Murakami Wovon ich rede, wenn ich vom Laufen rede
1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-8321-8600-5
Verlag: DuMont Buchverlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 168 Seiten
ISBN: 978-3-8321-8600-5
Verlag: DuMont Buchverlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
HARUKI MURAKAMI, 1949 in Kyoto geboren, lebte längere Zeit in den USA und in Europa und ist der gefeierte und mit höchsten Literaturpreisen ausgezeichnete Autor zahlreicher Romane und Erzählungen. Sein Werk erscheint in deutscher Übersetzung bei DuMont. Zuletzt erschienen die Romane >Die Ermordung des Commendatore< in zwei Bänden (2018), in einer Neuübersetzung >Die Chroniken des Aufziehvogels< (2020), der Erzählband >Erste Person Singular< (2021), >Murakami T< (2022) und >Honigkuchen< (2023).
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(S. 75-76)
KEINER SCHLUG MEHR AUF DEN TISCH, UND KEINER WARF MIT GLÄSERN
Sind Sie schon einmal 100 Kilometer an einem Tag gelaufen? Die überwiegende Mehrzahl der Menschen auf der Welt (die noch bei Sinnen sind, sollte ich vielleicht hinzufügen) macht diese Erfahrung wohl nicht. Ein gesunder Normalbürger tut so etwas Mutwilliges nicht. Ich habe es einmal getan. Der 100-Kilometer-Lauf dauerte vom Morgen bis zum Abend. Die physische Anstrengung war natürlich enorm, und noch eine ganze Weile danach war mir die Lust am Laufen vergangen. Ich glaube, es war das erste und das letzte Mal für mich, aber wer kennt schon die Zukunft?
Vielleicht habe ich aus der Erfahrung nichts gelernt, und der Tag wird kommen, an dem ich mich erneut der Herausforderung eines Ultramarathons stelle. Was der nächste Tag bringt, weiß man erst, wenn er angebrochen ist. Im Nachhinein ist mir klar, dass dieser Lauf große Bedeutung für mich hatte. Welchen allgemeinen Sinn es haben könnte, alleine 100 Kilometer durch die Gegend zu laufen, weiß ich nicht.
Aber als »Aktion, die stark vom Alltäglichen abweicht, aber prinzipiell dem rechten Wege nicht zuwiderläuft«, könnte es dem individuellen Bewusstsein durchaus zu einer besonderen Erkenntnis verhelfen. Es könnte das eigene Selbstverständnis um einige neue Elemente erweitern. Vielleicht folgt daraus eine Veränderung der eigenen Lebensanschauung, ihrer Färbung und ihrer Form.
Mehr oder weniger, zum Besseren oder zum Schlechteren. Mich hat dieser Lauf jedenfalls verändert. Das Folgende stützt sich auf einen kurzen Aufsatz, den ich einige Tage nach dem Lauf schrieb, »um nicht alles wieder zu vergessen«. Als ich ihn nach zehn Jahren wiederlas, kamen die Gedanken und Gefühle von damals mir sehr lebhaft und frisch in Erinnerung. Vielleicht können Sie bei der Lektüre nachvollziehen, was mir von diesem grausamen Lauf geblieben ist – das Erfreuliche und das weniger Erfreuliche. Aber womöglich sagen Sie ja auch nur: »So was versteh ich nicht.«