E-Book, Deutsch, Band 2, 176 Seiten
Reihe: HAYMON schwärmt
Neuwirth Helden. Heldin. Superhelden
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-7099-3879-9
Verlag: Haymon Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 2, 176 Seiten
Reihe: HAYMON schwärmt
ISBN: 978-3-7099-3879-9
Verlag: Haymon Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
BARBARA NEUWIRTH war als Verlegerin im Wiener Frauenverlag/Milena Verlag und Herausgeberin der Buchreihe Frauenforschung eine der aktiven Vorreiterinnen in der feministischen Publikationswelt. Die 1958 in Eggenburg geborene Schriftstellerin und Herausgeberin von wissenschaftlichen Sammelbänden und literarischen Anthologien lebt in Wien und bei Retz. Für ihr Schaffen wurde sie u.?a. mit dem Literaturpreis der österreichischen Industrie, dem Anton-Wildgans-Preis (2005), ausgezeichnet.
Autoren/Hrsg.
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Schwarzenegger und Barbar
Arnold Schwarzenegger hat sich mit seiner Filmrolle als , das Genre, in dem er erfolgreich bleiben würde, redlich erobert: Conan der Barbar entspricht der archetypischen Vorstellung einer Heldengeschichte. Es gibt einen Widersacher, der gefährlich, skrupellos, mächtig und persönlich für das Leid des vorerst schwachen Helden verantwortlich ist. Kindliche Traumata als Ursprung späterer Heldentaten gibt es in der Literatur häufig, und auch Conan muss die Tötung seiner Eltern ansehen, ehe er – und hier beginnt der lange Akt der Demütigung – als Kindersklave ausgebeutet wird. Die Verfilmung nach Motiven des Romans des US-amerikanischen Autors Robert E. Howard legt den Schwerpunkt auf Conans starken Willen. Der Held trainiert sich die für den Kampf erforderlichen Muskeln an, bringt das nötige Ausmaß an sozialer Intelligenz mit, um hilfreiche Gefährten zu gewinnen, und ist nicht nur schlagkräftig, sondern auch schlau genug, um ins Reich des Bösen vorzudringen und seine Mission zu erfüllen. Schwarzenegger hat als Conan alles richtig gemacht: Er ist der Prototyp eines Helden, dessen Wahrnehmungshorizont auf den ersten Blick beschränkt scheint, der aber zielgerichtet handelt und mit der eigenen Mission das Bedürfnis nach Strafe für arrogante, böse Mächtige auslebt. Die Story ist – dem Genre der Low Fantasy entsprechend – abgespeckt bis aufs Unverzichtbare. Es geht nicht um die Rettung der Welt, sondern um eine persönliche Abrechnung. Das Setting in einer erdachten Urzeit mit magischen Bräuchen und Wesen bringt unterhaltsame Exotik mit und eine Art Liebesgeschichte, die nebenbei erzählt wird, gibt es auch.
Selbstverständlich wurde der Film in der Kritik gegeißelt, weil er Anknüpfungspunkte für viele emotionale Reaktionen bietet: Wer eine faschistoide, menschenverachtende Grundhaltung erkennen wollte, sah sie, wer nur das opulent bebilderte Märchen sehen wollte, genoss es und brauchte keine Analyse gesellschaftlicher Schieflagen in einer erdachten Welt. Schwarzeneggers Pokerface brachte ihm eine Nominierung für eine in der Kategorie »Schlechtester Schauspieler des Jahres« ein und war der Start für eine Weltkarriere, die abseits von zahlreichen Heldenfilmrollen auch das Amt des politisch mächtigsten Mannes im liberalsten Bundesstaat der USA bereithielt. Mir gefällt Schwarzeneggers Conan-Pokerface und noch immer verspüre ich beim Ansehen des Films ein wohliges Gefühl des entlastenden Nichternstnehmenmüssens. Dieser Held erfüllt seine selbst gewählte Mission – im Gegensatz etwa zu Tom Cruise in seiner Rolle als Ethan Hunt in der -Reihe, der immer die Welt oder einen Teil der Welt retten muss und einen Auftrag zu erfüllen hat – ohne viel Skrupel und mit einem leidlich unbedarften Umgang mit seiner Umwelt. Angst um ihn muss man nicht haben, selbst wenn nicht alles gleich auf Anhieb gelingt, und er selbst scheint auch keine Angst zu kennen. Ich bewundere Schwarzeneggers Fleiß und Geschick – all das spiegelt sich in dieser wenig komplexen Rolle des Conan, der nicht aufgibt, aber seine Talente pflegt und ausbaut.
Die Beschäftigung mit Helden gewinnt mit den Widersprüchen, die sich dabei auftun, an Reiz. Ein Held ohne inneren Widerspruch kann schnell langweilig werden, aber erlebt man den eigenen Konflikt zwischen Anziehung und Abstoßung, so ist die Bindung spannender und nachhaltiger.
Nicht alles muss diskutiert werden im Umgang mit den Helden, ihre Lebenswelten müssen nicht zu 100 Prozent den Regeln und Naturgesetzen unserer Realität gehorchen. Das bringt mich auf die brillante Actionkomödie mit Arnold Schwarzenegger: .
In den USA floppte der Film, wie übrigens auch die herrliche Sci-Fi-Parodie von Tim Burton, in der alle vorgesehenen Helden versagen und nur ein pazifistisch verträumter, naiver Teenager und seine schwerhörige Oma durch einen (un)glücklichen Zufall die Waffe gegen die übermächtigen Bösewichte vom Mars zum Einsatz bringen: das schnulzige Countryund Western-Lied von Slim Whitman, der mit seinen schrillen Jodeleinlagen die Köpfe der Marsianer zum Explodieren bringt. Hier tut die Country- und Western-Musik etwas Gutes, aber ihre verheerende Wirkung hat mich nicht wirklich überrascht …
In wird das Heldentum ebenfalls nicht so ernst genommen und für das fröhliche Zeigtmir-Helden-zum-Vergnügen-Publikum, zu dem auch ich mich zähle, geradezu ideal verpackt. Es braucht: eine Zauberkinokarte. Die gibt es, und sie ist ein Geschenk von Harry Houdini an einen Filmvorführer, der sie sein Leben lang unbenutzt zur Erinnerung aufbewahrt hat. Jetzt ist er alt, betreibt aber immer noch ein Kino, in dem sich der elfjährige Danny liebend gerne die Filme seines Actionhelden Jack Slater, dargestellt von Arnold Schwarzenegger, ansieht. Der Filmvorführer schenkt Danny die Karte und überaschenderweise funktioniert ihr Zauber: Danny findet sich von einem Moment auf den nächsten nicht mehr im Kinosaal, sondern im Film mit Jack Slater wieder, dem tollen Polizisten aus Los Angeles.
Für Jack Slater ist die Filmrealität ident mit seiner Lebensrealität und er integriert den plötzlich aufgetauchten Buben ohne größere Überlegung in sein spannendes, unterhaltsames, komisches und ein bisschen tragisches Leben. Das Spiel mit verschiedenen Realitäts- beziehungsweise Vorstellungsebenen ist permanent in Bewegung. So fantasiert sich der gelangweilte Danny beispielsweise in seinem realen Schulleben bei einer Aufführung von in der Filmfassung von 1948 Jack Slater an die Stelle von Laurence Olivier in der Titelrolle. Das »to be or not to be« findet prompt eine radikale Entscheidung: not to be – allerdings mithilfe schwerer Waffen und für Hamlets Widersacher.
Sobald Danny Teil der Filmebene geworden ist und er den verehrten Jack Slater davon überzeugen will, dass alles doch nur ein Film sei, tauchen ständig Filmstars auf. Danny ist begeistert, schließlich sind die doch Beweis für seine Behauptung, aber Slater lässt sich von dem lästigen Jungen nicht beeindrucken. Im Videoladen, wo Danny seine Chance sieht, Slater von der Filmrealität seiner Existenz zu überzeugen, steht statt der erwarteten Schwarzenegger-Figur zur Bewerbung des Films eine Pappfigur von Sylvester Stallone! Danny protestiert lauthals: »Nicht doch, das ist völlig unmöglich!«, worauf Slater Stallones schauspielerische Leistung verteidigt: »Was ist unmöglich? Er ist fantastisch. Das ist der beste Film, den er je gemacht hat!« Das raubt Danny die Fassung: »Aber … das warst du! Du hast in dem Streifen gespielt!« Schwarzenegger ist im Film , in dem sich Danny gerade wundersam befindet, aber eben bloß Jack Slater. Erst im Showdown von , der wieder in die reale Welt führt, in die nun die Böswichte und Monster aus der Filmwelt mit der Zauberkarte Zugang haben, trifft Jack Slater auf den realen Arnold Schwarzenegger. Diese Szene spielt bei der Filmpremiere des neuesten Jack-Slater-Films. Die nutzt Arnold Schwarzenegger, der Darsteller von Jack Slater, sehr zum Missfallen seiner Frau Maria Shriver, um Werbung für sein Restaurant zu machen … In wird jedes Klischee vorgeführt und witzig gebrochen. Dass Slater in der realen Welt erstens verwundbar und zweitens von Dannys Mama verzaubert ist, konfrontiert Danny final damit, dass die Filmwelt und das reale Leben ihre eigenen Regeln haben.
Erschütternd komisch ist auch die Szene, in der der Bösewicht Benedict, der ebenfalls mithilfe der Karte die Filmebene verlassen hat und sich nun in Dannys realer Welt befindet, erkundet, wie die für ihn neue Welt mit Verbrechen umgeht. In einer New Yorker Seitengasse bittet er einen zufälligen Passanten um Mithilfe bei der Überprüfung einer Theorie. Dem Mann bleibt kaum Zeit, seine freundliche Bereitschaft zu bereuen, denn Benedict erschießt ihn umgehend. Nachdem es von der städtischen Umwelt keinerlei Reaktion auf den Schuss gibt, verkündet Benedict sehr laut: »Hallo? Ich habe gerade jemanden erschossen. Ich habe es absichtlich gemacht.« Doch niemand reagiert darauf. Erneut wiederholt Benedict sein geschrienes Bekenntnis: »Ich sagte: Ich habe einen Menschen umgebracht!« Erst eine Weile später antwortet ihm eine wütende Stimme: »Halt doch dein Maul!« Die Zufriedenheit Benedicts mit der Erkenntnis, dass in der realen Welt Verbrechen viel weniger geahndet werden als in der Filmwelt, ist provokant.
Im Showdown mit vielen Kurzaufritten von Actionfilmdarstellern und Hollywood-Schönheiten vermischen sich die beiden Filmebenen vollends. Zum Schluss muss Danny Jack Slater wieder in die Filmwelt zurückbringen, damit er seinen Verletzungen aus dem Kampf gegen das Böse in der realen Welt nicht erliegt. Eine Fast-Schlussszene, in der der Tod aus Bergmans – ebenfalls durch die Zauberkarte aus seinem Film befreit – von der Leinwand heruntersteigt und den verwundeten Jack Slater aus Neugier aufsucht, aber nicht mitnehmen will, bringt letztlich sogar noch einen Hauch Poesie ins Kino.
Dieser komische, anspielungsreiche Film, in dem vom Actiongenre...