähen wir unisono.

»Und für mich ist Schiff mit Schuss außerdem quasi eine Fortbildung«, ergänzt Steffi. »Wie ihr wisst, will ich selbst einen Krimi schreiben, bevor ich fünfzig bin, und nicht immer nur welche lesen. Diese Reise ist wie für Merle und mich gemacht, Thorben! Jede Menge Vorträge, Lesungen und Workshops, und das in Kombination mit der Schiffsreise über die Färöer nach Island. Endlich Island! Da wollten wir doch schon so lange hin. Dir ist es ja zu kalt da oben.«

Thorben reagiert mit einem verkniffenen Grunzen auf den Seitenhieb. Aber Steffi schwärmt schon weiter.

»Bei den Vortragenden an Bord ist sogar ein richtiger Kriminologe dabei. Den kann ich alles fragen. Leichenstarre, Schimmelgesichter, Totenflecken, all so was.«

Resigniert streckt Thorben die Waffen beziehungsweise die Hände in die Höhe und zieht sich schmollend in sein Arbeitszimmer zurück.

»Schimmelgesichter?«, frage ich.

Steffi nickt begeistert. »Du ahnst nicht, was Leichen so alles können, wenn man sie lange genug in Ruhe lässt.«

»Ich weiß nicht, ob ich das wirklich wissen möchte.« Nachdenklich starre ich auf die Arbeitszimmertür, die gerade mit einem Rums ins Schloss gefallen ist.

»Er hat nichts gegen Enna. Das weißt du hoffentlich«, sagt Steffi leise.

»Já!«, bestätige ich, sodass es möglichst Isländisch klingt, und nicke. Eine der wenigen Vokabeln, die ich spontan abrufen kann. Ich weiß nur allzu gut, dass meine herzallerliebste Rübennase zurzeit nicht gerade umgänglich ist. Pubertät ist nun mal kein Spaziergang – für keinen der Beteiligten. Vor allem dann nicht, wenn das Zwischenwesen von einem Elternteil allein aufgezogen wird und die Oma in einer Senioren-WG lebt. Wie soll man da noch Zeit für die eigenen Isländisch-Hausaufgaben haben? Aber es ist immer wieder eindrucksvoll, wenn kinderlose Yuppies meinen, sie wüssten am besten, was gut ist für cholerische Zeitbomben, die von einem Pickel am Kinn in eine Lebenskrise gestürzt werden können und sich bei ihren Kuscheltieren tränenreich entschuldigen, wenn sie sie vor dem Besuch von gleichaltrigen Freunden im Schrank verstecken.

»Er ist schon ein kleines bisschen konservativ, oder?«, stelle ich mit einem ironischen Lächeln auf den Lippen in den Raum.

»Ach, wenn es nur das wäre …« Steffi seufzt und grinst schief. »Ich brauche einen neuen Mann....


Müller, Karin
Karin Müller arbeitete nach dem Studium und einer journalistischen Ausbildung beim Hörfunk jahrelang als Redakteurin. Obwohl sie die schottische Landschaft, die Serie »Outlander« und die Gastfreundlichkeit der Schotten liebt, ist sie kein Fan von Busreisen. Ausprobiert hat sie es natürlich trotzdem und schrieb danach ihr wunderbares Romandebüt »Ein Schotte kommt selten allein«. Die Autorin lebt mit ihrer Familie bei Hannover.



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