E-Book, Deutsch, Band 1, 408 Seiten
Reihe: Deadly-Secrets-Reihe
Naughton Düstere Geheimnisse
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-7363-0889-3
Verlag: LYX.digital
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, Band 1, 408 Seiten
Reihe: Deadly-Secrets-Reihe
ISBN: 978-3-7363-0889-3
Verlag: LYX.digital
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Die Schatten der Vergangenheit
Nach 18 Jahren kehrt Samantha Parker in ihr Heimatstädtchen Hidden Falls zurück, um ihrer kranken Mutter beizustehen. Doch als diese unerwartet stirbt, hat Sam keine andere Wahl, als länger zu bleiben - obwohl sie nichts lieber will, als dem Ort den Rücken zu kehren, wo sie als junges Mädchen mitansehen musste, wie ihr Bruder ermordet wurde. Sie nimmt zähneknirschend einen Job als Lehrerin an. Dabei trifft sie auf den Kinderpsychologen Dr. Ethan McClane, mit dem sie zusammenarbeiten soll. Obwohl Sam ihm skeptisch gegenübersteht, kann sie sich dem Charme, den Ethan versprüht, nicht entziehen. Da geschehen immer seltsamere Unfälle, in die Sam verwickelt wird. Sie und Ethan beginnen nun, hinter Fassaden zuschauen - und bald wird offenbar, dass Geheimnisse ans Tageslicht drängen, die eigentlich verborgen hätten bleiben sollen. Und jemand schreckt nicht davor zurück, das zu verhindern. Wenn nötig mit tödlicher Gewalt ...
'Elisabeth Naughton erschafft Geschichten, die unwiderstehlich, spannend und definitiv unvorhersehbar sind! Ein absolutes Muss!' The Coffeeholic Bookworm
Auftakt der mitreißenden Deadly-Secrets-Reihe
Weitere Infos & Material
2
Ethan McClane brauchte eine verdammte Zigarette.
Nein, brauchen und wollen waren zwei völlig verschiedene Dinge. Er wollte eine Zigarette. Was er brauchte, war ein ordentlicher Schlag vor die Stirn, dass er sich überhaupt auf diese dämliche Idee eingelassen hatte.
Er schob sich einen Life Saver mit Kirschgeschmack in den Mund, der sein Rauchverlangen auch nicht stillen konnte, und blickte aus seinem BMW zu dem betagten Ziegelbau der Hidden Falls Highschool hinüber. Es sah nicht so aus, als hätte sich viel verändert, aber andererseits hatte er auch nicht viel erwartet. Der Schulhof war immer noch breit und kahl bis auf zwei Eichen, die größer waren, als er sie in Erinnerung hatte. Ein paar Kinder standen draußen herum und plauderten in der spätnachmittäglichen Sonne miteinander. Von dem angrenzenden Sportplatz drangen Rufe herüber, das Footballteam trainierte.
Der vertraute Anblick wirkte ruhig und friedlich, aber Ethan hatte Magenkrämpfe vor Nervosität. Auch nach fast zwanzig Jahren wurde ihm bei dem bloßen Gedanken, in dieser beschaulichen Stadt im nordwestlichen Oregon zu sein, hundeelend.
Reiß dich zusammen. Denk an den Grund, warum du hier bist. Diesmal ist es nichts Persönliches.
Er nahm die Sonnenbrille ab und warf sie auf die Konsole. Als Richter Wilson ihn wegen des Falles angerufen hatte, hätte er sofort ablehnen sollen. Er führte jetzt seine eigene Privatpraxis und arbeitete nicht mehr für den Staat. Er brauchte jugendliche Straftäter nicht zu beurteilen oder zu behandeln, wenn ihm nicht danach war. Aber er war dem alten Richter etwas schuldig, weil er bei einem seiner Jungs Nachsicht hatte walten lassen. Und wenn er richtig darüber nachdachte, musste er zugeben, dass es ihm guttun würde, diesen Fall kostenlos zu übernehmen. Vielleicht zwang es ihn, sich seinen Dämonen zu stellen, sodass er die Vergangenheit ein für alle Mal hinter sich lassen konnte.
Zu diesen Überlegungen war er natürlich gekommen, bevor er hier war.
Mann, er brauchte eine Kippe. Und eine verdammte Lobotomie.
Er drückte die Tür des BMW auf, nahm seine Tasche vom Beifahrersitz und stieg aus dem Wagen. Er war Thomas Adler erst einmal begegnet, gleich nachdem der Junge wegen eines Einbruchs in Portland aufgegriffen worden war. Thomas’ Vorstrafenregister war lang – Diebstahl, Körperverletzung, Vandalismus –, aber statt ihn nach seinem letzten Zusammenstoß mit der Polizei in Gewahrsam zu nehmen, hatte Richter Wilson beschlossen, dass Thomas vielmehr einen Tapetenwechsel und eine Therapie brauchte. Jetzt lebte Thomas bei seiner ihm fremden Großmutter in der Kleinstadt Hidden Falls, und Wilson hatte Ethan gebeten, dem Jungen zu helfen, sich in seiner neuen Umgebung einzugewöhnen.
Ethan war nicht naiv. Aus seiner jahrelangen Arbeit für den Staat wusste er, dass manchen Kindern nicht zu helfen war. Er hoffte nur, dass Thomas nicht auch zu dieser Gruppe zählte.
Der frische Wind des frühen Novembers wehte raschelndes Laub über den Weg, und aus dem angrenzenden Obstgarten drang ihm der würzige Duft reifer Äpfel und frisch umgegrabener Erde in die Nase. Als er sich dem Gebäude näherte, zwang er sich, ein junges Mädchen anzulächeln, das ihm von der Treppe einen vorsichtigen Blick zuwarf. Sie machte ihm Platz und flüsterte dem Jungen neben sich, der ganz in Gothic-Schwarz gehüllt war, etwas zu.
Nett.
Stirnrunzelnd zog er die schwere Tür auf. Als er in das Gebäude trat, schlug ihm der Geruch von altem Holz, Industriereiniger und Tinte entgegen. Eine lange Vitrine mit Trophäen zierte die linke Seite der Eingangshalle. Er betrachtete die Stücke und las die Namen auf den Schildchen. Als sein Blick an dem Foto des Basketballteams hängen blieb, das in der Meisterschaft gespielt hatte, verkrampfte er sich.
»Kann ich Ihnen helfen?«
Ethan schaute zu der Bürotür rechts von ihm, aus der eine grauhaarige Frau ihn ansah, als wollte er gerade etwas stehlen. Ein klägliches Lächeln umspielte seine Mundwinkel. Selbst er wusste, dass es gezwungen wirkte. »Ja. Ethan McClane. Ich habe einen Termin bei Direktor Burke.«
Die Sekretärin schob sich die rot gerahmte Lesebrille auf der Nase nach oben. »Ah, ja. Sie sind der Psychologe«, stellte sie geringschätzig fest, drehte sich um und bedeutete ihm, ihr zu folgen. »Nehmen Sie hier Platz und warten Sie. Mister Burke ist in einer Besprechung.«
Supernett. Da musste was im Wasser sein.
Mit einem gemurmelten »Danke« folgte Ethan der Sekretärin in das beengte Vorzimmer. Eine hohe Theke zog sich durch die Mitte des Raumes. Rechts an der Wand standen drei Stühle.
Da die Sekretärin sich setzte und sich wieder an die Arbeit an ihrem Computer machte – sie hatte nicht das geringste Interesse daran, mit ihm zu plaudern –, ließ er seine Tasche auf den Stuhl fallen und studierte ein Schwarzes Brett mit Neuigkeiten und Ankündigungen bevorstehender Aktivitäten der Schule. Die Tür hinter ihm wurde geöffnet, bevor er den Aushang über das Wintermusical zu Ende gelesen hatte.
»Es ist mir ein Rätsel, wie ich bei dem mickrigen Budget für Verbrauchsmaterial, das Sie mir zugeteilt haben, meine Arbeit machen soll«, beklagte sich eine Frauenstimme.
»Das hier ist nicht die Privatwirtschaft«, antwortete ein Mann. »Und ich habe im Moment keine Zeit, mich mit Ihnen zu streiten. Ich habe jetzt den nächsten Termin.«
Schritte erklangen, dann erschien ein Mann in der offenen Bürotür. Die Frustfalten in seinem Gesicht waren nicht zu übersehen. Er war durchschnittlich groß, Ende vierzig, und hatte dunkles, an den Schläfen angegrautes Haar und einen vollen Bart. Er sah Ethan an, als sei er derjenige, der schreiend aus dem Gebäude laufen wollte, nicht andersherum. »Sie müssen Dr. McClane sein. David Burke. Kommen Sie rein.«
Mit Vergnügen. Ethan griff nach seiner Tasche.
»Wann haben Sie denn Zeit, mit mir zu streiten?«, fragte die Frau in dem Raum. »Ich würde den Termin gern in Ihren Kalender eintragen, damit Sie Ihre Ablehnung vorbereiten können.«
Der Rektor seufzte. »Wie wäre es mit morgen? Ich werde sogar früher kommen, damit Sie reichlich Zeit haben zu schimpfen. Wäre Ihnen das recht?«
Die Frau antwortete nicht sofort, und als Ethan das Büro betrat, riss sie den Blick hoch und schaute ihn an.
Sie war jünger, als ihre Stimme vermuten ließ – Ende zwanzig vielleicht. Ihr dunkles lockiges Haar wurde im Nacken von einer Spange zusammengehalten. Sie hatte hohe Wangenknochen, eine gerade Nase und trug sehr wenig Make-up, das die dunklen Ringe unter ihren Augen kaum kaschierte. Aber selbst mit dem finsteren Gesicht und der unübersehbaren Erschöpfung war sie ein Hingucker. Und diese Augen … sie waren faszinierend. Wie warme geschmolzene Schokolade mit winzigen Tröpfchen Honig. Augen, die sagten: Schau mich an, obwohl sie offenbar versucht hatte, sich absichtlich unvorteilhaft zu kleiden, indem sie den hässlichsten grauen Hosenanzug trug, den er je gesehen hatte.
Ethan lächelte – nicht gezwungen –, und zum ersten Mal, seit er den Fall angenommen hatte, dachte er, dass es vielleicht doch keine so schlechte Entscheidung gewesen war, hierherzukommen. Nicht wenn das der Anblick war, auf den er sich jeden Tag freuen konnte.
Ihr Blick wurde schmal. Neugier flammte in ihren faszinierenden Augen auf. Aber statt die Fragen zu stellen, die ihr ganz sicher im Kopf herumgehen mussten, sah sie wieder Direktor Burke an. »Sollten Sie plötzlich die Besprechung vergessen oder praktischerweise krank werden, David, dann stehe ich bei Ihnen zu Hause auf der Matte.«
»Daran habe ich keinen Zweifel«, murmelte Burke, als die Frau sein Büro verließ. Sie würdigte Ethan keines zweiten Blickes, sondern rauschte einfach an ihm vorbei, als sei er gar nicht da. Die Duftwolke aus Lavendel und Vanille, die sie dabei verströmte, schwebte zu Ethan herüber, und es fuhr ihm heiß in den Bauch.
Aus dem Vorzimmer drangen gedämpfte Stimmen herein, gefolgt von dem Knallen der Tür. Als das Geräusch verklang, griff Burke nach einer Akte auf seinem Schreibtisch und seufzte. »Tut mir leid. Verärgerte Lehrer sind oft unangenehmer als mürrische Postangestellte.«
»So schlimm?« Da der Direktor sich nicht setzte, stellte Ethan seine Tasche auf einen der beiden Stühle vor dem Schreibtisch und steckte die Hände in die Hosentaschen.
»Sie haben ja keine Ahnung. Die Frau ist nur glücklich, wenn sie mich regelmäßig bei den Eiern hat.«
Ethan lachte leise. Seltsamerweise war das eine gleichzeitig schmerzhafte und lustvolle Vorstellung. »Sie Glückspilz.«
Burke reichte ihm den Ordner. »Ich muss leider gleich weg, weil ich in fünfzehn Minuten ein Meeting im Bezirksamt habe. Für morgen ist alles vorbereitet. Solange Sie nicht stören, werden wir Sie nach besten Kräften unterstützen.«
»Sie werden gar nicht merken, dass ich da bin.« Ethan klappte den Ordner auf und überflog die oberste Seite. »Sind das die Beurteilungen von Thomas’ Sozialverhalten durch die Lehrer?«
»Ja, es fehlt nur die von Sam Parker.«
»Und der ist …?«
»Chemielehrerin.« Burke schlüpfte in seine Anzugjacke und deutete mit dem Kinn auf die Tür. »Sie haben Sie gerade kennengelernt.«
»Ah.« Ethan zog einen Mundwinkel hoch. »Verärgerte Lehrerin. Ja. Ich glaube, ich erinnere mich.« Als ob er das Mädchen mit den funkelnden Augen vergessen könnte.
»Sie war auf dem Weg in ihr Klassenzimmer. Sie können sie...




