E-Book, Deutsch, 264 Seiten
Mynarek Religiös ohne Gott?
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-96607-203-8
Verlag: NIBE Media
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Aufbruch zu einer kosmischen Religiosität in Selbstzeugnissen, Erfahrungsberichten, Kommentaren und Deutungen
E-Book, Deutsch, 264 Seiten
ISBN: 978-3-96607-203-8
Verlag: NIBE Media
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die provozierende Dokumentation eines streitbaren Theologen, der bereits 1972 seinen Bruch mit der traditionellen Kirche vollzogen hat.Die >>Häresie<< geht um in unserem Land, beschränkt sich freilich nicht mehr wie früher darauf, Unter- und Nebenströmung zu sein, sondern greift tief in das Zentrum unseres überlieferten abendländischen Religionsverständnisses ein. Religiosität heute ist nicht mehr an einen personal aufgefassten, männlich geprägten Gottesbegriff gebunden, sondern umfasst eine lebendige Vielfalt mystischer Erfahrungen, ethischer Impulse, transpersonaler Erlebnisse.In offenen Selbstzeugnissen, spannenden Erfahrungsberichten, kundigen Kommentaren und Deutungen beschreibt der Autor das Paradigma eines fundamentalen Bewusstseinswandels.
Hubertus Mynarek, Dr. theol., Mag. phil., habilitierte an der Universität Würzburg für Fundamentaltheologie und vergleichende Religionswissenschaft, lehrte dann als ordentlicher Professor zunächst an der Universität Bamberg/ Bayern, dann an der Universität Wien. Autor von über 50 Werken zu einer breiten Palette weltanschaulicher, philosophischer, theologischer, ökologischer und kultureller Themen.
Autoren/Hrsg.
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Erster Teil DER ABSCHIED Das Unbehagen an der Kirche und der Verlust des Glaubens an den von ihr verkündeten Gott Einführende Vorbemerkungen Von 1922 Teilnehmern an meiner Umfrage lehnen 1501, also über 78%, nicht nur die Kirche (d.h. die evangelische und/oder die katholische Großkirche), sondern auch den von ihr verkündeten persönlichen Gott ab. 269 Umfrageteilnehmer, d. h. 14%, lehnen zwar die Kirche, nicht aber Gott ab, und nur 39 Personen, also etwas über 2%, konnten sich total oder überwiegend sowohl mit der Kirche als auch mit dem Glauben an den von ihr gepredigten Gott identifizieren. Der Rest, nämlich 113 Umfrageteilnehmer (knapp 6%), hatte keine oder keine eindeutig festlegbare Meinung zu den beiden Problemkreisen Gott und Kirche. Auf den ersten Blick ergibt sich damit eine Diskrepanz zu anderen Umfrageergebnissen, wonach der Glaube an einen persönlichen Gott unter den Bürgern der Bundesrepublik Deutschland doch häufiger anzutreffen sein soll. Der sehr bekannt gewordenen, im Oktober 1980 vom Ifak-Institut durchgeführten Spiegel-Umfrage zufolge glauben 51% der 47 Millionen erwachsenen Bundesbürger an die Existenz Gottes.2 Diese Diskrepanz zu den Ergebnissen meiner Umfrage, wonach bestenfalls3 22% der Teilnehmer an ihr für Gott optieren, löst sich auf, wenn man berücksichtigt, dass ich Antworten auf meine Fragebogenaktion vorwiegend von Menschen erhielt, die heute nicht mehr der Kirche angehören, die sich mehr oder minder enttäuscht von ihr abgewandt haben, die dem konventionellen Christentum, wie es von den Kirchen vertreten wird, und auch dem konventionellen Glauben an einen mehr oder weniger anthropomorph vorgestellten Gott mit einschließt, teils kritisch, teils radikal ablehnend gegenüberstehen. Zwar verschickte bzw. verteilte ich genügend viele Fragebögen auch unter Angehörigen der Kirchen, aber ich erhielt nur wenige Antworten (insgesamt knapp 9%, d.h. 171 Umfrageteilnehmer erklärten, noch einer der beiden Großkirchen in der Bundesrepublik anzugehören, aber selbst unter ihnen waren es, wie bereits erwähnt, nur 2 %, die ein ziemlich vorbehaltloses Ja zu Kirche und Gott äußerten, die anderen standen der Kirche durchaus reserviert bis radikal-kritisch gegenüber, blieben aber aus opportunistischen Gründen weiter drin). Viel mehr Antworten bekam ich von freien Christen und Freireligiösen, von Freigeistern und Atheisten, von Freidenkern und Freimaurern, von Mitgliedern der Humanistischen Union, von Anthroposophen und Anhängern der Transzendentalen Meditation, von Mitgliedern und Sympathisanten der vielen sogenannten Jugendreligionen, von Grünen und überhaupt ökologisch Orientierten und Interessierten, von Unitariern und - wenn ich so sagen darf - ›Singularien‹, d. h. von den vielen Einzelgängern in weltanschaulich-religiöser Hinsicht, die schon den leisesten Kontakt zu irgendwelchen Gruppen scheuen, weil sie darin bereits eine Antastung ihrer selbständig erworbenen Meinung befürchten. Es war also vor allem das religiöse und weltanschauliche Non-Establishment, das meine Fragebogenaktion durch seine Berichte und Antwortbeiträge unterstützte. Von daher erklärt sich dann auch ohne weiteres der hohe Anteil derer, die an einen persönlichen Gott nicht mehr glauben oder sich durch diesen Glauben geradezu geschädigt fühlen, ebenso auch die Diskrepanz zwischen der obenerwähnten Spiegel-Umfrage und den Ergebnissen meiner Fragebogenaktion. Keine Diskrepanz dagegen bestand von vornherein im Hinblick auf die Einstellung von Umfrageteilnehmern zur Kirche. Denn selbst der durchschnittliche, etablierte Bundesbürger hat heute sehr viel Kritisches gegen die Kirche(n) vorzubringen. Bei allen Umfragen sind es über 75 % der Bundesbürger, die die Kirchen in irgendeiner Form ablehnen. »Wie auch immer gefragt wurde, stets erklärte eine Zweidrittelmehrheit die Kirchen für antiquiert«, sagt der Kommentator der vorhin genannten Spiegel-Umfrage.4 Das bezieht sich aber nur auf den Bundesdurchschnitt. In Wirklichkeit ist das (Unglaubens-)Gefälle bereits von den Katholiken zu den Protestanten erheblich. Sind es (immerhin!) 61 von je 100 Katholiken, die der These: »Man kann Christ sein, ohne einer Kirche anzugehören«, zustimmen, so erklären sich sogar 80 von je 100 Protestanten mit dieser These einverstanden. Und während 36 von je 100 Katholiken den Glauben ihrer Kirche für den einzig richtigen halten, sind es in derselben Hinsicht nur 16 Protestanten.5 Doch kommt es in diesem Buch gar nicht so sehr auf quantitativ Statistisches an, somit auch nicht auf Übereinstimmungen mit Umfrageergebnissen großer Meinungsforschungsinstitute. Für uns ist der qualitativ-inhaltliche Aspekt, sind die existentiellen Aussagen Betroffener zum Gesamtkomplex Religion, Gott und Kirche viel wichtiger und vorrangiger. Und gerade von diesen Aussagen, die durch den zu weiten Raster der Meinungserforschungsmethoden der erwähnten Institute einfach durchfallen, ihnen auch gar nicht so außerordentlich bedeutsam erscheinen, weil sie sich in ihrer individuellen Eigenart und Tiefe zahlenmäßig-statistisch weder erfassen noch verwenden lassen, bietet das vorliegende Buch eine, wie mir scheint, erstaunliche Fülle an. Jetzt noch einige Vorbemerkungen zu den sogleich zu zitierenden Aussagen von Umfrageteilnehmern zu den Problemkreisen Kirche und kirchlich geprägter Gottesglaube. In meinem in der Einleitung dieses Buches abgedruckten Fragebogen (in seiner letzten, 10 Fragen enthaltenden Fassung) waren es vor allem die Fragen 4 und 5, die die Umfrageteilnehmer dazu animierten - auch animieren sollten -, sich Gedanken über ihre Einstellung zur Kirche und zu einem persönlichen Gott zu machen. Aber auch in den Antworten auf die achte Frage, in der nach Entwicklungsphasen in der eigenen Religiosität gefragt wird, findet sich erstaunlich viel verwertbares Material zum Thema unseres jetzigen Buchteils. Darüber hinaus aber befassten sich manche Umfrageteilnehmer auch da mit den Themen Kirche und Gottesglauben, wo im Fragebogen gar nicht spezifisch danach gefragt, sondern eine Antwort auf die Frage nach der Art der eigenen Religiosität oder Areligiosität erwartet wurde (Fragen 1, 2, 3, 6, 10). Nach dem Zusammenhang zwischen Zugehörigkeit zur Kirche und Glauben an einen persönlichen Gott bzw. zwischen Enttäuschung oder Unbehagen an der Kirche und Verlust oder Zusammenbruch des Gottesglaubens wird im Fragebogen formell und begrifflich nicht gefragt. Umso bemerkenswerter ist es, dass knapp 32% der Umfrageteilnehmer, d.h. 612 Personen, von sich aus einen solchen Zusammenhang herstellten. Bei einigen anderen findet sich dieser Zusammenhang wenigstens andeutungsweise, der Rest lässt die Aussagenreihen »pro bzw. contra Kirche« und »pro bzw. contra Gott« einfach unvermittelt nebeneinander herlaufen und/oder überlässt es dem Buchautor, einen vielleicht bestehenden Zusammenhang zu ergründen. Angesichts der Tatsache, dass 78% der Umfrageteilnehmer gegen Gott und Kirche, jedoch nur etwas über 2% für diese beiden Größen votieren, und unter Berücksichtigung des Umstands, dass knapp 32% diese beiden Voten auch noch miteinander genetisch-ursächlich verbinden, erscheint aber die Hauptüberschrift dieses Buchteils voll gerechtfertigt. (Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Diese 32% befinden sich sowohl unter den 78% der Umfrageteilnehmer, die sich gegen Gott und Kirche aussprechen, als auch unter jenen 2%, die ja zu Gott und Kirche sagen. Natürlich sind dabei jene Aussagen besonders interessant, die eine Beschreibung der Art liefern, wie die Enttäuschung durch die Kirche oder ihre Vertreter zum Zusammenbruch des Gottesglaubens führte.) Die meisten Umfrageteilnehmer berichteten sehr ausführlich über ihre Entwicklungsphasen, ihre religiösen Erlebnisse oder areligiösen und atheistischen Welterfahrungen, ihre Stellung zu Gott, Kirche und Religion. Ausgewählt und in diesem Buchteil wiedergegeben werden Aussagen, die sich durch Originalität, Qualität oder Interessantheit in logisch-argumentativer oder in psychologischer und psychoanalytischer oder in autobiographischer und zeitgeschichtlicher Hinsicht auszeichnen. Bei manchen Umfrageteilnehmern besticht in der Tat die Art, wie sie ihren Kirchenaustritt und/oder ihre Aufgabe des Gottesglaubens rational begründen bzw. rechtfertigen; andere bieten eine erschütternde Sicht der psychischen Schäden, die sie durch autoritär-kirchliche Erziehung oder durch dogmatische Indoktrination oder durch die Vorstellung eines persönlichen Gott-Despoten erlitten haben; wieder andere bringen im Rahmen ihrer autobiographischen Berichte zeitgeschichtliche Details, die in keinem Geschichtsbuch vermerkt werden. Ich habe die Fülle an Material zum Kirchen- und Gottesproblem der Gegenwart, wie sie in diesem Teil ausgebreitet wird, dadurch übersichtlicher zu machen versucht, dass ich die Aussagen der Umfrageteilnehmer in drei verschiedenen Kapiteln (Kap. 2, 3, 4) platziert habe. Im 2. Kapitel berichten Umfrageteilnehmer über ihre negative Einstellung zu Kirche und Gott. Sie stehen stellvertretend für jene 78% der Umfrageteilnehmer, die diese Einstellung teilen. Im 3. Kapitel finden sich Bekenntnisse von Umfrageteilnehmern, die sich gegen die Kirche, aber für Gott aussprechen. Im 4. Kapitel äußern sich Umfrageteilnehmer positiv zu diesen beiden Problemkreisen. Noch eine letzte Vorbemerkung: Wo in diesem Buchteil innerhalb meiner Kommentare, also nicht innerhalb der Aussagen von Umfrageteilnehmern selbst, ohne nähere Erläuterung von Gott oder Gottesglauben die Rede ist, sind dabei stets der persönliche Gott der kirchlichen Dogmatik und der Glaube an ihn gemeint. Dass der Begriff...