Neundorfer | Zur Hochzeit | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

Reihe: Fischer Klassik Plus

Neundorfer Zur Hochzeit

Ein Lesebuch für den schönsten Tag des Lebens
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-10-401881-2
Verlag: S.Fischer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Ein Lesebuch für den schönsten Tag des Lebens

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

Reihe: Fischer Klassik Plus

ISBN: 978-3-10-401881-2
Verlag: S.Fischer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



'Hat versalzen dir die Suppe/ Deine Frau, bezähm die Wut,/ Sag ihr lächelnd: Süße Puppe,/ Alles was du kochst ist gut.' Auch wenn natürlich nicht immer alles gut ist im Alltag einer Ehe, ist Heines ›Guter Rat‹ vielleicht gar nicht so schlecht. Mit Rücksicht und Humor jedenfalls übersteht man so manch versalzene Suppe. Noch wichtiger aber ist die Erinnerung an den Anfang: an dieses wunderbare Versprechen, das man sich bei der Hochzeit gab. Dieser Band steht im Zeichen dieses großen Versprechens am schönsten Tag des Lebens. Er versammelt das Frechste, Schönste und Hoffnungsvollste, was Schriftsteller über das Heiraten und Verheiratetsein geschrieben haben.

Mit Texten von Theodor Fontane, Arthur Schopenhauer, Thomas Mann und anderen.

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Autoren/Hrsg.


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Iwan Gontscharow: Oblomows Verlobung


Er lief Oljga suchen. Man sagte ihm bei ihr zu Hause, daß sie fortgegangen war; er eilte ins Dorf – sie war nicht da. Dann erblickte er sie in der Ferne, wie sie gleich einem dem Himmel entgegenschwebenden Engel auf den Berg stieg, so leicht stützte sich ihr Fuß, so anmuthig wiegte sich ihre Gestalt. Er folgte ihr, doch sie berührte kaum das Gras und schien wirklich fortzufliegen. Er rief sie, als er den Berg bis zur Hälfte erklommen hatte. Sie wartete auf ihn, sowie er ihr aber um zwei Klafter näher kam, eilte sie weiter, so daß zwischen ihnen wieder eine große Entfernung entstand, blieb dann stehen und lachte. Endlich erlangte er die Gewißheit, daß sie ihm nicht entkommen würde. Sie lief ihm ein paar Schritte entgegen, reichte ihm die Hand und schleppte ihn lachend zu sich. Sie traten in den Hain; er nahm den Hut ab, sie wischte ihm die Stirn mit einem Tuch ab, und begann ihm mit dem Schirm ins Gesicht zu fächeln.

Oljga war lebhafter, gesprächiger und fröhlicher als sonst, manchmal ließ sie sich durch eine zärtliche Aufwallung hinreißen und vertiefte sich dann plötzlich in ihre Gedanken.

– Rathe, was ich gestern gethan habe? – fragte sie, als sie sich in den Schatten gesetzt hatten.

– Gelesen?

Sie schüttelte den Kopf.

– Geschrieben?

– Nein.

– Gesungen?

– Nein. Karten gelegt! – sagte sie. – Die Wirtschafterin der Gräfin war gestern da; sie kann Karten legen und ich habe sie darum gebeten.

– Nun, und was ist herausgekommen?

– Nichts. Zuerst eine Reise, dann eine Menschenmenge und überall ein blonder Mann, überall … Ich bin roth geworden, als sie mir plötzlich in Katjas Anwesenheit sagte, daß ein König coeur an mich denkt. Als sie erzählen wollte, an wen ich denke, habe ich die Karten durcheinandergeworfen und bin fortgelaufen. Denkst Du an mich? – fragte sie plötzlich.

– Ach! – sagte er, – wenn ich an Dich nur weniger denken könnte!

– Und ich! – sagte sie sinnend, – ich habe schon ganz vergessen, daß man anders leben kann. Als Du vorige Woche geschmollt hast und zwei Tage lang nicht gekommen bist – weißt Du, Du warst böse? – bin ich plötzlich ganz anders geworden, so zornig. Ich habe mich mit Katja herumgezankt, wie Du mit Sachar; ich habe sie heimlich weinen gesehen und sie hat mir gar nicht leid gethan. Ich antwortete ma tante nicht, hörte nicht, was sie sagte, that nichts, wollte nirgends hin. Und so wie Du gekommen bist, bin ich plötzlich ganz anders geworden. Ich habe Katja mein lila Kleid geschenkt …

– Das ist die Liebe! – sprach er pathetisch.

– Was? Das lila Kleid?

– Alles! Ich erkenne mich in Deinen Worten; auch für mich gibt es ohne Dich keinen Tag und kein Leben, ich träume des Nachts immer von blühenden Thälern. Wenn ich Dich sehe, bin ich gut und thätig; wenn nicht, langweile ich mich, bin träge, will mich hinlegen und an nichts denken … Liebe und schäme Dich Deiner Liebe nicht …

Plötzlich schwieg er. »Was sage ich da? Ich bin ja nicht deswegen gekommen!« dachte er, begann sich zu räuspern und furchte die Brauen.

– Und wenn ich plötzlich sterbe? – fragte sie.

– Welch ein Gedanke! – sagte er wegwerfend.

– Ja, – fuhr sie fort, – ich erkälte mich und bekomme Fieber; Du kommst her – ich bin nicht da, Du gehst zu uns – man sagt Dir, ich bin krank, morgen ist wieder dasselbe; meine Fensterläden sind geschlossen; der Doctor schüttelt den Kopf; Katja kommt zu Dir auf den Fußspitzen verweint heraus und flüstert Dir zu: »das Fräulein ist krank, es stirbt …«

– Ach! – rief Oblomow plötzlich aus.

Sie lachte.

– Was wird mit Dir dann sein? – fragte sie, ihm ins Gesicht blickend.

– Was? Ich werde wahnsinnig oder erschieße mich, und Du wirst dann plötzlich wieder gesund!

– Nein, nein, hör’ auf! – sagte sie ängstlich. – Was wir da zusammensprechen! Komm aber nicht zu mir, wenn Du todt bist; ich fürchte mich vor den Todten …

Er lachte, sie auch.

– Mein Gott, was für Kinder wir sind! – sagte sie, sich besinnend.

Er räusperte sich wieder.

– Höre … ich wollte sagen …

– Was? – fragte sie, sich lebhaft zu ihm umwendend.

Er schwieg ängstlich.

– Nun, sprich doch, – fragte sie, ihn leise am Ärmel zupfend.

– Nichts, so … – sagte er erschrocken.

– Nein, Du hast etwas im Sinn!

Er schwieg

– Wenn es etwas Schreckliches ist, dann sprich lieber nicht, sagte sie. – Nein, sag’s doch! – fügte sie plötzlich hinzu.

– Es ist nichts, ein Unsinn.

– Nein, nein, Du hast etwas, sprich! – ließ sie nicht nach, ihn so nahe am Rock haltend, daß er das Gesicht nach links und nach rechts wenden mußte, um sie nicht zu küssen.

Er würde es nicht gethan haben, wenn ihr drohendes »nie« ihm nicht noch immer in den Ohren getönt hätte.

– Sag’ es! … bat sie beharrlich.

– Ich kann nicht, es ist nicht nöthig … – suchte er nach einem Ausweg.

– Wie konntest Du predigen, daß »das Vertrauen die Grundlage des gegenseitigen Glücks ist, daß es im Herzen keine einzige Regung geben darf, die sich den Augen des Freundes nicht offenbart«. Wer hat diese Worte gesagt?

– Ich habe nur sagen wollen, – begann er langsam, – daß ich Dich so liebe, so liebe, daß, wenn …

Er zögerte.

– Nun? – fragte sie ungeduldig.

– Daß, wenn Du jetzt einen andern lieben würdest und er befähigter wäre Dich glücklich zu machen … ich mein Unglück schweigend verwunden und ihm meinen Platz überlassen hätte.

Sie ließ seinen Rock plötzlich los.

– Warum? – fragte sie erstaunt. – Ich verstehe das nicht. Ich würde Dich niemand abtreten; ich will nicht, daß Du mit einer andern glücklich bist. Das ist zu verwickelt, ich verstehe das nicht.

Ihr Blick irrte sinnend über die Bäume hin.

– Das heißt also, daß Du mich nicht liebst? – fragte sie dann.

– Im Gegentheil, ich liebe Dich bis zur Selbstvergessenheit, wenn ich mich aufopfern will.

– Aber wozu? Wer bittet Dich darum?

– Ich sage ja, im Fall wenn Du einen andern lieben würdest.

– Einen andern! Du bist verrückt! Wie so, wenn ich Dich liebe? Wirst denn Du eine andere lieben?

– Warum hörst Du mir zu? Ich spreche Gott weiß was, und Du glaubst daran! Ich wollte ja ganz etwas anderes sagen …

– Was wolltest Du denn sagen?

– Ich wollte sagen, daß ich Dir gegenüber schuldig bin, und schon seit langer Zeit …

– Worin besteht Deine Schuld? Wie so? Du liebst mich nicht? Du hast vielleicht gescherzt? Sprich schnell!

– Nein, nein, das ist es nicht! – sagte er niedergeschlagen. Weißt Du … – begann er unschlüssig, – wir sehen uns … heimlich …

– Heimlich? Warum heimlich? Ich sage meiner Tante fast jedes Mal, daß ich Dich gesehen habe …

– Wirklich, jedesmal? – fragte er unruhig.

– Was ist denn Schlechtes dabei?

– Das ist meine Schuld; ich hätte dir längst sagen sollen, daß man so etwas … nicht thut …

– Du hast es gesagt.

– Ich habe es gesagt? Ja! Ich habe es thatsächlich … angedeutet. Ich habe meine Pflicht also erfüllt.

Er faßte Muth und freute sich, daß Oljga ihm so leicht die Last der Verantwortung abnahm.

– Was noch? – fragte sie.

– Noch … Das ist alles.

– Das ist nicht wahr, – bemerkte Oljga mit Bestimmtheit, – Du hast noch etwas; Du hast mir nicht alles gesagt.

– Ja, ich dachte … begann er, indem er einen nachlässigen Ton anzuschlagen bestrebt war, – daß …

Er schwieg; sie wartete.

– Daß wir seltener zusammenkommen sollten … – Er blickte sie schüchtern an.

Sie schwieg.

– Warum? – fragte sie nach einer Weile.

– An mir nagt eine Schlange: mein Gewissen … Wir bleiben so lange allein; ich bin erregt, mein Herz hört zu schlagen auf; Du bist auch unruhig … ich fürchte mich … – sprach er mit Mühe zu Ende.

– Wovor?

– Du bist jung, Oljga, und kennst alle Gefahren nicht. Manchmal hat der Mensch keine Macht über sich; dann beherrscht ihn etwas Höllisches, Finsternis senkt sich auf seine Seele herab und aus seinen Augen schießen Blitze. Die Klarheit des Geistes trübt sich; die Achtung der Reinheit und Unschuld gegenüber wird von einem Wirbelwind fortgeweht; der Mensch verliert die Besinnung, ihn sengt die Leidenschaft; er hört auf über sich zu verfügen – und dann eröffnet sich vor ihm ein Abgrund …

Er fuhr sogar zusammen.

– Was folgt daraus? Er soll sich nur eröffnen! – sagte sie ihn groß anblickend.

Er schwieg; entweder hatte er nichts mehr zu sagen oder er hielt es für überflüssig.

Sie blickte ihn lange an, als wollte sie in seinen Stirnfalten wie in geschriebenen Zeilen lesen, und dachte dabei an jedes Wort und jeden Blick von ihm; sie ließ die ganze Geschichte ihrer Liebe im Geiste an sich vorübergleiten, gelangte bis zum dunklen Abend im Garten und erröthete plötzlich.

– Du sprichst Unsinn! – bemerkte sie schnell, indem...



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