Mueller / Vatter | Der Ständerat | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 297 Seiten

Reihe: Politik und Gesellschaft in der Schweiz

Mueller / Vatter Der Ständerat

Die Zweite Kammer der Schweiz

E-Book, Deutsch, 297 Seiten

Reihe: Politik und Gesellschaft in der Schweiz

ISBN: 978-3-907291-09-2
Verlag: NZZ Libro
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Die Politikwissenschaftler Sean Mueller und Adrian Vatter legen die erste umfassende Darstellung des Ständerats vor. Sie zeigen das Stöckli im institutionellen Gefüge der Schweizer Politik, zwischen nationaler Gesetzgebung, Europapolitik und Regionalismus.
Der Ständerat stand bislang weit weniger im Fokus politikwissenschaftlicher Forschung als der Nationalrat, obwohl er als die einflussreichere Kammer gilt. Die Autorinnen und Autoren der verschiedenen Beiträge analysieren das Abstimmungsverhalten der Ständeräte und vergleichen den Ständerat mit nationalen Gegenspielern und internationalen Besonderheiten von zweiten Kammern. Zudem untersuchen sie die Rolle der kleinen Kammer im Spannungsfeld zwischen nationaler Gesetzgebung, Europapolitik und regionalem Einfluss. Mit der Analyse des Ständerats beleuchten die Herausgeber erstmalig in dieser Breite die einzigartige Verknüpfung von zwei Kernprinzipien des schweizerischen Politiksystems: der repräsentativen Wahldemokratie und dem Föderalismus.
Mit Beiträgen von Adrian Vatter, Andreas Ladner, Arthur Benz, Christine Benesch, Jean-René Fournier, Johanna Schnabel, Katharina Hofer, Monika Bütler, Rahel Freiburghaus, Sarah Bütikofer, Sean Mueller und Sereina Dick.
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1 Einleitung und Zusammenfassung
Sean Mueller und Adrian Vatter
Dieses Buch widmet sich der Zweiten Kammer des Schweizer Parlaments: dem Ständerat. Diesem fällt zwar eine ebenso wichtige verfassungsmässige Rolle zu wie dem Nationalrat, denn beide verfügen über die genau gleichen Gesetzgebungs-, Aufsichts- und Wahlkompetenzen. Dennoch stand die Kantonskammer bislang weit weniger im Fokus politikwissenschaftlicher Forschung als die Volkskammer. Die grössere politische Vielfalt in der Zusammensetzung, seine bessere demografische Repräsentation des Wahlvolks und die leichtere Zugänglichkeit von Wahl- und Abstimmungsdaten rückten den Nationalrat in ein viel grelleres Licht als die Kantonskammer, die «nur» als Konzession an die Verlierer des Sonderbundkriegs von 1847 entstand. Das Besondere am Ständerat ist hingegen genau diese Verbindung von repräsentativer Demokratie und Föderalismus, zwei Kernprinzipien des schweizerischen politischen Systems. Repräsentative Demokratie bedingt Wahlen auf der Grundlage eines bestimmten Wahlsystems, mit klar definierten Wahlkreisen, Wählenden und Gewählten. Föderalismus wiederum bedeutet eine Mischung von regionaler Selbst- und landesweiter Mitbestimmung. Indem die in den Ständerat Gewählten prinzipiell für die Mitbestimmung der Kantone bei der schweizweiten Gesetzgebung zu sorgen haben, bringen sie die beiden Prinzipien in Einklang. Der Ständerat ist also nicht bloss irgendeine Zweite Kammer, sondern auch eine genuin föderale Institution; gleichzeitig ist er nicht bloss eine der vielen Konsequenzen der nach wie vor stark ausgeprägten kantonalen Autonomie, sondern auch integraler Bestandteil des Bundes. Das so abgesteckte Spannungsfeld zwischen Föderalismus und repräsentativer Demokratie, in dem sich der Ständerat einordnet, soll dieses Buch erläutern, untersuchen, kritisch betrachten und in einen international vergleichenden Zusammenhang stellen. Der grösste Teil der hier vereinten Kapitel basiert auf Vorträgen, die anlässlich einer im Sommer 2019 von uns zum Ständerat – und verdankenswerterweise auch in seinem Sitzungssaal – organisierten Konferenz gehalten wurden. Diese Konferenz war Ausdruck des Versuchs, Theorie und Praxis miteinander abzugleichen. Stimmen die politologischen Befunde mit der Wahrnehmung der Direktbetroffenen überein? Welche abstrakten Erklärungen bieten sich an, um alltägliche und institutionalisierte Verhaltensweisen zu erklären? 1.1 Zusammenfassung der Beiträge
Den Auftakt und gleichsam ersten Realitätstest liefert das Vorwort von alt Ständerat Jean-René Fournier (VS, CVP), der die kleine Kammer im Parlamentsjahr 2018/19 präsidierte. Fournier liefert eine grundsätzliche Bestätigung einiger eingängig bekannter Befunde zum Schweizer Zweikammersystem (vgl. Vatter 2018, Kap. 7). Diese betreffen die prinzipielle Andersartigkeit der kleinen Kammer, erklärbar durch ihre Grösse, personelle Zusammensetzung und die verschiedenen Wahlsysteme, die zur Anwendung gelangen; die Einsicht, dass Ausgleich und gegenseitige Kontrolle zweier Parlamentskammern eine gewisse Unterschiedlichkeit in der Zusammensetzung bedingen; und die Wichtigkeit konkordanten Verhaltens sowohl zwischen den als auch innerhalb der beiden Räte, um trotzdem – gut – funktionieren zu können. Die historische, rechtliche und politische Grundlage für alle späteren Beiträge liefern im zweiten Kapitel Adrian Vatter und Andreas Ladner, indem sie die Entwicklung – um nicht zu sagen institutionelle Emanzipation – der Kantonskammer nachzeichnen. Kurz zusammengefasst ist aus einer notwendigen Konzession an die Verlierer des Sonderbundskriegs 1847 eine innerparlamentarische Kontroll- und Korrekturinstanz geworden, wie man sie sich vor 170 Jahren nur schlecht hätte vorstellen können. Denn obwohl bis heute jeder Kanton eigenständig bestimmen kann, wie er seine Mitglieder im Ständerat bestellt, sind seit den 1970er-Jahren alle zur direkten Volkswahl übergegangen. Auch die starke Überrepräsentation der vielen kleinen auf Kosten der wenigen grossen Kantone wird nicht als Angriff auf die demokratische Legitimation des Parlaments verstanden, sondern als Mittel zum Zweck des Minderheitenschutzes, der Qualitätssteigerung der legislativen Arbeit und der föderalen Interessenwahrung akzeptiert. Vatter und Ladner kommen jedoch auch zum Schluss, dass der Ständerat mit der Übervertretung der Katholiken heute keine kulturelle Minderheit mehr schützt, da diese mittlerweile zur grössten Konfessionsgemeinschaft angewachsen und etwa nicht deutschsprachige oder konfessionslose Bürgerinnen und Bürger durch die Zweite Kammer nicht besonders geschützt sind. Überdies treten die demografischen Repräsentationsdefizite des Nationalrats im Ständerat noch akzentuierter zutage: Dieser ist noch männlicher, älter, akademischer und bürgerlicher als jener. Infrage gestellt wird schliesslich, ob es dem Ständerat neben den politischen und regionalen Interessen gelingt, in allen Fällen auch die institutionellen Interessen der kantonalen Ebene zu vertreten. Das dritte Kapitel von Christine Benesch, Monika Bütler und Katharina E. Hofer nimmt die Einführung der elektronischen Abstimmungsanlage im Ständerat zum Anlass, die konkreten Auswirkungen erhöhter Transparenz zu untersuchen. Schon vor dem Frühling 2014 war zwar das Abstimmungsverhalten jedes einzelnen Ständerats und jeder einzelnen Ständerätin öffentlich zugänglich; allerdings musste man sich dazu entweder im Saal einfinden oder nachträglich die Videoaufzeichnung auswerten. Die empirischen Resultate zeigen auf, dass sich als Folge des elektronischen Abstimmens vor allem die Parteidisziplin erhöht hat. Dies wird hauptsächlich mit den niedrigeren Kosten des Monitorings vonseiten der Partei und weniger mit höherem Druck vonseiten des Wahlvolks erklärt: Steigt das Risiko, sich für abweichendes Verhalten rechtfertigen zu müssen, nimmt die Konformität zu. In Kapitel vier analysiert Sarah Bütikofer das Abstimmungsverhalten der Ständerätinnen und Ständeräte über drei Legislaturperioden hinweg und unter verschiedenen Gesichtspunkten. Die kleine Kammer zeichnet sich ja nicht nur dahingehend aus, dass sie kleiner, sondern auch kantonaler ist als der Nationalrat – zumindest im Selbstverständnis ihrer Mitglieder. Allerdings fällt das Urteil zum Phänomen der «ungeteilten Standesstimme» differenziert aus: Am häufigsten stimmt eine Kantonsdelegation vereint, wenn beide der Linken entstammen – häufiger noch, als wenn beide der CVP angehören. Bürgerliche Kombinationspaare stimmen zudem vor allem bei Schlussabstimmungen einheitlich ab, Linke dagegen schon in der Detailberatung. Was den Ständerat ebenfalls auszeichnet, ist der Umstand, dass immer mehr frühere Nationalrätinnen und Nationalräte in die kleine Kammer gewählt werden: Im Herbst 2019 waren es gleich deren elf. Mittlerweile besteht die kleine Kammer zur Hälfte aus Personen, die beide Parlamentskammern kennen. Analysen von Bailer, Bütikofer und Hug (2020), die dem Phänomen des «politischen Aufstiegs» aus der grossen in die kleine Kammer nachgehen und welche Bütikofer ebenfalls vorstellt, kommen zum Schluss, dass sich diese Ständerätinnen und Ständeräte in ihrem Verhalten verändern. Beispielsweise bewegen sie sich dann mehrheitlich in Richtung der politischen Mitte, wenn sie einer Partei angehören, die im Nationalrat relativ weit davon entfernt steht. Sean Mueller, Sereina Dick und Rahel Freiburghaus vergleichen im fünften Kapitel die Gesetzgebungsmacht der Kantonskammer mit jener von National- und Bundesrat. Bekanntlich haben nicht nur die beiden Kammern der Bundesversammlung dieselben Befugnisse, sondern sie üben diese auch in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesrat als «oberste leitende und vollziehende Behörde des Bundes» (Art. 174 BV) aus. In der Regel schlägt der Bundesrat einen Erlassentwurf vor, aus eigenem oder äusserem (z.B. bei Volksinitiativen) Antrieb, und das Parlament stimmt zu, verändert oder lehnt ab. Weil die beiden Kammern dem genau gleichen Beschluss separat zustimmen müssen, ergibt sich eine hervorragende Ausgangslage für den Vergleich ihres jeweiligen Einflusses. Mueller, Dick und Freiburghaus bestätigen die stärkere Gesetzgebungsmacht der Kantons- gegenüber der Volkskammer: Der Ständerat ist öfters Erstrat und setzt seine Ansichten sowohl im Differenzbereinigungsverfahren als auch in den Einigungskonferenzen häufiger durch. Auch vermag er seinen Agenda-Setting-Vorteil besser umzusetzen. Nichtsdestotrotz werden nach wie vor mehr als die Hälfte der bundesrätlichen Erlassentwürfe von beiden Kammern unverändert angenommen. Das sechste Kapitel von Rahel Freiburghaus widmet sich dem Phänomen ehemaliger und amtierender kantonaler Regierungsmitglieder in der kleinen Kammer. Diese bilden, neben früheren Nationalrätinnen und Nationalräten, eine weitere besondere Kategorie, die angesichts der abhandengekommenen Funktion des Ständerats als kantonaler «Gesandtenkongress» (Kap. 1) eine Remedur für die föderale Mitwirkung bieten könnten. Die Doppelrolle von Stände- und Regierungsräten findet auch aus evaluatorischer Perspektive (Kap. 10) Anklang. Allerdings konstatiert Freiburghaus, dass Doppelmandatsträgerinnen und Doppelmandatsträger, die zeitgleich einer Kantonsexekutive und dem Ständerat angehören, über die Zeit praktisch verschwunden sind. Gleichzeitig hat der Anteil an alt Regierungsrätinnen und alt Regierungsräten in der Zweiten Kammer stark zugenommen und beläuft sich heute auf gut einen Drittel. Wie indes Freiburghaus’ dreiteilige Analyse des parlamentarischen Verhaltens bezüglich Gesetzesinitiativtätigkeit,...


Sean Mueller (*1983) ist seit Februar 2020 Assistenzprofessor am Institut für Politikwissenschaft der Universität Lausanne. Davor war er gut sieben Jahre am IPW der Universität Bern als Postdoktorand angestellt. Sein Doktorat hat er 2013 von der University of Kent (UK) erhalten. Er forscht und lehrt zu Schweizerischer und Vergleichender Politik sowie Föderalismus und direkter Demokratie.
Adrian Vatter (*1965) ist seit August 2009 Direktor am Institut für Politikwissenschaft der Universität Bern und Inhaber der Professur für Schweizer Politik. Zwischen 2003 und 2009 war er Professor an der Universität Konstanz und an der Universität Zürich. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die Schweizer Politik, die empirische Demokratieforschung im internationalen Vergleich und politische Institutionen.


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