E-Book, Deutsch, 512 Seiten
Neumann Der historische Jesus
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7543-7869-4
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Biographie, die Botschaft, die Überlieferung
E-Book, Deutsch, 512 Seiten
ISBN: 978-3-7543-7869-4
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Faszination des Jesus von Nazareth liegt nicht zuletzt darin, dass er immer wieder für Überraschungen gut ist. Die Ergebnisse dieser neuen Untersuchung: Jesus wurde 20 v. Chr. in Bethlehem geboren und am Hof Herodes des Großen erzogen. Er gewann den Herodessohn Antipas zum Freund und wurde 6 n. Chr. dessen Verwalter in Galiläa. Nach dem Vorbild Roms schufen Jesus und Antipas in Galiläa eine ideale Gesellschaft, in der Wohlstand und Rechtssicherheit herrschten: ein irdisches Reich Gottes. In der Krise der Jahre 35/36 n. Chr. nahm Jesus an einem Aufstand gegen die Römer teil und wurde zum Messias ausgerufen. Nach der Niederlage bot er sich dem Pilatus als Opfer an, um das Leben der Aufständischen zu retten. Der Historiker und Theologe Johannes Neumann hat alle verfügbaren antiken Quellen ausgewertet und eine beeindruckende und gut dokumentierte Geschichte des Jesus von Nazareth geschrieben.
Johannes Neumann, geboren 1949, studierte 1968-1973 evangelische Theologie in Leipzig und Berlin, 1975-1979 Geschichte in Mainz und Hamburg. 1993-2019 war er als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in eigener Kanzlei in Radebeul bei Dresden tätig. Blog des Autors: +++ bibel-blog.com +++ bibleblog-en.com +++
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Einleitung
Einstieg in die Argumentation der Untersuchung
1. Archaische Staaten und Hochreligionen Was ist eine Religion? Oder genauer: Wozu dienen Religionen in der Geschichte? Religionen sind, soziologisch betrachtet, Ideologien, die nicht nur Weltanschauungen vermitteln, sondern vor allem ethische Werte und eine soziale Identität. In archaischen Staaten1 waren Hochreligionen mit Staaten verbunden, sie waren Ideologien entstehender Staaten, in denen die Herrscher als Götter oder als Nachkommen von Göttern verehrt wurden. Götter wurden als Quelle von Macht, von Gesetzen und von Glück, verehrt. Die Herrscher waren die Vertreter der Götter, die Lieblinge der Götter. In China wurde der Kaiser als Sohn des Himmels verehrt, der das Mandat des Himmels hatte, jedenfalls solange seine Regierung vom Glück begünstigt war. Wenn Frühjudentum und Urchristentum wie alle anderen Religionen Ideologien waren, die ihre Existenz staatlichen Mächten verdankten, denen sie Weltanschauungen, ethische Standards, Herrscherverehrung und soziale Identität lieferten, dann können wir im Umkehrschluss nach historischen Staaten suchen, denen unsere Religionen als Staatsreligionen dienen konnten. Wenn sich das Urchristentum als neue Religion etablieren konnte, müssen wir fragen, wo soziale Umbrüche in so großem Ausmaß stattfanden, dass neue ethische Standards nötig wurden und neue soziale Identitäten entstanden. 2. Das Rom des Kaisers Augustus Das Römische Reich war zur Zeit der Kaiser Augustus (31 v. bis 14 n. Chr.) und Tiberius (14 bis 37 n. Chr.) ein Reich im Umbruch. Die römische Adelsrepublik war in den Wirren des Bürgerkriegs untergegangen, das neue Kaiserreich suchte noch nach Stabilität. In derrömischen Republik galt das Prinzip der Gegenseitigkeit und des Ausgleichs der führenden Familien. Als Caesar die Alleinherrschaft errang, erkannte er, dass er Feindschaft nicht wie bisher mit Feindschaft beantworten durfte, sondern dass er den Feinden aus dem Bürgerkrieg ein Angebot zur Mitarbeit im neuen Staat machen musste. Das Problem wird im Epos Pharsalia oder Der Bürgerkrieg des Dichters Lukan (39-65 n. Chr.) in der Person von Caesars Gegner Cato thematisiert, der die Milde Caesars als Ausdruck von dessen Überlegenheit ablehnt. Die politische Struktur des Römischen Reiches war im Umbruch, die Kultur antwortete mit vielen Werken der römischen Dichter auf die sozialen Verwerfungen und den politischen Neuanfang. Die Aeneis Vergils (70 bisl9 v. Chr.) markiert einen Meilenstein auf diesem Wege. In der Religion setzte Augustus zunächst auf die alten römischen Staatskulte, die das öffentliche Leben dominierten, aber die individuellen religiösen Bedürfnisse nicht befriedigen konnten. Das taten Mysterienkulte, die damals einen großen Aufschwung erlebten. Im Osten des Reiches, besonders in Kleinasien, begann der Kaiserkult, der in Rom noch verpönt war, sich als neue Religion zu etablieren. In der Hauptstadt wurden aber verschiedene Kulte zu Ehren des Kaisers und seiner Vorfahren ins Leben gerufen, die den Kaiserkult vorbereiteten. 3. Das Galiläa des Herodes Antipas Was die globale Supermacht vorexerzierte, wiederholte sich in den abhängigen Staaten. In Palästina hatte Herodes der Große (40 bis 4 v. Chr.) den Römern mit Bauten nachgeeifert, aber sein Reich mit harter Hand regiert. Seine Söhne hatten in Rom studiert und die augusteische Kultur und den augusteischen Rechtsstaat kennen gelernt. Uns interessiert hier vor allem Herodes Antipas (4 v. bis 39 n. Chr.), der Galiläa als Fürstentum erhielt und erfolgreich regierte. Er stand aber vor einem grundlegenden Problem: Bis zur Herrschaft des alten Herodes war das Judentum eine Tempelreligion gewesen, fixiert auf den Tempel in Jerusalem und andere Heiligtümer. Keiner der großen heiligen Orte befand sich im Herrschaftsbereich des Antipas. Außerdem musste er anstelle des autoritären Herrschaftssystems seines Vaters ein auf Gesetzen und freiwilliger Zustimmung der Einwohner beruhendes Gemeinwesen nach dem Vorbild des kaiserlichen Rom schaffen. Antipas hatte zwei Möglichkeiten, diese Aufgabe zu bewältigen: 1. Sich selbst nach dem Vorbild des Augustus als übernationalen Herrscher und Garant der staatlichen Ordnung verehren zu lassen, 2. auf die große jüdische Bevölkerungsgruppe zuzugehen und sich als Gesetzgeber der jüdischen sozialen und Religionsgesetze feiern zu lassen. Beide Möglichkeiten, eine Staatsreligion als Staatsideologie zu etablieren, hat Antipas genutzt. 4. Antipas und die biblischen Religionen Die Herrscherideologie ist im Judentum mit dem Begriff des Messias verbunden. Eine messianische Religion entstand in Galiläa zur Zeit des Antipas tatsächlich, aber als Messias ist Jesus von Nazareth überliefert, nicht der regierende Fürst Antipas. Die Religion des Judentums auf der Basis der jüdischen sozialen und Religionsgesetze ist tatsächlich in den Schriften des Alten Testaments dokumentiert, nur ist diese Religion mit dem Namen des Mose verbunden, nicht mit dem in Galiläa regierenden Fürsten Antipas. Nach der geschichtlichen Logik, die hier aufgezeigt wurde, sollten Christentum oder Judentum oder beide auf den Fürsten Antipas zurückgehen, der eine Staatsreligion als Staatsideologie benötigte. Die Frage, in welchem Verhältnis Antipas zu den beiden Religionen stand, wird ein Thema dieses Buches sein. 5. Der Ausgangspunkt der Untersuchung:
Die antiken Texte, nicht die kirchliche Tradition Der Ausgangspunkt unserer Untersuchung sind die antiken Texte über Jesus, egal, wo sie zu finden sind. Unser Ausgangspunkt ist nicht die kirchliche Tradition über Jesus Christus, die in den theologischen Jesusbüchern anhand der neutestamentlichen Texte verifiziert und behutsam korrigiert wird. Antike Texte über Jesus und die Apostel finden sich nicht nur in den neutestamentlichen Schriften, und diese Schriften selbst bergen manche verschüttete Information, die es offen zu legen gilt. Welche Texte im Einzelnen herangezogen werden können, wird im Laufe der Untersuchung deutlich werden. Fünf Schwierigkeiten, eine Geschichte Jesu aus der Sicht des Historikers zu schreiben Warum hat bisher niemand eine Geschichte Jesu und des Urchristentums aus geschichtswissenschaftlicher Sicht geschrieben? Es gibt viele Hindernisse zu überwinden: 1. Die Sprachbarriere. Das Neue Testament ist in Altgriechisch geschrieben, in einer Sprachform, die als Koine bezeichnet wird und im 1. Jahrhundert gebräuchlich war. Das Alte Testament ist in Hebräisch geschrieben, einer semitischen Sprache, die in vorpersischer Zeit in Judäa gesprochen und in persischer Zeit vom Aramäischen verdrängt wurde. Das Hebräische wurde von Priestern weiter gepflegt und im 1. Jahrhundert als heilige Sprache der Juden wiederbelebt und von religiösen Gemeinschaften wie in Qumran und Dichtern für heilige Texte wie die alttestamentlichen Schriften verwendet. 2. Die hermeneutische Frage. Hat man die Sprachbarriere gemeistert - es gibt ja auch gute Übersetzungen, die dabei helfen - steht als nächste Barriere die Textinterpretation an. Ist mein Text ein historischer Bericht, wenn ja, wie verlässlich sind die Quellen des Verfassers? Welches Interesse verfolgt der Autor? Welche schriftstellerischen Gepflogenheiten musste er beachten? War der Verfasser ein Dichter? Welche Vorbilder hatte er, denen er nacheiferte, nach denen er seinen Text gestaltete? Die klassische Philologie, die die griechischen und lateinischen Texte erforscht, hat in den vergangenen Jahrzehnten große Fortschritte in der Interpretation antiker Texte gemacht. Sind diese Fortschritte bei der Bibellektüre zu beachten oder sind biblische Texte Literatur sui generis, von eigener Art, die eine eigene religiöse Interpretation erfordern und irdischen Fragestellungen enthoben sind? 3. Der garstigen historischen Graben. Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781) hat so die geschichtliche und kulturelle Barriere genannt, die uns das Verständnis der Vergangenheit erschwert. Ein Beispiel: Viele vergleichen das Römische Reich mit dem britischen Kolonialreich und den Widerstand der Juden mit dem Widerstand der Kolonialvölker gegen die Briten. Trotz Parallelen gibt es aber gewaltige Unterschiede, die zu beachten sind. 4. Der Respekt vor der eigenen religiösen Tradition. Der Theologe Martin Kähler (1835-1912) schrieb 1892: Niemand ist im stande, die Gestalt Jesu wie irgend eine andre Gestalt der Vergangenheit zum Gegenstände lediglich geschichtlicher Forschung zu machen; zu mächtig hat sie zu allen Zeiten unmittelbar auf weite Kreise gewirkt...2 5. Der Respekt vor dem Jesusbild der heutigen Wissenschaft. Die Jesuswissenschaft ist fest in kirchlicher Hand. Aber eine andere Jesuswissenschaft gibt es nicht. Die beteiligten Wissenschaftler, die meist ihre Karriere auf den zurzeit gültigen wissenschaftlichen Normen aufgebaut haben, haben einen hohen Respekt vor ihren älteren und erfahreneren Kollegen, die das Fach prägen. Der...