E-Book, Deutsch, 320 Seiten
Neumann Helfen.
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-7528-4560-0
Verlag: Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)
Der Hamburger Katastrophen- und Bevölkerungsschutz.
E-Book, Deutsch, 320 Seiten
ISBN: 978-3-7528-4560-0
Verlag: Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)
Helfen. Katastrophenschutz in Hamburg. Ausgehend vom Bericht einer von Helmut Schmidt 1964 initiierten Studienkommission über den Zivilschutz in der Freien und Hansestadt Hamburg ist dieser Sammelband eine Bestandsaufnahme des Katastrophen- und Zivilschutzes der Elbmetropole. Akteure, Entscheidungsträger und Wissenschaftler nehmen kritisch Stellung, diskutieren Gefahren wie Herausforderungen für die Millionenmetropole an der Elbe.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
VORWORT
Helfen als Herausforderung von Michael Neumann „Angesichts der so schrecklichen und elenden Situation in unserer Stadt war der ehrwürdige Ruf der göttlichen und menschlichen Gesetze fast völlig zerstört und vernichtet, weil Vertreter und Vollstrecker wie die übrige Bevölkerung tot oder krank waren und es ihnen an Gehilfen mangelte, eine Amtshandlung vorzunehmen.“1 Nun war die Pest, auch der „Schwarze Tod“ genannt, in den Jahren 1346 bis 1350 eine bisher einzigartige Katastrophe, die gut einem Drittel der europäischen Bevölkerung das Leben kostete, doch standen die Menschen, ihre Gesellschaften und ihre Staaten vor bis dahin unfassbaren Herausforderungen, die in vielen Städten und weiten Landstrichen zum Zusammenbruch der Gesellschaften führte.2 Beschäftigt sich eine verantwortungsvolle Regierung mit der Vorsorge für solcherlei Ausnahmesituationen gerät sie in unseren Zeiten schnell in den Ruf der Panikmache, gar der Verbreitung von Hysterie. Als die Frankfurter Sonntagszeitung (FAS) über den bevorstehenden Beschluss der Bundesregierung über eine neue Konzeption Zivile Verteidigung (KZV) berichtete, und in diesem Zusammenhang aus dem Papier die Anregung zitierte, dass man private Vorräte anlegen solle3, machte man sich in der Öffentlichkeit eher darüber lustig. 4 Der Linkspartei-Spitzenkandidat der letzten Bundestagswahl Dietmar Bartsch warf der Bundesregierung vor, sie erwecke den Eindruck, „als wenn wir kurz vor einem Krieg stehen.“5 Man könne „Menschen mit immer neuen Vorschlägen, mithin zu Hamsterkäufen, völlig verunsichern.“ 6 In den Sozialen Medien wurde u.a. folglich die Forderung erhoben, dass „jeder nur einen Hamster“7 kaufen solle.8 Was war geschehen? Während die 90er Jahre von sicherheitspolitischer Sorglosigkeit nach Beendigung des Kalten Krieges geprägt waren und man sich auf den „Genuss der Friedensdividende“ konzentrierte, rissen die Gewalttaten des islamistischen Terrors wie die Naturkatastrophen 2001/02 Deutschland aus dem Dornröschenschlaf. Infolge dessen verständigte sich die Innenministerkonferenz (IMK) 2002 auf eine „Neue Strategie zum Schutz der Bevölkerung“9. Ziel war die bessere Unterstützung der Länder durch den Bund bei Katastropheneinsätzen. Der Bund richtete sein Engagement weg von der Zivilverteidigung hin zur Amts- und Katastrophenhilfe für die Länder aus.10 Diese Entwicklung ging sogar so weit, dass das erst zwei Jahre zuvor aufgelöste Bundesamt für den Zivilschutz (BZS), als Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) 2002 wiederbegründet wurde. Der damalige Bundesinnenminister begründete dies mit „erste(n) Analysen des Krisenmanagements zur Bewältigung der Flutkatastrophe“ die gezeigt hätten, „daß im Bereich von Information, Koordination und vor allem auch beim länderübergreifenden Ressourcenmanagement Optimierungsbedarf besteht.“ Der Bund sei zwar „für den Katastrophenschutz nicht unmittelbar zuständig.“ Er werde jedoch – vor allem bei großflächigen Gefahrenlagen – „zunehmend eine stärkere Koordinierungsverantwortung wahrnehmen.“ 11 Gleichzeitig hatten sich jedoch die Einheiten der Bundeswehr infolge immer weiterer Truppenreduzierungen deutlich aus der Fläche zurückgezogen. 12 Folgerichtiger Tiefpunkt dieser Entwicklung war dann die Aussetzung der Wehrpflicht mit den mittelbar für den Katastrophenschutz verbundenen Konsequenzen im Jahre 2011.13 Die weiteren Entwicklungen seit 2002 haben jedoch dazu geführt, dass der Bund seine Mittel zur Zivilverteidigung wieder verstärkt auf Bedrohungen durch konventionelle Waffen, chemische, biologische, radiologische und nukleare Wirkstoffe (CBRN-Gefahren), den Einsatz von Massenvernichtungsmitteln, aber auch Cyber-Angriffe und den Schutz von kritischer Infrastruktur konzentriert. 14 Grundlage hierfür war die Beschlussfassung und Veröffentlichung des neuen „Weißbuches zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr 2016“. In dieser von der Bundesregierung beschlossenen Grundlage für die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik beschreibt Bundeskanzlerin Angela Merkel die Welt als „eine Welt in Unruhe. Auch in Deutschland und Europa spüren wir die Folgen von Unfreiheit, Krisen und Konflikten in der unmittelbaren Nachbarschaft unseres Kontinents. Wir erleben zudem, dass selbst in Europa Frieden und Stabilität keine Selbstverständlichkeit sind“15. In diesem Kontext formulierte die Bundesregierung die Forderung nach einer resilienten Gesellschaft, zu der zentral ein wirkungsvoller Zivil- und Katastrophenschutz gehöre. Konsequenterweise wurde die Überarbeitung, respektive Neuerarbeitung der zuletzt 1995 16 vorgestellten Konzeption Zivile Verteidigung durch den Haushaltsausschuss bereits 2012 von der Bundesregierung gefordert.17 Die Veröffentlichung der neuen Konzeption Zivile Verteidigung (KZV) am 24. August 2016 führte in der Folge zu der oben beschriebenen medialen Aufregung. Kritisiert wurde nicht nur die Aufforderung an die Bevölkerung, auch private Vorräte an Lebensmitteln und Wasser vorzuhalten, sondern auch die erfreuliche Klarheit der Beschreibung möglicher Szenarien und deren Folgen für eine komplexe Industrienation. 18 Dabei gehört doch die staatliche Notfallvorsorge und -planung zu den Kernaufgaben eines sich noch selbst ernstnehmenden Gemeinwesens. Der Umstand, dass - in der Überzeugung „von Freunden umzingelt“19 zu sein - seit dem Ende des Kalten Krieges die zivile Verteidigung faktisch aufgegeben wurde, erklärt vielleicht die Überraschung in Teilen von Politik und Öffentlichkeit. Augenscheinlich wollte man sich mit den sicherheitspolitischen Notwendigkeiten und Gefahren nicht ernsthaft auseinandersetzen. Der Spiegel schrieb, dass dieser „Heimaturlaub von der Weltpolitik“20 mit der Operation „Wüstensturm“ zur Befreiung Kuwaits und deren logistische Unterstützung durch die Bundeswehr 1991 endete. Spätestens der Einsatz der Bundeswehr 1999 im NATO-Einsatz gegen Serbien war aber der Zeitpunkt, an dem man die Veränderung deutscher Sicherheitspolitik deutlich machen kann. Im Hinblick auf die Vorsorge im Inneren fand diese Neuorientierung jedoch nicht statt. Unser Land verfügte in den vergangenen Jahren, fast Jahrzehnten über kein geschlossenes und auf zukünftige Risiken ausgerichtetes ganzheitliches Krisen- und Notfallkonzept. Gewiss gab und gibt es Teile, die meist sehr konkret auf den Arbeitsebenen erarbeitet und praktiziert werden, eine gesamtstaatliche Einordnung und Abstimmung existierte nicht. Dies erklärt aber nur zum Teil die gewiss parteipolitisch motivierte Aufregung im Zusammenhang mit der Vorstellung der Konzeption Zivile Verteidigung. Kritik löste auch besondere Erwähnung hybrider Angriffe aus, die seit der Besetzung der Krim und Teilen der Ukraine eine besondere Aufmerksamkeit gewonnen haben. Stellt diese doch nicht nur für die deutsche Sicherheitsarchitektur eine besondere Herausforderung dar, da ein Merkmal hybrider Bedrohungen deren „späte Erkennbarkeit und Zurechenbarkeit“21 ist. Für die Gefahrenabwehr und Lagebewältigung ohne Feststellung des Spannungs-, Verteidigungs- oder Bündnisfalles sind die Länder zuständig. Der Bund bleibt „auf die Unterstützung der Länder beschränkt“22. Dies bedeutet, dass die Herausforderungen und Aufgaben für die Bundesländer deutlich steigen, deutlich formuliert: Übersteigen. Sondern es gab und gibt nicht wenige politische Akteure, die die aggressive russische Aussenpolitik mit ihrer hybriden Kriegsführung23 mindestens verharmlosen, wenn nicht gar rechtfertigten. 24 Eine klare Nennung dieser möglichen Aggressionen sowie das Bemühen um eine Abwehrstrategie auf deutscher und/oder europäischer Seite musste dementsprechend bei den „Russland-Verstehern“ auf Widerspruch stoßen.25 Gleichzeitig gab und gibt es eine Scheu der politischen Verantwortungsträger, Risiken für unsere Gesellschaft konkret zu benennen und diese Ansprache mit entsprechenden Anforderungen an die Bürgerinnen und Bürger zu verbinden. Symptomatisch waren die Äusserungen des Bundesinnenministers im Zusammenhang mit der Absage eines Fussballländerspieles in Hannover durch die Sicherheitsbehörden. Auf die Frage eines Journalisten, welche Erkenntnisse über die Bedrohungslage man denn habe, erklärte der Minister: „Ein Teil der Antworten würde die Bevölkerung verunsichern.“26 Einen größeren kommunikativen Fehltritt hätte man sich nicht leisten können. Doch zeigt diese Aussage exemplarisch, wie politisch Verantwortliche mit den Herausforderungen, die sich aus verschiedensten Bedrohungen ergeben können , umgehen. Viele Fragen des...




